band; es war, wie wenn sie drei oder sieben gesagt hätte.) -- Beim ersten Streiche schon zerbrach das dünne Stäbchen. War nun wirklich kein anderes zur Hand, oder schafften die Kinder keines mehr herbei, weil sie Gottfrieds Vater zu erzürnen fürchteten: die Execution konnte nicht fortgesetzt werden. Da sagte Tieletunke: mit der Hand schlag' ich einen so unsau- beren Buben nicht; er mag laufen, aber ich spiele nicht mehr mit ihm!
Am andern Tage, als zur gewohnten Spielstunde sich das muntere Völkchen auf dem grünen Kirchhofe versammelte, saß Tieletunke an ihrer Mutter Gruft und spielte nicht mit den anderen. Und nun kam Gottfried, reichte ihr ein stärkeres Haselstöckchen dar, sprechend: gieb mir meine Strafe, Tieletunke; das wird schon aushalten, ich hab' es selber abgeschnitten; wenn ich aber geprügelt bin, spiele auch wieder mit mir.
Von jenem Abende schreibt sich Antons Neigung für Ottilien.
Diese Neigung würde, bis auf den Zeitpunkt, welcher unsere Erzählungen eröffnet, schon zur heißen wenn auch halb hoffnungslosen, doch eben darum schwärmerischen Liebe eines reiferen Knaben herange-
4 *
band; es war, wie wenn ſie drei oder ſieben geſagt haͤtte.) — Beim erſten Streiche ſchon zerbrach das duͤnne Staͤbchen. War nun wirklich kein anderes zur Hand, oder ſchafften die Kinder keines mehr herbei, weil ſie Gottfrieds Vater zu erzuͤrnen fuͤrchteten: die Execution konnte nicht fortgeſetzt werden. Da ſagte Tieletunke: mit der Hand ſchlag’ ich einen ſo unſau- beren Buben nicht; er mag laufen, aber ich ſpiele nicht mehr mit ihm!
Am andern Tage, als zur gewohnten Spielſtunde ſich das muntere Voͤlkchen auf dem gruͤnen Kirchhofe verſammelte, ſaß Tieletunke an ihrer Mutter Gruft und ſpielte nicht mit den anderen. Und nun kam Gottfried, reichte ihr ein ſtaͤrkeres Haſelſtoͤckchen dar, ſprechend: gieb mir meine Strafe, Tieletunke; das wird ſchon aushalten, ich hab’ es ſelber abgeſchnitten; wenn ich aber gepruͤgelt bin, ſpiele auch wieder mit mir.
Von jenem Abende ſchreibt ſich Antons Neigung fuͤr Ottilien.
Dieſe Neigung wuͤrde, bis auf den Zeitpunkt, welcher unſere Erzaͤhlungen eroͤffnet, ſchon zur heißen wenn auch halb hoffnungsloſen, doch eben darum ſchwaͤrmeriſchen Liebe eines reiferen Knaben herange-
4 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0067"n="51"/>
band; es war, wie wenn ſie drei oder ſieben geſagt<lb/>
haͤtte.) — Beim erſten Streiche ſchon zerbrach das<lb/>
duͤnne Staͤbchen. War nun wirklich kein anderes zur<lb/>
Hand, oder ſchafften die Kinder keines mehr herbei,<lb/>
weil ſie Gottfrieds Vater zu erzuͤrnen fuͤrchteten: die<lb/>
Execution konnte nicht fortgeſetzt werden. Da ſagte<lb/>
Tieletunke: mit der Hand ſchlag’ ich einen ſo unſau-<lb/>
beren Buben nicht; er mag laufen, aber ich ſpiele<lb/>
nicht mehr mit ihm!</p><lb/><p>Am andern Tage, als zur gewohnten Spielſtunde<lb/>ſich das muntere Voͤlkchen auf dem gruͤnen Kirchhofe<lb/>
verſammelte, ſaß Tieletunke an ihrer Mutter Gruft<lb/>
und ſpielte nicht mit den anderen. Und nun kam<lb/>
Gottfried, reichte ihr ein ſtaͤrkeres Haſelſtoͤckchen dar,<lb/>ſprechend: gieb mir meine Strafe, Tieletunke; <hirendition="#g">das</hi><lb/>
wird ſchon aushalten, ich hab’ es ſelber abgeſchnitten;<lb/>
wenn ich aber gepruͤgelt bin, ſpiele auch wieder<lb/>
mit mir.</p><lb/><p>Von jenem Abende ſchreibt ſich Antons Neigung<lb/>
fuͤr Ottilien.</p><lb/><p>Dieſe Neigung wuͤrde, bis auf den Zeitpunkt,<lb/>
welcher unſere Erzaͤhlungen eroͤffnet, ſchon zur heißen<lb/>
wenn auch halb hoffnungsloſen, doch eben darum<lb/>ſchwaͤrmeriſchen Liebe eines reiferen Knaben herange-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">4 *</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[51/0067]
band; es war, wie wenn ſie drei oder ſieben geſagt
haͤtte.) — Beim erſten Streiche ſchon zerbrach das
duͤnne Staͤbchen. War nun wirklich kein anderes zur
Hand, oder ſchafften die Kinder keines mehr herbei,
weil ſie Gottfrieds Vater zu erzuͤrnen fuͤrchteten: die
Execution konnte nicht fortgeſetzt werden. Da ſagte
Tieletunke: mit der Hand ſchlag’ ich einen ſo unſau-
beren Buben nicht; er mag laufen, aber ich ſpiele
nicht mehr mit ihm!
Am andern Tage, als zur gewohnten Spielſtunde
ſich das muntere Voͤlkchen auf dem gruͤnen Kirchhofe
verſammelte, ſaß Tieletunke an ihrer Mutter Gruft
und ſpielte nicht mit den anderen. Und nun kam
Gottfried, reichte ihr ein ſtaͤrkeres Haſelſtoͤckchen dar,
ſprechend: gieb mir meine Strafe, Tieletunke; das
wird ſchon aushalten, ich hab’ es ſelber abgeſchnitten;
wenn ich aber gepruͤgelt bin, ſpiele auch wieder
mit mir.
Von jenem Abende ſchreibt ſich Antons Neigung
fuͤr Ottilien.
Dieſe Neigung wuͤrde, bis auf den Zeitpunkt,
welcher unſere Erzaͤhlungen eroͤffnet, ſchon zur heißen
wenn auch halb hoffnungsloſen, doch eben darum
ſchwaͤrmeriſchen Liebe eines reiferen Knaben herange-
4 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/67>, abgerufen am 31.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.