Menge, wenigstens nach ihrer Meinung, Wohlseyn und Ruhe zu schenken; daß endlich Gotterfüllete Weise aus edlem Durst für die Wahrheit, Freiheit und Glückseligkeit unsers Geschlechts Schmach und Verfolgung, Armuth und Noth willig übernahmen und an dem Gedanken vesthielten, daß sie ihren Brüdern das edelste Gut, dessen sie fähig wären, ver- schaft oder befördert hätten; wenn dieses Alles nicht große Menschentugenden und die Kraftvollesten Bestrebungen der Selbstbestimmung sind, die in uns lieget: so kenne ich keine andre. Zwar waren nur immer wenige, die hierinn dem großen Haufen vorgingen und ihm als Aerzte heilsam aufzwangen, was dieser noch nicht selbst zu erwählen wußte; eben diese wenigen aber waren die Blüthe des Menschenge- schlechts, unsterbliche freie Göttersöhne auf Erden. Jhre einzelnen Namen gelten statt Millionen.
V. Der Mensch ist zur zartesten Gesundheit, zugleich aber zur stärksten Dauer, mithin zur Aus- breitung über die Erde organisiret.
Mit dem aufgerichteten Gange gewann der Mensch eine Zartheit, Wärme und Stärke, die kein Thier erlangen konnte.
Jm
Menge, wenigſtens nach ihrer Meinung, Wohlſeyn und Ruhe zu ſchenken; daß endlich Gotterfuͤllete Weiſe aus edlem Durſt fuͤr die Wahrheit, Freiheit und Gluͤckſeligkeit unſers Geſchlechts Schmach und Verfolgung, Armuth und Noth willig uͤbernahmen und an dem Gedanken veſthielten, daß ſie ihren Bruͤdern das edelſte Gut, deſſen ſie faͤhig waͤren, ver- ſchaft oder befoͤrdert haͤtten; wenn dieſes Alles nicht große Menſchentugenden und die Kraftvolleſten Beſtrebungen der Selbſtbeſtimmung ſind, die in uns lieget: ſo kenne ich keine andre. Zwar waren nur immer wenige, die hierinn dem großen Haufen vorgingen und ihm als Aerzte heilſam aufzwangen, was dieſer noch nicht ſelbſt zu erwaͤhlen wußte; eben dieſe wenigen aber waren die Bluͤthe des Menſchenge- ſchlechts, unſterbliche freie Goͤtterſoͤhne auf Erden. Jhre einzelnen Namen gelten ſtatt Millionen.
V. Der Menſch iſt zur zarteſten Geſundheit, zugleich aber zur ſtaͤrkſten Dauer, mithin zur Aus- breitung uͤber die Erde organiſiret.
Mit dem aufgerichteten Gange gewann der Menſch eine Zartheit, Waͤrme und Staͤrke, die kein Thier erlangen konnte.
Jm
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0238"n="236[216]"/>
Menge, wenigſtens nach ihrer Meinung, Wohlſeyn und Ruhe<lb/>
zu ſchenken; daß endlich Gotterfuͤllete Weiſe aus edlem Durſt<lb/>
fuͤr die <hirendition="#fr">Wahrheit, Freiheit</hi> und <hirendition="#fr">Gluͤckſeligkeit unſers</hi><lb/>
Geſchlechts Schmach und Verfolgung, Armuth und Noth<lb/>
willig uͤbernahmen und an dem Gedanken veſthielten, daß ſie<lb/>
ihren Bruͤdern das edelſte Gut, deſſen ſie faͤhig waͤren, ver-<lb/>ſchaft oder befoͤrdert haͤtten; wenn dieſes Alles nicht große<lb/>
Menſchentugenden und die Kraftvolleſten Beſtrebungen der<lb/><hirendition="#fr">Selbſtbeſtimmung</hi>ſind, die in uns lieget: ſo kenne ich<lb/>
keine andre. Zwar waren nur immer wenige, die hierinn<lb/>
dem großen Haufen vorgingen und ihm als Aerzte heilſam<lb/>
aufzwangen, was dieſer noch nicht ſelbſt zu erwaͤhlen wußte;<lb/>
eben dieſe wenigen aber waren die Bluͤthe des Menſchenge-<lb/>ſchlechts, unſterbliche freie Goͤtterſoͤhne auf Erden. Jhre<lb/>
einzelnen Namen gelten ſtatt Millionen.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#aq">V.</hi><lb/>
Der Menſch iſt zur zarteſten Geſundheit, zugleich<lb/>
aber zur ſtaͤrkſten Dauer, mithin zur Aus-<lb/>
breitung uͤber die Erde organiſiret.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#in">M</hi>it dem aufgerichteten Gange gewann der Menſch eine<lb/>
Zartheit, Waͤrme und Staͤrke, die kein Thier erlangen konnte.<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Jm</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[236[216]/0238]
Menge, wenigſtens nach ihrer Meinung, Wohlſeyn und Ruhe
zu ſchenken; daß endlich Gotterfuͤllete Weiſe aus edlem Durſt
fuͤr die Wahrheit, Freiheit und Gluͤckſeligkeit unſers
Geſchlechts Schmach und Verfolgung, Armuth und Noth
willig uͤbernahmen und an dem Gedanken veſthielten, daß ſie
ihren Bruͤdern das edelſte Gut, deſſen ſie faͤhig waͤren, ver-
ſchaft oder befoͤrdert haͤtten; wenn dieſes Alles nicht große
Menſchentugenden und die Kraftvolleſten Beſtrebungen der
Selbſtbeſtimmung ſind, die in uns lieget: ſo kenne ich
keine andre. Zwar waren nur immer wenige, die hierinn
dem großen Haufen vorgingen und ihm als Aerzte heilſam
aufzwangen, was dieſer noch nicht ſelbſt zu erwaͤhlen wußte;
eben dieſe wenigen aber waren die Bluͤthe des Menſchenge-
ſchlechts, unſterbliche freie Goͤtterſoͤhne auf Erden. Jhre
einzelnen Namen gelten ſtatt Millionen.
V.
Der Menſch iſt zur zarteſten Geſundheit, zugleich
aber zur ſtaͤrkſten Dauer, mithin zur Aus-
breitung uͤber die Erde organiſiret.
Mit dem aufgerichteten Gange gewann der Menſch eine
Zartheit, Waͤrme und Staͤrke, die kein Thier erlangen konnte.
Jm
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 236[216]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/238>, abgerufen am 31.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.