Erklärung des andern Briefes Pauli Cap. 4. v. 1-4.
[Spaltenumbruch]
tung vor GOtt auf dein Gewissen lege, und dich gleichsam bey GOtt beschwere, und GOtt zum Zeugen dieser meiner ernstlichen Ermahnung an- ruffe.)
Anmerckungen.
1. Es verdienet einer besondern Aufmerck- samkeit und Erwegung, daß Paulus Timothe- um in den beyden Briefen, wie wir bisher in mehrern Oertern gesehen haben, so ernstlich seines Amts erinnert, mit der Ermahnung, da- bey auch alle wege seiner eigenen Person zum guten Exempel wohl wahrzunehmen: da er doch von dem rechtschafnen Wesen auch von der Treue Timothei aus den bisherigen Proben so viele Versicherung hatte. Gleichwie nun die- ses bey Timotheo selbst zu desto mehrer Bevesti- gung seinen guten Nutzen gehabt hat: so ist es damit auch wohl angesehen gewesen auf die gan- tze Gemeine zu Ephesus, damit er nach Pauli Tode darinnen bey seinen noch jüngern Jahren in der gehörigen Auctorität stehen möchte. Da- zu nicht wenig beytragen konnte, wenn man er- weget, wie ernstlich Paulus Timotheo die ge- treue Verwaltung seines Amts auf sein Gewis- sen geleget: worauf sich auch Timotheus selbst zum öftern beziehen konnte. So hat auch der heilige Geist durch Paulum in der Person Ti- mothei allen übrigen Lehrern, davon manche diesem im Ernst und in der Treue gar ungleich seyn würden, auf alle künftige Zeiten eine In- struction zu ihrem Amte mittheilen wollen.
2. Unter den mehrern an Timotheum ge- richteten ernstlichen Ermahnungen sind sonder- lich drey von besonderm Nachdruck der Obtesta- tion vor GOtt. Nemlich diese: und denn die 1 Tim. 5, 21. Jch bezeuge vor GOTT und dem HErrn JEsu Christo und den auser- wehlten Engeln, daß du solches haltest oh- ne eigen Gutdüncken, und nichts thust nach Gunst. Jmgleichen die c. 6, 13. Jch gebie- te dir vor GOtt, der alle Dinge lebendig machet, und vor Christo JEsu, der unter Pontio Pilato bezeuget hat ein gut Be- kenntniß, daß du haltest das Gebot ohne Flecken, untadelich bis auf die Erscheinung unsers HErrn JEsu Christi. Wohl dem Lehrer, der dieses sich auch gesaget seyn läßt! Wohl dem Zuhörer, der dieses wohl bedencket, und, da er siehet, wie schwer den Lehrern die Verantwortung auf das Gewissen geleget ist, ihnen desto williger folget, da ihr Wille GOttes Wille an ihn, den Zuhörer, ist.
3. Man hat sich bey allen seinen Pflichten zum öftern das jüngste Gericht vorzustellen. Denn dadurch wird der Mensch zu der aus der Gnade GOttes aufgerichteten Lauterkeit seines Gewissens gar kräftig erwecket. Man sehe da- von unter andern vielen Oertern sonderlich Dan. 7, 9. u. f. Matth. 3, 10. 12. c. 13, 30. 41- 43. c. 24. 25. Luc. 21, 34. u. f. Ap. Ges. 17, 30. 31. Röm. 14, 10. u. f. 2 Cor. 5, 10. 1 Joh. 1, 28.
V. 2.
Predige (keruxon, verkündige, als ein von [Spaltenumbruch]
GOtt bestellter Herold, der die Rechte und Gese- tze seines Reichs öffentlich kund zu machen hat Jes. 58, 1.) das Wort (den gantzen Rath GOt- tes von unserer Seligkeit nach dem Grunde und nach der Ordnung des Heyls, den verkündige öffentlich und besonders) halte an (fahre damit fort, wenn du schon siehest, daß es vorhin hier und da vergeblich gewesen) es sey zur rechten Zeit, oder zur Unzeit (es sey diesen und jenen gelegen, oder ungelegen, sie mögen es gerne oder ungern hören) strafe (bringe das Gewissen zur kräftigen Uberzeugung) dräue (den Widerspenstigen stelle die schwere Verantwortung und die Gerichte GOttes vor) ermahne mit aller Geduld (makrothumia, Langmuth in Vertragung aller Widerwärtigkeit) und Lehre (mit fortgesetztem nöthigen Unterricht, damit niemand mit der Un- wissenheit sich entschuldigen könne.)
Anmerckungen.
1. Was der Apostel zuvor Cap. 3, 16. vom Worte des Evangelii als in thesi gesaget hatte, das appliciret er hiermit auf Timotheum, daß er das Wort GOttes nach seinem vielfachen Nutzen gebrauchen soll: da denn ein Vers den andern durch unterschiedene Worte erläutert.
2. Es ist dieses eine gemeine Versuchung bey Lehrern, daß, wenn sie so und so lange, so und so vielmal diesen und jenen Seelen vergeblich nachgegangen sind, sie den Muth sincken lassen und sie gleichsam schon für verloren halten. Da- gegen aber befiehlet Paulus das fernere Anhalten und Fortfahren. Darunter er ohn Zweifel die- ses zum Grunde gehabt hat, daß doch endlich noch mancher wider alles Vermuthen sich gewin- nen lässet.
3. Mit dem Worte akairos zur Unzeit, will der Apostel keines weges so viel sagen, daß ein Lehrer nicht, so viel an ihm ist, alles zur rechten Zeit suchen und thun, und desfals alle Klugheit und Vorsichtigkeit, welche die Erfahrung bey vie- lerley Umständen an die Hand giebet, anwenden soll; sintemal etwas durch Ubernehmung und Ubereilung zu einer solchen Zeit und bey solchen Umständen geschehen kan, daß man keine Frucht davon zu erwarten hat; und man demnach das exagorazesthai ton kairon, das schicket euch in die Zeit, wohl in acht zu nehmen hat, nach Eph. 5, 16. Col. 4, 5. Weil aber mehrmal diesem und jenem diese und jene Vorstellung gantz ungelegen ist, man aber doch das Gewissen an ihm zu retten hat, ja es oft zu der Zeit am allernöthigsten ist, da es dem andern zur Unzeit kömmt, so hat ein ge- wissenhafter Lehrer disfals seine Pflicht wohl zu beobachten. Von der rechten Zeit sehe man Sprüchw. 15, 23. Luc. 12, 42.
V. 3. 4.
Denn (um zu zeigen, was dich und alle treue Lehrer mit dir und nach dir bewegen soll, ihr Amt mit aller Treue zu verrichten, so mercke, daß ich einen Verfall, dagegen man sich zu verwahren hat, vorher sehe) es wird eine Zeit seyn (und bricht schon itzo ein, wie also auch Cap. 3, 1. 5. 6. 9. von der künftigen und schon zum theil gegen-
wär-
Erklaͤrung des andern Briefes Pauli Cap. 4. v. 1-4.
[Spaltenumbruch]
tung vor GOtt auf dein Gewiſſen lege, und dich gleichſam bey GOtt beſchwere, und GOtt zum Zeugen dieſer meiner ernſtlichen Ermahnung an- ruffe.)
Anmerckungen.
1. Es verdienet einer beſondern Aufmerck- ſamkeit und Erwegung, daß Paulus Timothe- um in den beyden Briefen, wie wir bisher in mehrern Oertern geſehen haben, ſo ernſtlich ſeines Amts erinnert, mit der Ermahnung, da- bey auch alle wege ſeiner eigenen Perſon zum guten Exempel wohl wahrzunehmen: da er doch von dem rechtſchafnen Weſen auch von der Treue Timothei aus den bisherigen Proben ſo viele Verſicherung hatte. Gleichwie nun die- ſes bey Timotheo ſelbſt zu deſto mehrer Beveſti- gung ſeinen guten Nutzen gehabt hat: ſo iſt es damit auch wohl angeſehen geweſen auf die gan- tze Gemeine zu Epheſus, damit er nach Pauli Tode darinnen bey ſeinen noch juͤngern Jahren in der gehoͤrigen Auctoritaͤt ſtehen moͤchte. Da- zu nicht wenig beytragen konnte, wenn man er- weget, wie ernſtlich Paulus Timotheo die ge- treue Verwaltung ſeines Amts auf ſein Gewiſ- ſen geleget: worauf ſich auch Timotheus ſelbſt zum oͤftern beziehen konnte. So hat auch der heilige Geiſt durch Paulum in der Perſon Ti- mothei allen uͤbrigen Lehrern, davon manche dieſem im Ernſt und in der Treue gar ungleich ſeyn wuͤrden, auf alle kuͤnftige Zeiten eine In- ſtruction zu ihrem Amte mittheilen wollen.
2. Unter den mehrern an Timotheum ge- richteten ernſtlichen Ermahnungen ſind ſonder- lich drey von beſonderm Nachdruck der Obteſta- tion vor GOtt. Nemlich dieſe: und denn die 1 Tim. 5, 21. Jch bezeuge vor GOTT und dem HErrn JEſu Chriſto und den auser- wehlten Engeln, daß du ſolches halteſt oh- ne eigen Gutduͤncken, und nichts thuſt nach Gunſt. Jmgleichen die c. 6, 13. Jch gebie- te dir vor GOtt, der alle Dinge lebendig machet, und vor Chriſto JEſu, der unter Pontio Pilato bezeuget hat ein gut Be- kenntniß, daß du halteſt das Gebot ohne Flecken, untadelich bis auf die Erſcheinung unſers HErrn JEſu Chriſti. Wohl dem Lehrer, der dieſes ſich auch geſaget ſeyn laͤßt! Wohl dem Zuhoͤrer, der dieſes wohl bedencket, und, da er ſiehet, wie ſchwer den Lehrern die Verantwortung auf das Gewiſſen geleget iſt, ihnen deſto williger folget, da ihr Wille GOttes Wille an ihn, den Zuhoͤrer, iſt.
3. Man hat ſich bey allen ſeinen Pflichten zum oͤftern das juͤngſte Gericht vorzuſtellen. Denn dadurch wird der Menſch zu der aus der Gnade GOttes aufgerichteten Lauterkeit ſeines Gewiſſens gar kraͤftig erwecket. Man ſehe da- von unter andern vielen Oertern ſonderlich Dan. 7, 9. u. f. Matth. 3, 10. 12. c. 13, 30. 41- 43. c. 24. 25. Luc. 21, 34. u. f. Ap. Geſ. 17, 30. 31. Roͤm. 14, 10. u. f. 2 Cor. 5, 10. 1 Joh. 1, 28.
V. 2.
Predige (κήρυξον, verkuͤndige, als ein von [Spaltenumbruch]
GOtt beſtellter Herold, der die Rechte und Geſe- tze ſeines Reichs oͤffentlich kund zu machen hat Jeſ. 58, 1.) das Wort (den gantzen Rath GOt- tes von unſerer Seligkeit nach dem Grunde und nach der Ordnung des Heyls, den verkuͤndige oͤffentlich und beſonders) halte an (fahre damit fort, wenn du ſchon ſieheſt, daß es vorhin hier und da vergeblich geweſen) es ſey zur rechten Zeit, oder zur Unzeit (es ſey dieſen und jenen gelegen, oder ungelegen, ſie moͤgen es gerne oder ungern hoͤren) ſtrafe (bringe das Gewiſſen zur kraͤftigen Uberzeugung) draͤue (den Widerſpenſtigen ſtelle die ſchwere Verantwortung und die Gerichte GOttes vor) ermahne mit aller Geduld (μακροθυμίᾳ, Langmuth in Vertragung aller Widerwaͤrtigkeit) und Lehre (mit fortgeſetztem noͤthigen Unterricht, damit niemand mit der Un- wiſſenheit ſich entſchuldigen koͤnne.)
Anmerckungen.
1. Was der Apoſtel zuvor Cap. 3, 16. vom Worte des Evangelii als in theſi geſaget hatte, das appliciret er hiermit auf Timotheum, daß er das Wort GOttes nach ſeinem vielfachen Nutzen gebrauchen ſoll: da denn ein Vers den andern durch unterſchiedene Worte erlaͤutert.
2. Es iſt dieſes eine gemeine Verſuchung bey Lehrern, daß, wenn ſie ſo und ſo lange, ſo und ſo vielmal dieſen und jenen Seelen vergeblich nachgegangen ſind, ſie den Muth ſincken laſſen und ſie gleichſam ſchon fuͤr verloren halten. Da- gegen aber befiehlet Paulus das fernere Anhalten und Fortfahren. Darunter er ohn Zweifel die- ſes zum Grunde gehabt hat, daß doch endlich noch mancher wider alles Vermuthen ſich gewin- nen laͤſſet.
3. Mit dem Worte ἀκαίρως zur Unzeit, will der Apoſtel keines weges ſo viel ſagen, daß ein Lehrer nicht, ſo viel an ihm iſt, alles zur rechten Zeit ſuchen und thun, und desfals alle Klugheit und Vorſichtigkeit, welche die Erfahrung bey vie- lerley Umſtaͤnden an die Hand giebet, anwenden ſoll; ſintemal etwas durch Ubernehmung und Ubereilung zu einer ſolchen Zeit und bey ſolchen Umſtaͤnden geſchehen kan, daß man keine Frucht davon zu erwarten hat; und man demnach das ἐξαγοράζεσϑαι τὸν καιρὸν, das ſchicket euch in die Zeit, wohl in acht zu nehmen hat, nach Eph. 5, 16. Col. 4, 5. Weil aber mehrmal dieſem und jenem dieſe und jene Vorſtellung gantz ungelegen iſt, man aber doch das Gewiſſen an ihm zu retten hat, ja es oft zu der Zeit am allernoͤthigſten iſt, da es dem andern zur Unzeit koͤmmt, ſo hat ein ge- wiſſenhafter Lehrer disfals ſeine Pflicht wohl zu beobachten. Von der rechten Zeit ſehe man Spruͤchw. 15, 23. Luc. 12, 42.
V. 3. 4.
Denn (um zu zeigen, was dich und alle treue Lehrer mit dir und nach dir bewegen ſoll, ihr Amt mit aller Treue zu verrichten, ſo mercke, daß ich einen Verfall, dagegen man ſich zu verwahren hat, vorher ſehe) es wird eine Zeit ſeyn (und bricht ſchon itzo ein, wie alſo auch Cap. 3, 1. 5. 6. 9. von der kuͤnftigen und ſchon zum theil gegen-
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[180/0182]
Erklaͤrung des andern Briefes Pauli Cap. 4. v. 1-4.
tung vor GOtt auf dein Gewiſſen lege, und dich
gleichſam bey GOtt beſchwere, und GOtt zum
Zeugen dieſer meiner ernſtlichen Ermahnung an-
ruffe.)
Anmerckungen.
1. Es verdienet einer beſondern Aufmerck-
ſamkeit und Erwegung, daß Paulus Timothe-
um in den beyden Briefen, wie wir bisher in
mehrern Oertern geſehen haben, ſo ernſtlich
ſeines Amts erinnert, mit der Ermahnung, da-
bey auch alle wege ſeiner eigenen Perſon zum
guten Exempel wohl wahrzunehmen: da er doch
von dem rechtſchafnen Weſen auch von der
Treue Timothei aus den bisherigen Proben ſo
viele Verſicherung hatte. Gleichwie nun die-
ſes bey Timotheo ſelbſt zu deſto mehrer Beveſti-
gung ſeinen guten Nutzen gehabt hat: ſo iſt es
damit auch wohl angeſehen geweſen auf die gan-
tze Gemeine zu Epheſus, damit er nach Pauli
Tode darinnen bey ſeinen noch juͤngern Jahren
in der gehoͤrigen Auctoritaͤt ſtehen moͤchte. Da-
zu nicht wenig beytragen konnte, wenn man er-
weget, wie ernſtlich Paulus Timotheo die ge-
treue Verwaltung ſeines Amts auf ſein Gewiſ-
ſen geleget: worauf ſich auch Timotheus ſelbſt
zum oͤftern beziehen konnte. So hat auch der
heilige Geiſt durch Paulum in der Perſon Ti-
mothei allen uͤbrigen Lehrern, davon manche
dieſem im Ernſt und in der Treue gar ungleich
ſeyn wuͤrden, auf alle kuͤnftige Zeiten eine In-
ſtruction zu ihrem Amte mittheilen wollen.
2. Unter den mehrern an Timotheum ge-
richteten ernſtlichen Ermahnungen ſind ſonder-
lich drey von beſonderm Nachdruck der Obteſta-
tion vor GOtt. Nemlich dieſe: und denn die
1 Tim. 5, 21. Jch bezeuge vor GOTT und
dem HErrn JEſu Chriſto und den auser-
wehlten Engeln, daß du ſolches halteſt oh-
ne eigen Gutduͤncken, und nichts thuſt nach
Gunſt. Jmgleichen die c. 6, 13. Jch gebie-
te dir vor GOtt, der alle Dinge lebendig
machet, und vor Chriſto JEſu, der unter
Pontio Pilato bezeuget hat ein gut Be-
kenntniß, daß du halteſt das Gebot ohne
Flecken, untadelich bis auf die Erſcheinung
unſers HErrn JEſu Chriſti. Wohl dem
Lehrer, der dieſes ſich auch geſaget ſeyn laͤßt!
Wohl dem Zuhoͤrer, der dieſes wohl bedencket,
und, da er ſiehet, wie ſchwer den Lehrern die
Verantwortung auf das Gewiſſen geleget iſt,
ihnen deſto williger folget, da ihr Wille GOttes
Wille an ihn, den Zuhoͤrer, iſt.
3. Man hat ſich bey allen ſeinen Pflichten
zum oͤftern das juͤngſte Gericht vorzuſtellen.
Denn dadurch wird der Menſch zu der aus der
Gnade GOttes aufgerichteten Lauterkeit ſeines
Gewiſſens gar kraͤftig erwecket. Man ſehe da-
von unter andern vielen Oertern ſonderlich
Dan. 7, 9. u. f. Matth. 3, 10. 12. c. 13, 30. 41-
43. c. 24. 25. Luc. 21, 34. u. f. Ap. Geſ. 17, 30.
31. Roͤm. 14, 10. u. f. 2 Cor. 5, 10. 1 Joh. 1, 28.
V. 2.
Predige (κήρυξον, verkuͤndige, als ein von
GOtt beſtellter Herold, der die Rechte und Geſe-
tze ſeines Reichs oͤffentlich kund zu machen hat
Jeſ. 58, 1.) das Wort (den gantzen Rath GOt-
tes von unſerer Seligkeit nach dem Grunde und
nach der Ordnung des Heyls, den verkuͤndige
oͤffentlich und beſonders) halte an (fahre damit
fort, wenn du ſchon ſieheſt, daß es vorhin hier und
da vergeblich geweſen) es ſey zur rechten Zeit,
oder zur Unzeit (es ſey dieſen und jenen gelegen,
oder ungelegen, ſie moͤgen es gerne oder ungern
hoͤren) ſtrafe (bringe das Gewiſſen zur kraͤftigen
Uberzeugung) draͤue (den Widerſpenſtigen ſtelle
die ſchwere Verantwortung und die Gerichte
GOttes vor) ermahne mit aller Geduld
(μακροθυμίᾳ, Langmuth in Vertragung aller
Widerwaͤrtigkeit) und Lehre (mit fortgeſetztem
noͤthigen Unterricht, damit niemand mit der Un-
wiſſenheit ſich entſchuldigen koͤnne.)
Anmerckungen.
1. Was der Apoſtel zuvor Cap. 3, 16. vom
Worte des Evangelii als in theſi geſaget hatte,
das appliciret er hiermit auf Timotheum, daß
er das Wort GOttes nach ſeinem vielfachen
Nutzen gebrauchen ſoll: da denn ein Vers den
andern durch unterſchiedene Worte erlaͤutert.
2. Es iſt dieſes eine gemeine Verſuchung
bey Lehrern, daß, wenn ſie ſo und ſo lange, ſo und
ſo vielmal dieſen und jenen Seelen vergeblich
nachgegangen ſind, ſie den Muth ſincken laſſen
und ſie gleichſam ſchon fuͤr verloren halten. Da-
gegen aber befiehlet Paulus das fernere Anhalten
und Fortfahren. Darunter er ohn Zweifel die-
ſes zum Grunde gehabt hat, daß doch endlich
noch mancher wider alles Vermuthen ſich gewin-
nen laͤſſet.
3. Mit dem Worte ἀκαίρως zur Unzeit,
will der Apoſtel keines weges ſo viel ſagen, daß ein
Lehrer nicht, ſo viel an ihm iſt, alles zur rechten
Zeit ſuchen und thun, und desfals alle Klugheit
und Vorſichtigkeit, welche die Erfahrung bey vie-
lerley Umſtaͤnden an die Hand giebet, anwenden
ſoll; ſintemal etwas durch Ubernehmung und
Ubereilung zu einer ſolchen Zeit und bey ſolchen
Umſtaͤnden geſchehen kan, daß man keine Frucht
davon zu erwarten hat; und man demnach das
ἐξαγοράζεσϑαι τὸν καιρὸν, das ſchicket euch
in die Zeit, wohl in acht zu nehmen hat, nach Eph.
5, 16. Col. 4, 5. Weil aber mehrmal dieſem und
jenem dieſe und jene Vorſtellung gantz ungelegen
iſt, man aber doch das Gewiſſen an ihm zu retten
hat, ja es oft zu der Zeit am allernoͤthigſten iſt, da
es dem andern zur Unzeit koͤmmt, ſo hat ein ge-
wiſſenhafter Lehrer disfals ſeine Pflicht wohl zu
beobachten. Von der rechten Zeit ſehe man
Spruͤchw. 15, 23. Luc. 12, 42.
V. 3. 4.
Denn (um zu zeigen, was dich und alle treue
Lehrer mit dir und nach dir bewegen ſoll, ihr Amt
mit aller Treue zu verrichten, ſo mercke, daß ich
einen Verfall, dagegen man ſich zu verwahren
hat, vorher ſehe) es wird eine Zeit ſeyn (und
bricht ſchon itzo ein, wie alſo auch Cap. 3, 1. 5. 6.
9. von der kuͤnftigen und ſchon zum theil gegen-
waͤr-
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/182>, abgerufen am 31.10.2024.
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Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.