Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743.entdecken sie mir doch solches zu meiner Be- ruhigung. Herr v. R. Es sind die beyden Geistlichen mit ihrer Niederträchtigkeit und Boßheit, wel- che ihnen wieder sich selbst beystehen. Die alte Frau, welche sie den Augenblick erst von mir gehen sehen, ist Tempelstolzens Braut, durch deren Geld er sich ins Amt gestohlen. Er hat sie hintergehen, und einer 65 jährigen Frau ein junges Fräulein vor- ziehen wollen; sie hat aber einen Befehl vom Consistorio bey sich, welcher ihn wieder seinen Willen Recht zu thun zwinget. Muf- fel aber hat sich in seine Köchin so stark verliebt gehabt, daß er ihr sich selbst ohne Zeugen angetrauet hat, und sie ietzt auch, ohne sie zu lieben, heyrathen muß. Wahrm. Mein Erstaunen über diese lasterhafte Aufführung unserer Geistlichen ist nicht ge- ringe. Allein in dem sie durch dieselbe wie- der ihren Willen mein Glück befördern, so bin ich zufrieden, daß ich zu meinem End- Zwecke gelangen kan, ohne aus Liebe nie- derträchtig zu werden. Kommen sie, mein werthester Hr. von Roseneck; lassen sie uns keine Zeit versäumen, ietzt beruhet es nur darauf, daß sie die Frau von Birkenhayn davon benachrichtigen, so bin ich den Au- genblick glücklich und vergnügt; ich kan den glückseligen Augenblick kaum erwarten. Hr. v. R. Wir würden uns übereilen, mein Hr. Wahrmund, wenn ich ihrem Rathe folgte. Lassen
entdecken ſie mir doch ſolches zu meiner Be- ruhigung. Herr v. R. Es ſind die beyden Geiſtlichen mit ihrer Niedertraͤchtigkeit und Boßheit, wel- che ihnen wieder ſich ſelbſt beyſtehen. Die alte Frau, welche ſie den Augenblick erſt von mir gehen ſehen, iſt Tempelſtolzens Braut, durch deren Geld er ſich ins Amt geſtohlen. Er hat ſie hintergehen, und einer 65 jaͤhrigen Frau ein junges Fraͤulein vor- ziehen wollen; ſie hat aber einen Befehl vom Conſiſtorio bey ſich, welcher ihn wieder ſeinen Willen Recht zu thun zwinget. Muf- fel aber hat ſich in ſeine Koͤchin ſo ſtark verliebt gehabt, daß er ihr ſich ſelbſt ohne Zeugen angetrauet hat, und ſie ietzt auch, ohne ſie zu lieben, heyrathen muß. Wahrm. Mein Erſtaunen uͤber dieſe laſterhafte Auffuͤhrung unſerer Geiſtlichen iſt nicht ge- ringe. Allein in dem ſie durch dieſelbe wie- der ihren Willen mein Gluͤck befoͤrdern, ſo bin ich zufrieden, daß ich zu meinem End- Zwecke gelangen kan, ohne aus Liebe nie- dertraͤchtig zu werden. Kommen ſie, mein wertheſter Hr. von Roſeneck; laſſen ſie uns keine Zeit verſaͤumen, ietzt beruhet es nur darauf, daß ſie die Frau von Birkenhayn davon benachrichtigen, ſo bin ich den Au- genblick gluͤcklich und vergnuͤgt; ich kan den gluͤckſeligen Augenblick kaum erwarten. Hr. v. R. Wir wuͤrden uns uͤbereilen, mein Hr. Wahrmund, wenn ich ihrem Rathe folgte. Laſſen
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Herr v. R. Es ſind die beyden Geiſtlichen mit
ihrer Niedertraͤchtigkeit und Boßheit, wel-
che ihnen wieder ſich ſelbſt beyſtehen. Die
alte Frau, welche ſie den Augenblick erſt
von mir gehen ſehen, iſt Tempelſtolzens
Braut, durch deren Geld er ſich ins Amt
geſtohlen. Er hat ſie hintergehen, und einer
65 jaͤhrigen Frau ein junges Fraͤulein vor-
ziehen wollen; ſie hat aber einen Befehl
vom Conſiſtorio bey ſich, welcher ihn wieder
ſeinen Willen Recht zu thun zwinget. Muf-
fel aber hat ſich in ſeine Koͤchin ſo ſtark
verliebt gehabt, daß er ihr ſich ſelbſt ohne
Zeugen angetrauet hat, und ſie ietzt auch,
ohne ſie zu lieben, heyrathen muß.
Wahrm. Mein Erſtaunen uͤber dieſe laſterhafte
Auffuͤhrung unſerer Geiſtlichen iſt nicht ge-
ringe. Allein in dem ſie durch dieſelbe wie-
der ihren Willen mein Gluͤck befoͤrdern, ſo
bin ich zufrieden, daß ich zu meinem End-
Zwecke gelangen kan, ohne aus Liebe nie-
dertraͤchtig zu werden. Kommen ſie, mein
wertheſter Hr. von Roſeneck; laſſen ſie uns
keine Zeit verſaͤumen, ietzt beruhet es nur
darauf, daß ſie die Frau von Birkenhayn
davon benachrichtigen, ſo bin ich den Au-
genblick gluͤcklich und vergnuͤgt; ich kan den
gluͤckſeligen Augenblick kaum erwarten.
Hr. v. R. Wir wuͤrden uns uͤbereilen, mein Hr.
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