Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

und landsäßigen Schuldner.
nun: so sind wir ja wieder an dem Fleck wovon wir abge-
reiset sind. Und wodurch macht er dem Leibeignen Credit?
Dadurch daß er und sein Hofgewehr eisern wird? Ich zweifle
sehr. Durch Bewilligungen? Nun wenn diese so oft er-
theilet werden müssen, als der Bauer kein Vieh hat, seinen
Ackerbau gehörig zu treiben: so bedaure ich den Gutsherrn,
der viele Leibeigne hat. Denn er wird entweder ihre Wirth-
schaften selbst führen, oder alle Augenblick hören müssen,
daß eine Bewilligung nöthig sey, um dieses und jenes an-
zuschaffen. Noch mehr. Diese Art von Credit durch Be-
willigung kann nicht bestehen, oder jedes Fohlen, jedes
Kalb, jeder Vortheil muß dem Gutsherrn wieder zu gute
kommen, oder doch zu Einlösung der Bewilligungen (welch
eine genaue Aufsicht wird hier nöthig seyn?) angewandt
werden, weil er sonst die Gefahr des Schadens ganz allein
stehen würde. Und wo sind wir alsdenn? bey dem Mei-
sterstücke der römischen Philosophie, dem Knechte der gar
nichts eignes hatte; und der vermuthlich durch die Reihe
von obigen Schlüssen zur Welt gekommen ist? Womit er-
halten wir aber diese Art von Knechten? Und können diese
anders als auf römische Art in Privatzuchthäusern gehal-
ten werden?

Unstreitig sind unsre Vorfahren durch diese Bedenklich-
keit abgehalten worden, das Hofgewehr der Leibeignen eisern
zu machen. Hätten sie es gethan; so würden beym letztern
Kriege tausend und abermal tausend Befehle an die Guts-
herrn ergangen seyn, ihren verunglückten Bauern Pferde
zu verschaffen, oder ihnen Bewilligung zu deren Ankauf zu
ertheilen. Es würden viele Höfe so dann mit so vielen be-
willigten Schulden beschweret seyn, als sie mit unbewillig-
ten beschweret sind. Und hätte der bewilligte Gläubiger
nur im geringsten fürchten dürfen, daß ihm der Richter we-
gen der eisernen Beschaffenheit des Hofgewehrs nicht helfen

wür-
A a 3

und landſaͤßigen Schuldner.
nun: ſo ſind wir ja wieder an dem Fleck wovon wir abge-
reiſet ſind. Und wodurch macht er dem Leibeignen Credit?
Dadurch daß er und ſein Hofgewehr eiſern wird? Ich zweifle
ſehr. Durch Bewilligungen? Nun wenn dieſe ſo oft er-
theilet werden muͤſſen, als der Bauer kein Vieh hat, ſeinen
Ackerbau gehoͤrig zu treiben: ſo bedaure ich den Gutsherrn,
der viele Leibeigne hat. Denn er wird entweder ihre Wirth-
ſchaften ſelbſt fuͤhren, oder alle Augenblick hoͤren muͤſſen,
daß eine Bewilligung noͤthig ſey, um dieſes und jenes an-
zuſchaffen. Noch mehr. Dieſe Art von Credit durch Be-
willigung kann nicht beſtehen, oder jedes Fohlen, jedes
Kalb, jeder Vortheil muß dem Gutsherrn wieder zu gute
kommen, oder doch zu Einloͤſung der Bewilligungen (welch
eine genaue Aufſicht wird hier noͤthig ſeyn?) angewandt
werden, weil er ſonſt die Gefahr des Schadens ganz allein
ſtehen wuͤrde. Und wo ſind wir alsdenn? bey dem Mei-
ſterſtuͤcke der roͤmiſchen Philoſophie, dem Knechte der gar
nichts eignes hatte; und der vermuthlich durch die Reihe
von obigen Schluͤſſen zur Welt gekommen iſt? Womit er-
halten wir aber dieſe Art von Knechten? Und koͤnnen dieſe
anders als auf roͤmiſche Art in Privatzuchthaͤuſern gehal-
ten werden?

Unſtreitig ſind unſre Vorfahren durch dieſe Bedenklich-
keit abgehalten worden, das Hofgewehr der Leibeignen eiſern
zu machen. Haͤtten ſie es gethan; ſo wuͤrden beym letztern
Kriege tauſend und abermal tauſend Befehle an die Guts-
herrn ergangen ſeyn, ihren verungluͤckten Bauern Pferde
zu verſchaffen, oder ihnen Bewilligung zu deren Ankauf zu
ertheilen. Es wuͤrden viele Hoͤfe ſo dann mit ſo vielen be-
willigten Schulden beſchweret ſeyn, als ſie mit unbewillig-
ten beſchweret ſind. Und haͤtte der bewilligte Glaͤubiger
nur im geringſten fuͤrchten duͤrfen, daß ihm der Richter we-
gen der eiſernen Beſchaffenheit des Hofgewehrs nicht helfen

wuͤr-
A a 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0387" n="373"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und land&#x017F;a&#x0364;ßigen Schuldner.</hi></fw><lb/>
nun: &#x017F;o &#x017F;ind wir ja wieder an dem Fleck wovon wir abge-<lb/>
rei&#x017F;et &#x017F;ind. Und wodurch macht er dem Leibeignen Credit?<lb/>
Dadurch daß er und &#x017F;ein Hofgewehr ei&#x017F;ern wird? Ich zweifle<lb/>
&#x017F;ehr. Durch Bewilligungen? Nun wenn die&#x017F;e &#x017F;o oft er-<lb/>
theilet werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, als der Bauer kein Vieh hat, &#x017F;einen<lb/>
Ackerbau geho&#x0364;rig zu treiben: &#x017F;o bedaure ich den Gutsherrn,<lb/>
der viele Leibeigne hat. Denn er wird entweder ihre Wirth-<lb/>
&#x017F;chaften &#x017F;elb&#x017F;t fu&#x0364;hren, oder alle Augenblick ho&#x0364;ren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
daß eine Bewilligung no&#x0364;thig &#x017F;ey, um die&#x017F;es und jenes an-<lb/>
zu&#x017F;chaffen. Noch mehr. Die&#x017F;e Art von Credit durch Be-<lb/>
willigung kann nicht be&#x017F;tehen, oder jedes Fohlen, jedes<lb/>
Kalb, jeder Vortheil muß dem Gutsherrn wieder zu gute<lb/>
kommen, oder doch zu Einlo&#x0364;&#x017F;ung der Bewilligungen (welch<lb/>
eine genaue Auf&#x017F;icht wird hier no&#x0364;thig &#x017F;eyn?) angewandt<lb/>
werden, weil er &#x017F;on&#x017F;t die Gefahr des Schadens ganz allein<lb/>
&#x017F;tehen wu&#x0364;rde. Und wo &#x017F;ind wir alsdenn? bey dem Mei-<lb/>
&#x017F;ter&#x017F;tu&#x0364;cke der ro&#x0364;mi&#x017F;chen Philo&#x017F;ophie, dem Knechte der gar<lb/>
nichts eignes hatte; und der vermuthlich durch die Reihe<lb/>
von obigen Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en zur Welt gekommen i&#x017F;t? Womit er-<lb/>
halten wir aber die&#x017F;e Art von Knechten? Und ko&#x0364;nnen die&#x017F;e<lb/>
anders als auf ro&#x0364;mi&#x017F;che Art in Privatzuchtha&#x0364;u&#x017F;ern gehal-<lb/>
ten werden?</p><lb/>
        <p>Un&#x017F;treitig &#x017F;ind un&#x017F;re Vorfahren durch die&#x017F;e Bedenklich-<lb/>
keit abgehalten worden, das Hofgewehr der Leibeignen ei&#x017F;ern<lb/>
zu machen. Ha&#x0364;tten &#x017F;ie es gethan; &#x017F;o wu&#x0364;rden beym letztern<lb/>
Kriege tau&#x017F;end und abermal tau&#x017F;end Befehle an die Guts-<lb/>
herrn ergangen &#x017F;eyn, ihren verunglu&#x0364;ckten Bauern Pferde<lb/>
zu ver&#x017F;chaffen, oder ihnen Bewilligung zu deren Ankauf zu<lb/>
ertheilen. Es wu&#x0364;rden viele Ho&#x0364;fe &#x017F;o dann mit &#x017F;o vielen be-<lb/>
willigten Schulden be&#x017F;chweret &#x017F;eyn, als &#x017F;ie mit unbewillig-<lb/>
ten be&#x017F;chweret &#x017F;ind. Und ha&#x0364;tte der bewilligte Gla&#x0364;ubiger<lb/>
nur im gering&#x017F;ten fu&#x0364;rchten du&#x0364;rfen, daß ihm der Richter we-<lb/>
gen der ei&#x017F;ernen Be&#x017F;chaffenheit des Hofgewehrs nicht helfen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A a 3</fw><fw place="bottom" type="catch">wu&#x0364;r-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[373/0387] und landſaͤßigen Schuldner. nun: ſo ſind wir ja wieder an dem Fleck wovon wir abge- reiſet ſind. Und wodurch macht er dem Leibeignen Credit? Dadurch daß er und ſein Hofgewehr eiſern wird? Ich zweifle ſehr. Durch Bewilligungen? Nun wenn dieſe ſo oft er- theilet werden muͤſſen, als der Bauer kein Vieh hat, ſeinen Ackerbau gehoͤrig zu treiben: ſo bedaure ich den Gutsherrn, der viele Leibeigne hat. Denn er wird entweder ihre Wirth- ſchaften ſelbſt fuͤhren, oder alle Augenblick hoͤren muͤſſen, daß eine Bewilligung noͤthig ſey, um dieſes und jenes an- zuſchaffen. Noch mehr. Dieſe Art von Credit durch Be- willigung kann nicht beſtehen, oder jedes Fohlen, jedes Kalb, jeder Vortheil muß dem Gutsherrn wieder zu gute kommen, oder doch zu Einloͤſung der Bewilligungen (welch eine genaue Aufſicht wird hier noͤthig ſeyn?) angewandt werden, weil er ſonſt die Gefahr des Schadens ganz allein ſtehen wuͤrde. Und wo ſind wir alsdenn? bey dem Mei- ſterſtuͤcke der roͤmiſchen Philoſophie, dem Knechte der gar nichts eignes hatte; und der vermuthlich durch die Reihe von obigen Schluͤſſen zur Welt gekommen iſt? Womit er- halten wir aber dieſe Art von Knechten? Und koͤnnen dieſe anders als auf roͤmiſche Art in Privatzuchthaͤuſern gehal- ten werden? Unſtreitig ſind unſre Vorfahren durch dieſe Bedenklich- keit abgehalten worden, das Hofgewehr der Leibeignen eiſern zu machen. Haͤtten ſie es gethan; ſo wuͤrden beym letztern Kriege tauſend und abermal tauſend Befehle an die Guts- herrn ergangen ſeyn, ihren verungluͤckten Bauern Pferde zu verſchaffen, oder ihnen Bewilligung zu deren Ankauf zu ertheilen. Es wuͤrden viele Hoͤfe ſo dann mit ſo vielen be- willigten Schulden beſchweret ſeyn, als ſie mit unbewillig- ten beſchweret ſind. Und haͤtte der bewilligte Glaͤubiger nur im geringſten fuͤrchten duͤrfen, daß ihm der Richter we- gen der eiſernen Beſchaffenheit des Hofgewehrs nicht helfen wuͤr- A a 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/387
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/387>, abgerufen am 31.10.2024.