Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

und den großen Einfluß wohl kannte, welchen
solche und verwandte Studien bey Höfen und
in Cabinetten einem fähigen Kopfe zu ver¬
schaffen geeignet sind, fühlte eine unüberwind¬
liche ja ungerechte Abneigung gegen den Zu¬
stand des Civilisten, und hatte die gleiche
Gesinnung den Seinigen eingeflößt. Obge¬
nannte beyde Männer, Freunde von Salz¬
mann, hatten auf eine liebreiche Weise von
mir Kenntniß genommen. Das leidenschaft¬
liche Ergreifen äußerer Gegenstände, die Dar¬
stellungsart, womit ich die Vorzüge derselben
herauszuheben und ihnen ein besonderes In¬
teresse zu verleihen wußte, schätzten sie höher
als ich selbst. Meine geringe, ich kann wohl
sagen nothdürftige Beschäftigung mit dem Ci¬
vilrechte war ihnen nicht unbemerkt geblie¬
ben; sie kannten mich genug, um zu wissen,
wie leicht ich bestimmbar sey; aus meiner Lust
zum academischen Leben hatte ich auch kein
Geheimniß gemacht, und sie dachten mich da¬
her für Geschichte, Staatsrecht, Redekunst,

und den großen Einfluß wohl kannte, welchen
ſolche und verwandte Studien bey Hoͤfen und
in Cabinetten einem faͤhigen Kopfe zu ver¬
ſchaffen geeignet ſind, fuͤhlte eine unuͤberwind¬
liche ja ungerechte Abneigung gegen den Zu¬
ſtand des Civiliſten, und hatte die gleiche
Geſinnung den Seinigen eingefloͤßt. Obge¬
nannte beyde Maͤnner, Freunde von Salz¬
mann, hatten auf eine liebreiche Weiſe von
mir Kenntniß genommen. Das leidenſchaft¬
liche Ergreifen aͤußerer Gegenſtaͤnde, die Dar¬
ſtellungsart, womit ich die Vorzuͤge derſelben
herauszuheben und ihnen ein beſonderes In¬
tereſſe zu verleihen wußte, ſchaͤtzten ſie hoͤher
als ich ſelbſt. Meine geringe, ich kann wohl
ſagen nothduͤrftige Beſchaͤftigung mit dem Ci¬
vilrechte war ihnen nicht unbemerkt geblie¬
ben; ſie kannten mich genug, um zu wiſſen,
wie leicht ich beſtimmbar ſey; aus meiner Luſt
zum academiſchen Leben hatte ich auch kein
Geheimniß gemacht, und ſie dachten mich da¬
her fuͤr Geſchichte, Staatsrecht, Redekunſt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0081" n="73"/>
und den großen Einfluß wohl kannte, welchen<lb/>
&#x017F;olche und verwandte Studien bey Ho&#x0364;fen und<lb/>
in Cabinetten einem fa&#x0364;higen Kopfe zu ver¬<lb/>
&#x017F;chaffen geeignet &#x017F;ind, fu&#x0364;hlte eine unu&#x0364;berwind¬<lb/>
liche ja ungerechte Abneigung gegen den Zu¬<lb/>
&#x017F;tand des Civili&#x017F;ten, und hatte die gleiche<lb/>
Ge&#x017F;innung den Seinigen eingeflo&#x0364;ßt. Obge¬<lb/>
nannte beyde Ma&#x0364;nner, Freunde von Salz¬<lb/>
mann, hatten auf eine liebreiche Wei&#x017F;e von<lb/>
mir Kenntniß genommen. Das leiden&#x017F;chaft¬<lb/>
liche Ergreifen a&#x0364;ußerer Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde, die Dar¬<lb/>
&#x017F;tellungsart, womit ich die Vorzu&#x0364;ge der&#x017F;elben<lb/>
herauszuheben und ihnen ein be&#x017F;onderes In¬<lb/>
tere&#x017F;&#x017F;e zu verleihen wußte, &#x017F;cha&#x0364;tzten &#x017F;ie ho&#x0364;her<lb/>
als ich &#x017F;elb&#x017F;t. Meine geringe, ich kann wohl<lb/>
&#x017F;agen nothdu&#x0364;rftige Be&#x017F;cha&#x0364;ftigung mit dem Ci¬<lb/>
vilrechte war ihnen nicht unbemerkt geblie¬<lb/>
ben; &#x017F;ie kannten mich genug, um zu wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
wie leicht ich be&#x017F;timmbar &#x017F;ey; aus meiner Lu&#x017F;t<lb/>
zum academi&#x017F;chen Leben hatte ich auch kein<lb/>
Geheimniß gemacht, und &#x017F;ie dachten mich da¬<lb/>
her fu&#x0364;r Ge&#x017F;chichte, Staatsrecht, Redekun&#x017F;t,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0081] und den großen Einfluß wohl kannte, welchen ſolche und verwandte Studien bey Hoͤfen und in Cabinetten einem faͤhigen Kopfe zu ver¬ ſchaffen geeignet ſind, fuͤhlte eine unuͤberwind¬ liche ja ungerechte Abneigung gegen den Zu¬ ſtand des Civiliſten, und hatte die gleiche Geſinnung den Seinigen eingefloͤßt. Obge¬ nannte beyde Maͤnner, Freunde von Salz¬ mann, hatten auf eine liebreiche Weiſe von mir Kenntniß genommen. Das leidenſchaft¬ liche Ergreifen aͤußerer Gegenſtaͤnde, die Dar¬ ſtellungsart, womit ich die Vorzuͤge derſelben herauszuheben und ihnen ein beſonderes In¬ tereſſe zu verleihen wußte, ſchaͤtzten ſie hoͤher als ich ſelbſt. Meine geringe, ich kann wohl ſagen nothduͤrftige Beſchaͤftigung mit dem Ci¬ vilrechte war ihnen nicht unbemerkt geblie¬ ben; ſie kannten mich genug, um zu wiſſen, wie leicht ich beſtimmbar ſey; aus meiner Luſt zum academiſchen Leben hatte ich auch kein Geheimniß gemacht, und ſie dachten mich da¬ her fuͤr Geſchichte, Staatsrecht, Redekunſt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/81
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/81>, abgerufen am 31.10.2024.