Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.Vom Baumwerk. der gestört. Alles kommt darauf an, entweder die Strenge der Regelmäßigkeit durchirgend eine kleine Veränderung zu mindern, oder Alleen da anzupflanzen, wo selbst der Anschein der Regelmäßigkeit keine widrige Wirkung thut. 2. Die Regelmäßigkeit kann vornehmlich dadurch unterbrochen werden, daß man Je weiter sich die Länge der Alleen erstreckt, für desto schöner pflegt man sie ge- Eine kurze gerade Allee vor einem Landhause hat an sich nichts unschickliches. Nichts ist gemeiner, als gerade Alleen als Zugänge zu Schlössern und adelichen Geht indessen die Allee eine lange Strecke in gerader Linie fort, so entspringt ei- von II Band. J
Vom Baumwerk. der geſtoͤrt. Alles kommt darauf an, entweder die Strenge der Regelmaͤßigkeit durchirgend eine kleine Veraͤnderung zu mindern, oder Alleen da anzupflanzen, wo ſelbſt der Anſchein der Regelmaͤßigkeit keine widrige Wirkung thut. 2. Die Regelmaͤßigkeit kann vornehmlich dadurch unterbrochen werden, daß man Je weiter ſich die Laͤnge der Alleen erſtreckt, fuͤr deſto ſchoͤner pflegt man ſie ge- Eine kurze gerade Allee vor einem Landhauſe hat an ſich nichts unſchickliches. Nichts iſt gemeiner, als gerade Alleen als Zugaͤnge zu Schloͤſſern und adelichen Geht indeſſen die Allee eine lange Strecke in gerader Linie fort, ſo entſpringt ei- von II Band. J
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Vom Baumwerk.
der geſtoͤrt. Alles kommt darauf an, entweder die Strenge der Regelmaͤßigkeit durch
irgend eine kleine Veraͤnderung zu mindern, oder Alleen da anzupflanzen, wo ſelbſt
der Anſchein der Regelmaͤßigkeit keine widrige Wirkung thut.
2.
Die Regelmaͤßigkeit kann vornehmlich dadurch unterbrochen werden, daß man
die gerade Linie zuweilen mit der ſchwankenden abwechſeln laͤßt. Naͤchſtdem kann auch
zu dieſer Abſicht die Verſchiedenheit der Abſtaͤnde, der Hoͤhe, des Wuchſes und des
Laubwerks der Baͤume behuͤflich ſeyn. Die Baͤume moͤgen ſich demnach bald naͤhern,
bald ſich etwas von einander entfernen; bald niedrige, bald hoͤhere ſeyn, bald mit
ſchwachem Gebuͤſch abwechſeln; hier ſich die Schattengewoͤlbe zuſammendraͤngen, dort
eine lichte Oeffnung hervorbrechen; hier ein Einſchnitt, ein Winkel, dort ein gerader
zierlicher Fortgang erſcheinen.
Je weiter ſich die Laͤnge der Alleen erſtreckt, fuͤr deſto ſchoͤner pflegt man ſie ge-
meiniglich zu halten. Allein eine gar zu ausgedehnte Laͤnge ermuͤdet durch das Leere
des unermeßbaren Raums. Das Auge verliert ſich in das ſcheinbare Graͤnzenloſe,
ohne durch einen aufſteigenden Gegenſtand zur Beſchaͤftigung aufgehalten zu werden.
Man ſollte indeſſen langen Alleen am Ende zuweilen eine kleine Kruͤmmung geben, ſo
daß das Auge nicht den Ausgang durchſchauen koͤnnte; die Ausſicht verſchwaͤnde zwar,
aber die Einbildungskraft wuͤrde ſich den Ort groͤßer vorſtellen, und der Gedanke der
Einſamkeit ſich verſtaͤrken.
Eine kurze gerade Allee vor einem Landhauſe hat an ſich nichts unſchickliches.
Sie mag ſich hier in ihrer voͤlligen Regelmaͤßigkeit zeigen, indem ſich von dem Ge-
baͤude aus der Begriff von Kunſt, Ordnung und Regelmaͤßigkeit verbreitet, und ſich
der Nachbarſchaft mittheilt. Unter den Ueberwoͤlbungen zuſammengezogener Baͤume
findet der Bewohner einen bequemen Spaziergang bey der Hitze und beym Regen,
kuͤhle Sitze im Freyen, und, wenn er will, ſeine Tafel. Indeſſen iſt gewiß, daß
auch kleine freye Gruppen um ein Landhaus nicht allein zu eben dieſer Abſicht dienen,
ſondern auch noch mehr dazu, das Gebaͤude in maleriſchen Durchſichten zu zeigen.
Nichts iſt gemeiner, als gerade Alleen als Zugaͤnge zu Schloͤſſern und adelichen
Landſitzen zu gebrauchen. Und nicht allein werden ſie hier von der Bequemlichkeit
empfohlen, ſondern auch von der Neigung, nach einem beſtimmten Gegenſtande, der
das Ziel unſerer Bewegung und der Punct unſerer Ruhe iſt, bald und ohne aufhal-
tende Umwege zu gelangen.
Geht indeſſen die Allee eine lange Strecke in gerader Linie fort, ſo entſpringt ei-
ne gewiſſe Unannehmlichkeit, ſowohl von der Einfoͤrmigkeit des Zuganges, als auch
von
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