Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].

Bild:
<< vorherige Seite
beständigkeit, würden ganz andere Symphonien
erfordern, als der verlohrne Sohn. So wür-
den sich auch nicht die Symphonien, die sich zum
Geitzigen, oder zum Kranken in der Einbildung,
sehr wohl schicken möchten, zum Unentschlüßi-
gen, oder zum Zerstreuten, schicken. Jene
müssen schon lustiger und scherzhafter seyn, diese
aber verdrießlicher und ernsthafter."

"Die Anfangssymphonie muß sich auf das
ganze Stück beziehen; zugleich aber muß sie auch
den Anfang desselben vorbereiten, und folglich
mit dem ersten Auftritte übereinkommen. Sie
kann aus zwey oder drey Sätzen bestehen, so
wie es der Komponist für gut findet. -- Die
Symphonien zwischen den Aufzügen aber, weil
sie sich nach dem Schlusse des vorhergehenden
Aufzuges und nach dem Anfange des folgenden
richten sollen, werden am natürlichsten zwey
Sätze haben können. Im ersten kann man mehr
auf das Vorhergegangene, im zweyten aber
mehr auf das Folgende sehen. Doch ist solches
nur allein nöthig, wenn die Affekten einander
allzu sehr entgegen sind; sonst kann man auch
wohl nur einen Satz machen, wenn er nur die
gehörige Länge erhält, damit die Bedürfnisse
der Vorstellung, als Lichtputzen, Umklei-
den u. s. w. indeß besorget werden können. --
Die Schlußsymphonie endlich muß mit dem
Schlusse des Schauspiels auf das genaueste
über-
C c 3
beſtaͤndigkeit, wuͤrden ganz andere Symphonien
erfordern, als der verlohrne Sohn. So wuͤr-
den ſich auch nicht die Symphonien, die ſich zum
Geitzigen, oder zum Kranken in der Einbildung,
ſehr wohl ſchicken moͤchten, zum Unentſchluͤßi-
gen, oder zum Zerſtreuten, ſchicken. Jene
muͤſſen ſchon luſtiger und ſcherzhafter ſeyn, dieſe
aber verdrießlicher und ernſthafter.〟

〟Die Anfangsſymphonie muß ſich auf das
ganze Stuͤck beziehen; zugleich aber muß ſie auch
den Anfang deſſelben vorbereiten, und folglich
mit dem erſten Auftritte uͤbereinkommen. Sie
kann aus zwey oder drey Saͤtzen beſtehen, ſo
wie es der Komponiſt fuͤr gut findet. — Die
Symphonien zwiſchen den Aufzuͤgen aber, weil
ſie ſich nach dem Schluſſe des vorhergehenden
Aufzuges und nach dem Anfange des folgenden
richten ſollen, werden am natuͤrlichſten zwey
Saͤtze haben koͤnnen. Im erſten kann man mehr
auf das Vorhergegangene, im zweyten aber
mehr auf das Folgende ſehen. Doch iſt ſolches
nur allein noͤthig, wenn die Affekten einander
allzu ſehr entgegen ſind; ſonſt kann man auch
wohl nur einen Satz machen, wenn er nur die
gehoͤrige Laͤnge erhaͤlt, damit die Beduͤrfniſſe
der Vorſtellung, als Lichtputzen, Umklei-
den u. ſ. w. indeß beſorget werden koͤnnen. —
Die Schlußſymphonie endlich muß mit dem
Schluſſe des Schauſpiels auf das genaueſte
uͤber-
C c 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <cit>
          <quote><pb facs="#f0219" n="205"/>
be&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit, wu&#x0364;rden ganz andere Symphonien<lb/>
erfordern, als der verlohrne Sohn. So wu&#x0364;r-<lb/>
den &#x017F;ich auch nicht die Symphonien, die &#x017F;ich zum<lb/>
Geitzigen, oder zum Kranken in der Einbildung,<lb/>
&#x017F;ehr wohl &#x017F;chicken mo&#x0364;chten, zum Unent&#x017F;chlu&#x0364;ßi-<lb/>
gen, oder zum Zer&#x017F;treuten, &#x017F;chicken. Jene<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chon lu&#x017F;tiger und &#x017F;cherzhafter &#x017F;eyn, die&#x017F;e<lb/>
aber verdrießlicher und ern&#x017F;thafter.&#x301F;</quote>
        </cit><lb/>
        <cit>
          <quote>&#x301F;Die Anfangs&#x017F;ymphonie muß &#x017F;ich auf das<lb/>
ganze Stu&#x0364;ck beziehen; zugleich aber muß &#x017F;ie auch<lb/>
den Anfang de&#x017F;&#x017F;elben vorbereiten, und folglich<lb/>
mit dem er&#x017F;ten Auftritte u&#x0364;bereinkommen. Sie<lb/>
kann aus zwey oder drey Sa&#x0364;tzen be&#x017F;tehen, &#x017F;o<lb/>
wie es der Komponi&#x017F;t fu&#x0364;r gut findet. &#x2014; Die<lb/>
Symphonien zwi&#x017F;chen den Aufzu&#x0364;gen aber, weil<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich nach dem Schlu&#x017F;&#x017F;e des vorhergehenden<lb/>
Aufzuges und nach dem Anfange des folgenden<lb/>
richten &#x017F;ollen, werden am natu&#x0364;rlich&#x017F;ten zwey<lb/>
Sa&#x0364;tze haben ko&#x0364;nnen. Im er&#x017F;ten kann man mehr<lb/>
auf das Vorhergegangene, im zweyten aber<lb/>
mehr auf das Folgende &#x017F;ehen. Doch i&#x017F;t &#x017F;olches<lb/>
nur allein no&#x0364;thig, wenn die Affekten einander<lb/>
allzu &#x017F;ehr entgegen &#x017F;ind; &#x017F;on&#x017F;t kann man auch<lb/>
wohl nur einen Satz machen, wenn er nur die<lb/>
geho&#x0364;rige La&#x0364;nge erha&#x0364;lt, damit die Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
der Vor&#x017F;tellung, als Lichtputzen, Umklei-<lb/>
den u. &#x017F;. w. indeß be&#x017F;orget werden ko&#x0364;nnen. &#x2014;<lb/>
Die Schluß&#x017F;ymphonie endlich muß mit dem<lb/>
Schlu&#x017F;&#x017F;e des Schau&#x017F;piels auf das genaue&#x017F;te<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C c 3</fw><fw place="bottom" type="catch">u&#x0364;ber-</fw><lb/></quote>
        </cit>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0219] beſtaͤndigkeit, wuͤrden ganz andere Symphonien erfordern, als der verlohrne Sohn. So wuͤr- den ſich auch nicht die Symphonien, die ſich zum Geitzigen, oder zum Kranken in der Einbildung, ſehr wohl ſchicken moͤchten, zum Unentſchluͤßi- gen, oder zum Zerſtreuten, ſchicken. Jene muͤſſen ſchon luſtiger und ſcherzhafter ſeyn, dieſe aber verdrießlicher und ernſthafter.〟 〟Die Anfangsſymphonie muß ſich auf das ganze Stuͤck beziehen; zugleich aber muß ſie auch den Anfang deſſelben vorbereiten, und folglich mit dem erſten Auftritte uͤbereinkommen. Sie kann aus zwey oder drey Saͤtzen beſtehen, ſo wie es der Komponiſt fuͤr gut findet. — Die Symphonien zwiſchen den Aufzuͤgen aber, weil ſie ſich nach dem Schluſſe des vorhergehenden Aufzuges und nach dem Anfange des folgenden richten ſollen, werden am natuͤrlichſten zwey Saͤtze haben koͤnnen. Im erſten kann man mehr auf das Vorhergegangene, im zweyten aber mehr auf das Folgende ſehen. Doch iſt ſolches nur allein noͤthig, wenn die Affekten einander allzu ſehr entgegen ſind; ſonſt kann man auch wohl nur einen Satz machen, wenn er nur die gehoͤrige Laͤnge erhaͤlt, damit die Beduͤrfniſſe der Vorſtellung, als Lichtputzen, Umklei- den u. ſ. w. indeß beſorget werden koͤnnen. — Die Schlußſymphonie endlich muß mit dem Schluſſe des Schauſpiels auf das genaueſte uͤber- C c 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/219
Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/219>, abgerufen am 31.10.2024.