Ludwig, Otto: Der Erbförster. Band 1: Dramatische Werke. Leipzig, 1853.Der Erbförster. macht noch ein Bild, wo der alte Mordkerl sich erschießtund als Gespenst umgeht bei Nacht. Und wo er's that, da sitzt er wimmernd die Mitternächte hindurch mit sei- nen glühenden Augen und seinem weißen Bart; und da kühlt kein Lüftchen, und da fällt kein Thau und kein Re- gen; da wachsen giftige Blumen, das ist verflucht, wie er selbst. Und das Thier, das sich hin verirrt, brüllt vor Angst und den Menschen rüttelt's wie ein Fieber. Und einem Engel geht ein Streifen aus dem Mund: da sitzt er, den Gott gezeichnet hat. Abel war ein Mann und Cain nur sein Bruder, aber das war ein Kind und der's erschlug, war sein Vater. Für den Cain noch eine Seligkeit, aber für den alten Kindesmörder keine -- keine -- keine! -- O einen Trost! Einen Trost! Einen Strohhalm nur von einem Trost. Ich wollt' meine Se- ligkeit drum geben, wenn ich eine zu erwarten hätte. Gott will ich fragen, ob's noch einen Trost gibt für mich. (Er nimmt die Bibel und liest, erst an allen Gliedern zitternd, mit stoßen- dem Athem.) "Wer irgend einen Menschen" -- Pastor. Nicht weiter, Ulrich. Lassen Sie mich Ihnen Worte des Lebens zeigen, Worte der Menschlichkeit. "Gott will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bessere und lebe" -- Förster (der die Bibel festhält und sich losmacht, fast zugleich). Laßt mich, Ihr Unmenschen mit Eurer Menschlichkeit. Der Erbförſter. macht noch ein Bild, wo der alte Mordkerl ſich erſchießtund als Geſpenſt umgeht bei Nacht. Und wo er’s that, da ſitzt er wimmernd die Mitternächte hindurch mit ſei- nen glühenden Augen und ſeinem weißen Bart; und da kühlt kein Lüftchen, und da fällt kein Thau und kein Re- gen; da wachſen giftige Blumen, das iſt verflucht, wie er ſelbſt. Und das Thier, das ſich hin verirrt, brüllt vor Angſt und den Menſchen rüttelt’s wie ein Fieber. Und einem Engel geht ein Streifen aus dem Mund: da ſitzt er, den Gott gezeichnet hat. Abel war ein Mann und Cain nur ſein Bruder, aber das war ein Kind und der’s erſchlug, war ſein Vater. Für den Cain noch eine Seligkeit, aber für den alten Kindesmörder keine — keine — keine! — O einen Troſt! Einen Troſt! Einen Strohhalm nur von einem Troſt. Ich wollt’ meine Se- ligkeit drum geben, wenn ich eine zu erwarten hätte. Gott will ich fragen, ob’s noch einen Troſt gibt für mich. (Er nimmt die Bibel und lieſt, erſt an allen Gliedern zitternd, mit ſtoßen- dem Athem.) „Wer irgend einen Menſchen“ — Paſtor. Nicht weiter, Ulrich. Laſſen Sie mich Ihnen Worte des Lebens zeigen, Worte der Menſchlichkeit. „Gott will nicht den Tod des Sünders, ſondern daß er ſich beſſere und lebe“ — Förſter (der die Bibel feſthält und ſich losmacht, faſt zugleich). Laßt mich, Ihr Unmenſchen mit Eurer Menſchlichkeit. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#CHR"> <p><pb facs="#f0189" n="175"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der Erbförſter</hi>.</fw><lb/> macht noch ein Bild, wo der alte Mordkerl ſich erſchießt<lb/> und als Geſpenſt umgeht bei Nacht. Und wo er’s that,<lb/> da ſitzt er wimmernd die Mitternächte hindurch mit ſei-<lb/> nen glühenden Augen und ſeinem weißen Bart; und da<lb/> kühlt kein Lüftchen, und da fällt kein Thau und kein Re-<lb/> gen; da wachſen giftige Blumen, das iſt verflucht, wie<lb/> er ſelbſt. Und das Thier, das ſich hin verirrt, brüllt<lb/> vor Angſt und den Menſchen rüttelt’s wie ein Fieber.<lb/> Und einem Engel geht ein Streifen aus dem Mund: da<lb/> ſitzt er, den Gott gezeichnet hat. Abel war ein Mann<lb/> und Cain nur ſein Bruder, aber das war ein Kind und<lb/> der’s erſchlug, war ſein Vater. Für den Cain noch eine<lb/> Seligkeit, aber für den alten Kindesmörder keine —<lb/> keine — keine! — O einen Troſt! Einen Troſt! Einen<lb/> Strohhalm nur von einem Troſt. Ich wollt’ meine Se-<lb/> ligkeit drum geben, wenn ich eine zu erwarten hätte.<lb/> Gott will ich fragen, ob’s noch einen Troſt gibt für mich.</p><lb/> <stage>(Er nimmt die Bibel und lieſt, erſt an allen Gliedern zitternd, mit ſtoßen-<lb/> dem Athem.)</stage> <p>„Wer irgend einen Menſchen“ —</p> </sp><lb/> <sp who="#PAST"> <speaker> <hi rendition="#b">Paſtor.</hi> </speaker><lb/> <p>Nicht weiter, Ulrich. Laſſen Sie mich Ihnen Worte<lb/> des Lebens zeigen, Worte der Menſchlichkeit. „Gott will<lb/> nicht den Tod des Sünders, ſondern daß er ſich beſſere<lb/> und lebe“ —</p> </sp><lb/> <sp who="#CHR"> <speaker> <hi rendition="#b">Förſter</hi> </speaker><lb/> <stage>(der die Bibel feſthält und ſich losmacht, faſt zugleich).</stage><lb/> <p>Laßt mich, Ihr Unmenſchen mit Eurer Menſchlichkeit.</p><lb/> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [175/0189]
Der Erbförſter.
macht noch ein Bild, wo der alte Mordkerl ſich erſchießt
und als Geſpenſt umgeht bei Nacht. Und wo er’s that,
da ſitzt er wimmernd die Mitternächte hindurch mit ſei-
nen glühenden Augen und ſeinem weißen Bart; und da
kühlt kein Lüftchen, und da fällt kein Thau und kein Re-
gen; da wachſen giftige Blumen, das iſt verflucht, wie
er ſelbſt. Und das Thier, das ſich hin verirrt, brüllt
vor Angſt und den Menſchen rüttelt’s wie ein Fieber.
Und einem Engel geht ein Streifen aus dem Mund: da
ſitzt er, den Gott gezeichnet hat. Abel war ein Mann
und Cain nur ſein Bruder, aber das war ein Kind und
der’s erſchlug, war ſein Vater. Für den Cain noch eine
Seligkeit, aber für den alten Kindesmörder keine —
keine — keine! — O einen Troſt! Einen Troſt! Einen
Strohhalm nur von einem Troſt. Ich wollt’ meine Se-
ligkeit drum geben, wenn ich eine zu erwarten hätte.
Gott will ich fragen, ob’s noch einen Troſt gibt für mich.
(Er nimmt die Bibel und lieſt, erſt an allen Gliedern zitternd, mit ſtoßen-
dem Athem.) „Wer irgend einen Menſchen“ —
Paſtor.
Nicht weiter, Ulrich. Laſſen Sie mich Ihnen Worte
des Lebens zeigen, Worte der Menſchlichkeit. „Gott will
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