Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743. Wilhelm. Es ist ihr Glück, daß sie sich so ge- schwinde auf den Esel besonnen haben, denn ich glaube, die Postillen schreiben von der Philosophie nichts. Aber wissen sie wohl, daß diese Schlüsse weder überzeu- gend, noch meiner Wiederlegung würdig sind? Muffel. Nun, nun, schönstes Fräulein, ich will es so genau mit ihnen auch nicht neh- men, sie sind viel zu reitzend, viel zu schön, als daß ich mein Herz länger vor ihnen ver- bergen könnte. Wegen der heftigsten Zu- neigung, die ich zu ihnen trage, habe ich niemals im Willen gehabt, sie in ihrem Glauben zu stören. Eben diese zärtliche Liebe läst auch nicht zu, daß ich sie der Philosophle wegen verdammen sollte. Jch will ihnen, aus zärtlicher Zuneigung zu ih- nen, einen Rath geben, welchem sie zur Belohnung meiner Liebe folgen müssen. Stellen sie sich nur gegen die Frau Mama als eine Feindin der Philosophie an, und sagen sie dabey, ich hätte sie von ihrem Jrrthume befreyet, ich werde ein gleiches reden, und sie werden alsdann ihren Die- ner, der sie so brünstig verehret, mit ihrer Gegenliebe beglücken, und ihre Frau Mut- ter wird mich sodann Tempelstolzen willig vorziehen. Jch habe ihnen mein Herz entdecket, schönstes Fräulein, mein Glück und mein Unglück stehet in ihrer schönen Hand; wie ich immer gehöret habe, so sollen
Wilhelm. Es iſt ihr Gluͤck, daß ſie ſich ſo ge- ſchwinde auf den Eſel beſonnen haben, denn ich glaube, die Poſtillen ſchreiben von der Philoſophie nichts. Aber wiſſen ſie wohl, daß dieſe Schluͤſſe weder uͤberzeu- gend, noch meiner Wiederlegung wuͤrdig ſind? Muffel. Nun, nun, ſchoͤnſtes Fraͤulein, ich will es ſo genau mit ihnen auch nicht neh- men, ſie ſind viel zu reitzend, viel zu ſchoͤn, als daß ich mein Herz laͤnger vor ihnen ver- bergen koͤnnte. Wegen der heftigſten Zu- neigung, die ich zu ihnen trage, habe ich niemals im Willen gehabt, ſie in ihrem Glauben zu ſtoͤren. Eben dieſe zaͤrtliche Liebe laͤſt auch nicht zu, daß ich ſie der Philoſophle wegen verdammen ſollte. Jch will ihnen, aus zaͤrtlicher Zuneigung zu ih- nen, einen Rath geben, welchem ſie zur Belohnung meiner Liebe folgen muͤſſen. Stellen ſie ſich nur gegen die Frau Mama als eine Feindin der Philoſophie an, und ſagen ſie dabey, ich haͤtte ſie von ihrem Jrrthume befreyet, ich werde ein gleiches reden, und ſie werden alsdann ihren Die- ner, der ſie ſo bruͤnſtig verehret, mit ihrer Gegenliebe begluͤcken, und ihre Frau Mut- ter wird mich ſodann Tempelſtolzen willig vorziehen. Jch habe ihnen mein Herz entdecket, ſchoͤnſtes Fraͤulein, mein Gluͤck und mein Ungluͤck ſtehet in ihrer ſchoͤnen Hand; wie ich immer gehoͤret habe, ſo ſollen
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Wilhelm. Es iſt ihr Gluͤck, daß ſie ſich ſo ge-
ſchwinde auf den Eſel beſonnen haben,
denn ich glaube, die Poſtillen ſchreiben von
der Philoſophie nichts. Aber wiſſen ſie
wohl, daß dieſe Schluͤſſe weder uͤberzeu-
gend, noch meiner Wiederlegung wuͤrdig
ſind?
Muffel. Nun, nun, ſchoͤnſtes Fraͤulein, ich
will es ſo genau mit ihnen auch nicht neh-
men, ſie ſind viel zu reitzend, viel zu ſchoͤn,
als daß ich mein Herz laͤnger vor ihnen ver-
bergen koͤnnte. Wegen der heftigſten Zu-
neigung, die ich zu ihnen trage, habe ich
niemals im Willen gehabt, ſie in ihrem
Glauben zu ſtoͤren. Eben dieſe zaͤrtliche
Liebe laͤſt auch nicht zu, daß ich ſie der
Philoſophle wegen verdammen ſollte. Jch
will ihnen, aus zaͤrtlicher Zuneigung zu ih-
nen, einen Rath geben, welchem ſie zur
Belohnung meiner Liebe folgen muͤſſen.
Stellen ſie ſich nur gegen die Frau Mama
als eine Feindin der Philoſophie an, und
ſagen ſie dabey, ich haͤtte ſie von ihrem
Jrrthume befreyet, ich werde ein gleiches
reden, und ſie werden alsdann ihren Die-
ner, der ſie ſo bruͤnſtig verehret, mit ihrer
Gegenliebe begluͤcken, und ihre Frau Mut-
ter wird mich ſodann Tempelſtolzen willig
vorziehen. Jch habe ihnen mein Herz
entdecket, ſchoͤnſtes Fraͤulein, mein Gluͤck
und mein Ungluͤck ſtehet in ihrer ſchoͤnen
Hand; wie ich immer gehoͤret habe, ſo
ſollen
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