Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.abzumessen und auf ihre Beschaffenheit zu prüfen hat, bekommt ein gedrückt und gerüttelt Mass von Ärger und Zank zugetheilt. Die Freude am Werk half Ärger und Mühsal überwinden. - Im Herbste 1857 begannen die Arbeiten, im Anfange des Sommers 1858 wurde feierliche Grundstein- (richtiger Eckstein-) Legung, im Anfang November 1858 das Richtfest gehalten und im Jahre 1859 der Thurm ausgebaut und der ganze Bau fertig gestellt. Während der Bauarbeiten erwachte in mir das Architektenblut meiner mütterlichen Familie und der es weckte, war unser Bauleiter. Er merkte, dass ich einen Begriff von Bauzeichnungen hatte. Mein Zeichenlehrer vom Gymnasium hatte einmal auch Bauzeichnen im Maassstabe mit uns getrieben und uns dabei allerley drastische Rathschläge gegeben z. B. bei einem Wohnhause muss zuerst die Küche und der Abtritt am richtigen Orte plaziert werden, denn darum dreht sich die Bequemlichkeit des ganzen häuslichen Lebens. Unser Bauleiter, der sehr beschäftigt war, zog mich darum als Gehilfen und zum Gehilfen heran, liess mich erst leichtere, dann schwerere Zeichnungen machen, gab mir Winke über die Ausführung der Arbeiten, liess mich Einzelheiten besonders überwachen. Unter der Hand unterrichtete ich mich aus Büchern und im Gespräch mit Arbeitern weiter und übte mich im Zeichnen. Zuletzt kam unser Bauleiter nur selten an den Bau, besprach vollendete oder anzugreifende Arbeiten mit mir und überliess mir die Detailaufsicht. So wurde ich zu einem halben Baumeister herangebildet der sich später an kleinere Aufgaben heranwagte und heranwagen konnte. Der Kirchenkasse wurden durch mein Reissbrett und meine unausgesetzte Bauaufsicht manche Kosten gespart. Die Beschaffung von Orgel und Glocken führte zu lebhaften Verhandlungen. Ich bestand darauf, dass zu dieser Anschaffung die Unterstützung des Gustav Adolf-Vereins nicht herangezogen werden dürfe, da wir auch ohne Glocken und ohne Orgel Gottesdienst halten könnten und da wir die Unterstützung anderer, bedürftigerer Gemeinden nicht beeinträchtigen dürften. Ich drang damit durch. So wurde denn nur ein billiges Harmonium statt der Orgel in die Kirche gestellt und weil für ein Bronze- Geläute unsere Mittel nicht ausreichten, so wurde zu Gussstahlglocken abzumessen und auf ihre Beschaffenheit zu prüfen hat, bekommt ein gedrückt und gerüttelt Mass von Ärger und Zank zugetheilt. Die Freude am Werk half Ärger und Mühsal überwinden. - Im Herbste 1857 begannen die Arbeiten, im Anfange des Sommers 1858 wurde feierliche Grundstein- (richtiger Eckstein-) Legung, im Anfang November 1858 das Richtfest gehalten und im Jahre 1859 der Thurm ausgebaut und der ganze Bau fertig gestellt. Während der Bauarbeiten erwachte in mir das Architektenblut meiner mütterlichen Familie und der es weckte, war unser Bauleiter. Er merkte, dass ich einen Begriff von Bauzeichnungen hatte. Mein Zeichenlehrer vom Gymnasium hatte einmal auch Bauzeichnen im Maassstabe mit uns getrieben und uns dabei allerley drastische Rathschläge gegeben z. B. bei einem Wohnhause muss zuerst die Küche und der Abtritt am richtigen Orte plaziert werden, denn darum dreht sich die Bequemlichkeit des ganzen häuslichen Lebens. Unser Bauleiter, der sehr beschäftigt war, zog mich darum als Gehilfen und zum Gehilfen heran, liess mich erst leichtere, dann schwerere Zeichnungen machen, gab mir Winke über die Ausführung der Arbeiten, liess mich Einzelheiten besonders überwachen. Unter der Hand unterrichtete ich mich aus Büchern und im Gespräch mit Arbeitern weiter und übte mich im Zeichnen. Zuletzt kam unser Bauleiter nur selten an den Bau, besprach vollendete oder anzugreifende Arbeiten mit mir und überliess mir die Detailaufsicht. So wurde ich zu einem halben Baumeister herangebildet der sich später an kleinere Aufgaben heranwagte und heranwagen konnte. Der Kirchenkasse wurden durch mein Reissbrett und meine unausgesetzte Bauaufsicht manche Kosten gespart. Die Beschaffung von Orgel und Glocken führte zu lebhaften Verhandlungen. Ich bestand darauf, dass zu dieser Anschaffung die Unterstützung des Gustav Adolf-Vereins nicht herangezogen werden dürfe, da wir auch ohne Glocken und ohne Orgel Gottesdienst halten könnten und da wir die Unterstützung anderer, bedürftigerer Gemeinden nicht beeinträchtigen dürften. Ich drang damit durch. So wurde denn nur ein billiges Harmonium statt der Orgel in die Kirche gestellt und weil für ein Bronze- Geläute unsere Mittel nicht ausreichten, so wurde zu Gussstahlglocken <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0058" n="58"/> abzumessen und auf ihre Beschaffenheit zu prüfen hat, bekommt ein gedrückt und gerüttelt Mass von Ärger und Zank zugetheilt. Die Freude am Werk half Ärger und Mühsal überwinden. - Im Herbste 1857 begannen die Arbeiten, im Anfange des Sommers 1858 wurde feierliche Grundstein- (richtiger Eckstein-) Legung, im Anfang November 1858 das Richtfest gehalten und im Jahre 1859 der Thurm ausgebaut und der ganze Bau fertig gestellt.</p> <p>Während der Bauarbeiten erwachte in mir das Architektenblut meiner mütterlichen Familie und der es weckte, war unser Bauleiter. Er merkte, dass ich einen Begriff von Bauzeichnungen hatte. Mein Zeichenlehrer vom Gymnasium hatte einmal auch Bauzeichnen im Maassstabe mit uns getrieben und uns dabei allerley drastische Rathschläge gegeben z. B. bei einem Wohnhause muss zuerst die Küche und der Abtritt am richtigen Orte plaziert werden, denn darum dreht sich die Bequemlichkeit des ganzen häuslichen Lebens. Unser Bauleiter, der sehr beschäftigt war, zog mich darum als Gehilfen und zum Gehilfen heran, liess mich erst leichtere, dann schwerere Zeichnungen machen, gab mir Winke über die Ausführung der Arbeiten, liess mich Einzelheiten besonders überwachen. Unter der Hand unterrichtete ich mich aus Büchern und im Gespräch mit Arbeitern weiter und übte mich im Zeichnen. Zuletzt kam unser Bauleiter nur selten an den Bau, besprach vollendete oder anzugreifende Arbeiten mit mir und überliess mir die Detailaufsicht. So wurde ich zu einem halben Baumeister herangebildet der sich später an kleinere Aufgaben heranwagte und heranwagen konnte. Der Kirchenkasse wurden durch mein Reissbrett und meine unausgesetzte Bauaufsicht manche Kosten gespart.</p> <p>Die Beschaffung von Orgel und Glocken führte zu lebhaften Verhandlungen. Ich bestand darauf, dass zu dieser Anschaffung die Unterstützung des Gustav Adolf-Vereins nicht herangezogen werden dürfe, da wir auch ohne Glocken und ohne Orgel Gottesdienst halten könnten und da wir die Unterstützung anderer, bedürftigerer Gemeinden nicht beeinträchtigen dürften. Ich drang damit durch. So wurde denn nur ein billiges Harmonium statt der Orgel in die Kirche gestellt und weil für ein Bronze- Geläute unsere Mittel nicht ausreichten, so wurde zu Gussstahlglocken </p> </div> </body> </text> </TEI> [58/0058]
abzumessen und auf ihre Beschaffenheit zu prüfen hat, bekommt ein gedrückt und gerüttelt Mass von Ärger und Zank zugetheilt. Die Freude am Werk half Ärger und Mühsal überwinden. - Im Herbste 1857 begannen die Arbeiten, im Anfange des Sommers 1858 wurde feierliche Grundstein- (richtiger Eckstein-) Legung, im Anfang November 1858 das Richtfest gehalten und im Jahre 1859 der Thurm ausgebaut und der ganze Bau fertig gestellt.
Während der Bauarbeiten erwachte in mir das Architektenblut meiner mütterlichen Familie und der es weckte, war unser Bauleiter. Er merkte, dass ich einen Begriff von Bauzeichnungen hatte. Mein Zeichenlehrer vom Gymnasium hatte einmal auch Bauzeichnen im Maassstabe mit uns getrieben und uns dabei allerley drastische Rathschläge gegeben z. B. bei einem Wohnhause muss zuerst die Küche und der Abtritt am richtigen Orte plaziert werden, denn darum dreht sich die Bequemlichkeit des ganzen häuslichen Lebens. Unser Bauleiter, der sehr beschäftigt war, zog mich darum als Gehilfen und zum Gehilfen heran, liess mich erst leichtere, dann schwerere Zeichnungen machen, gab mir Winke über die Ausführung der Arbeiten, liess mich Einzelheiten besonders überwachen. Unter der Hand unterrichtete ich mich aus Büchern und im Gespräch mit Arbeitern weiter und übte mich im Zeichnen. Zuletzt kam unser Bauleiter nur selten an den Bau, besprach vollendete oder anzugreifende Arbeiten mit mir und überliess mir die Detailaufsicht. So wurde ich zu einem halben Baumeister herangebildet der sich später an kleinere Aufgaben heranwagte und heranwagen konnte. Der Kirchenkasse wurden durch mein Reissbrett und meine unausgesetzte Bauaufsicht manche Kosten gespart.
Die Beschaffung von Orgel und Glocken führte zu lebhaften Verhandlungen. Ich bestand darauf, dass zu dieser Anschaffung die Unterstützung des Gustav Adolf-Vereins nicht herangezogen werden dürfe, da wir auch ohne Glocken und ohne Orgel Gottesdienst halten könnten und da wir die Unterstützung anderer, bedürftigerer Gemeinden nicht beeinträchtigen dürften. Ich drang damit durch. So wurde denn nur ein billiges Harmonium statt der Orgel in die Kirche gestellt und weil für ein Bronze- Geläute unsere Mittel nicht ausreichten, so wurde zu Gussstahlglocken
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