Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.ling ein bekanntes Sinnbild geworden. Siehe da kriecht und
ling ein bekanntes Sinnbild geworden. Siehe da kriecht und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0308" n="306[286]"/> ling ein bekanntes Sinnbild geworden. Siehe da kriecht<lb/> die haͤßliche einem groben Nahrungstriebe dienende Raupe,<lb/> ihre Stunde kommt und Mattigkeit des Todes befaͤllt ſie: ſie<lb/> ſtemmet ſich an: ſie windet ſich ein: ſie hat das Geſpinſt zu<lb/> ihrem Todtengewande, ſo wie zum Theil die Organe ihres<lb/> neuen Daſeyns ſchon in ſich. Nun arbeiten die Ringe:<lb/> nun ſtreben die inwendigen organiſchen Kraͤfte. Langſam<lb/> geht die Verwandlung zuerſt und ſcheint Zerſtoͤrung: zehn<lb/> Fuͤße bleiben an der abgeſtreiften Haut und das neue Ge-<lb/> ſchoͤpf iſt noch unfoͤrmlich in ſeinen Gliedern. Allmaͤlich bil-<lb/> den ſich dieſe und treten in Ordnung: das Geſchoͤpf aber er-<lb/> wacht nicht eher, bis es ganz da iſt: nun draͤnget es ſich ans<lb/> Licht, und ſchnell geſchiehet die letzte Ausbildung. Wenige<lb/> Minuten; und die zarten Fluͤgel werden fuͤnfmal groͤßer als<lb/> ſie noch eben unter der Todeshuͤlle waren: ſie ſind mit ela-<lb/> ſtiſcher Kraft und mit allem Glanz der Stralen begabt, der<lb/> unter dieſer Sonne nur ſtatt fand; zahlreich und groß, um<lb/> das Geſchoͤpf wie auf Schwingen des Zephyrs zu tragen.<lb/> Sein ganzer Bau iſt veraͤndert: ſtatt der groben Blaͤtter,<lb/> zu denen es vorhin gebildet war, genießt es jetzt Nektarthau<lb/> vom goldnen Kelch der Blumen. Seine Beſtimmung iſt<lb/> veraͤndert: ſtatt des groben Nahrungstriebes dient es einem<lb/> feinern, der Liebe. Wer wuͤrde in der Raupengeſtalt den<lb/> kuͤnftigen Schmetterling ahnen? wer wuͤrde in beiden Ein<lb/> <fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [306[286]/0308]
ling ein bekanntes Sinnbild geworden. Siehe da kriecht
die haͤßliche einem groben Nahrungstriebe dienende Raupe,
ihre Stunde kommt und Mattigkeit des Todes befaͤllt ſie: ſie
ſtemmet ſich an: ſie windet ſich ein: ſie hat das Geſpinſt zu
ihrem Todtengewande, ſo wie zum Theil die Organe ihres
neuen Daſeyns ſchon in ſich. Nun arbeiten die Ringe:
nun ſtreben die inwendigen organiſchen Kraͤfte. Langſam
geht die Verwandlung zuerſt und ſcheint Zerſtoͤrung: zehn
Fuͤße bleiben an der abgeſtreiften Haut und das neue Ge-
ſchoͤpf iſt noch unfoͤrmlich in ſeinen Gliedern. Allmaͤlich bil-
den ſich dieſe und treten in Ordnung: das Geſchoͤpf aber er-
wacht nicht eher, bis es ganz da iſt: nun draͤnget es ſich ans
Licht, und ſchnell geſchiehet die letzte Ausbildung. Wenige
Minuten; und die zarten Fluͤgel werden fuͤnfmal groͤßer als
ſie noch eben unter der Todeshuͤlle waren: ſie ſind mit ela-
ſtiſcher Kraft und mit allem Glanz der Stralen begabt, der
unter dieſer Sonne nur ſtatt fand; zahlreich und groß, um
das Geſchoͤpf wie auf Schwingen des Zephyrs zu tragen.
Sein ganzer Bau iſt veraͤndert: ſtatt der groben Blaͤtter,
zu denen es vorhin gebildet war, genießt es jetzt Nektarthau
vom goldnen Kelch der Blumen. Seine Beſtimmung iſt
veraͤndert: ſtatt des groben Nahrungstriebes dient es einem
feinern, der Liebe. Wer wuͤrde in der Raupengeſtalt den
kuͤnftigen Schmetterling ahnen? wer wuͤrde in beiden Ein
und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |