Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.Kirche 5 Jahre alt und ordentlich ausgetrocknet sei, und dann seien bisher noch Schulden zu decken gewesen, weshalb ein Orgelfond nicht habe gesammelt werden können. Als sie fragte, was eine Orgel kosten könne, ward ich aufmerksam auf die Situation und hielt einen launigen Vortrag über grosse und kleine, über schlechte billige und gute theure Orgeln, über den Charakter der einzelnen Register und darüber, dass man eine Orgel grösser anlegen, und doch mit wenigen Registern beginnen, später mehr hinzufügen könne. Die Sache interessierte sie je mehr und mehr und als die Frage kam: wieviel Geld für eine gute, dem Kirchenraum angemessene Orgel nöthig sei, erwiederte ich kurz entschlossen: 1600-1700 Thaler. "Ich stelle sie Ihnen zur Verfügung; mein Schwiegersohn wird sie Ihnen auszahlen." Ich verhandelte mit Ladegast in Weissenfeis, dem Erbauer der Leipziger Thomasorgel; seine Disposition sagte mir zu und er nahm die Bestellung an, obgleich sein Arbeitsfeld, wie er sagte, der Osten sei, aber er wolle einmal nach Paris, den Franzosen in die Werkstatt sehen, und sehe St. Ingbert als Sprungbrett dahin an, weil er doch sonst nicht zur Reise nach Paris käme. Für nicht ganz 1700 Thaler wurde die Orgel fertig aufgestellt, denn ich war stets darauf aus, zur Verfügung gestellte Summen nicht ganz aufzubrauchen, namentlich aber Geschenkgeber durch Ersparungen zu erfreuen und nicht durch Nachforderungen zu verstimmen. Dies Verfahren rentiert sich, probavi! Die nächste Aufgabe war die Erbauung eines Pfarrhauses, Geld hatten wir hiezu noch keins, aber mit Hilfe des Gustav Adolf Vereins und einer nachgesuchten Kirchenkollekte konnte die Gemeinde das Nothwendige aufbringen. Der Bauplatz nebst Raum für einen Hausgarten war zugleich mit dem Kirchenbauplatz erworben worden. Freilich waren etwa 100 Kubikmeter Erde wegzufahren, um das Haus auf gleiches Niveau mit der vorüberziehenden Strasse stellen zu können. Der mit Lehm stark untermischte Sand des Terrains half dazu, die Räumungsarbeit grossentheils unentgeltlich, im Ganzen aber billig auszuführen, nur musste ich viel rennen und reden, um genug unbezahlte Liebhaber beizubringen. Kirche 5 Jahre alt und ordentlich ausgetrocknet sei, und dann seien bisher noch Schulden zu decken gewesen, weshalb ein Orgelfond nicht habe gesammelt werden können. Als sie fragte, was eine Orgel kosten könne, ward ich aufmerksam auf die Situation und hielt einen launigen Vortrag über grosse und kleine, über schlechte billige und gute theure Orgeln, über den Charakter der einzelnen Register und darüber, dass man eine Orgel grösser anlegen, und doch mit wenigen Registern beginnen, später mehr hinzufügen könne. Die Sache interessierte sie je mehr und mehr und als die Frage kam: wieviel Geld für eine gute, dem Kirchenraum angemessene Orgel nöthig sei, erwiederte ich kurz entschlossen: 1600-1700 Thaler. "Ich stelle sie Ihnen zur Verfügung; mein Schwiegersohn wird sie Ihnen auszahlen." Ich verhandelte mit Ladegast in Weissenfeis, dem Erbauer der Leipziger Thomasorgel; seine Disposition sagte mir zu und er nahm die Bestellung an, obgleich sein Arbeitsfeld, wie er sagte, der Osten sei, aber er wolle einmal nach Paris, den Franzosen in die Werkstatt sehen, und sehe St. Ingbert als Sprungbrett dahin an, weil er doch sonst nicht zur Reise nach Paris käme. Für nicht ganz 1700 Thaler wurde die Orgel fertig aufgestellt, denn ich war stets darauf aus, zur Verfügung gestellte Summen nicht ganz aufzubrauchen, namentlich aber Geschenkgeber durch Ersparungen zu erfreuen und nicht durch Nachforderungen zu verstimmen. Dies Verfahren rentiert sich, probavi! Die nächste Aufgabe war die Erbauung eines Pfarrhauses, Geld hatten wir hiezu noch keins, aber mit Hilfe des Gustav Adolf Vereins und einer nachgesuchten Kirchenkollekte konnte die Gemeinde das Nothwendige aufbringen. Der Bauplatz nebst Raum für einen Hausgarten war zugleich mit dem Kirchenbauplatz erworben worden. Freilich waren etwa 100 Kubikmeter Erde wegzufahren, um das Haus auf gleiches Niveau mit der vorüberziehenden Strasse stellen zu können. Der mit Lehm stark untermischte Sand des Terrains half dazu, die Räumungsarbeit grossentheils unentgeltlich, im Ganzen aber billig auszuführen, nur musste ich viel rennen und reden, um genug unbezahlte Liebhaber beizubringen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0078" n="78"/> Kirche 5 Jahre alt und ordentlich ausgetrocknet sei, und dann seien bisher noch Schulden zu decken gewesen, weshalb ein Orgelfond nicht habe gesammelt werden können. Als sie fragte, was eine Orgel kosten könne, ward ich aufmerksam auf die Situation und hielt einen launigen Vortrag über grosse und kleine, über schlechte billige und gute theure Orgeln, über den Charakter der einzelnen Register und darüber, dass man eine Orgel grösser anlegen, und doch mit wenigen Registern beginnen, später mehr hinzufügen könne. Die Sache interessierte sie je mehr und mehr und als die Frage kam: wieviel Geld für eine <hi rendition="#u">gute</hi>, dem Kirchenraum angemessene Orgel nöthig sei, erwiederte ich kurz entschlossen: 1600-1700 Thaler. "Ich stelle sie Ihnen zur Verfügung; mein Schwiegersohn wird sie Ihnen auszahlen."</p> <p>Ich verhandelte mit Ladegast in Weissenfeis, dem Erbauer der Leipziger Thomasorgel; seine Disposition sagte mir zu und er nahm die Bestellung an, obgleich sein Arbeitsfeld, wie er sagte, der Osten sei, aber er wolle einmal nach Paris, den Franzosen in die Werkstatt sehen, und sehe St. Ingbert als Sprungbrett dahin an, weil er doch sonst nicht zur Reise nach Paris käme. Für nicht ganz 1700 Thaler wurde die Orgel fertig aufgestellt, denn ich war stets darauf aus, zur Verfügung gestellte Summen nicht ganz aufzubrauchen, namentlich aber Geschenkgeber durch Ersparungen zu erfreuen und nicht durch Nachforderungen zu verstimmen. Dies Verfahren rentiert sich, probavi!</p> <p>Die nächste Aufgabe war die Erbauung eines Pfarrhauses, Geld hatten wir hiezu noch keins, aber mit Hilfe des Gustav Adolf Vereins und einer nachgesuchten Kirchenkollekte konnte die Gemeinde das Nothwendige aufbringen. Der Bauplatz nebst Raum für einen Hausgarten war zugleich mit dem Kirchenbauplatz erworben worden. Freilich waren etwa 100 Kubikmeter Erde wegzufahren, um das Haus auf gleiches Niveau mit der vorüberziehenden Strasse stellen zu können. Der mit Lehm stark untermischte Sand des Terrains half dazu, die Räumungsarbeit grossentheils unentgeltlich, im Ganzen aber billig auszuführen, nur musste ich viel rennen und reden, um genug unbezahlte Liebhaber beizubringen. </p> </div> </body> </text> </TEI> [78/0078]
Kirche 5 Jahre alt und ordentlich ausgetrocknet sei, und dann seien bisher noch Schulden zu decken gewesen, weshalb ein Orgelfond nicht habe gesammelt werden können. Als sie fragte, was eine Orgel kosten könne, ward ich aufmerksam auf die Situation und hielt einen launigen Vortrag über grosse und kleine, über schlechte billige und gute theure Orgeln, über den Charakter der einzelnen Register und darüber, dass man eine Orgel grösser anlegen, und doch mit wenigen Registern beginnen, später mehr hinzufügen könne. Die Sache interessierte sie je mehr und mehr und als die Frage kam: wieviel Geld für eine gute, dem Kirchenraum angemessene Orgel nöthig sei, erwiederte ich kurz entschlossen: 1600-1700 Thaler. "Ich stelle sie Ihnen zur Verfügung; mein Schwiegersohn wird sie Ihnen auszahlen."
Ich verhandelte mit Ladegast in Weissenfeis, dem Erbauer der Leipziger Thomasorgel; seine Disposition sagte mir zu und er nahm die Bestellung an, obgleich sein Arbeitsfeld, wie er sagte, der Osten sei, aber er wolle einmal nach Paris, den Franzosen in die Werkstatt sehen, und sehe St. Ingbert als Sprungbrett dahin an, weil er doch sonst nicht zur Reise nach Paris käme. Für nicht ganz 1700 Thaler wurde die Orgel fertig aufgestellt, denn ich war stets darauf aus, zur Verfügung gestellte Summen nicht ganz aufzubrauchen, namentlich aber Geschenkgeber durch Ersparungen zu erfreuen und nicht durch Nachforderungen zu verstimmen. Dies Verfahren rentiert sich, probavi!
Die nächste Aufgabe war die Erbauung eines Pfarrhauses, Geld hatten wir hiezu noch keins, aber mit Hilfe des Gustav Adolf Vereins und einer nachgesuchten Kirchenkollekte konnte die Gemeinde das Nothwendige aufbringen. Der Bauplatz nebst Raum für einen Hausgarten war zugleich mit dem Kirchenbauplatz erworben worden. Freilich waren etwa 100 Kubikmeter Erde wegzufahren, um das Haus auf gleiches Niveau mit der vorüberziehenden Strasse stellen zu können. Der mit Lehm stark untermischte Sand des Terrains half dazu, die Räumungsarbeit grossentheils unentgeltlich, im Ganzen aber billig auszuführen, nur musste ich viel rennen und reden, um genug unbezahlte Liebhaber beizubringen.
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