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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] oder es müste gewiß ein solcher/ welchen die Wei-
sen Gottes Botschafften hiessen/ gewesen seyn.
Denn/ was sie erzehlte/ wäre ihr gleichsam bey
offenen Augen eben so begegnet; sie könte kaum
sagen/ wie ihr Gemüthe so erleichtert wäre/ wie
so wol von ihrem Hertzen ein grosser Stein ge-
weltzet/ als die zum Hertzog Friedebald so tief
eingewurtzelte Liebe gantz erloschen zu seyn schie-
ne. Uberdiß hätte ihr ihr Lebetage/ wie man
vom Cleon aus Daunia/ Thrasimedes und dem
Atlantischen Volcke schriebe/ nie geträumet.
Olorene versetzte/ auch sie wäre gleichsam neu-
gebohren/ und sie nehme an ihr wahr eine ab-
sondere Schickung der Götter. Diesemnach
denn auch die Fürstin Riama nicht Ursache hät-
te/ diesen ihren erstern Traum für ein Ster-
bens-Zeichen auszulegen/ und dörfte sie dahero/
um seine Würckung zu hindern/ ihn weder der
Sonne erzehlen/ noch im Bade abwaschen.
Bey diesen Worten trat der Priester in den
Tempel/ wünschte ihnen nicht allein zu ihrem
bessern Zustande tausend Glück/ sondern un-
terrichtete sie auch von allen Begebenheiten/
derer Gedächtnüß ihnen durch ihr Leid und
Kranckheit gantz entfallen war. Die Fürstin-
nen erzeigten ihm grosse Ehrerbietung/ fielen
für dem Altare/ als dem Ursprunge ihrer Ge-
nesung/ fußfällig und danckbar nieder. Nach
geendigter Andacht führte sie der Priester im
Tempel herum/ und zeigte ihnen alle sehens-
würdige Seltzamkeiten. Unter andern wieß
er ihnen eine Jaspis-Taffel/ welche von Cartha-
go in diesen Tempel solle gebracht worden seyn.
Auf dieser war die Liebe an einem Myrthen-
Baume gecreutzigt zu schauen/ und überdiß
standen drey Frauen/ unter denen des Prie-
sters Auslegung nach Medea und Dido seyn
solten/ welche aus für sich habenden Körben die
angebundene Liebe mit Rosen-Ballen steinig-
ten. Olorene lachte über diesem in Stein ge-
wachsenen Gemälde/ und fing zu Riamen an:
Es müsten diese Frauen von der Liebe so sehr/
[Spaltenumbruch] als sie/ nicht gepeinigt seyn worden. Denn
hätten jene so viel als sie erduldet/ würden sie die
Hände und Füsse der Liebe nicht angebunden/
sondern durchnagelt/ weniger ihn mit Rosen/
sondern vielmehr mit Dornen zu tode geworffen
haben. Gegen über stand eine helffenbeiner-
ne Taffel/ auf welcher abgebildet war/ wie der
in die Pyrrha verliebte Deucalion sich von dem
Leucadischen Felsen ins Meer stürtzte/ und da-
durch den unerträglichen Brand seiner Liebe
ausleschte. Riame sahe Olorenen an/ und
sagte: Jch traue numehr dem gütigem Escu-
lapius in dieser Kranckheit mehr zu/ als dieser
Meer-Klippe und dem Flusse Silemnus/ oder
auch dem Kraute/ das von seiner Würckung die
vergessene Liebe genennet wird. Jch nichts
minder/ versetzte Olorene/ als Marcomir/ der
mit Klodomirn und Astinaben unvermerckt in
Tempel kommen war/ ihr in die Rede fiel/ und
den Priester fragte/ ob Esculapius nur wider/
nicht aber auch zu der Liebe helffen könte? Jn
allewege/ antwortete der Priester. Der die
schöne Epione so sehr geliebt/ kan der Liebe nicht
so sehr feind seyn/ und der dem so sehr geliebten
und von Pferden zerrissenen Hippolytus/ hier-
mit wieß er auf das darneben stehende Bild/
das Leben wieder geben/ vermag auch wohl eine
todte Liebe lebhafft zu machen. Klodomir und
Astinabes lagen hiermit dem Priester zugleich
an/ sie beym Esculapius zu verbitten/ daß da er
Riamen und Olorenen von einer Liebe/ welche
stärcker als der Tod gewest wäre/ entbürdet hät-
te/ solte er nunmehro den Balsam einer leben-
digen Liebe in ihre Hertzen flössen. Sinte-
mahl die unsterblichen Götter zwar wohl die
muthwillige Liebe aus dem Himmel/ niemahls
aber die vernünfftige aus ihren Hertzen ver-
stossen hätten. Der Priester trat hierauf für
das Altar/ warf auf die daselbst glimmenden Ko-
len etliche Handvoll Weyrauch/ worvon ein an-
nehmlicher Rauch das gantze Gewölbe gleich
einer Wolcken verhüllete. Hierauf tröpfel-

te ein
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] oder es muͤſte gewiß ein ſolcher/ welchen die Wei-
ſen Gottes Botſchafften hieſſen/ geweſen ſeyn.
Denn/ was ſie erzehlte/ waͤre ihr gleichſam bey
offenen Augen eben ſo begegnet; ſie koͤnte kaum
ſagen/ wie ihr Gemuͤthe ſo erleichtert waͤre/ wie
ſo wol von ihrem Hertzen ein groſſer Stein ge-
weltzet/ als die zum Hertzog Friedebald ſo tief
eingewurtzelte Liebe gantz erloſchen zu ſeyn ſchie-
ne. Uberdiß haͤtte ihr ihr Lebetage/ wie man
vom Cleon aus Daunia/ Thraſimedes und dem
Atlantiſchen Volcke ſchriebe/ nie getraͤumet.
Olorene verſetzte/ auch ſie waͤre gleichſam neu-
gebohren/ und ſie nehme an ihr wahr eine ab-
ſondere Schickung der Goͤtter. Dieſemnach
denn auch die Fuͤrſtin Riama nicht Urſache haͤt-
te/ dieſen ihren erſtern Traum fuͤr ein Ster-
bens-Zeichen auszulegen/ und doͤrfte ſie dahero/
um ſeine Wuͤrckung zu hindern/ ihn weder der
Sonne erzehlen/ noch im Bade abwaſchen.
Bey dieſen Worten trat der Prieſter in den
Tempel/ wuͤnſchte ihnen nicht allein zu ihrem
beſſern Zuſtande tauſend Gluͤck/ ſondern un-
terrichtete ſie auch von allen Begebenheiten/
derer Gedaͤchtnuͤß ihnen durch ihr Leid und
Kranckheit gantz entfallen war. Die Fuͤrſtin-
nen erzeigten ihm groſſe Ehrerbietung/ fielen
fuͤr dem Altare/ als dem Urſprunge ihrer Ge-
neſung/ fußfaͤllig und danckbar nieder. Nach
geendigter Andacht fuͤhrte ſie der Prieſter im
Tempel herum/ und zeigte ihnen alle ſehens-
wuͤrdige Seltzamkeiten. Unter andern wieß
er ihnen eine Jaſpis-Taffel/ welche von Cartha-
go in dieſen Tempel ſolle gebracht worden ſeyn.
Auf dieſer war die Liebe an einem Myrthen-
Baume gecreutzigt zu ſchauen/ und uͤberdiß
ſtanden drey Frauen/ unter denen des Prie-
ſters Auslegung nach Medea und Dido ſeyn
ſolten/ welche aus fuͤr ſich habenden Koͤrben die
angebundene Liebe mit Roſen-Ballen ſteinig-
ten. Olorene lachte uͤber dieſem in Stein ge-
wachſenen Gemaͤlde/ und fing zu Riamen an:
Es muͤſten dieſe Frauen von der Liebe ſo ſehr/
[Spaltenumbruch] als ſie/ nicht gepeinigt ſeyn worden. Denn
haͤtten jene ſo viel als ſie erduldet/ wuͤrden ſie die
Haͤnde und Fuͤſſe der Liebe nicht angebunden/
ſondern durchnagelt/ weniger ihn mit Roſen/
ſondern vielmehr mit Dornen zu tode geworffen
haben. Gegen uͤber ſtand eine helffenbeiner-
ne Taffel/ auf welcher abgebildet war/ wie der
in die Pyrrha verliebte Deucalion ſich von dem
Leucadiſchen Felſen ins Meer ſtuͤrtzte/ und da-
durch den unertraͤglichen Brand ſeiner Liebe
ausleſchte. Riame ſahe Olorenen an/ und
ſagte: Jch traue numehr dem guͤtigem Eſcu-
lapius in dieſer Kranckheit mehr zu/ als dieſer
Meer-Klippe und dem Fluſſe Silemnus/ oder
auch dem Kraute/ das von ſeiner Wuͤrckung die
vergeſſene Liebe genennet wird. Jch nichts
minder/ verſetzte Olorene/ als Marcomir/ der
mit Klodomirn und Aſtinaben unvermerckt in
Tempel kommen war/ ihr in die Rede fiel/ und
den Prieſter fragte/ ob Eſculapius nur wider/
nicht aber auch zu der Liebe helffen koͤnte? Jn
allewege/ antwortete der Prieſter. Der die
ſchoͤne Epione ſo ſehr geliebt/ kan der Liebe nicht
ſo ſehr feind ſeyn/ und der dem ſo ſehr geliebten
und von Pferden zerriſſenen Hippolytus/ hier-
mit wieß er auf das darneben ſtehende Bild/
das Leben wieder geben/ vermag auch wohl eine
todte Liebe lebhafft zu machen. Klodomir und
Aſtinabes lagen hiermit dem Prieſter zugleich
an/ ſie beym Eſculapius zu verbitten/ daß da er
Riamen und Olorenen von einer Liebe/ welche
ſtaͤrcker als der Tod geweſt waͤre/ entbuͤrdet haͤt-
te/ ſolte er nunmehro den Balſam einer leben-
digen Liebe in ihre Hertzen floͤſſen. Sinte-
mahl die unſterblichen Goͤtter zwar wohl die
muthwillige Liebe aus dem Himmel/ niemahls
aber die vernuͤnfftige aus ihren Hertzen ver-
ſtoſſen haͤtten. Der Prieſter trat hierauf fuͤr
das Altar/ warf auf die daſelbſt glimmenden Ko-
len etliche Handvoll Weyrauch/ worvon ein an-
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X 3
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/215>, abgerufen am 31.10.2024.