Hochzeitstag -- die Gestalt -- ich -- ich lag auf dem Boden vor dem Herzen, und darauf klo¬ pfend, daß es hohl wiederhallte, murmelte ich: Nie -- nie kannst du dich erweichen, du stei¬ nernes Herz! -- Regungslos starrte ich hin, wie der eiskalte Tod rannte es durch meine Adern. Da trat Julie bräutlich geschmückt, in voller Pracht der blühendsten Jugend, aus den Gebüschen hervor, und streckte voll süßen Verlangens die Arme aus nach der Gestalt, nach mir -- nach mir dem Jüng¬ linge! Bewußtlos stürzte ich zu Boden!" Der Hofrath sank halb ohnmächtig in den Lehn¬ stuhl zurück, aber Rixendorf faßte seine beiden Hände, rüttelte sie, und rief mit starker Stimme: "Das sahst Du, das sahst Du, Bruder, weiter nichts? -- Viktoria laß ich schießen aus deinen ja¬ panischen Kanonen! -- mit Deinem nahen Tode, mit der Erscheinung ist es nichts, gar nichts! Ich rüttle dich auf aus deinen bösen Träumen, damit du genesen, und noch lange leben mögest auf Er¬ den." -- Damit sprang Rixendorf schneller, als es sein Alter zuzulassen schien, zum Zimmer heraus. Der Hofrath hatte wohl wenig von Rixendorfs Worten vernommen, er saß da mit geschlossenen Augen. Exter ging mit großen Schritten auf und
Hochzeitstag — die Geſtalt — ich — ich lag auf dem Boden vor dem Herzen, und darauf klo¬ pfend, daß es hohl wiederhallte, murmelte ich: Nie — nie kannſt du dich erweichen, du ſtei¬ nernes Herz! — Regungslos ſtarrte ich hin, wie der eiskalte Tod rannte es durch meine Adern. Da trat Julie braͤutlich geſchmuͤckt, in voller Pracht der bluͤhendſten Jugend, aus den Gebuͤſchen hervor, und ſtreckte voll ſuͤßen Verlangens die Arme aus nach der Geſtalt, nach mir — nach mir dem Juͤng¬ linge! Bewußtlos ſtuͤrzte ich zu Boden!“ Der Hofrath ſank halb ohnmaͤchtig in den Lehn¬ ſtuhl zuruͤck, aber Rixendorf faßte ſeine beiden Haͤnde, ruͤttelte ſie, und rief mit ſtarker Stimme: „Das ſahſt Du, das ſahſt Du, Bruder, weiter nichts? — Viktoria laß ich ſchießen aus deinen ja¬ paniſchen Kanonen! — mit Deinem nahen Tode, mit der Erſcheinung iſt es nichts, gar nichts! Ich ruͤttle dich auf aus deinen boͤſen Traͤumen, damit du geneſen, und noch lange leben moͤgeſt auf Er¬ den.“ — Damit ſprang Rixendorf ſchneller, als es ſein Alter zuzulaſſen ſchien, zum Zimmer heraus. Der Hofrath hatte wohl wenig von Rixendorfs Worten vernommen, er ſaß da mit geſchloſſenen Augen. Exter ging mit großen Schritten auf und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0372"n="364"/>
Hochzeitstag — die Geſtalt —<hirendition="#g">ich</hi>—<hirendition="#g">ich</hi> lag<lb/>
auf dem Boden vor dem Herzen, und darauf klo¬<lb/>
pfend, daß es hohl wiederhallte, murmelte ich:<lb/>
Nie — nie kannſt du dich erweichen, du ſtei¬<lb/>
nernes Herz! — Regungslos ſtarrte ich hin, wie<lb/>
der eiskalte Tod rannte es durch meine Adern.<lb/>
Da trat Julie braͤutlich geſchmuͤckt, in voller Pracht<lb/>
der bluͤhendſten Jugend, aus den Gebuͤſchen hervor,<lb/>
und ſtreckte voll ſuͤßen Verlangens die Arme aus<lb/>
nach der Geſtalt, nach mir — nach mir dem Juͤng¬<lb/>
linge! Bewußtlos ſtuͤrzte ich zu Boden!“<lb/>
Der Hofrath ſank halb ohnmaͤchtig in den Lehn¬<lb/>ſtuhl zuruͤck, aber Rixendorf faßte ſeine beiden<lb/>
Haͤnde, ruͤttelte ſie, und rief mit ſtarker Stimme:<lb/>„Das ſahſt Du, das ſahſt Du, Bruder, weiter<lb/>
nichts? — Viktoria laß ich ſchießen aus deinen ja¬<lb/>
paniſchen Kanonen! — mit Deinem nahen Tode,<lb/>
mit der Erſcheinung iſt es nichts, gar nichts! Ich<lb/>
ruͤttle dich auf aus deinen boͤſen Traͤumen, damit<lb/>
du geneſen, und noch lange leben moͤgeſt auf Er¬<lb/>
den.“— Damit ſprang Rixendorf ſchneller, als<lb/>
es ſein Alter zuzulaſſen ſchien, zum Zimmer heraus.<lb/>
Der Hofrath hatte wohl wenig von Rixendorfs<lb/>
Worten vernommen, er ſaß da mit geſchloſſenen<lb/>
Augen. Exter ging mit großen Schritten auf und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[364/0372]
Hochzeitstag — die Geſtalt — ich — ich lag
auf dem Boden vor dem Herzen, und darauf klo¬
pfend, daß es hohl wiederhallte, murmelte ich:
Nie — nie kannſt du dich erweichen, du ſtei¬
nernes Herz! — Regungslos ſtarrte ich hin, wie
der eiskalte Tod rannte es durch meine Adern.
Da trat Julie braͤutlich geſchmuͤckt, in voller Pracht
der bluͤhendſten Jugend, aus den Gebuͤſchen hervor,
und ſtreckte voll ſuͤßen Verlangens die Arme aus
nach der Geſtalt, nach mir — nach mir dem Juͤng¬
linge! Bewußtlos ſtuͤrzte ich zu Boden!“
Der Hofrath ſank halb ohnmaͤchtig in den Lehn¬
ſtuhl zuruͤck, aber Rixendorf faßte ſeine beiden
Haͤnde, ruͤttelte ſie, und rief mit ſtarker Stimme:
„Das ſahſt Du, das ſahſt Du, Bruder, weiter
nichts? — Viktoria laß ich ſchießen aus deinen ja¬
paniſchen Kanonen! — mit Deinem nahen Tode,
mit der Erſcheinung iſt es nichts, gar nichts! Ich
ruͤttle dich auf aus deinen boͤſen Traͤumen, damit
du geneſen, und noch lange leben moͤgeſt auf Er¬
den.“ — Damit ſprang Rixendorf ſchneller, als
es ſein Alter zuzulaſſen ſchien, zum Zimmer heraus.
Der Hofrath hatte wohl wenig von Rixendorfs
Worten vernommen, er ſaß da mit geſchloſſenen
Augen. Exter ging mit großen Schritten auf und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/372>, abgerufen am 31.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.