Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.Von Blumen. verschwinden läßt. Und außerdem zerstreut die gehäufte Menge das Auge undschwächt den Eindruck, den sie sonst machen würden. In dem ersten Punkt weicht man am meisten von dem Wege der Natur ab. In welchem Thale, in welchem Ge- hölz, giebt sie ihren Blumen, auch wenn sie ein zahlreiches Geschlecht auf einem Platz hervorblühen läßt, eine symmetrische Stellung? Hat sie nicht vielmehr ihre man- nichfaltige Blumen über den ganzen Teppich der Erdfläche ausgestreut, daß sie mehr durch einen Zufall, als nach einer bestimmten Absicht, zu wachsen scheinen? Laßt uns den Schritten der Natur folgen. Wenn ausgesuchte Blumen, an- Ein gesunder Geschmack, der sich von den alltäglichen Blumenbeeten entfernt, Jedes Lusthaus hingegen auf einer heitern Anhöhe, jedes Kabinet von einer Andere K 3
Von Blumen. verſchwinden laͤßt. Und außerdem zerſtreut die gehaͤufte Menge das Auge undſchwaͤcht den Eindruck, den ſie ſonſt machen wuͤrden. In dem erſten Punkt weicht man am meiſten von dem Wege der Natur ab. In welchem Thale, in welchem Ge- hoͤlz, giebt ſie ihren Blumen, auch wenn ſie ein zahlreiches Geſchlecht auf einem Platz hervorbluͤhen laͤßt, eine ſymmetriſche Stellung? Hat ſie nicht vielmehr ihre man- nichfaltige Blumen uͤber den ganzen Teppich der Erdflaͤche ausgeſtreut, daß ſie mehr durch einen Zufall, als nach einer beſtimmten Abſicht, zu wachſen ſcheinen? Laßt uns den Schritten der Natur folgen. Wenn ausgeſuchte Blumen, an- Ein geſunder Geſchmack, der ſich von den alltaͤglichen Blumenbeeten entfernt, Jedes Luſthaus hingegen auf einer heitern Anhoͤhe, jedes Kabinet von einer Andere K 3
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Von Blumen.
verſchwinden laͤßt. Und außerdem zerſtreut die gehaͤufte Menge das Auge und
ſchwaͤcht den Eindruck, den ſie ſonſt machen wuͤrden. In dem erſten Punkt weicht
man am meiſten von dem Wege der Natur ab. In welchem Thale, in welchem Ge-
hoͤlz, giebt ſie ihren Blumen, auch wenn ſie ein zahlreiches Geſchlecht auf einem Platz
hervorbluͤhen laͤßt, eine ſymmetriſche Stellung? Hat ſie nicht vielmehr ihre man-
nichfaltige Blumen uͤber den ganzen Teppich der Erdflaͤche ausgeſtreut, daß ſie mehr
durch einen Zufall, als nach einer beſtimmten Abſicht, zu wachſen ſcheinen?
Laßt uns den Schritten der Natur folgen. Wenn ausgeſuchte Blumen, an-
ſtatt auf abgezirkelten Beeten gepflanzt zu ſeyn, hin und wieder nachlaͤſſig in einem
Boden von kurzem Graſe angebracht, und mit artigen Feldbluͤmchen vermiſcht wer-
den: ſo muß ein ſolches Stickwerk auf einem gruͤnen Teppich durch Mannichfaltigkeit
und Contraſt von einer ſehr angenehmen Wirkung ſeyn. Man freuet ſich, ſie da zu
finden, wo man ſie nicht erwartete, und wo ſie doch ſo wohl ſtehen, weil ſie von der Hand
der Natur dahin geſaͤet zu ſeyn ſcheinen.
Ein geſunder Geſchmack, der ſich von den alltaͤglichen Blumenbeeten entfernt,
wird in den Blumen ſelbſt ein vortreffliches Mittel der Verſchoͤnerung erkennen, wo-
von ſich ein mannichfaltiger Gebrauch machen laͤßt. Sie ſind zuvoͤrderſt ein Zubehoͤr
der angenehmen, muntern und heitern Gegend; ſie helfen vornehmlich die letzte
bilden, und dieſe ihre natuͤrliche Beſtimmung duͤrfen wir nicht uͤberſehen. Sowohl
die Schoͤnheit der Farbe, als auch die Anmuth des Geruchs empfiehlt ſie den Plaͤtzen,
wo das Auge entzuͤckt werden ſoll, wo der Menſch ſich den froͤhlichſten Empfindungen
uͤberlaſſen will. Eben daher gefallen ſie auch in Scenen des Fruͤhlings und des Sommers.
Fuͤr geſchmuͤckte Gegenden ſind die edlern Geſchlechter, fuͤr einfaͤltig laͤndliche die ge-
meinen. Sie ſind aber immer ſo ſehr ein Eigenthum der angenehmen Gegend, daß
ſie eine jede, worin ſie ſich befinden, dazu erheben und ſelbſt die Wildniß aufheitern.
Der Vorplatz einer Grotte, eine melancholiſche Gegend wuͤrde wenigſtens nur einige
minder ſich auszeichnende Blumenarten vertragen; Reichthum und Lebhaftigkeit der
Farben wuͤrde bald eine veraͤnderte Scene hervorbringen.
Jedes Luſthaus hingegen auf einer heitern Anhoͤhe, jedes Kabinet von einer
freyen Lage, jede ſchattenreiche Laube liebt am Eingange und in der Nachbarſchaft ei-
ne Anpflanzung von Blumen. Hier, wo man gerne verweilt, wo das Auge mit
Muße betrachtet, moͤgen die Geſchlechter bluͤhen, an welchen die Natur am meiſten
die Schoͤnheit und Mannichfaltigkeit ihrer Farben verſchwendet hat. Hier werden die
Tulpen, Hyacinthen, Nelken, Anemonen, Aurikeln, Ranunkeln, Primeln, Iris,
Balſamine, Mohn, Malven, Ritterſporn, peruvianiſche Wunderviole, im Herbſt
die Aſters u. a. ſich freuen, den ſtolzen Pomp und den wunderbaren Reichthum ihrer
Farben zu verbreiten, und in tauſend Abwechſelungen zu ſpielen.
Andere
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