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Allgemeine Zeitung, Nr. 8, vom 9. Januar 1924.

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erste Seite

Allgemeine Zeitung
Süddeutsches Tagblatt Großdeutsche Rundschau
127. Jahrgang. Nr. 8
München, Mittwoch den 9. Januar 1924.
Einzelpreis 10 Pfennig.


Hauptschriftleitung und verantwortlich für Deutsche und Bayerische Politik:
Max Heilgemayr. -- Wirtschaftszeitung u. Auswärtige Politik: Josef Schrepfer.
-- Unpolitische Stadtzeitung u. Sport: Richard Rieß. -- Kunst u. Musik: Albin v.
Prybram-Gladona. -- Feuilleton u. Theater: Walter Foitzick. -- Anzeigenteil: Josef
Spiegel, sämtl. in München. -- Redaktion: München, Baaderstr. 1, Tel. 27940. -- Berliner
Schriftleitung: SW 68., Zimmerstr. 9, Tel. Zentrum 5498 u. 3967; Leiter: Alfred Gerigk.
[Abbildung]
Die Allgemeine Zeitung erscheint täglich. Bei Störung des Erscheinens infolge höherer
Gewalt oder Streiks besteht kein Anspruch auf Zeitungslieferung oder Rückzahlung des Be-
zugsgeldes. Bezugspreis: Mk. 2.80 für den Monat. Anzeigenpreis: für die 9-spaltige
Millimeterzeile im Inseratenteil M. 0.25, im Reklameteil M. 0.80. Kleine Anzeigen M. 0.10.
Verlag der Allgemeinen Zeitung G.m.b.H. München. Postscheckkonto: München 8170.
Druck: Druckerei- und Verlags-A.-G. München, Baaderstraße 1 und 1a. Telefon 24287.


[Spaltenumbruch]
Wiederaufnahme der Militär-
kontrolle.

"Daily Telegraph"
meldet, daß die Botschafterkonfe-
renz
mit dem Vorschlag Rollets über
die Wiederaufnahme der Militärkontrolle in
Deutschland einverstanden sei, wonach
die Kontrolle am 10. Januar wieder aufge-
nommen worden sei, und zwar von einer
Kommission, bestehend aus Vertretern Eng-
lands, Belgiens, Italiens und Frankreichs,
die in jedem Falle gemeinsam ihre Tätigkeit
und zwar in Zivil ausüben sollen.

* Es sollte doch von der Reichsregierung noch
alles versucht werden, um diese Wiederaufnahme
der völlig überflüssigen Kontrolle zu verhindern.
Es gibt bei uns nichts mehr zu kontrollieren und
man sollte nicht durch immer neue Herausforde-
rungen unsere Lage immer noch drückender ge-
stalten. Wenn die Vertreter Frankreichs in
Deutschland kein Gefühl der Sicherheit haben,
ist daran nur Poincares dauernde Gewaltpolitik
selbst schuld.


Die englische Reparations-
politik.

Amtlich wird gemeldet:

In der Presse des Festlandes sind Nach-
richten verbreitet worden, wonach die ge-
genwärtige englische Regierung entschlossen
sei, die englischen Truppen aus dem
besetzten Gebiet am Rhein
zurück-
zuziehen und die englischen Vertreter aus
der Reparations- und Botschafterkonferenz
zurückzuberufen. Diese Nachrichten sind
falsch.

In Verbindung hiermit schreibt der di-
plomatische Mitarbeiter der "Daily News",
die Regierung Baldwin habe niemals
derartige Absichten gehabt. Der Mitarbei-
ter beschäftigt sich sodann mit der wahr-
scheinlichen Außenpolitik, die eine Arbeiter-
regierung in England betreiben würde. Die
künftige Reparationspolitik der Arbeiter-
partei möge nach der Tatsache beurteilt wer-
den, daß Sir John Bradbury, Ramsay Mac-
donald konsultiert habe, bevor er die Mit-
glieder für die Sachverständigenausschüsse
ausgewählt habe.

Eine der wenigen feststehenden Tatsachen
in der heutigen englischen Politik sei die,
daß in der Reparationspolitik die Konti-
nuität gewahrt bleibe und daß die jetzt ein-
geleitete Reparationsuntersuchung durch-
geführt werde, bis eine endgültige Lösung
möglich sei. Die Arbeiterpartei werde
keineswegs die englischen Truppen aus dem
Rheinlande zurückziehen.

Die amerikanischen Sachverständigen in Paris.

Die amerikani-
schen Sachverständigen
, General
Dawes und Owen Young, die zu den
ersten der beiden Ausschüsse der Reparati-
onskommission gehören, sind gestern hier
eingetroffen. Die Sitzungen des ersten Aus-
schusses werden am 14., die des zweiten am
21. Januar beginnen.

Daß der erste Ausschuß, der sich mit den
Währungs- und Budgetfragen zu beschäfti-
gen hat, seine Untersuchungen in Berlin
führen wird, ist jetzt sicher.

Die italienischen Sachverständigen.

Die italienischen
Sachverständigen
in den Ausschüssen
der Reparationskommission zur Untersu-
chung der deutschen Zahlungsfähigkeit wur-
den am Mittwoch vom Ministerpräsidenten
Mussolini zur Entgegennahme ihrer In-
struktionen empfangen worden. Sie reisen
am Samstag nach Paris ab.

[Spaltenumbruch]
Eröffnung des
englischen Parlaments.

Forderung einer internationalen Abrüstungskonferenz.
Sonderdienst der Allgemeinen Zeitung.

[Spaltenumbruch]

Das englische
Parlament
tritt heute zum ersten Male
zusammen. Es wird sich in dieser Woche
nur mit formalen Fragen beschäftigen.
Die eigentliche Eröffnung am 17. Ja-
nuar wird nach der Thronrede den Sturz
der bisherigen Regierung sicher
bringen.

Macdonald wird bei der Eröffnung
des Parlamentes die offizielle Anerken-
[Spaltenumbruch] nung der Sowjetrepublik
fordern
und zwar auf der Grundlage, daß diese
20 Millionen Pfund Sterling an England
zahlt, während England eine Anleihe von
50 Millionen Pfund zur Verfügung stellt.

Führende Kreise der Arbeiterpartei ver-
folgen übrigens neben dem Plan einer in-
ternationalen Reparationskonferenz den
weiteren Plan einer internationalen Ab-
rüstungskonferenz
.



Um die rheinische Goldnotenbank.

Sonderdienst der Allgemeinen Zeitung.


Die heutige Sit-
zung des Reichskabinetts
über die
Frage der rheinischen Goldnoten-
bank
hatte das Ergebnis, daß das Kabi-
nett an der Auffassung festhielt, daß die
Gründung dieser Bank nur unter den von
deutscher Seite aufgestellten Voraus-
setzungen
stattfinden kann.

Morgen oder übermorgen werden die
Persönlichkeiten aus dem Rheinlande, die
für dise Gründung besonders in Betracht
kommen, wie der Kölner Bankier Louis
Hagen, nach Berlin kommen und mit der
Reichsregierung sich besprechen.

Sache der rheinischen Vertreter würde es
dann sein, mit den Besatzungsbehörden in
Verbindung zu treten und festzustellen, ob
die Gründung einer solchen Bank noch in
Frage kommen
kann, oder ob das nicht
mehr der Fall ist.



Sitzungen des Reichskabinetts.

(Eigener Bericht der "Allg. Ztg.")


Das Reichskabi-
nett
wird in dieser Woche mehrere Sitzun-
gen abhalten, in denen in erster Linie die
Fragen der äußeren Politik zur
Beratung kommen sollen. Man hat deshalb
die Rückkehr des Außenministers Dr. Stre-
semann abgewartet.

Zu diesen Fragen gehört unter anderem
die Forderung der Entente nach Wieder-
aufnahme der Militärkontrolle

in Deutschland. Die Londoner Meldung
hierüber scheint sich zu bestätigen, doch steht
noch nicht fest, in welcher Form sie ausge-
übt werden soll. Der Stand der Reichsregie-
rung zu dieser Frage ist vor kurzem durch
den Außenminister in öffentlicher Rede dar-
gelegt worden. Eine Entscheidung des
Reichskabinetts ist noch nicht getroffen.

Weiter wird die Frage der rheini-
schen Goldnotenbank
beraten wer-
den. Im Zusammenhang mit dem Bericht,
den der neue Reichsbankpräsident Dr.
Schacht über seine Reise erstatten wird.
Die Reise hatte bekanntlich den Zweck,
Klarheit darüber zu schaffen, wie sich die
ausländische Großfinanz zu der Errichtung
eines deutschen Zentralgoldnoteninstitutes
stellen würde.

Dr. Schacht hat aus dem Auslande zu-
friedenstellende Eindrücke mitgebracht.

Die belgische Antwortnote.

Aus einer Brüsseler
Meldung des "Petit Journals" geht her-
vor, daß der allgemeine Charakter
der belgischen Antwortnote sehr negativ
ist. In der belgischen Antwort werden die
Punkte des deutschen Memorandums ange-
führt, denen keine Folge gegeben werden
könne. Dagegen tritt die belgische Antwort,
die in der Form sehr entgegenkommend ge-
halten ist, gewissen Anregungen der deut-
schen Regierung bei. Insbesondere denjeni-
gen, die sich auf Erleichterungen des
Verkehrs zwischen dem besetzten und unbe-
setzten Gebiete beziehen.

[Spaltenumbruch]
Herr von Hoesch berichtet.

Der deutsche Geschäfts-
träger in Paris, Herr von Hoesch, wird
am Mittwoch zur Berichterstattung in Ber-
lin eintreffen, um über die Verhandlungen
mit dem französischen Ministerpräsidenten
zu berichten. Man erwartet bis Mittwoch
die endgültige Antwort Frank-
reichs und Belgiens
auf die letzten
deutschen Vorschläge.

Seipels Hoffnungen.

In einer Rede im christlich-
sozialen Parteirat führte Bundeskanzler Dr.
Seipel aus, das Jahr 1924 scheine das Jahr
der Wendungen
zu werden, in dem allem
Anschein nach die deutsche Frage gelöst oder
wenigstens deren Lösung eingeleitet werden wird.

Die allernächste Zeit werde auch die Frage der
Anerkennung der Sowjetrepublik in den Vorder-
grund rücken und der Wiedereintritt Deutschlands
und Rußlands in die Weltwirtschaft wird dann
das große Problem einer Organisierung der Welt
aufrollen.

Eine schwere Anklage gegen Nitti.

"Popolo d'Italia", das Organ
Mussolinis, veröffentlicht ein offiziöses Dokument,
aus dem hervorgeht, daß der frühere Minister-
präsident Nitti während des Krieges, als er als
italienischer Vertreter in den Vereinigten Staaten
weilte, dem Präsidenten Wilson bestimmte Vor-
teile für Amerika im adriatischen Meere in Aus-
sicht stellte und außerdem versprach, die Einfüh-
rung der republikanischen Regierungsform in
Italien zu veranlassen.

"Popolo d'Italia" bemerkt dazu, daß Nitti vor
einen Staatsgerichtshof gestellt werden müsse, um
ihn als einen Verräter des Vaterlandes zu ver-
urteilen.

Anschlag auf Venizelos?

Das Mailänder Blatt "Am-
brosiano" erhielt eine Meldung aus Athen, wo-
nach Venizelos während der Sitzung der
Nationalversammlung von einem Herzkrampf
befallen worden sei und infolgedessen schleunigst
nach Hause getragen werden mußte.

Das Blatt fügt dieser Meldung hinzu, es sei
zwar möglich, daß Venizelos einen natürlichen
Unfall erlitten habe, es sei jedoch wahrscheinlicher,
daß seine Erkrankung die Folge eines Atten-
tats
ist, das man in Athen begreiflicherweise
geheim zu halten suche.

[Spaltenumbruch]
Irrwege der
Reparations-Politik.

Eigener Drahtbericht unserer
Berliner Schriftleitung
.


Während der deutsche Außenminister
seinen Erholungsurlaub im Ausland verlebte,
und sich auch in dieser Zeit damit beschäftigte,
mit den deutschen Vertretern in Rom, Bern und
Zürich zu konferieren, haben sich auf dem Ge-
biet der Außenpolitik Vorgänge abgespielt, die
die schärfste Aufmerksamkeit der
Regierung
erfordern, wenn nicht die ohne-
hin schwachen Möglichkeiten einer Lösung der
schwebenden Probleme gefährdet werden sollen.

Gerade die im Vordergrund der Reichspolitik
stehenden Aufgaben, in der Frage der Repara-
tion eine Klärung vorzubereiten, die zur
Stärkung der Regierungsautorität geeignet ist,
sind von verschiedenen Seiten mit Mitteln in An-
griff genommen worden, die ernste Besorg-
nis
hervorrufen und über die Klarheit geschaf-
fen werden muß, nachdem der Außenminister
wieder die Leitung seines Ressorts übernommen
hat.

Die Inangriffnahme dieser Aufgabe ist von
privaten Kreisen ausgegangen und in Deutschland
hat man erst durch die Pariser Blätter davon
erfahren, die mit einer Wichtigkeit, wie sie nach
deutscher Auffassung diesen privaten Bemühun-
gen nicht zukommt, wieder und immer wieder
an den Reparationsplan des Herrn
Arnold Rechberg
und seine Aufnahme
bei den führenden französischen Persönlichkeiten
berichten.

Von amtlicher Seite ist zwar noch während
der Abwesenheit des Außenministers betont wor-
den, daß die Reichsregierung die
Pläne Rechbergs
aus sachlichen Gründen
nicht billigen kann, aber die Aufmerksam-
keit, die man ihnen in Paris schenkte, nötigt doch
zu einer eingehenden und genauen Stellung-
nahme.

Man muß zunächst feststellen, daß Herr Rech-
berg seine Pariser Verhandlungen vollständig
auf Grund eigener Verantwortung und eigener
Ermächtigung geführt hat, ohne die Zu-
stimmung einer amtlichen Stelle

oder einer wirtschaftlichen Gruppe zu haben. Es
mag zweifelhaft sein, ob es nicht überhaupt not-
wendig ist zu betonen, daß Herr Rechberg, der
in Paris verhandelte, nicht mit dem Industriellen
Rechberg verwechselt werden darf.

Wenn Rechberg jetzt seinen Verhandlungen
das Ansehen einer mindestens offiziösen
Mission
dadurch zu geben versucht, daß er
eine Berichterstattung beim Reichskanz-
ler ankündigt, so kann man sicher sein, daß die
zuständigen Stellen ihm deutlich machen werden,
daß er vor und nicht nach seiner Pariser
Reise die Fühlung hätte aufnehmen müssen, um
zu erfahren, wie man hier seine Pläne beur-
teilt.

Der Reparationsplan Rechbergs
war im Kabinett natürlich bekannt. Es han-
delt sich dabei um Pläne, die bei Rechberg nach
seiner eigenen Schilderung vor dem Kriege ent-
standen sind, besonders während seines Pariser
Aufenthalts -- wo er damals als Zuschauer
lebte --, und im Gespräch mit einem englischen
Diplomaten, von dem er im Zusammenhang mit
Kriegsprophezeihungen über die An-
sicht sich unterhielt, daß die Kriegsgefahr nur
durch eine deutsch-englische Wirt-
schaftskooperation
verhindert werden
könne in der Weise, daß deutsche Kapitalien sich
an der englischen Schiffahrt, der Industrie von
Manchester usw., englische Kapitalien umgekehrt
an der Hapag, dem Nordd. Lloyd und der west-
fälischen Industrie sich beteiligen sollten, um den
wirtschaftlichen Wettbewerb und damit die
Kriegsgefahr zu mildern.

Wie die damals führenden politischen Kreise
Deutschlands, steht auch das jetzige Reichskabinett


Allgemeine Zeitung
Süddeutſches Tagblatt Großdeutſche Rundſchau
127. Jahrgang. Nr. 8
München, Mittwoch den 9. Januar 1924.
Einzelpreis 10 Pfennig.


Hauptſchriftleitung und verantwortlich für Deutſche und Bayeriſche Politik:
Max Heilgemayr. — Wirtſchaftszeitung u. Auswärtige Politik: Joſef Schrepfer.
Unpolitiſche Stadtzeitung u. Sport: Richard Rieß. — Kunſt u. Muſik: Albin v.
Prybram-Gladona. — Feuilleton u. Theater: Walter Foitzick. — Anzeigenteil: Joſef
Spiegel, ſämtl. in München. — Redaktion: München, Baaderſtr. 1, Tel. 27940. — Berliner
Schriftleitung: SW 68., Zimmerſtr. 9, Tel. Zentrum 5498 u. 3967; Leiter: Alfred Gerigk.
[Abbildung]
Die Allgemeine Zeitung erſcheint täglich. Bei Störung des Erſcheinens infolge höherer
Gewalt oder Streiks beſteht kein Anſpruch auf Zeitungslieferung oder Rückzahlung des Be-
zugsgeldes. Bezugspreis: Mk. 2.80 für den Monat. Anzeigenpreis: für die 9-ſpaltige
Millimeterzeile im Inſeratenteil M. 0.25, im Reklameteil M. 0.80. Kleine Anzeigen M. 0.10.
Verlag der Allgemeinen Zeitung G.m.b.H. München. Poſtſcheckkonto: München 8170.
Druck: Druckerei- und Verlags-A.-G. München, Baaderſtraße 1 und 1a. Telefon 24287.


[Spaltenumbruch]
Wiederaufnahme der Militär-
kontrolle.

„Daily Telegraph“
meldet, daß die Botſchafterkonfe-
renz
mit dem Vorſchlag Rollets über
die Wiederaufnahme der Militärkontrolle in
Deutſchland einverſtanden ſei, wonach
die Kontrolle am 10. Januar wieder aufge-
nommen worden ſei, und zwar von einer
Kommiſſion, beſtehend aus Vertretern Eng-
lands, Belgiens, Italiens und Frankreichs,
die in jedem Falle gemeinſam ihre Tätigkeit
und zwar in Zivil ausüben ſollen.

* Es ſollte doch von der Reichsregierung noch
alles verſucht werden, um dieſe Wiederaufnahme
der völlig überflüſſigen Kontrolle zu verhindern.
Es gibt bei uns nichts mehr zu kontrollieren und
man ſollte nicht durch immer neue Herausforde-
rungen unſere Lage immer noch drückender ge-
ſtalten. Wenn die Vertreter Frankreichs in
Deutſchland kein Gefühl der Sicherheit haben,
iſt daran nur Poincarès dauernde Gewaltpolitik
ſelbſt ſchuld.


Die engliſche Reparations-
politik.

Amtlich wird gemeldet:

In der Preſſe des Feſtlandes ſind Nach-
richten verbreitet worden, wonach die ge-
genwärtige engliſche Regierung entſchloſſen
ſei, die engliſchen Truppen aus dem
beſetzten Gebiet am Rhein
zurück-
zuziehen und die engliſchen Vertreter aus
der Reparations- und Botſchafterkonferenz
zurückzuberufen. Dieſe Nachrichten ſind
falſch.

In Verbindung hiermit ſchreibt der di-
plomatiſche Mitarbeiter der „Daily News“,
die Regierung Baldwin habe niemals
derartige Abſichten gehabt. Der Mitarbei-
ter beſchäftigt ſich ſodann mit der wahr-
ſcheinlichen Außenpolitik, die eine Arbeiter-
regierung in England betreiben würde. Die
künftige Reparationspolitik der Arbeiter-
partei möge nach der Tatſache beurteilt wer-
den, daß Sir John Bradbury, Ramſay Mac-
donald konſultiert habe, bevor er die Mit-
glieder für die Sachverſtändigenausſchüſſe
ausgewählt habe.

Eine der wenigen feſtſtehenden Tatſachen
in der heutigen engliſchen Politik ſei die,
daß in der Reparationspolitik die Konti-
nuität gewahrt bleibe und daß die jetzt ein-
geleitete Reparationsunterſuchung durch-
geführt werde, bis eine endgültige Löſung
möglich ſei. Die Arbeiterpartei werde
keineswegs die engliſchen Truppen aus dem
Rheinlande zurückziehen.

Die amerikaniſchen Sachverſtändigen in Paris.

Die amerikani-
ſchen Sachverſtändigen
, General
Dawes und Owen Young, die zu den
erſten der beiden Ausſchüſſe der Reparati-
onskommiſſion gehören, ſind geſtern hier
eingetroffen. Die Sitzungen des erſten Aus-
ſchuſſes werden am 14., die des zweiten am
21. Januar beginnen.

Daß der erſte Ausſchuß, der ſich mit den
Währungs- und Budgetfragen zu beſchäfti-
gen hat, ſeine Unterſuchungen in Berlin
führen wird, iſt jetzt ſicher.

Die italieniſchen Sachverſtändigen.

Die italieniſchen
Sachverſtändigen
in den Ausſchüſſen
der Reparationskommiſſion zur Unterſu-
chung der deutſchen Zahlungsfähigkeit wur-
den am Mittwoch vom Miniſterpräſidenten
Muſſolini zur Entgegennahme ihrer In-
ſtruktionen empfangen worden. Sie reiſen
am Samstag nach Paris ab.

[Spaltenumbruch]
Eröffnung des
engliſchen Parlaments.

Forderung einer internationalen Abrüſtungskonferenz.
Sonderdienſt der Allgemeinen Zeitung.

[Spaltenumbruch]

Das engliſche
Parlament
tritt heute zum erſten Male
zuſammen. Es wird ſich in dieſer Woche
nur mit formalen Fragen beſchäftigen.
Die eigentliche Eröffnung am 17. Ja-
nuar wird nach der Thronrede den Sturz
der bisherigen Regierung ſicher
bringen.

Macdonald wird bei der Eröffnung
des Parlamentes die offizielle Anerken-
[Spaltenumbruch] nung der Sowjetrepublik
fordern
und zwar auf der Grundlage, daß dieſe
20 Millionen Pfund Sterling an England
zahlt, während England eine Anleihe von
50 Millionen Pfund zur Verfügung ſtellt.

Führende Kreiſe der Arbeiterpartei ver-
folgen übrigens neben dem Plan einer in-
ternationalen Reparationskonferenz den
weiteren Plan einer internationalen Ab-
rüſtungskonferenz
.



Um die rheiniſche Goldnotenbank.

Sonderdienſt der Allgemeinen Zeitung.


Die heutige Sit-
zung des Reichskabinetts
über die
Frage der rheiniſchen Goldnoten-
bank
hatte das Ergebnis, daß das Kabi-
nett an der Auffaſſung feſthielt, daß die
Gründung dieſer Bank nur unter den von
deutſcher Seite aufgeſtellten Voraus-
ſetzungen
ſtattfinden kann.

Morgen oder übermorgen werden die
Perſönlichkeiten aus dem Rheinlande, die
für diſe Gründung beſonders in Betracht
kommen, wie der Kölner Bankier Louis
Hagen, nach Berlin kommen und mit der
Reichsregierung ſich beſprechen.

Sache der rheiniſchen Vertreter würde es
dann ſein, mit den Beſatzungsbehörden in
Verbindung zu treten und feſtzuſtellen, ob
die Gründung einer ſolchen Bank noch in
Frage kommen
kann, oder ob das nicht
mehr der Fall iſt.



Sitzungen des Reichskabinetts.

(Eigener Bericht der „Allg. Ztg.“)


Das Reichskabi-
nett
wird in dieſer Woche mehrere Sitzun-
gen abhalten, in denen in erſter Linie die
Fragen der äußeren Politik zur
Beratung kommen ſollen. Man hat deshalb
die Rückkehr des Außenminiſters Dr. Stre-
ſemann abgewartet.

Zu dieſen Fragen gehört unter anderem
die Forderung der Entente nach Wieder-
aufnahme der Militärkontrolle

in Deutſchland. Die Londoner Meldung
hierüber ſcheint ſich zu beſtätigen, doch ſteht
noch nicht feſt, in welcher Form ſie ausge-
übt werden ſoll. Der Stand der Reichsregie-
rung zu dieſer Frage iſt vor kurzem durch
den Außenminiſter in öffentlicher Rede dar-
gelegt worden. Eine Entſcheidung des
Reichskabinetts iſt noch nicht getroffen.

Weiter wird die Frage der rheini-
ſchen Goldnotenbank
beraten wer-
den. Im Zuſammenhang mit dem Bericht,
den der neue Reichsbankpräſident Dr.
Schacht über ſeine Reiſe erſtatten wird.
Die Reiſe hatte bekanntlich den Zweck,
Klarheit darüber zu ſchaffen, wie ſich die
ausländiſche Großfinanz zu der Errichtung
eines deutſchen Zentralgoldnoteninſtitutes
ſtellen würde.

Dr. Schacht hat aus dem Auslande zu-
friedenſtellende Eindrücke mitgebracht.

Die belgiſche Antwortnote.

Aus einer Brüſſeler
Meldung des „Petit Journals“ geht her-
vor, daß der allgemeine Charakter
der belgiſchen Antwortnote ſehr negativ
iſt. In der belgiſchen Antwort werden die
Punkte des deutſchen Memorandums ange-
führt, denen keine Folge gegeben werden
könne. Dagegen tritt die belgiſche Antwort,
die in der Form ſehr entgegenkommend ge-
halten iſt, gewiſſen Anregungen der deut-
ſchen Regierung bei. Insbeſondere denjeni-
gen, die ſich auf Erleichterungen des
Verkehrs zwiſchen dem beſetzten und unbe-
ſetzten Gebiete beziehen.

[Spaltenumbruch]
Herr von Hoeſch berichtet.

Der deutſche Geſchäfts-
träger in Paris, Herr von Hoeſch, wird
am Mittwoch zur Berichterſtattung in Ber-
lin eintreffen, um über die Verhandlungen
mit dem franzöſiſchen Miniſterpräſidenten
zu berichten. Man erwartet bis Mittwoch
die endgültige Antwort Frank-
reichs und Belgiens
auf die letzten
deutſchen Vorſchläge.

Seipels Hoffnungen.

In einer Rede im chriſtlich-
ſozialen Parteirat führte Bundeskanzler Dr.
Seipel aus, das Jahr 1924 ſcheine das Jahr
der Wendungen
zu werden, in dem allem
Anſchein nach die deutſche Frage gelöſt oder
wenigſtens deren Löſung eingeleitet werden wird.

Die allernächſte Zeit werde auch die Frage der
Anerkennung der Sowjetrepublik in den Vorder-
grund rücken und der Wiedereintritt Deutſchlands
und Rußlands in die Weltwirtſchaft wird dann
das große Problem einer Organiſierung der Welt
aufrollen.

Eine ſchwere Anklage gegen Nitti.

„Popolo d’Italia“, das Organ
Muſſolinis, veröffentlicht ein offiziöſes Dokument,
aus dem hervorgeht, daß der frühere Miniſter-
präſident Nitti während des Krieges, als er als
italieniſcher Vertreter in den Vereinigten Staaten
weilte, dem Präſidenten Wilſon beſtimmte Vor-
teile für Amerika im adriatiſchen Meere in Aus-
ſicht ſtellte und außerdem verſprach, die Einfüh-
rung der republikaniſchen Regierungsform in
Italien zu veranlaſſen.

„Popolo d’Italia“ bemerkt dazu, daß Nitti vor
einen Staatsgerichtshof geſtellt werden müſſe, um
ihn als einen Verräter des Vaterlandes zu ver-
urteilen.

Anſchlag auf Venizelos?

Das Mailänder Blatt „Am-
broſiano“ erhielt eine Meldung aus Athen, wo-
nach Venizelos während der Sitzung der
Nationalverſammlung von einem Herzkrampf
befallen worden ſei und infolgedeſſen ſchleunigſt
nach Hauſe getragen werden mußte.

Das Blatt fügt dieſer Meldung hinzu, es ſei
zwar möglich, daß Venizelos einen natürlichen
Unfall erlitten habe, es ſei jedoch wahrſcheinlicher,
daß ſeine Erkrankung die Folge eines Atten-
tats
iſt, das man in Athen begreiflicherweiſe
geheim zu halten ſuche.

[Spaltenumbruch]
Irrwege der
Reparations-Politik.

Eigener Drahtbericht unſerer
Berliner Schriftleitung
.


Während der deutſche Außenminiſter
ſeinen Erholungsurlaub im Ausland verlebte,
und ſich auch in dieſer Zeit damit beſchäftigte,
mit den deutſchen Vertretern in Rom, Bern und
Zürich zu konferieren, haben ſich auf dem Ge-
biet der Außenpolitik Vorgänge abgeſpielt, die
die ſchärfſte Aufmerkſamkeit der
Regierung
erfordern, wenn nicht die ohne-
hin ſchwachen Möglichkeiten einer Löſung der
ſchwebenden Probleme gefährdet werden ſollen.

Gerade die im Vordergrund der Reichspolitik
ſtehenden Aufgaben, in der Frage der Repara-
tion eine Klärung vorzubereiten, die zur
Stärkung der Regierungsautorität geeignet iſt,
ſind von verſchiedenen Seiten mit Mitteln in An-
griff genommen worden, die ernſte Beſorg-
nis
hervorrufen und über die Klarheit geſchaf-
fen werden muß, nachdem der Außenminiſter
wieder die Leitung ſeines Reſſorts übernommen
hat.

Die Inangriffnahme dieſer Aufgabe iſt von
privaten Kreiſen ausgegangen und in Deutſchland
hat man erſt durch die Pariſer Blätter davon
erfahren, die mit einer Wichtigkeit, wie ſie nach
deutſcher Auffaſſung dieſen privaten Bemühun-
gen nicht zukommt, wieder und immer wieder
an den Reparationsplan des Herrn
Arnold Rechberg
und ſeine Aufnahme
bei den führenden franzöſiſchen Perſönlichkeiten
berichten.

Von amtlicher Seite iſt zwar noch während
der Abweſenheit des Außenminiſters betont wor-
den, daß die Reichsregierung die
Pläne Rechbergs
aus ſachlichen Gründen
nicht billigen kann, aber die Aufmerkſam-
keit, die man ihnen in Paris ſchenkte, nötigt doch
zu einer eingehenden und genauen Stellung-
nahme.

Man muß zunächſt feſtſtellen, daß Herr Rech-
berg ſeine Pariſer Verhandlungen vollſtändig
auf Grund eigener Verantwortung und eigener
Ermächtigung geführt hat, ohne die Zu-
ſtimmung einer amtlichen Stelle

oder einer wirtſchaftlichen Gruppe zu haben. Es
mag zweifelhaft ſein, ob es nicht überhaupt not-
wendig iſt zu betonen, daß Herr Rechberg, der
in Paris verhandelte, nicht mit dem Induſtriellen
Rechberg verwechſelt werden darf.

Wenn Rechberg jetzt ſeinen Verhandlungen
das Anſehen einer mindeſtens offiziöſen
Miſſion
dadurch zu geben verſucht, daß er
eine Berichterſtattung beim Reichskanz-
ler ankündigt, ſo kann man ſicher ſein, daß die
zuſtändigen Stellen ihm deutlich machen werden,
daß er vor und nicht nach ſeiner Pariſer
Reiſe die Fühlung hätte aufnehmen müſſen, um
zu erfahren, wie man hier ſeine Pläne beur-
teilt.

Der Reparationsplan Rechbergs
war im Kabinett natürlich bekannt. Es han-
delt ſich dabei um Pläne, die bei Rechberg nach
ſeiner eigenen Schilderung vor dem Kriege ent-
ſtanden ſind, beſonders während ſeines Pariſer
Aufenthalts — wo er damals als Zuſchauer
lebte —, und im Geſpräch mit einem engliſchen
Diplomaten, von dem er im Zuſammenhang mit
Kriegsprophezeihungen über die An-
ſicht ſich unterhielt, daß die Kriegsgefahr nur
durch eine deutſch-engliſche Wirt-
ſchaftskooperation
verhindert werden
könne in der Weiſe, daß deutſche Kapitalien ſich
an der engliſchen Schiffahrt, der Induſtrie von
Mancheſter uſw., engliſche Kapitalien umgekehrt
an der Hapag, dem Nordd. Lloyd und der weſt-
fäliſchen Induſtrie ſich beteiligen ſollten, um den
wirtſchaftlichen Wettbewerb und damit die
Kriegsgefahr zu mildern.

Wie die damals führenden politiſchen Kreiſe
Deutſchlands, ſteht auch das jetzige Reichskabinett

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Spiegel, &#x017F;ämtl. in München. &#x2014; <hi rendition="#g">Redaktion:</hi> München, Baader&#x017F;tr. 1, Tel. 27940. &#x2014; Berliner<lb/>
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[0001] Allgemeine Zeitung Süddeutſches Tagblatt Großdeutſche Rundſchau127. Jahrgang. Nr. 8 München, Mittwoch den 9. Januar 1924. Einzelpreis 10 Pfennig. Hauptſchriftleitung und verantwortlich für Deutſche und Bayeriſche Politik: Max Heilgemayr. — Wirtſchaftszeitung u. Auswärtige Politik: Joſef Schrepfer. — Unpolitiſche Stadtzeitung u. Sport: Richard Rieß. — Kunſt u. Muſik: Albin v. Prybram-Gladona. — Feuilleton u. Theater: Walter Foitzick. — Anzeigenteil: Joſef Spiegel, ſämtl. in München. — Redaktion: München, Baaderſtr. 1, Tel. 27940. — Berliner Schriftleitung: SW 68., Zimmerſtr. 9, Tel. Zentrum 5498 u. 3967; Leiter: Alfred Gerigk. [Abbildung] Die Allgemeine Zeitung erſcheint täglich. Bei Störung des Erſcheinens infolge höherer Gewalt oder Streiks beſteht kein Anſpruch auf Zeitungslieferung oder Rückzahlung des Be- zugsgeldes. Bezugspreis: Mk. 2.80 für den Monat. Anzeigenpreis: für die 9-ſpaltige Millimeterzeile im Inſeratenteil M. 0.25, im Reklameteil M. 0.80. Kleine Anzeigen M. 0.10. Verlag der Allgemeinen Zeitung G.m.b.H. München. Poſtſcheckkonto: München 8170. Druck: Druckerei- und Verlags-A.-G. München, Baaderſtraße 1 und 1a. Telefon 24287. Wiederaufnahme der Militär- kontrolle. London, 8. Januar. „Daily Telegraph“ meldet, daß die Botſchafterkonfe- renz mit dem Vorſchlag Rollets über die Wiederaufnahme der Militärkontrolle in Deutſchland einverſtanden ſei, wonach die Kontrolle am 10. Januar wieder aufge- nommen worden ſei, und zwar von einer Kommiſſion, beſtehend aus Vertretern Eng- lands, Belgiens, Italiens und Frankreichs, die in jedem Falle gemeinſam ihre Tätigkeit und zwar in Zivil ausüben ſollen. * Es ſollte doch von der Reichsregierung noch alles verſucht werden, um dieſe Wiederaufnahme der völlig überflüſſigen Kontrolle zu verhindern. Es gibt bei uns nichts mehr zu kontrollieren und man ſollte nicht durch immer neue Herausforde- rungen unſere Lage immer noch drückender ge- ſtalten. Wenn die Vertreter Frankreichs in Deutſchland kein Gefühl der Sicherheit haben, iſt daran nur Poincarès dauernde Gewaltpolitik ſelbſt ſchuld. Die engliſche Reparations- politik. London, 8. Jan. Amtlich wird gemeldet: In der Preſſe des Feſtlandes ſind Nach- richten verbreitet worden, wonach die ge- genwärtige engliſche Regierung entſchloſſen ſei, die engliſchen Truppen aus dem beſetzten Gebiet am Rhein zurück- zuziehen und die engliſchen Vertreter aus der Reparations- und Botſchafterkonferenz zurückzuberufen. Dieſe Nachrichten ſind falſch. In Verbindung hiermit ſchreibt der di- plomatiſche Mitarbeiter der „Daily News“, die Regierung Baldwin habe niemals derartige Abſichten gehabt. Der Mitarbei- ter beſchäftigt ſich ſodann mit der wahr- ſcheinlichen Außenpolitik, die eine Arbeiter- regierung in England betreiben würde. Die künftige Reparationspolitik der Arbeiter- partei möge nach der Tatſache beurteilt wer- den, daß Sir John Bradbury, Ramſay Mac- donald konſultiert habe, bevor er die Mit- glieder für die Sachverſtändigenausſchüſſe ausgewählt habe. Eine der wenigen feſtſtehenden Tatſachen in der heutigen engliſchen Politik ſei die, daß in der Reparationspolitik die Konti- nuität gewahrt bleibe und daß die jetzt ein- geleitete Reparationsunterſuchung durch- geführt werde, bis eine endgültige Löſung möglich ſei. Die Arbeiterpartei werde keineswegs die engliſchen Truppen aus dem Rheinlande zurückziehen. Die amerikaniſchen Sachverſtändigen in Paris. * Paris, 8. Januar. Die amerikani- ſchen Sachverſtändigen, General Dawes und Owen Young, die zu den erſten der beiden Ausſchüſſe der Reparati- onskommiſſion gehören, ſind geſtern hier eingetroffen. Die Sitzungen des erſten Aus- ſchuſſes werden am 14., die des zweiten am 21. Januar beginnen. Daß der erſte Ausſchuß, der ſich mit den Währungs- und Budgetfragen zu beſchäfti- gen hat, ſeine Unterſuchungen in Berlin führen wird, iſt jetzt ſicher. Die italieniſchen Sachverſtändigen. Rom, 8. Januar. Die italieniſchen Sachverſtändigen in den Ausſchüſſen der Reparationskommiſſion zur Unterſu- chung der deutſchen Zahlungsfähigkeit wur- den am Mittwoch vom Miniſterpräſidenten Muſſolini zur Entgegennahme ihrer In- ſtruktionen empfangen worden. Sie reiſen am Samstag nach Paris ab. Eröffnung des engliſchen Parlaments. Forderung einer internationalen Abrüſtungskonferenz. Sonderdienſt der Allgemeinen Zeitung. * London, 8. Januar. Das engliſche Parlament tritt heute zum erſten Male zuſammen. Es wird ſich in dieſer Woche nur mit formalen Fragen beſchäftigen. Die eigentliche Eröffnung am 17. Ja- nuar wird nach der Thronrede den Sturz der bisherigen Regierung ſicher bringen. Macdonald wird bei der Eröffnung des Parlamentes die offizielle Anerken- nung der Sowjetrepublik fordern und zwar auf der Grundlage, daß dieſe 20 Millionen Pfund Sterling an England zahlt, während England eine Anleihe von 50 Millionen Pfund zur Verfügung ſtellt. Führende Kreiſe der Arbeiterpartei ver- folgen übrigens neben dem Plan einer in- ternationalen Reparationskonferenz den weiteren Plan einer internationalen Ab- rüſtungskonferenz. Um die rheiniſche Goldnotenbank. Sonderdienſt der Allgemeinen Zeitung. * Berlin, 8. Januar. Die heutige Sit- zung des Reichskabinetts über die Frage der rheiniſchen Goldnoten- bank hatte das Ergebnis, daß das Kabi- nett an der Auffaſſung feſthielt, daß die Gründung dieſer Bank nur unter den von deutſcher Seite aufgeſtellten Voraus- ſetzungen ſtattfinden kann. Morgen oder übermorgen werden die Perſönlichkeiten aus dem Rheinlande, die für diſe Gründung beſonders in Betracht kommen, wie der Kölner Bankier Louis Hagen, nach Berlin kommen und mit der Reichsregierung ſich beſprechen. Sache der rheiniſchen Vertreter würde es dann ſein, mit den Beſatzungsbehörden in Verbindung zu treten und feſtzuſtellen, ob die Gründung einer ſolchen Bank noch in Frage kommen kann, oder ob das nicht mehr der Fall iſt. Sitzungen des Reichskabinetts. (Eigener Bericht der „Allg. Ztg.“) * Berlin, 8. Januar. Das Reichskabi- nett wird in dieſer Woche mehrere Sitzun- gen abhalten, in denen in erſter Linie die Fragen der äußeren Politik zur Beratung kommen ſollen. Man hat deshalb die Rückkehr des Außenminiſters Dr. Stre- ſemann abgewartet. Zu dieſen Fragen gehört unter anderem die Forderung der Entente nach Wieder- aufnahme der Militärkontrolle in Deutſchland. Die Londoner Meldung hierüber ſcheint ſich zu beſtätigen, doch ſteht noch nicht feſt, in welcher Form ſie ausge- übt werden ſoll. Der Stand der Reichsregie- rung zu dieſer Frage iſt vor kurzem durch den Außenminiſter in öffentlicher Rede dar- gelegt worden. Eine Entſcheidung des Reichskabinetts iſt noch nicht getroffen. Weiter wird die Frage der rheini- ſchen Goldnotenbank beraten wer- den. Im Zuſammenhang mit dem Bericht, den der neue Reichsbankpräſident Dr. Schacht über ſeine Reiſe erſtatten wird. Die Reiſe hatte bekanntlich den Zweck, Klarheit darüber zu ſchaffen, wie ſich die ausländiſche Großfinanz zu der Errichtung eines deutſchen Zentralgoldnoteninſtitutes ſtellen würde. Dr. Schacht hat aus dem Auslande zu- friedenſtellende Eindrücke mitgebracht. Die belgiſche Antwortnote. Paris, 8. Januar. Aus einer Brüſſeler Meldung des „Petit Journals“ geht her- vor, daß der allgemeine Charakter der belgiſchen Antwortnote ſehr negativ iſt. In der belgiſchen Antwort werden die Punkte des deutſchen Memorandums ange- führt, denen keine Folge gegeben werden könne. Dagegen tritt die belgiſche Antwort, die in der Form ſehr entgegenkommend ge- halten iſt, gewiſſen Anregungen der deut- ſchen Regierung bei. Insbeſondere denjeni- gen, die ſich auf Erleichterungen des Verkehrs zwiſchen dem beſetzten und unbe- ſetzten Gebiete beziehen. Herr von Hoeſch berichtet. Berlin, 8. Januar. Der deutſche Geſchäfts- träger in Paris, Herr von Hoeſch, wird am Mittwoch zur Berichterſtattung in Ber- lin eintreffen, um über die Verhandlungen mit dem franzöſiſchen Miniſterpräſidenten zu berichten. Man erwartet bis Mittwoch die endgültige Antwort Frank- reichs und Belgiens auf die letzten deutſchen Vorſchläge. Seipels Hoffnungen. * Wien, 8. Jan. In einer Rede im chriſtlich- ſozialen Parteirat führte Bundeskanzler Dr. Seipel aus, das Jahr 1924 ſcheine das Jahr der Wendungen zu werden, in dem allem Anſchein nach die deutſche Frage gelöſt oder wenigſtens deren Löſung eingeleitet werden wird. Die allernächſte Zeit werde auch die Frage der Anerkennung der Sowjetrepublik in den Vorder- grund rücken und der Wiedereintritt Deutſchlands und Rußlands in die Weltwirtſchaft wird dann das große Problem einer Organiſierung der Welt aufrollen. Eine ſchwere Anklage gegen Nitti. * Rom, 8. Jan. „Popolo d’Italia“, das Organ Muſſolinis, veröffentlicht ein offiziöſes Dokument, aus dem hervorgeht, daß der frühere Miniſter- präſident Nitti während des Krieges, als er als italieniſcher Vertreter in den Vereinigten Staaten weilte, dem Präſidenten Wilſon beſtimmte Vor- teile für Amerika im adriatiſchen Meere in Aus- ſicht ſtellte und außerdem verſprach, die Einfüh- rung der republikaniſchen Regierungsform in Italien zu veranlaſſen. „Popolo d’Italia“ bemerkt dazu, daß Nitti vor einen Staatsgerichtshof geſtellt werden müſſe, um ihn als einen Verräter des Vaterlandes zu ver- urteilen. Anſchlag auf Venizelos? * Rom, 8. Jan. Das Mailänder Blatt „Am- broſiano“ erhielt eine Meldung aus Athen, wo- nach Venizelos während der Sitzung der Nationalverſammlung von einem Herzkrampf befallen worden ſei und infolgedeſſen ſchleunigſt nach Hauſe getragen werden mußte. Das Blatt fügt dieſer Meldung hinzu, es ſei zwar möglich, daß Venizelos einen natürlichen Unfall erlitten habe, es ſei jedoch wahrſcheinlicher, daß ſeine Erkrankung die Folge eines Atten- tats iſt, das man in Athen begreiflicherweiſe geheim zu halten ſuche. Irrwege der Reparations-Politik. Eigener Drahtbericht unſerer Berliner Schriftleitung. * Berlin, 8. Januar. Während der deutſche Außenminiſter ſeinen Erholungsurlaub im Ausland verlebte, und ſich auch in dieſer Zeit damit beſchäftigte, mit den deutſchen Vertretern in Rom, Bern und Zürich zu konferieren, haben ſich auf dem Ge- biet der Außenpolitik Vorgänge abgeſpielt, die die ſchärfſte Aufmerkſamkeit der Regierung erfordern, wenn nicht die ohne- hin ſchwachen Möglichkeiten einer Löſung der ſchwebenden Probleme gefährdet werden ſollen. Gerade die im Vordergrund der Reichspolitik ſtehenden Aufgaben, in der Frage der Repara- tion eine Klärung vorzubereiten, die zur Stärkung der Regierungsautorität geeignet iſt, ſind von verſchiedenen Seiten mit Mitteln in An- griff genommen worden, die ernſte Beſorg- nis hervorrufen und über die Klarheit geſchaf- fen werden muß, nachdem der Außenminiſter wieder die Leitung ſeines Reſſorts übernommen hat. Die Inangriffnahme dieſer Aufgabe iſt von privaten Kreiſen ausgegangen und in Deutſchland hat man erſt durch die Pariſer Blätter davon erfahren, die mit einer Wichtigkeit, wie ſie nach deutſcher Auffaſſung dieſen privaten Bemühun- gen nicht zukommt, wieder und immer wieder an den Reparationsplan des Herrn Arnold Rechberg und ſeine Aufnahme bei den führenden franzöſiſchen Perſönlichkeiten berichten. Von amtlicher Seite iſt zwar noch während der Abweſenheit des Außenminiſters betont wor- den, daß die Reichsregierung die Pläne Rechbergs aus ſachlichen Gründen nicht billigen kann, aber die Aufmerkſam- keit, die man ihnen in Paris ſchenkte, nötigt doch zu einer eingehenden und genauen Stellung- nahme. Man muß zunächſt feſtſtellen, daß Herr Rech- berg ſeine Pariſer Verhandlungen vollſtändig auf Grund eigener Verantwortung und eigener Ermächtigung geführt hat, ohne die Zu- ſtimmung einer amtlichen Stelle oder einer wirtſchaftlichen Gruppe zu haben. Es mag zweifelhaft ſein, ob es nicht überhaupt not- wendig iſt zu betonen, daß Herr Rechberg, der in Paris verhandelte, nicht mit dem Induſtriellen Rechberg verwechſelt werden darf. Wenn Rechberg jetzt ſeinen Verhandlungen das Anſehen einer mindeſtens offiziöſen Miſſion dadurch zu geben verſucht, daß er eine Berichterſtattung beim Reichskanz- ler ankündigt, ſo kann man ſicher ſein, daß die zuſtändigen Stellen ihm deutlich machen werden, daß er vor und nicht nach ſeiner Pariſer Reiſe die Fühlung hätte aufnehmen müſſen, um zu erfahren, wie man hier ſeine Pläne beur- teilt. Der Reparationsplan Rechbergs war im Kabinett natürlich bekannt. Es han- delt ſich dabei um Pläne, die bei Rechberg nach ſeiner eigenen Schilderung vor dem Kriege ent- ſtanden ſind, beſonders während ſeines Pariſer Aufenthalts — wo er damals als Zuſchauer lebte —, und im Geſpräch mit einem engliſchen Diplomaten, von dem er im Zuſammenhang mit Kriegsprophezeihungen über die An- ſicht ſich unterhielt, daß die Kriegsgefahr nur durch eine deutſch-engliſche Wirt- ſchaftskooperation verhindert werden könne in der Weiſe, daß deutſche Kapitalien ſich an der engliſchen Schiffahrt, der Induſtrie von Mancheſter uſw., engliſche Kapitalien umgekehrt an der Hapag, dem Nordd. Lloyd und der weſt- fäliſchen Induſtrie ſich beteiligen ſollten, um den wirtſchaftlichen Wettbewerb und damit die Kriegsgefahr zu mildern. Wie die damals führenden politiſchen Kreiſe Deutſchlands, ſteht auch das jetzige Reichskabinett

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 8, vom 9. Januar 1924, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine08_1924/1>, abgerufen am 16.05.2024.