Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Tägliche Bewegung der Erde.
Benzenberges wiederholen. Man würde dann, der vorhergehenden
Theorie zu Folge, finden sollen, daß ein schwerer Körper in sechs
Sekunden unter dem Aequator 541,8 und unter den Polen 543,7
P. Fuß also nahe zwei Fuß tiefer fallen sollte. Diese Differenz
wäre allerdings bedeutend genug, um bemerkt zu werden, allein
man wird erstens nicht leicht so hohe Thürme finden, da selbst
die Pyramiden, die größen von Menschenhänden errichteten Ge-
bäude noch nicht die Höhe von 450 Fuß erreichen, und man würde
zweitens auch, wenn man sie fände bald auf Hindernisse in der
Ausführung stoßen, die von dem Widerstande der Luft, und von
der großen Schnelligkeit der Körper zu Ende ihres Falles kom-
men, so daß man auch diesen Weg zu unserem Ziele als un-
gangbar verwerfen wird.

§. 29. (V. Durch andere Mittel). Eben so könnte man eine
schiefe Ebene unter dem Aequator und unter den Polen so lange
gegen den Horizont neigen, bis ein auf sie gelegter Körper die
durch seinen Druck entstehende Reibung überwindet, und seine
abwärts gehende Bewegung beginnt, wo man dann aus dem Nei-
gungswinkel der Ebene an beiden Orten die ihnen entsprechende
Schwere finden würde. -- Eine Kugel, an beiden Orten mit der-
selben Kraft, z. B. des Pulvers, senkrecht aufwärts getrieben,
würde am Aequator höher steigen als unter dem Pole, und die
Differenz dieser beiden Höhen würde auch die Differenz der auf
die Kugel wirkenden Schweren zu erkennen geben, -- die Tiefe
des Eindrucks, den derselbe Körper am Aequator und unter dem
Pole auf einer weichen Unterlage, z. B. auf einer Wachstafel,
zurückläßt; -- ein senkrechter Faden, oder ein Metalldrath an
beiden Orten mit den zum Zerreißen desselben nothwendigen Ge-
wichten beschwert; -- oder ein an seinen beiden Enden befestigter, und
in seiner Mitte frei hängender Faden, der unter dem Pole tiefer
zu dem Horizonte herabsteigen, oder eine ganz andere Kettenlinie
beschreiben würde, als unter dem Aequator; -- diese und noch
manche andere Mittel sind, da sie in der That von verschiedenen
Schweren auf verschiedene Weise afficirt werden, theoretisch rich-
tig, und doch in der Ausführung ganz unbrauchbar, da die Beob-
achtungsfehler, welche man dabei nicht vermeiden kann, in den
daraus abzuleitenden Resultaten Irrthümer erzeugen werden,

Littrows Himmel u. s. Wunder I. 6

Tägliche Bewegung der Erde.
Benzenberges wiederholen. Man würde dann, der vorhergehenden
Theorie zu Folge, finden ſollen, daß ein ſchwerer Körper in ſechs
Sekunden unter dem Aequator 541,8 und unter den Polen 543,7
P. Fuß alſo nahe zwei Fuß tiefer fallen ſollte. Dieſe Differenz
wäre allerdings bedeutend genug, um bemerkt zu werden, allein
man wird erſtens nicht leicht ſo hohe Thürme finden, da ſelbſt
die Pyramiden, die größen von Menſchenhänden errichteten Ge-
bäude noch nicht die Höhe von 450 Fuß erreichen, und man würde
zweitens auch, wenn man ſie fände bald auf Hinderniſſe in der
Ausführung ſtoßen, die von dem Widerſtande der Luft, und von
der großen Schnelligkeit der Körper zu Ende ihres Falles kom-
men, ſo daß man auch dieſen Weg zu unſerem Ziele als un-
gangbar verwerfen wird.

§. 29. (V. Durch andere Mittel). Eben ſo könnte man eine
ſchiefe Ebene unter dem Aequator und unter den Polen ſo lange
gegen den Horizont neigen, bis ein auf ſie gelegter Körper die
durch ſeinen Druck entſtehende Reibung überwindet, und ſeine
abwärts gehende Bewegung beginnt, wo man dann aus dem Nei-
gungswinkel der Ebene an beiden Orten die ihnen entſprechende
Schwere finden würde. — Eine Kugel, an beiden Orten mit der-
ſelben Kraft, z. B. des Pulvers, ſenkrecht aufwärts getrieben,
würde am Aequator höher ſteigen als unter dem Pole, und die
Differenz dieſer beiden Höhen würde auch die Differenz der auf
die Kugel wirkenden Schweren zu erkennen geben, — die Tiefe
des Eindrucks, den derſelbe Körper am Aequator und unter dem
Pole auf einer weichen Unterlage, z. B. auf einer Wachstafel,
zurückläßt; — ein ſenkrechter Faden, oder ein Metalldrath an
beiden Orten mit den zum Zerreißen deſſelben nothwendigen Ge-
wichten beſchwert; — oder ein an ſeinen beiden Enden befeſtigter, und
in ſeiner Mitte frei hängender Faden, der unter dem Pole tiefer
zu dem Horizonte herabſteigen, oder eine ganz andere Kettenlinie
beſchreiben würde, als unter dem Aequator; — dieſe und noch
manche andere Mittel ſind, da ſie in der That von verſchiedenen
Schweren auf verſchiedene Weiſe afficirt werden, theoretiſch rich-
tig, und doch in der Ausführung ganz unbrauchbar, da die Beob-
achtungsfehler, welche man dabei nicht vermeiden kann, in den
daraus abzuleitenden Reſultaten Irrthümer erzeugen werden,

Littrows Himmel u. ſ. Wunder I. 6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0093" n="81"/><fw place="top" type="header">Tägliche Bewegung der Erde.</fw><lb/>
Benzenberges wiederholen. Man würde dann, der vorhergehenden<lb/>
Theorie zu Folge, finden &#x017F;ollen, daß ein &#x017F;chwerer Körper in &#x017F;echs<lb/>
Sekunden unter dem Aequator 541,<hi rendition="#sub">8</hi> und unter den Polen 543,<hi rendition="#sub">7</hi><lb/>
P. Fuß al&#x017F;o nahe zwei Fuß tiefer fallen &#x017F;ollte. Die&#x017F;e Differenz<lb/>
wäre allerdings bedeutend genug, um bemerkt zu werden, allein<lb/>
man wird er&#x017F;tens nicht leicht &#x017F;o hohe Thürme finden, da &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
die Pyramiden, die größen von Men&#x017F;chenhänden errichteten Ge-<lb/>
bäude noch nicht die Höhe von 450 Fuß erreichen, und man würde<lb/>
zweitens auch, wenn man &#x017F;ie fände bald auf Hinderni&#x017F;&#x017F;e in der<lb/>
Ausführung &#x017F;toßen, die von dem Wider&#x017F;tande der Luft, und von<lb/>
der großen Schnelligkeit der Körper zu Ende ihres Falles kom-<lb/>
men, &#x017F;o daß man auch die&#x017F;en Weg zu un&#x017F;erem Ziele als un-<lb/>
gangbar verwerfen wird.</p><lb/>
          <p>§. 29. (<hi rendition="#aq">V.</hi> Durch andere Mittel). Eben &#x017F;o könnte man eine<lb/>
&#x017F;chiefe Ebene unter dem Aequator und unter den Polen &#x017F;o lange<lb/>
gegen den Horizont neigen, bis ein auf &#x017F;ie gelegter Körper die<lb/>
durch &#x017F;einen Druck ent&#x017F;tehende Reibung überwindet, und &#x017F;eine<lb/>
abwärts gehende Bewegung beginnt, wo man dann aus dem Nei-<lb/>
gungswinkel der Ebene an beiden Orten die ihnen ent&#x017F;prechende<lb/>
Schwere finden würde. &#x2014; Eine Kugel, an beiden Orten mit der-<lb/>
&#x017F;elben Kraft, z. B. des Pulvers, &#x017F;enkrecht aufwärts getrieben,<lb/>
würde am Aequator höher &#x017F;teigen als unter dem Pole, und die<lb/>
Differenz die&#x017F;er beiden Höhen würde auch die Differenz der auf<lb/>
die Kugel wirkenden Schweren zu erkennen geben, &#x2014; die Tiefe<lb/>
des Eindrucks, den der&#x017F;elbe Körper am Aequator und unter dem<lb/>
Pole auf einer weichen Unterlage, z. B. auf einer Wachstafel,<lb/>
zurückläßt; &#x2014; ein &#x017F;enkrechter Faden, oder ein Metalldrath an<lb/>
beiden Orten mit den zum Zerreißen de&#x017F;&#x017F;elben nothwendigen Ge-<lb/>
wichten be&#x017F;chwert; &#x2014; oder ein an &#x017F;einen beiden Enden befe&#x017F;tigter, und<lb/>
in &#x017F;einer Mitte frei hängender Faden, der unter dem Pole tiefer<lb/>
zu dem Horizonte herab&#x017F;teigen, oder eine ganz andere Kettenlinie<lb/>
be&#x017F;chreiben würde, als unter dem Aequator; &#x2014; die&#x017F;e und noch<lb/>
manche andere Mittel &#x017F;ind, da &#x017F;ie in der That von ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Schweren auf ver&#x017F;chiedene Wei&#x017F;e afficirt werden, theoreti&#x017F;ch rich-<lb/>
tig, und doch in der Ausführung ganz unbrauchbar, da die Beob-<lb/>
achtungsfehler, welche man dabei nicht vermeiden kann, in den<lb/>
daraus abzuleitenden Re&#x017F;ultaten Irrthümer erzeugen werden,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Littrows</hi> Himmel u. &#x017F;. Wunder <hi rendition="#aq">I.</hi> 6</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0093] Tägliche Bewegung der Erde. Benzenberges wiederholen. Man würde dann, der vorhergehenden Theorie zu Folge, finden ſollen, daß ein ſchwerer Körper in ſechs Sekunden unter dem Aequator 541,8 und unter den Polen 543,7 P. Fuß alſo nahe zwei Fuß tiefer fallen ſollte. Dieſe Differenz wäre allerdings bedeutend genug, um bemerkt zu werden, allein man wird erſtens nicht leicht ſo hohe Thürme finden, da ſelbſt die Pyramiden, die größen von Menſchenhänden errichteten Ge- bäude noch nicht die Höhe von 450 Fuß erreichen, und man würde zweitens auch, wenn man ſie fände bald auf Hinderniſſe in der Ausführung ſtoßen, die von dem Widerſtande der Luft, und von der großen Schnelligkeit der Körper zu Ende ihres Falles kom- men, ſo daß man auch dieſen Weg zu unſerem Ziele als un- gangbar verwerfen wird. §. 29. (V. Durch andere Mittel). Eben ſo könnte man eine ſchiefe Ebene unter dem Aequator und unter den Polen ſo lange gegen den Horizont neigen, bis ein auf ſie gelegter Körper die durch ſeinen Druck entſtehende Reibung überwindet, und ſeine abwärts gehende Bewegung beginnt, wo man dann aus dem Nei- gungswinkel der Ebene an beiden Orten die ihnen entſprechende Schwere finden würde. — Eine Kugel, an beiden Orten mit der- ſelben Kraft, z. B. des Pulvers, ſenkrecht aufwärts getrieben, würde am Aequator höher ſteigen als unter dem Pole, und die Differenz dieſer beiden Höhen würde auch die Differenz der auf die Kugel wirkenden Schweren zu erkennen geben, — die Tiefe des Eindrucks, den derſelbe Körper am Aequator und unter dem Pole auf einer weichen Unterlage, z. B. auf einer Wachstafel, zurückläßt; — ein ſenkrechter Faden, oder ein Metalldrath an beiden Orten mit den zum Zerreißen deſſelben nothwendigen Ge- wichten beſchwert; — oder ein an ſeinen beiden Enden befeſtigter, und in ſeiner Mitte frei hängender Faden, der unter dem Pole tiefer zu dem Horizonte herabſteigen, oder eine ganz andere Kettenlinie beſchreiben würde, als unter dem Aequator; — dieſe und noch manche andere Mittel ſind, da ſie in der That von verſchiedenen Schweren auf verſchiedene Weiſe afficirt werden, theoretiſch rich- tig, und doch in der Ausführung ganz unbrauchbar, da die Beob- achtungsfehler, welche man dabei nicht vermeiden kann, in den daraus abzuleitenden Reſultaten Irrthümer erzeugen werden, Littrows Himmel u. ſ. Wunder I. 6

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/93
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/93>, abgerufen am 31.10.2024.