alten Völker, die oberste Gewalt, so wie die ganze Form der Verfassung ungeändert, geblieben war als die Hoheit an ein andres Volk überging: sie wurden auf dem rechten Flügel des römischen Heeres aufgestellt. Mettius, feig und unschlüssig, sein Heil in Mittelwegen suchend, und wähnend, er könne dadurch, wenn ihm Gewinn versagte, wenigstens der Gefahr entweichen und eine andre Zeit erwarten, zog diesen Flügel während der Schlacht rechts gegen die Berge, daß die Flanke des römischen Heeres entblößt ward, und den Fidenatern offen gestanden haben würde, wenn diese seinem unbegreiflichen Betragen ge- traut und einen schnellen Angriff gewagt hätten. Aber Mettius hielt die Albaner in einiger Entfernung als Zu- schauer der Schlacht; daher Tullus durch Geistesgegen- wart und Glück den Seinigen und den Feinden den Glau- ben erregen konnte, die Bewegung der Verbündeten sey von ihm befohlen um die Fidenater zu überflügeln. So siegten die Römer, als ob sie ungestört mit eigner Kraft gestritten hätten, und da die Schlacht entschieden war übte der albanische Dictator neue Treulosigkeit. Vor ihm hin flohen die Geschlagenen, die im Vertrauen auf sein Wort die Schlacht gewagt hatten, und er benutzte die Stellung welche Rom verrathen sollte, um die Niederlage der Fidenater zu vollenden, damit hülfreicher Dienst den gefährlichen Schein seiner Handlungen vernichte. Daher erkannte die allgemeine Stimme, seines Vaterlands wel- ches er zu Grunde richtete, Fidenäs welches er verrieth, und Roms welches er mit gemeiner List hatte betrügen wollen, das schreckliche Urtheil des erzürnten Herrschers
Erster Theil. O
alten Voͤlker, die oberſte Gewalt, ſo wie die ganze Form der Verfaſſung ungeaͤndert, geblieben war als die Hoheit an ein andres Volk uͤberging: ſie wurden auf dem rechten Fluͤgel des roͤmiſchen Heeres aufgeſtellt. Mettius, feig und unſchluͤſſig, ſein Heil in Mittelwegen ſuchend, und waͤhnend, er koͤnne dadurch, wenn ihm Gewinn verſagte, wenigſtens der Gefahr entweichen und eine andre Zeit erwarten, zog dieſen Fluͤgel waͤhrend der Schlacht rechts gegen die Berge, daß die Flanke des roͤmiſchen Heeres entbloͤßt ward, und den Fidenatern offen geſtanden haben wuͤrde, wenn dieſe ſeinem unbegreiflichen Betragen ge- traut und einen ſchnellen Angriff gewagt haͤtten. Aber Mettius hielt die Albaner in einiger Entfernung als Zu- ſchauer der Schlacht; daher Tullus durch Geiſtesgegen- wart und Gluͤck den Seinigen und den Feinden den Glau- ben erregen konnte, die Bewegung der Verbuͤndeten ſey von ihm befohlen um die Fidenater zu uͤberfluͤgeln. So ſiegten die Roͤmer, als ob ſie ungeſtoͤrt mit eigner Kraft geſtritten haͤtten, und da die Schlacht entſchieden war uͤbte der albaniſche Dictator neue Treuloſigkeit. Vor ihm hin flohen die Geſchlagenen, die im Vertrauen auf ſein Wort die Schlacht gewagt hatten, und er benutzte die Stellung welche Rom verrathen ſollte, um die Niederlage der Fidenater zu vollenden, damit huͤlfreicher Dienſt den gefaͤhrlichen Schein ſeiner Handlungen vernichte. Daher erkannte die allgemeine Stimme, ſeines Vaterlands wel- ches er zu Grunde richtete, Fidenaͤs welches er verrieth, und Roms welches er mit gemeiner Liſt hatte betruͤgen wollen, das ſchreckliche Urtheil des erzuͤrnten Herrſchers
Erſter Theil. O
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0231"n="209"/>
alten Voͤlker, die oberſte Gewalt, ſo wie die ganze Form<lb/>
der Verfaſſung ungeaͤndert, geblieben war als die Hoheit<lb/>
an ein andres Volk uͤberging: ſie wurden auf dem rechten<lb/>
Fluͤgel des roͤmiſchen Heeres aufgeſtellt. Mettius, feig<lb/>
und unſchluͤſſig, ſein Heil in Mittelwegen ſuchend, und<lb/>
waͤhnend, er koͤnne dadurch, wenn ihm Gewinn verſagte,<lb/>
wenigſtens der Gefahr entweichen und eine andre Zeit<lb/>
erwarten, zog dieſen Fluͤgel waͤhrend der Schlacht rechts<lb/>
gegen die Berge, daß die Flanke des roͤmiſchen Heeres<lb/>
entbloͤßt ward, und den Fidenatern offen geſtanden haben<lb/>
wuͤrde, wenn dieſe ſeinem unbegreiflichen Betragen ge-<lb/>
traut und einen ſchnellen Angriff gewagt haͤtten. Aber<lb/>
Mettius hielt die Albaner in einiger Entfernung als Zu-<lb/>ſchauer der Schlacht; daher Tullus durch Geiſtesgegen-<lb/>
wart und Gluͤck den Seinigen und den Feinden den Glau-<lb/>
ben erregen konnte, die Bewegung der Verbuͤndeten ſey<lb/>
von ihm befohlen um die Fidenater zu uͤberfluͤgeln. So<lb/>ſiegten die Roͤmer, als ob ſie ungeſtoͤrt mit eigner Kraft<lb/>
geſtritten haͤtten, und da die Schlacht entſchieden war<lb/>
uͤbte der albaniſche Dictator neue Treuloſigkeit. Vor ihm<lb/>
hin flohen die Geſchlagenen, die im Vertrauen auf ſein<lb/>
Wort die Schlacht gewagt hatten, und er benutzte die<lb/>
Stellung welche Rom verrathen ſollte, um die Niederlage<lb/>
der Fidenater zu vollenden, damit huͤlfreicher Dienſt den<lb/>
gefaͤhrlichen Schein ſeiner Handlungen vernichte. Daher<lb/>
erkannte die allgemeine Stimme, ſeines Vaterlands wel-<lb/>
ches er zu Grunde richtete, Fidenaͤs welches er verrieth,<lb/>
und Roms welches er mit gemeiner Liſt hatte betruͤgen<lb/>
wollen, das ſchreckliche Urtheil des erzuͤrnten Herrſchers<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Erſter Theil. O</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[209/0231]
alten Voͤlker, die oberſte Gewalt, ſo wie die ganze Form
der Verfaſſung ungeaͤndert, geblieben war als die Hoheit
an ein andres Volk uͤberging: ſie wurden auf dem rechten
Fluͤgel des roͤmiſchen Heeres aufgeſtellt. Mettius, feig
und unſchluͤſſig, ſein Heil in Mittelwegen ſuchend, und
waͤhnend, er koͤnne dadurch, wenn ihm Gewinn verſagte,
wenigſtens der Gefahr entweichen und eine andre Zeit
erwarten, zog dieſen Fluͤgel waͤhrend der Schlacht rechts
gegen die Berge, daß die Flanke des roͤmiſchen Heeres
entbloͤßt ward, und den Fidenatern offen geſtanden haben
wuͤrde, wenn dieſe ſeinem unbegreiflichen Betragen ge-
traut und einen ſchnellen Angriff gewagt haͤtten. Aber
Mettius hielt die Albaner in einiger Entfernung als Zu-
ſchauer der Schlacht; daher Tullus durch Geiſtesgegen-
wart und Gluͤck den Seinigen und den Feinden den Glau-
ben erregen konnte, die Bewegung der Verbuͤndeten ſey
von ihm befohlen um die Fidenater zu uͤberfluͤgeln. So
ſiegten die Roͤmer, als ob ſie ungeſtoͤrt mit eigner Kraft
geſtritten haͤtten, und da die Schlacht entſchieden war
uͤbte der albaniſche Dictator neue Treuloſigkeit. Vor ihm
hin flohen die Geſchlagenen, die im Vertrauen auf ſein
Wort die Schlacht gewagt hatten, und er benutzte die
Stellung welche Rom verrathen ſollte, um die Niederlage
der Fidenater zu vollenden, damit huͤlfreicher Dienſt den
gefaͤhrlichen Schein ſeiner Handlungen vernichte. Daher
erkannte die allgemeine Stimme, ſeines Vaterlands wel-
ches er zu Grunde richtete, Fidenaͤs welches er verrieth,
und Roms welches er mit gemeiner Liſt hatte betruͤgen
wollen, das ſchreckliche Urtheil des erzuͤrnten Herrſchers
Erſter Theil. O
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/231>, abgerufen am 31.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.