man ihn hörte, wenn er nur ununterbrochen reden durfte. Damit war beiden Theilen geholfen.
Anders jedoch gestalteten sich die Dinge, als der "Kammerjäger" von Schloß Erlenstein wiederkehrte, wohin ihm sein in der Nachbarschaft verbreitetes Renomme eine, durch Peterl überbrachte, Aufforderung zugezogen. Ohne zu ahnen, wie tief sein Zuhörer da berührt werde, machte er eine traurige Schilderung der dortigen Verhältnisse mit welchen er durch Dienst- boten und Landleute bekannt worden war. Zwischen Vater und Sohn sollten schreckliche Auftritte vorge- fallen sein, deren Schuld von sämmtlichen Dorfbe- wohnern auf den Sohn geworfen und dem Vater nur in sofern zugeschoben wurde, als er viel zu nach- giebig und gut gegen den bösen Buben gewesen wäre. Einzig und allein die Autorität der Gräfin, von wel- cher Alle und Jeder wie von einem Wesen höherer Gattung redeten, wende bis jetzt noch das Aeußerste ab; wozu es jedoch beinahe schon gekommen sein sollte, nachdem ein fremder junger Herr, während ihrer Abwesenheit, auf dem Schlosse bei'm Grafen war und mit dem Sohne in heftigen Wortwechsel gerieth. Seitdem darf der junge Graf des Vaters Zimmer nicht mehr betreten; er treibt sich fluchend
man ihn hoͤrte, wenn er nur ununterbrochen reden durfte. Damit war beiden Theilen geholfen.
Anders jedoch geſtalteten ſich die Dinge, als der „Kammerjaͤger“ von Schloß Erlenſtein wiederkehrte, wohin ihm ſein in der Nachbarſchaft verbreitetes Renommé eine, durch Peterl uͤberbrachte, Aufforderung zugezogen. Ohne zu ahnen, wie tief ſein Zuhoͤrer da beruͤhrt werde, machte er eine traurige Schilderung der dortigen Verhaͤltniſſe mit welchen er durch Dienſt- boten und Landleute bekannt worden war. Zwiſchen Vater und Sohn ſollten ſchreckliche Auftritte vorge- fallen ſein, deren Schuld von ſaͤmmtlichen Dorfbe- wohnern auf den Sohn geworfen und dem Vater nur in ſofern zugeſchoben wurde, als er viel zu nach- giebig und gut gegen den boͤſen Buben geweſen waͤre. Einzig und allein die Autoritaͤt der Graͤfin, von wel- cher Alle und Jeder wie von einem Weſen hoͤherer Gattung redeten, wende bis jetzt noch das Aeußerſte ab; wozu es jedoch beinahe ſchon gekommen ſein ſollte, nachdem ein fremder junger Herr, waͤhrend ihrer Abweſenheit, auf dem Schloſſe bei’m Grafen war und mit dem Sohne in heftigen Wortwechſel gerieth. Seitdem darf der junge Graf des Vaters Zimmer nicht mehr betreten; er treibt ſich fluchend
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0056"n="52"/>
man ihn hoͤrte, wenn er nur ununterbrochen reden<lb/>
durfte. Damit war beiden Theilen geholfen.</p><lb/><p>Anders jedoch geſtalteten ſich die Dinge, als der<lb/>„Kammerjaͤger“ von Schloß Erlenſtein wiederkehrte,<lb/>
wohin ihm ſein in der Nachbarſchaft verbreitetes<lb/>
Renomm<hirendition="#aq">é</hi> eine, durch Peterl uͤberbrachte, Aufforderung<lb/>
zugezogen. Ohne zu ahnen, wie tief ſein Zuhoͤrer da<lb/>
beruͤhrt werde, machte er eine traurige Schilderung<lb/>
der dortigen Verhaͤltniſſe mit welchen er durch Dienſt-<lb/>
boten und Landleute bekannt worden war. Zwiſchen<lb/>
Vater und Sohn ſollten ſchreckliche Auftritte vorge-<lb/>
fallen ſein, deren Schuld von ſaͤmmtlichen Dorfbe-<lb/>
wohnern auf den Sohn geworfen und dem Vater<lb/>
nur in ſofern zugeſchoben wurde, als er viel zu nach-<lb/>
giebig und gut gegen den boͤſen Buben geweſen waͤre.<lb/>
Einzig und allein die Autoritaͤt der Graͤfin, von wel-<lb/>
cher Alle und Jeder wie von einem Weſen hoͤherer<lb/>
Gattung redeten, wende bis jetzt noch das Aeußerſte<lb/>
ab; wozu es jedoch beinahe ſchon gekommen ſein<lb/>ſollte, nachdem ein fremder junger Herr, waͤhrend<lb/>
ihrer Abweſenheit, auf dem Schloſſe bei’m Grafen<lb/>
war und mit dem Sohne in heftigen Wortwechſel<lb/>
gerieth. Seitdem darf der junge Graf des Vaters<lb/>
Zimmer nicht mehr betreten; er treibt ſich fluchend<lb/></p></div></body></text></TEI>
[52/0056]
man ihn hoͤrte, wenn er nur ununterbrochen reden
durfte. Damit war beiden Theilen geholfen.
Anders jedoch geſtalteten ſich die Dinge, als der
„Kammerjaͤger“ von Schloß Erlenſtein wiederkehrte,
wohin ihm ſein in der Nachbarſchaft verbreitetes
Renommé eine, durch Peterl uͤberbrachte, Aufforderung
zugezogen. Ohne zu ahnen, wie tief ſein Zuhoͤrer da
beruͤhrt werde, machte er eine traurige Schilderung
der dortigen Verhaͤltniſſe mit welchen er durch Dienſt-
boten und Landleute bekannt worden war. Zwiſchen
Vater und Sohn ſollten ſchreckliche Auftritte vorge-
fallen ſein, deren Schuld von ſaͤmmtlichen Dorfbe-
wohnern auf den Sohn geworfen und dem Vater
nur in ſofern zugeſchoben wurde, als er viel zu nach-
giebig und gut gegen den boͤſen Buben geweſen waͤre.
Einzig und allein die Autoritaͤt der Graͤfin, von wel-
cher Alle und Jeder wie von einem Weſen hoͤherer
Gattung redeten, wende bis jetzt noch das Aeußerſte
ab; wozu es jedoch beinahe ſchon gekommen ſein
ſollte, nachdem ein fremder junger Herr, waͤhrend
ihrer Abweſenheit, auf dem Schloſſe bei’m Grafen
war und mit dem Sohne in heftigen Wortwechſel
gerieth. Seitdem darf der junge Graf des Vaters
Zimmer nicht mehr betreten; er treibt ſich fluchend
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/56>, abgerufen am 17.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.