Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Tägliche Bewegung der Erde.
Schwere der Erde, eine vertikale Lage CA annehmen. Wenn man
aber den immer gespannten Faden sammt seinem Gewichte aus
dieser vertikalen Lage CA in eine andere CB bringt, oder das
Gewicht gleichsam aufhebt, und es dann wieder sich selbst über-
läßt, so wird es, durch dieselbe Wirkung der Schwere, wie die
Erfahrung lehrt, wieder in die erste Lage zurückzukehren suchen,
indem es, weil der Faden immer gespannt bleibt, den Kreisbogen
BA um den Mittelpunkt C beschreibt. Wenn aber das Gewicht
wieder seinen tiefsten Punkt A erreicht, so hat es durch seinen
Fall in dem Bogen BA eine gewisse Geschwindigkeit nach der ent-
gegengesetzten Richtung AB' erhalten, und diese Geschwindigkeit
ist es, welche das Gewicht, wenn es in A angekommen ist, auf
der anderen Seite der vertikalen Linie CA wieder aufwärts in
den Bogen AB' treibt, und zwar ebenso hoch, als es früher in
B war, so daß die beiden Kreisbogen AB und BA' einander gleich
sind. Durch dieses Aufwärtssteigen in den Bogen AB' hat es,
in dem höchsten Punkte B' seine Geschwindigkeit wieder gänzlich
verloren, und sinkt daher, wegen der Anziehung der Erde, wieder
durch den Bogen B'A, wie vorhin durch den Bogen BA, um,
wenn es in A mit der früheren Geschwindigkeit ankömmt, wieder
in den Bogen AB aufwärts zu steigen. Auf diese Weise setzt das
Gewicht seine Schwingungen oder seinen Hin- und Hergang durch
den Bogen BB' immer in denselben Zwischenzeiten so lange
fort, bis endlich die Reibung des Fadens bei seinem Aufhängungs-
punkte C und der Widerstand der Luft, in welcher sich das Ge-
wicht bewegt, dasselbe in seinem tiefsten Punkte A zur Ruhe
bringt. Nimmt man, statt des Fadens, eine Stahlstange AC,
mit einer Oeffnung bei C, deren oberster Theil auf einer horizon-
talen Messerschneide, oder auf der scharfen Kante eines Prismas
von hartem Steine oscillirt, so können diese Schwingungen des
Pendels mehrere Stunden dauern, in welchen zwar der Bogen
BB' immer kleiner wird, aber die Zeit des Hin- und Herganges
des Gewichts, -- und diese ist es, auf die hier alles ankommt,
-- immer dieselbe bleibt.

Es ist für sich klar, daß die Zeit eines Schwunges des Pen-
dels durch den Bogen BB' desto größer seyn wird, je größer die
Länge des Fadens ist, und ebenso, daß, bei derselben Fadenlänge,

Tägliche Bewegung der Erde.
Schwere der Erde, eine vertikale Lage CA annehmen. Wenn man
aber den immer geſpannten Faden ſammt ſeinem Gewichte aus
dieſer vertikalen Lage CA in eine andere CB bringt, oder das
Gewicht gleichſam aufhebt, und es dann wieder ſich ſelbſt über-
läßt, ſo wird es, durch dieſelbe Wirkung der Schwere, wie die
Erfahrung lehrt, wieder in die erſte Lage zurückzukehren ſuchen,
indem es, weil der Faden immer geſpannt bleibt, den Kreisbogen
BA um den Mittelpunkt C beſchreibt. Wenn aber das Gewicht
wieder ſeinen tiefſten Punkt A erreicht, ſo hat es durch ſeinen
Fall in dem Bogen BA eine gewiſſe Geſchwindigkeit nach der ent-
gegengeſetzten Richtung AB' erhalten, und dieſe Geſchwindigkeit
iſt es, welche das Gewicht, wenn es in A angekommen iſt, auf
der anderen Seite der vertikalen Linie CA wieder aufwärts in
den Bogen AB' treibt, und zwar ebenſo hoch, als es früher in
B war, ſo daß die beiden Kreisbogen AB und BA' einander gleich
ſind. Durch dieſes Aufwärtsſteigen in den Bogen AB' hat es,
in dem höchſten Punkte B' ſeine Geſchwindigkeit wieder gänzlich
verloren, und ſinkt daher, wegen der Anziehung der Erde, wieder
durch den Bogen B'A, wie vorhin durch den Bogen BA, um,
wenn es in A mit der früheren Geſchwindigkeit ankömmt, wieder
in den Bogen AB aufwärts zu ſteigen. Auf dieſe Weiſe ſetzt das
Gewicht ſeine Schwingungen oder ſeinen Hin- und Hergang durch
den Bogen BB' immer in denſelben Zwiſchenzeiten ſo lange
fort, bis endlich die Reibung des Fadens bei ſeinem Aufhängungs-
punkte C und der Widerſtand der Luft, in welcher ſich das Ge-
wicht bewegt, daſſelbe in ſeinem tiefſten Punkte A zur Ruhe
bringt. Nimmt man, ſtatt des Fadens, eine Stahlſtange AC,
mit einer Oeffnung bei C, deren oberſter Theil auf einer horizon-
talen Meſſerſchneide, oder auf der ſcharfen Kante eines Prismas
von hartem Steine oſcillirt, ſo können dieſe Schwingungen des
Pendels mehrere Stunden dauern, in welchen zwar der Bogen
BB' immer kleiner wird, aber die Zeit des Hin- und Herganges
des Gewichts, — und dieſe iſt es, auf die hier alles ankommt,
— immer dieſelbe bleibt.

Es iſt für ſich klar, daß die Zeit eines Schwunges des Pen-
dels durch den Bogen BB' deſto größer ſeyn wird, je größer die
Länge des Fadens iſt, und ebenſo, daß, bei derſelben Fadenlänge,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0097" n="85"/><fw place="top" type="header">Tägliche Bewegung der Erde.</fw><lb/>
Schwere der Erde, eine vertikale Lage <hi rendition="#aq">CA</hi> annehmen. Wenn man<lb/>
aber den immer ge&#x017F;pannten Faden &#x017F;ammt &#x017F;einem Gewichte aus<lb/>
die&#x017F;er vertikalen Lage <hi rendition="#aq">CA</hi> in eine andere <hi rendition="#aq">CB</hi> bringt, oder das<lb/>
Gewicht gleich&#x017F;am aufhebt, und es dann wieder &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t über-<lb/>
läßt, &#x017F;o wird es, durch die&#x017F;elbe Wirkung der Schwere, wie die<lb/>
Erfahrung lehrt, wieder in die er&#x017F;te Lage zurückzukehren &#x017F;uchen,<lb/>
indem es, weil der Faden immer ge&#x017F;pannt bleibt, den Kreisbogen<lb/><hi rendition="#aq">BA</hi> um den Mittelpunkt <hi rendition="#aq">C</hi> be&#x017F;chreibt. Wenn aber das Gewicht<lb/>
wieder &#x017F;einen tief&#x017F;ten Punkt <hi rendition="#aq">A</hi> erreicht, &#x017F;o hat es durch &#x017F;einen<lb/>
Fall in dem Bogen <hi rendition="#aq">BA</hi> eine gewi&#x017F;&#x017F;e Ge&#x017F;chwindigkeit nach der ent-<lb/>
gegenge&#x017F;etzten Richtung <hi rendition="#aq">AB'</hi> erhalten, und die&#x017F;e Ge&#x017F;chwindigkeit<lb/>
i&#x017F;t es, welche das Gewicht, wenn es in <hi rendition="#aq">A</hi> angekommen i&#x017F;t, auf<lb/>
der anderen Seite der vertikalen Linie <hi rendition="#aq">CA</hi> wieder aufwärts in<lb/>
den Bogen <hi rendition="#aq">AB'</hi> treibt, und zwar eben&#x017F;o hoch, als es früher in<lb/><hi rendition="#aq">B</hi> war, &#x017F;o daß die beiden Kreisbogen <hi rendition="#aq">AB</hi> und <hi rendition="#aq">BA'</hi> einander gleich<lb/>
&#x017F;ind. Durch die&#x017F;es Aufwärts&#x017F;teigen in den Bogen <hi rendition="#aq">AB'</hi> hat es,<lb/>
in dem höch&#x017F;ten Punkte <hi rendition="#aq">B'</hi> &#x017F;eine Ge&#x017F;chwindigkeit wieder gänzlich<lb/>
verloren, und &#x017F;inkt daher, wegen der Anziehung der Erde, wieder<lb/>
durch den Bogen <hi rendition="#aq">B'A</hi>, wie vorhin durch den Bogen <hi rendition="#aq">BA</hi>, um,<lb/>
wenn es in <hi rendition="#aq">A</hi> mit der früheren Ge&#x017F;chwindigkeit ankömmt, wieder<lb/>
in den Bogen <hi rendition="#aq">AB</hi> aufwärts zu &#x017F;teigen. Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e &#x017F;etzt das<lb/>
Gewicht &#x017F;eine Schwingungen oder &#x017F;einen Hin- und Hergang durch<lb/>
den Bogen <hi rendition="#aq">BB'</hi> immer <hi rendition="#g">in den&#x017F;elben</hi> Zwi&#x017F;chenzeiten &#x017F;o lange<lb/>
fort, bis endlich die Reibung des Fadens bei &#x017F;einem Aufhängungs-<lb/>
punkte <hi rendition="#aq">C</hi> und der Wider&#x017F;tand der Luft, in welcher &#x017F;ich das Ge-<lb/>
wicht bewegt, da&#x017F;&#x017F;elbe in &#x017F;einem tief&#x017F;ten Punkte <hi rendition="#aq">A</hi> zur Ruhe<lb/>
bringt. Nimmt man, &#x017F;tatt des Fadens, eine Stahl&#x017F;tange <hi rendition="#aq">AC</hi>,<lb/>
mit einer Oeffnung bei <hi rendition="#aq">C</hi>, deren ober&#x017F;ter Theil auf einer horizon-<lb/>
talen Me&#x017F;&#x017F;er&#x017F;chneide, oder auf der &#x017F;charfen Kante eines Prismas<lb/>
von hartem Steine o&#x017F;cillirt, &#x017F;o können die&#x017F;e Schwingungen des<lb/>
Pendels mehrere Stunden dauern, in welchen zwar der Bogen<lb/><hi rendition="#aq">BB'</hi> immer kleiner wird, aber die Zeit des Hin- und Herganges<lb/>
des Gewichts, &#x2014; und <hi rendition="#g">die&#x017F;e</hi> i&#x017F;t es, auf die hier alles ankommt,<lb/>
&#x2014; immer die&#x017F;elbe bleibt.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t für &#x017F;ich klar, daß die Zeit eines Schwunges des Pen-<lb/>
dels durch den Bogen <hi rendition="#aq">BB'</hi> de&#x017F;to größer &#x017F;eyn wird, je größer die<lb/>
Länge des Fadens i&#x017F;t, und eben&#x017F;o, daß, bei der&#x017F;elben Fadenlänge,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0097] Tägliche Bewegung der Erde. Schwere der Erde, eine vertikale Lage CA annehmen. Wenn man aber den immer geſpannten Faden ſammt ſeinem Gewichte aus dieſer vertikalen Lage CA in eine andere CB bringt, oder das Gewicht gleichſam aufhebt, und es dann wieder ſich ſelbſt über- läßt, ſo wird es, durch dieſelbe Wirkung der Schwere, wie die Erfahrung lehrt, wieder in die erſte Lage zurückzukehren ſuchen, indem es, weil der Faden immer geſpannt bleibt, den Kreisbogen BA um den Mittelpunkt C beſchreibt. Wenn aber das Gewicht wieder ſeinen tiefſten Punkt A erreicht, ſo hat es durch ſeinen Fall in dem Bogen BA eine gewiſſe Geſchwindigkeit nach der ent- gegengeſetzten Richtung AB' erhalten, und dieſe Geſchwindigkeit iſt es, welche das Gewicht, wenn es in A angekommen iſt, auf der anderen Seite der vertikalen Linie CA wieder aufwärts in den Bogen AB' treibt, und zwar ebenſo hoch, als es früher in B war, ſo daß die beiden Kreisbogen AB und BA' einander gleich ſind. Durch dieſes Aufwärtsſteigen in den Bogen AB' hat es, in dem höchſten Punkte B' ſeine Geſchwindigkeit wieder gänzlich verloren, und ſinkt daher, wegen der Anziehung der Erde, wieder durch den Bogen B'A, wie vorhin durch den Bogen BA, um, wenn es in A mit der früheren Geſchwindigkeit ankömmt, wieder in den Bogen AB aufwärts zu ſteigen. Auf dieſe Weiſe ſetzt das Gewicht ſeine Schwingungen oder ſeinen Hin- und Hergang durch den Bogen BB' immer in denſelben Zwiſchenzeiten ſo lange fort, bis endlich die Reibung des Fadens bei ſeinem Aufhängungs- punkte C und der Widerſtand der Luft, in welcher ſich das Ge- wicht bewegt, daſſelbe in ſeinem tiefſten Punkte A zur Ruhe bringt. Nimmt man, ſtatt des Fadens, eine Stahlſtange AC, mit einer Oeffnung bei C, deren oberſter Theil auf einer horizon- talen Meſſerſchneide, oder auf der ſcharfen Kante eines Prismas von hartem Steine oſcillirt, ſo können dieſe Schwingungen des Pendels mehrere Stunden dauern, in welchen zwar der Bogen BB' immer kleiner wird, aber die Zeit des Hin- und Herganges des Gewichts, — und dieſe iſt es, auf die hier alles ankommt, — immer dieſelbe bleibt. Es iſt für ſich klar, daß die Zeit eines Schwunges des Pen- dels durch den Bogen BB' deſto größer ſeyn wird, je größer die Länge des Fadens iſt, und ebenſo, daß, bei derſelben Fadenlänge,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/97
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/97>, abgerufen am 31.10.2024.