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Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669.

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Bruder! und fieng darauff an mit Widerholung
solcher Wort so inniglich zuwainen/ daß er vor
Schluchsen kein verständlichs Wort mehr herauß
bringen kondte; also daß ich mir einbildetete/ er
müste durch Schröcken und Gestanck seines Ver-
standts beraubt worden seyn; wie er aber mit sol-
cher weiß mit nachlassen wolte/ und mich immer-
hin umb Verzeihung batte; antwortet ich/ lieb-
ster Freundt/ was soll ich euch verzeihen/ da ihr
mich doch euer Lebtag niemahl belaidigt habt?
sagt mir doch nur wie es euch zuhelffen sey? Verzei-
hung sagte er/ bitte ich: dann ich hab wider Gott:
wider euch und wider mich selbst gesündigt! und da-
mit fienge er sein vorige Klag wider an/ continuir-
te sie auch so lang/ biß ich sagte/ ich wüste nichts
böses von ihm/ und dafern er gleichwol etwas be-
gangen/ deßwegen er sich ein Gewissen machen
möchte/ so wolte ichs ihm nicht allein so viel es mich
beträffe/ von Grundt meines Hertzens verziehen
und vergeben haben/ sonder auch wann er sich wider
GOtt vergriffen/ neben ihne dessen Barmhertzig-
keit umb Begnädigung anruffen; auff solche Wort
fasste er meine Schenckel in seine Arm: küste meine
Knie: und sahe mich so sähnlich und drauff an/ daß
ich drüber gleichsamb erstummete/ und nicht wissen
oder errathen kondte/ was es doch immermehr mit
dem Kerl vor eine Beschaffenheit haben möchte;
demnach ich ihn aber freundlich in die Arme nam
und an meine Brust trucke/ mit Bitt mir zuerzehlen
was ihm anlege und wie ihm zuhelffen seyn möchte/
beichtet er mir alles haarklein herauß/ was er mit
der vermeinten Abissinerin vor ein Discurs geführt:
und über mich/ beydes wider GOtt: wider die Na-

tur:
F 3

Bruder! und fieng darauff an mit Widerholung
ſolcher Wort ſo inniglich zuwainen/ daß er vor
Schluchſen kein verſtaͤndlichs Wort mehr herauß
bringen kondte; alſo daß ich mir einbildetete/ er
muͤſte durch Schroͤcken und Geſtanck ſeines Ver-
ſtandts beraubt worden ſeyn; wie er aber mit ſol-
cher weiß mit nachlaſſen wolte/ und mich immer-
hin umb Verzeihung batte; antwortet ich/ lieb-
ſter Freundt/ was ſoll ich euch verzeihen/ da ihr
mich doch euer Lebtag niemahl belaidigt habt?
ſagt mir doch nur wie es euch zuhelffen ſey? Verzei-
hung ſagte er/ bitte ich: dann ich hab wider Gott:
wider euch und wider mich ſelbſt geſuͤndigt! und da-
mit fienge er ſein vorige Klag wider an/ continuir-
te ſie auch ſo lang/ biß ich ſagte/ ich wuͤſte nichts
boͤſes von ihm/ und dafern er gleichwol etwas be-
gangen/ deßwegen er ſich ein Gewiſſen machen
moͤchte/ ſo wolte ichs ihm nicht allein ſo viel es mich
betraͤffe/ von Grundt meines Hertzens verziehen
und vergeben haben/ ſonder auch wann er ſich wider
GOtt vergriffen/ neben ihne deſſen Barmhertzig-
keit umb Begnaͤdigung anruffen; auff ſolche Wort
faſſte er meine Schenckel in ſeine Arm: kuͤſte meine
Knie: und ſahe mich ſo ſaͤhnlich und drauff an/ daß
ich druͤber gleichſamb erſtummete/ und nicht wiſſen
oder erꝛathen kondte/ was es doch immermehr mit
dem Kerl vor eine Beſchaffenheit haben moͤchte;
demnach ich ihn aber freundlich in die Arme nam
und an meine Bruſt trucke/ mit Bitt mir zuerzehlen
was ihm anlege und wie ihm zuhelffen ſeyn moͤchte/
beichtet er mir alles haarklein herauß/ was er mit
der vermeinten Abiſſinerin vor ein Diſcurs gefuͤhrt:
und uͤber mich/ beydes wider GOtt: wider die Na-

tur:
F 3
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[0129] Bruder! und fieng darauff an mit Widerholung ſolcher Wort ſo inniglich zuwainen/ daß er vor Schluchſen kein verſtaͤndlichs Wort mehr herauß bringen kondte; alſo daß ich mir einbildetete/ er muͤſte durch Schroͤcken und Geſtanck ſeines Ver- ſtandts beraubt worden ſeyn; wie er aber mit ſol- cher weiß mit nachlaſſen wolte/ und mich immer- hin umb Verzeihung batte; antwortet ich/ lieb- ſter Freundt/ was ſoll ich euch verzeihen/ da ihr mich doch euer Lebtag niemahl belaidigt habt? ſagt mir doch nur wie es euch zuhelffen ſey? Verzei- hung ſagte er/ bitte ich: dann ich hab wider Gott: wider euch und wider mich ſelbſt geſuͤndigt! und da- mit fienge er ſein vorige Klag wider an/ continuir- te ſie auch ſo lang/ biß ich ſagte/ ich wuͤſte nichts boͤſes von ihm/ und dafern er gleichwol etwas be- gangen/ deßwegen er ſich ein Gewiſſen machen moͤchte/ ſo wolte ichs ihm nicht allein ſo viel es mich betraͤffe/ von Grundt meines Hertzens verziehen und vergeben haben/ ſonder auch wann er ſich wider GOtt vergriffen/ neben ihne deſſen Barmhertzig- keit umb Begnaͤdigung anruffen; auff ſolche Wort faſſte er meine Schenckel in ſeine Arm: kuͤſte meine Knie: und ſahe mich ſo ſaͤhnlich und drauff an/ daß ich druͤber gleichſamb erſtummete/ und nicht wiſſen oder erꝛathen kondte/ was es doch immermehr mit dem Kerl vor eine Beſchaffenheit haben moͤchte; demnach ich ihn aber freundlich in die Arme nam und an meine Bruſt trucke/ mit Bitt mir zuerzehlen was ihm anlege und wie ihm zuhelffen ſeyn moͤchte/ beichtet er mir alles haarklein herauß/ was er mit der vermeinten Abiſſinerin vor ein Diſcurs gefuͤhrt: und uͤber mich/ beydes wider GOtt: wider die Na- tur: F 3

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Zitationshilfe: Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/129>, abgerufen am 31.10.2024.