Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743. Herr v. R. Ohne Zweifel hat er die Zeit in acht genommen, da er sie ohne mich hat übersal- len können. Wahrm. Er wuste freylich mehr als zu wohl, daß uns ihr Schutz fehlte. Denn den Au- genblick, da ich ihn sahe, war ich ein Ver- führer, ein Atheist, ein Zauberer, ein Teu- fel, und was er nur abscheuliches wuste. Jch hatte die Fräulein die Philosophie ge- lehret, und sie dadurch zur Atheisterey ver- führet, ich muste ihre Sinnen oder seine Predigten bezaubert haben, weil er mit den- selben nichts ausrichten konnte. Er that mich in den Bann, er verdammte mich mit Leib und Seele in die Hölle, und mein Glück war, daß er die Macht nicht hatte, sonst hätte er sogleich in dem Zimmer einen feu- rigen Backofen und ein Dutzend Teufel er- schaffen, und mich ohne alle Gnade hinein schieben lassen. Herr v. R. Wahrheit und Vernunft sind sehr glücklich, daß die Geistlichen diese Macht nicht haben, sonst wären sie in einem Tage ansgerottet. Nunmehro aber bin ich ihrer Liebe wegen ganz unbesorgt. Denn weil der Haß meiner Schwester gegen sie nur von Tempelstolzens Eyfer entzündet worden, so wird er eben so bald wieder verlöschen, als er entglommen. Wahrm. Wenn sie etwas wissen, welches mir die geringste Hofnung wieder geben kan, so entdecken G
Herr v. R. Ohne Zweifel hat er die Zeit in acht genommen, da er ſie ohne mich hat uͤberſal- len koͤnnen. Wahrm. Er wuſte freylich mehr als zu wohl, daß uns ihr Schutz fehlte. Denn den Au- genblick, da ich ihn ſahe, war ich ein Ver- fuͤhrer, ein Atheiſt, ein Zauberer, ein Teu- fel, und was er nur abſcheuliches wuſte. Jch hatte die Fraͤulein die Philoſophie ge- lehret, und ſie dadurch zur Atheiſterey ver- fuͤhret, ich muſte ihre Sinnen oder ſeine Predigten bezaubert haben, weil er mit den- ſelben nichts ausrichten konnte. Er that mich in den Bann, er verdammte mich mit Leib und Seele in die Hoͤlle, und mein Gluͤck war, daß er die Macht nicht hatte, ſonſt haͤtte er ſogleich in dem Zimmer einen feu- rigen Backofen und ein Dutzend Teufel er- ſchaffen, und mich ohne alle Gnade hinein ſchieben laſſen. Herr v. R. Wahrheit und Vernunft ſind ſehr gluͤcklich, daß die Geiſtlichen dieſe Macht nicht haben, ſonſt waͤren ſie in einem Tage ansgerottet. Nunmehro aber bin ich ihrer Liebe wegen ganz unbeſorgt. Denn weil der Haß meiner Schweſter gegen ſie nur von Tempelſtolzens Eyfer entzuͤndet worden, ſo wird er eben ſo bald wieder verloͤſchen, als er entglommen. Wahrm. Wenn ſie etwas wiſſen, welches mir die geringſte Hofnung wieder geben kan, ſo entdecken G
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Herr v. R. Ohne Zweifel hat er die Zeit in acht
genommen, da er ſie ohne mich hat uͤberſal-
len koͤnnen.
Wahrm. Er wuſte freylich mehr als zu wohl,
daß uns ihr Schutz fehlte. Denn den Au-
genblick, da ich ihn ſahe, war ich ein Ver-
fuͤhrer, ein Atheiſt, ein Zauberer, ein Teu-
fel, und was er nur abſcheuliches wuſte.
Jch hatte die Fraͤulein die Philoſophie ge-
lehret, und ſie dadurch zur Atheiſterey ver-
fuͤhret, ich muſte ihre Sinnen oder ſeine
Predigten bezaubert haben, weil er mit den-
ſelben nichts ausrichten konnte. Er that mich
in den Bann, er verdammte mich mit Leib
und Seele in die Hoͤlle, und mein Gluͤck
war, daß er die Macht nicht hatte, ſonſt
haͤtte er ſogleich in dem Zimmer einen feu-
rigen Backofen und ein Dutzend Teufel er-
ſchaffen, und mich ohne alle Gnade hinein
ſchieben laſſen.
Herr v. R. Wahrheit und Vernunft ſind ſehr
gluͤcklich, daß die Geiſtlichen dieſe Macht
nicht haben, ſonſt waͤren ſie in einem Tage
ansgerottet. Nunmehro aber bin ich ihrer
Liebe wegen ganz unbeſorgt. Denn weil
der Haß meiner Schweſter gegen ſie nur
von Tempelſtolzens Eyfer entzuͤndet worden,
ſo wird er eben ſo bald wieder verloͤſchen,
als er entglommen.
Wahrm. Wenn ſie etwas wiſſen, welches mir
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