Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.Zweyter Abschnitt. von der ewigen Unbeweglichkeit des Gebäudes, das immer auf derselben Stelle ohnedie geringste Veränderung vor Augen liegt, und wovon der Prospect in eine schmale und unbedeutende Ansicht verwandelt wird. Noch mehr wird die ekelhafte Einför- migkeit empfunden, wenn auf den Seiten des Weges alle weitere Aussicht gehemmt ist, und das Auge nicht in angränzenden Gegenständen Zerstreuung des Verdrusses und der langen Weile suchen kann. Die gerade Linie zerschneidet außerdem den Bo- den in zwey getrennte Stücke, und verunstaltet die schönste Lage. Schon Home *) hat daher gerathen, einen schiefen Weg in einer schwankenden Linie vorzuziehen, mit einzelnen Bäumen und andern zerstreuten Gegenständen dazwischen. In einem hin und her gehenden Zugange setzen die dazwischen stehenden Gegenstände das Haus dem Scheine nach in Bewegung; es bewegt sich mit dem Gehenden, und scheint seinen Weg so zu richten, daß es ihn, so zu sagen, gastfreundschaftlich auffängt. Auch wird die Mannichfaltigkeit vermehrt; indem das Gebäude immer in verschiedenen Richtungen gesehen wird, so scheint es bey jedem Schritt eine neue Figur anzunehmen. Man sieht, beyde Arten des Zuganges haben ihre Vortheile; der gerade hat 3. Ein schönes Muster dieser Art befindet sich in England, zu Caversham bey Der Zugang ist eine (engl.) Meile lang, und hat nirgends das Wohnhaus im Bey dem Eingang desselben stehen zu beyden Seiten ein paar artige Sommer- tritt *) [Spaltenumbruch]
Grundsätze der Kritik, in dem Kapi- tel vom Gartenbau und der Architektur. **) [Spaltenumbruch]
Whately in den Betrachtungen über
das heutige Gartenwesen etc. S. 171 u. f. Zweyter Abſchnitt. von der ewigen Unbeweglichkeit des Gebaͤudes, das immer auf derſelben Stelle ohnedie geringſte Veraͤnderung vor Augen liegt, und wovon der Proſpect in eine ſchmale und unbedeutende Anſicht verwandelt wird. Noch mehr wird die ekelhafte Einfoͤr- migkeit empfunden, wenn auf den Seiten des Weges alle weitere Ausſicht gehemmt iſt, und das Auge nicht in angraͤnzenden Gegenſtaͤnden Zerſtreuung des Verdruſſes und der langen Weile ſuchen kann. Die gerade Linie zerſchneidet außerdem den Bo- den in zwey getrennte Stuͤcke, und verunſtaltet die ſchoͤnſte Lage. Schon Home *) hat daher gerathen, einen ſchiefen Weg in einer ſchwankenden Linie vorzuziehen, mit einzelnen Baͤumen und andern zerſtreuten Gegenſtaͤnden dazwiſchen. In einem hin und her gehenden Zugange ſetzen die dazwiſchen ſtehenden Gegenſtaͤnde das Haus dem Scheine nach in Bewegung; es bewegt ſich mit dem Gehenden, und ſcheint ſeinen Weg ſo zu richten, daß es ihn, ſo zu ſagen, gaſtfreundſchaftlich auffaͤngt. Auch wird die Mannichfaltigkeit vermehrt; indem das Gebaͤude immer in verſchiedenen Richtungen geſehen wird, ſo ſcheint es bey jedem Schritt eine neue Figur anzunehmen. Man ſieht, beyde Arten des Zuganges haben ihre Vortheile; der gerade hat 3. Ein ſchoͤnes Muſter dieſer Art befindet ſich in England, zu Caversham bey Der Zugang iſt eine (engl.) Meile lang, und hat nirgends das Wohnhaus im Bey dem Eingang deſſelben ſtehen zu beyden Seiten ein paar artige Sommer- tritt *) [Spaltenumbruch]
Grundſaͤtze der Kritik, in dem Kapi- tel vom Gartenbau und der Architektur. **) [Spaltenumbruch]
Whately in den Betrachtungen uͤber
das heutige Gartenweſen ꝛc. S. 171 u. f. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0070" n="66"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zweyter Abſchnitt.</hi></fw><lb/> von der ewigen Unbeweglichkeit des Gebaͤudes, das immer auf derſelben Stelle ohne<lb/> die geringſte Veraͤnderung vor Augen liegt, und wovon der Proſpect in eine ſchmale<lb/> und unbedeutende Anſicht verwandelt wird. Noch mehr wird die ekelhafte Einfoͤr-<lb/> migkeit empfunden, wenn auf den Seiten des Weges alle weitere Ausſicht gehemmt<lb/> iſt, und das Auge nicht in angraͤnzenden Gegenſtaͤnden Zerſtreuung des Verdruſſes<lb/> und der langen Weile ſuchen kann. Die gerade Linie zerſchneidet außerdem den Bo-<lb/> den in zwey getrennte Stuͤcke, und verunſtaltet die ſchoͤnſte Lage. Schon <hi rendition="#fr">Home</hi> <note place="foot" n="*)"><cb/> Grundſaͤtze der Kritik, in dem Kapi-<lb/> tel vom Gartenbau und der Architektur.</note><lb/> hat daher gerathen, einen ſchiefen Weg in einer ſchwankenden Linie vorzuziehen, mit<lb/> einzelnen Baͤumen und andern zerſtreuten Gegenſtaͤnden dazwiſchen. In einem hin<lb/> und her gehenden Zugange ſetzen die dazwiſchen ſtehenden Gegenſtaͤnde das Haus dem<lb/> Scheine nach in Bewegung; es bewegt ſich mit dem Gehenden, und ſcheint ſeinen<lb/> Weg ſo zu richten, daß es ihn, ſo zu ſagen, gaſtfreundſchaftlich auffaͤngt. Auch<lb/> wird die Mannichfaltigkeit vermehrt; indem das Gebaͤude immer in verſchiedenen<lb/> Richtungen geſehen wird, ſo ſcheint es bey jedem Schritt eine neue Figur anzunehmen.</p><lb/> <p>Man ſieht, beyde Arten des Zuganges haben ihre Vortheile; der gerade hat<lb/> Bequemlichkeit, der gekruͤmmte Mannichfaltigkeit. Iſt der Zugang kurz, ſo wird<lb/> ohne Zweifel die gerade Linie vorzuziehen ſeyn; die andere erfordert einen laͤngern Raum,<lb/> wenn ſie von einer guten Wirkung ſeyn ſoll. Bey Zugaͤngen von einer weiten Stre-<lb/> cke iſt Kruͤmmung und Abwechſelung unentbehrlich.</p> </div><lb/> <div n="7"> <head>3.</head><lb/> <p>Ein ſchoͤnes Muſter dieſer Art befindet ſich in <hi rendition="#fr">England</hi>, zu <hi rendition="#fr">Caversham</hi> bey<lb/> Reading, dem Landgut des Lords <hi rendition="#fr">Cadogan</hi>, wovon man die Beſchreibung von der<lb/> Hand eines großen Kenners <note place="foot" n="**)"><cb/> Whately in den Betrachtungen uͤber<lb/> das heutige Gartenweſen ꝛc. S. 171 u. f.</note> hier mit Vergnuͤgen leſen wird.</p><lb/> <p>Der Zugang iſt eine (engl.) Meile lang, und hat nirgends das Wohnhaus im<lb/> Geſichte, bis er demſelben ganz nahe kommt; und dennoch kann er niemals fuͤr irgend<lb/> einen andern Weg angeſehen werden, als er wirklich iſt. Man findet nicht einmal<lb/> einen Durchgang durch einen Park, der mit ſo vieler Unterſcheidung angelegt, ſo<lb/> deutlich bezeichnet, oder ſo uͤbereinſtimmend fortgeſetzt waͤre.</p><lb/> <p>Bey dem Eingang deſſelben ſtehen zu beyden Seiten ein paar artige Sommer-<lb/> haͤuſer, die durch einen leichten und offenen Palliſadenzaun von einander abgeſondert<lb/> ſind, welcher ſich uͤber die ganze Breite eines angenehmen Thals erſtreckt. Die<lb/> Straße iſt an der Tiefe deſſelben laͤngſt hingefuͤhret, indem ſie beſtaͤndig natuͤrliche<lb/> und ungezwungene Wendungen macht, und bey jeder Kruͤmmung einen neuen Auf-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">tritt</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [66/0070]
Zweyter Abſchnitt.
von der ewigen Unbeweglichkeit des Gebaͤudes, das immer auf derſelben Stelle ohne
die geringſte Veraͤnderung vor Augen liegt, und wovon der Proſpect in eine ſchmale
und unbedeutende Anſicht verwandelt wird. Noch mehr wird die ekelhafte Einfoͤr-
migkeit empfunden, wenn auf den Seiten des Weges alle weitere Ausſicht gehemmt
iſt, und das Auge nicht in angraͤnzenden Gegenſtaͤnden Zerſtreuung des Verdruſſes
und der langen Weile ſuchen kann. Die gerade Linie zerſchneidet außerdem den Bo-
den in zwey getrennte Stuͤcke, und verunſtaltet die ſchoͤnſte Lage. Schon Home *)
hat daher gerathen, einen ſchiefen Weg in einer ſchwankenden Linie vorzuziehen, mit
einzelnen Baͤumen und andern zerſtreuten Gegenſtaͤnden dazwiſchen. In einem hin
und her gehenden Zugange ſetzen die dazwiſchen ſtehenden Gegenſtaͤnde das Haus dem
Scheine nach in Bewegung; es bewegt ſich mit dem Gehenden, und ſcheint ſeinen
Weg ſo zu richten, daß es ihn, ſo zu ſagen, gaſtfreundſchaftlich auffaͤngt. Auch
wird die Mannichfaltigkeit vermehrt; indem das Gebaͤude immer in verſchiedenen
Richtungen geſehen wird, ſo ſcheint es bey jedem Schritt eine neue Figur anzunehmen.
Man ſieht, beyde Arten des Zuganges haben ihre Vortheile; der gerade hat
Bequemlichkeit, der gekruͤmmte Mannichfaltigkeit. Iſt der Zugang kurz, ſo wird
ohne Zweifel die gerade Linie vorzuziehen ſeyn; die andere erfordert einen laͤngern Raum,
wenn ſie von einer guten Wirkung ſeyn ſoll. Bey Zugaͤngen von einer weiten Stre-
cke iſt Kruͤmmung und Abwechſelung unentbehrlich.
3.
Ein ſchoͤnes Muſter dieſer Art befindet ſich in England, zu Caversham bey
Reading, dem Landgut des Lords Cadogan, wovon man die Beſchreibung von der
Hand eines großen Kenners **) hier mit Vergnuͤgen leſen wird.
Der Zugang iſt eine (engl.) Meile lang, und hat nirgends das Wohnhaus im
Geſichte, bis er demſelben ganz nahe kommt; und dennoch kann er niemals fuͤr irgend
einen andern Weg angeſehen werden, als er wirklich iſt. Man findet nicht einmal
einen Durchgang durch einen Park, der mit ſo vieler Unterſcheidung angelegt, ſo
deutlich bezeichnet, oder ſo uͤbereinſtimmend fortgeſetzt waͤre.
Bey dem Eingang deſſelben ſtehen zu beyden Seiten ein paar artige Sommer-
haͤuſer, die durch einen leichten und offenen Palliſadenzaun von einander abgeſondert
ſind, welcher ſich uͤber die ganze Breite eines angenehmen Thals erſtreckt. Die
Straße iſt an der Tiefe deſſelben laͤngſt hingefuͤhret, indem ſie beſtaͤndig natuͤrliche
und ungezwungene Wendungen macht, und bey jeder Kruͤmmung einen neuen Auf-
tritt
*)
Grundſaͤtze der Kritik, in dem Kapi-
tel vom Gartenbau und der Architektur.
**)
Whately in den Betrachtungen uͤber
das heutige Gartenweſen ꝛc. S. 171 u. f.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |