den Feuertopfe spricht, und zwischen dem sterben¬ den Goethe, welcher nach mehr Licht rief, aber ein besseres Recht dazu besaß, als jener, der nie sich um einen wahrhaften wirklichen Lichtstrahl bekümmert hat. Welch' ein Ersatz für das her¬ gebrachte begriffslose Wort Ewigkeit ist die Kennt¬ nißnahme von der Entfernung der Himmelskör¬ per und der Schnelligkeit des Lichtes, von der Thatsache, daß wir allaugenblicklich Licht, also Körper mit ihren Schicksalen, in ihrem Bestehen, wahrnehmen, welches vor einem Jahre, vor hun¬ dert, tausend und mehr Jahren gewesen ist, daß wir also mit Einem Blicke tausend Existenzen tau¬ send verschiedener Zeiträume auffassen, vom nächsten Baume an, welchen wir gleichzeitig mit seinem wirklichen augenblicklichen Dasein wahrnehmen, bis zu dem fernen Stern, dessen Licht länger un¬ terweges ist, als das Menschengeschlecht unsers Wissens besteht, und der vielleicht schon nicht mehr war, ehe dasselbe begann, und den wir doch jetzt erst sehen.
Wo bleibt da noch eine Unruhe, ein zweifel¬ haftes Sehnen nach einer unbegriffenen Ewigkeit,
den Feuertopfe ſpricht, und zwiſchen dem ſterben¬ den Goethe, welcher nach mehr Licht rief, aber ein beſſeres Recht dazu beſaß, als jener, der nie ſich um einen wahrhaften wirklichen Lichtſtrahl bekuͤmmert hat. Welch' ein Erſatz fuͤr das her¬ gebrachte begriffsloſe Wort Ewigkeit iſt die Kennt¬ nißnahme von der Entfernung der Himmelskoͤr¬ per und der Schnelligkeit des Lichtes, von der Thatſache, daß wir allaugenblicklich Licht, alſo Koͤrper mit ihren Schickſalen, in ihrem Beſtehen, wahrnehmen, welches vor einem Jahre, vor hun¬ dert, tauſend und mehr Jahren geweſen iſt, daß wir alſo mit Einem Blicke tauſend Exiſtenzen tau¬ ſend verſchiedener Zeitraͤume auffaſſen, vom naͤchſten Baume an, welchen wir gleichzeitig mit ſeinem wirklichen augenblicklichen Daſein wahrnehmen, bis zu dem fernen Stern, deſſen Licht laͤnger un¬ terweges iſt, als das Menſchengeſchlecht unſers Wiſſens beſteht, und der vielleicht ſchon nicht mehr war, ehe daſſelbe begann, und den wir doch jetzt erſt ſehen.
Wo bleibt da noch eine Unruhe, ein zweifel¬ haftes Sehnen nach einer unbegriffenen Ewigkeit,
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den Feuertopfe ſpricht, und zwiſchen dem ſterben¬
den Goethe, welcher nach mehr Licht rief, aber
ein beſſeres Recht dazu beſaß, als jener, der nie
ſich um einen wahrhaften wirklichen Lichtſtrahl
bekuͤmmert hat. Welch' ein Erſatz fuͤr das her¬
gebrachte begriffsloſe Wort Ewigkeit iſt die Kennt¬
nißnahme von der Entfernung der Himmelskoͤr¬
per und der Schnelligkeit des Lichtes, von der
Thatſache, daß wir allaugenblicklich Licht, alſo
Koͤrper mit ihren Schickſalen, in ihrem Beſtehen,
wahrnehmen, welches vor einem Jahre, vor hun¬
dert, tauſend und mehr Jahren geweſen iſt, daß
wir alſo mit Einem Blicke tauſend Exiſtenzen tau¬
ſend verſchiedener Zeitraͤume auffaſſen, vom naͤchſten
Baume an, welchen wir gleichzeitig mit ſeinem
wirklichen augenblicklichen Daſein wahrnehmen,
bis zu dem fernen Stern, deſſen Licht laͤnger un¬
terweges iſt, als das Menſchengeſchlecht unſers
Wiſſens beſteht, und der vielleicht ſchon nicht
mehr war, ehe daſſelbe begann, und den wir doch
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Wo bleibt da noch eine Unruhe, ein zweifel¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/63>, abgerufen am 01.11.2024.
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