[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771.Doch jetzt auf Einmal wird mir mein Auge hell! Gesichten hell, und hell der Begeisterung! Ich seh in Wingolfs fernen Hallen Tief in den schweigenden Dämmerungen Dort seh ich langsam heilige Schatten gehn! Nicht jene, die sich traurig von Sterbenden Loshüllen, nein, die, in der Dichtkunst Stund' und der Freundschaft, um Dichter schweben! Sie führet, hoch den Flügel, Begeistrung her! Verdeckt dem Auge, welches der Genius Nicht schärft, siehst du sie seelenvolles, Treues, poetisches Auge, du nur! Drey Schatten kommen! neben den Schatten tönts Wie Mimers Quelle droben vom Eichenhain Mit Ungestüm herrauscht, und Weisheit Lehret die horchenden Widerhalle! Wie aus der hohen Drüden Versammlungen, Nach Braga's Telyn, nieder vom Opferfels, Ins lange tiefe Thal der Waldschlacht, Satzungenlos sich der Barden Lied stürzt! Der du dort wandelst, ernstvoll und heiter doch, Das Auge voll von weiser Zufriedenheit, Die Lippe voll von Scherz; Es horchen Ihm die Bemerkungen deiner Freunde, Ihm
Doch jetzt auf Einmal wird mir mein Auge hell! Geſichten hell, und hell der Begeiſterung! Ich ſeh in Wingolfs fernen Hallen Tief in den ſchweigenden Daͤmmerungen Dort ſeh ich langſam heilige Schatten gehn! Nicht jene, die ſich traurig von Sterbenden Loshuͤllen, nein, die, in der Dichtkunſt Stund’ und der Freundſchaft, um Dichter ſchweben! Sie fuͤhret, hoch den Fluͤgel, Begeiſtrung her! Verdeckt dem Auge, welches der Genius Nicht ſchaͤrft, ſiehſt du ſie ſeelenvolles, Treues, poetiſches Auge, du nur! Drey Schatten kommen! neben den Schatten toͤnts Wie Mimers Quelle droben vom Eichenhain Mit Ungeſtuͤm herrauſcht, und Weisheit Lehret die horchenden Widerhalle! Wie aus der hohen Druͤden Verſammlungen, Nach Braga’s Telyn, nieder vom Opferfels, Ins lange tiefe Thal der Waldſchlacht, Satzungenlos ſich der Barden Lied ſtuͤrzt! Der du dort wandelſt, ernſtvoll und heiter doch, Das Auge voll von weiſer Zufriedenheit, Die Lippe voll von Scherz; Es horchen Ihm die Bemerkungen deiner Freunde, Ihm
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Doch jetzt auf Einmal wird mir mein Auge hell!
Geſichten hell, und hell der Begeiſterung!
Ich ſeh in Wingolfs fernen Hallen
Tief in den ſchweigenden Daͤmmerungen
Dort ſeh ich langſam heilige Schatten gehn!
Nicht jene, die ſich traurig von Sterbenden
Loshuͤllen, nein, die, in der Dichtkunſt
Stund’ und der Freundſchaft, um Dichter ſchweben!
Sie fuͤhret, hoch den Fluͤgel, Begeiſtrung her!
Verdeckt dem Auge, welches der Genius
Nicht ſchaͤrft, ſiehſt du ſie ſeelenvolles,
Treues, poetiſches Auge, du nur!
Drey Schatten kommen! neben den Schatten toͤnts
Wie Mimers Quelle droben vom Eichenhain
Mit Ungeſtuͤm herrauſcht, und Weisheit
Lehret die horchenden Widerhalle!
Wie aus der hohen Druͤden Verſammlungen,
Nach Braga’s Telyn, nieder vom Opferfels,
Ins lange tiefe Thal der Waldſchlacht,
Satzungenlos ſich der Barden Lied ſtuͤrzt!
Der du dort wandelſt, ernſtvoll und heiter doch,
Das Auge voll von weiſer Zufriedenheit,
Die Lippe voll von Scherz; Es horchen
Ihm die Bemerkungen deiner Freunde,
Ihm
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