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Allgemeine Zeitung, Nr. 9, 9. Januar 1872.

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[Spaltenumbruch] Sultan über die Wahl seines neuen Großwessiers noch nicht mit sich selbst einig
ist, indem er zwischen Midhat Pascha, Generalgouverneur von Bagdad, und
Rüschdi Pascha, dem vorigen Justizminister und ehemaligen Großwessier, schwankt.

Inzwischen fährt der jetzige Großwessier in der von ihm begonnenen Weise
fort; die Civil- und Criminalgerichte, in denen bis jetzt ziemlich genau die Hälfte
der Präsidenten und Richter aus Mohammedanern und die andere Hälfte aus
Christen bestand, sind aufgelöst, und der "civilisationsfreundliche," der "libe-
rale," der "Freimaurer" Mustafa Fazyl Pascha, der Bruder des Vicekönigs von
Aegypten, hat uns gestern mit einer neuen Besetzung dieser Gerichte überrascht,
in denen auf 37 Präsidenten und Richter 28 Mohammedaner und 9 Christen kom-
men, die Zahl der christlichen Beamten also auf weniger als ein Viertel reducirt
ist; hoffentlich wird der Vertreter des christlichen Englands, Hr. Elliot, nicht ver-
fehlen den Großvezier dafür wieder nächstens seinen officiellen Glückwunsch ab-
zustatten. Auch der Stadt-Präfect von Konstantinopel setzt seine Experimente als
Plänkler des Großveziers fort; da er die Tramways in Konstantinopel nicht
rückgängig machen konnte, so hat er seinen Zorn an den Stationshäusern
der Tramways ausgelassen, und von sieben derselben sechs einreißen lassen; die
Compagnie hat natürlich sofort ihre Entschädigungsklage eingereicht, und die
Staatscasse, in deren Interesse alle diese Experimente angeblich gemacht werden,
kann nächstens 300 bis 400 Pf. St. für dieses Privatvergnügen des Stadt-Prä-
fecten auszahlen.

Die Sanitätsbehörde ist leider in ihrer olympischen Ruhe schon wieder ge
stört worden; in der letzten Sitzung trat der englische Delegirte Dr. Dickson mit
dem Antrag auf: diese Behörde, die während der letzten Epidemie so handgreifliche
Beweise von ihrer Unfähigkeit in der Erfüllung ihrer internationalen Pflichten
gegeben habe, von ihrem Amte zu entbinden und ihre Functionen einer von den
europäischen Mächten eingesetzten Behörde anzuvertrauen. Dieser Antrag fiel
wie eine Bombe hinein, und die Collegen des Dr. Dickson, die Delegirten der andern
Staaten, welche sich durch ihr leisetreten des Verfahren schon eine hübsche Samm-
lung von Ordens-Decorationen aller europäischen und selbst asiatischen Potentaten
erschwiegen hatten, fühlten sich auch dießmal nicht aufgelegt ihr majestätisches
Schweigen zu brechen. Die Cholera hat noch immer nicht ganz aufgehört; indessen
hat sie doch schon ihren epidemischen Charakter verloren und tritt nur noch
sporadisch auf.

Diese Woche rief wieder einen Repräsentanten des echten urtürkischen
Typus ab: Mustafa Naili Pascha; er starb am vorigen Mittwoch (27 Dec.) nach
einer längeren Krankheit; über sein Alter schwanken die Angaben zwischen 75 und
95 Jahren; die Wahrheit dürfte in der Mitte liegen. Geboren im District Kesrie
bei Monastir in Albanien, begab er sich in seinem 12. Jahre nach Aegypten und
trat in die Dienste seines Landsmannes Mehemed Ali Pascha, und machte als
Officier in dem irregulären Arnauten-Corps den Feldzug gegen die Wechabiten in
Hidschaz mit; später wurde er nach Kreta geschickt, um die dortigen griechischen
Insurgenten zu bekämpfen, erwarb sich hier den Grad eines Obersten und
blieb dort als Statthalter. Als Mehemed Ali Pascha 1832 Syrien eroberte,
ward Mustafa Pascha Statthalter dieser neuen Provinz, jedoch nur wenige Monate,
worauf er wieder als Statthalter nach Kreta zurückkehrte und bis 1841 im Dienste
des Vicekönigs blieb. 1841 wurde Kreta wieder unter die unmittelbare Herrschaft
des Sultans gebracht, Mustafa Pascha aber ward in seinem Posten bestätigt und
blieb bis zum Jahre 1850. Während dieser 16jährigen Statthalterschaft wußte
er durch geschickte Operationen einerseits sich die Zuneigung der Einwohner zu
erwerben, andrerseits aber auch seinen persönlichen Nutzen zu befördern,
indem er sich einen Grundbesitz verschaffte der fast die Hälfte der Insel begriff.
Bei seiner Ankunft in Konstantinopel erhielt er den Rang eines Vezirs und ward
1853 Großvezir, konnte jedoch diesen Posten nur kurze Zeit behaupten, und blieb
seitdem Minister ohne Portefeuille. 1866 wurde er nach Kreta geschickt, um den
dortigen Aufstand zu bewältigen; das gänzliche Fehlschlagen dieser Mission ist noch
in jedermanns Andenken, aber das Geheimniß dieses Nichterfolgs hat er wohl mit
ins Grab genommen. Daß es seinem persönlichen Interesse nicht conveniren konnte
bei einer ernstlichen Bekämpfung der Insurgenten seine eigenen Besitzungen zu
ruiniren, lag auf der Hand, und schon aus diesem Grunde war seine Wahl eine sehr
unglückliche. Unbegreiflich ist es aber noch wie er damals von Woche zu Woche
pomphafte Berichte über Gefechte, Schlachten, Belagerungen und Eroberungen ein-
schicken konnte, die gänzlich aus der Luft gegriffen waren, so daß am Ende, als man
ihn abberief, die ganze Insel mit Ausnahme der Küstenfestungen sich im Besitze der
Aufständischen befand. Seit jenem Ereigniß hatte er sich von allem Antheil an
Staatsgeschäften fern gehalten. Von seinen Söhnen sind mehrere bereits wohlbe-
kannt. Veli Pascha, Vertreter der Türkei in Paris während des Krim-Krieges, machte
in zwei Jahren eine Million Franken Schulden, welche der Vater bezahlte; noch
ein oder zweimal bezahlte er die Schulden seines Sohnes, dann aber ward er es
überdrüssig, und so mußte Veli Pascha alle seine Habe verkaufen. Ein anderer Sohn,
Mehemed Bey, war längere Zeit Präses des Handelsgerichtes, mußte aber von
Kabuli Pascha wegen schamloser Bestechungen abgesetzt werden, und fristet jetzt seine
Existenz als Stockjobber. Kurz, die Herren Söhne werden schon mit dem bereits
bedeutend reducirten Vermögen des Herrn Papa fertig werden.



Aus der französischen Nationalversammlung.

Auf der Tagesordnung steht der Gesetzentwurf des
Deputirten Princeteau, welcher den Deputirten die nicht Beamte sind untersagt
bezahlte Stellungen anzunehmen, oder denen welche dem Beamtenstand angehören jedes
Avancement für die Dauer ihres Mandats verweigert. Ausgenommen sollen sein nach
dem Antragsteller die Minister, die Botschafter, der Seinepräfect, die Stellungen welche
durch Preisbewerbungen oder durch Wahl zu erhalten sind und das Avancement im
Soldatenstande. Hr. Berthauld: Ich finde das Gesetz unnütz, unzureichend und
despotisch. Ich begreife nicht wie man diese Kammer für eine allen ehrgeizigen Be-
strebungen erschlossene Armee darstellen kann. Sind wir denn derart käuflich? Der
Antrag ist unzureichend; denn wenn ein Deputirter überhaupt sollicitiren will, so wird
er es, wenn nicht für sich, so doch für seine Familie thun. Kann man den Nepotismus
verhindern? Warum nimmt die Vorlage die Botschafter aus? Hat man nicht gesehen
[Spaltenumbruch] wie Diplomaten eines schönen Tages in der Treibhaus-Atmosphäre eines Salons auf-
sprießen (Gelächter), während die richterliche Laufbahn, die man den Deputirten ver-
schließen will, nur nach mühevoller Arbeit zu erreichen ist? Warum also dieses diplo-
matische Privilegium? Streichen Sie es; es ist vielleicht ein Mittel sich unbequemer
Diplomaten zu entledigen. (Wachsende Heiterkeit.) Diese Vorlage wurde uns unter-
breitet im Augenblicke da ein Gouverneur der Bank von Frankreich ernannt werden
sollte; urplötzlich ist aus diesem Gouverneur (Ernest Picard) ein Diplomat geworden.
(Gelächter.) Vergessen Sie nicht daß die Kammern des Kaiserreichs keine Beamten ent-
hielten, was keineswegs eine Bürgschaft ihrer Unabhängigkeit war. Der Wähler allein
soll die Erwählten beurtheilen. Der Berichterstatter Gaslonde erläutert: daß der De-
putirte welcher im Augenblicke seiner Erwählung Beamtenqualität besitze auch Beamter
bleiben dürfe; er solle nur gehindert werden während der Dauer seines Mandats seine
Stellung zu verändern. Darauf hin wird der Art. 1 der Vorlage, dahin lautend daß
ein Deputirter während der Dauer seines Mandats und sechs Monate nachher, aus-
genommen den Fall einer Auflösung, keine bezahlte Stellung annehmen dürfe, mit 472
Stimmen gegen 92 votirt. Der Minister des Innern, Casimir Perier, ergreift zu
Art. 2 das Wort, welcher die Ausnahmen präcisirt. Er wünscht dieselben zahlreicher als
der Entwurf, und schlägt vor: außer den schon Genannten auch noch die bevollmächtigten
Gesandten, den Polizeipräfecten, die Unterstaatssecretäre (Lärm), die ersten Präsidenten
des Cassations- und des Rechnungshofs und die Generalprocuratoren dieser beiden
Höfe in die Zahl der Ausnahmen einzubegreifen. (Lärm.) Diese neuen Vorschläge
werden nacheinander zur Abstimmung gebracht und verworfen; nur die bevollmächtigten
Minister werden mit schwacher Mehrheit zugelassen. Der Art. 3, welcher den Abgeord-
neten gestattet zeitweilige und außerordentliche Missionen anzunehmen, wird adoptirt.
Der Art. 4 dagegen, welcher für Officiere während ihrer Abgeordnetenlaufbahn das
reglementsmäßige Avancement für zulässig erklärt, wird behufs klarerer Fassung an
die Commission zurückverwiesen. Präsident Grevy zeigt an daß folgender Zusatzartikel
zur Vorlage bei ihm niedergelegt worden ist: "Abgeordnete können im Orden der Ehren-
legion weder ernannt noch befördert werden." (Heiterkeit.) Damit schließt die Sitzung.


Die Kammer votirt einstimmig einen Credit von
2,228,000 Fr., um die Soldaten der Gendarmerie und der republicanischen Garde für
die Verluste zu entschädigen die sie während des Kriegs und während der Dauer des
Pariser Aufstandes erlitten haben. Mit 561 gegen eine Stimme wird darauf dem Kriegs-
minister ein Credit von 6 Millionen eröffnet behufs Fabrication von Kriegswaffen.
Daran schließt sich fast ohne Debatte die Votirung des Gesetzentwurfs über das Avan-
cement in den niedern Graden für Infanterie und Cavallerie, sowie das Gesetz über die
Pensionirung der Officiere nach 25 Dienstjahren. Damit ist die Tagesordnung erschöpft,
und Hr. v. Lasteyrie theilt von Seiten der Budgetcommission mit daß dieselbe, da
ihr eigener Gesetzentwurf über die Einkommensteuer von der Kammer so übel aufge-
nommen worden sei, darauf verzichten wolle diesen aufs neue der Kammer zu unter-
breiten. Finanzminister Pouyer-Quertier: Wäre es nicht besser daß die Commis-
sion zum wenigsten einen mündlichen Bericht über diese Fragen und ihre Entscheidungen
formulirte? Präsident Grevy: Die Lage ist sehr einfach; da die Regierungsvorlage
der Commission als Amendement zugewiesen wurde, so muß diese Bericht erstatten.
Dabei bleibt es, und die Sitzung wird geschlossen.


Vor Beginn der Sitzung vom 4 Jan. wurde die Commission zur Prüfung
des neuen Unterrichtsgesetzes gewählt. Von den Commissionsmitgliedern gehören
elf den Gegnern der Jules Simon'schen Vorlage an, und zwar die HH. Gaslonde
(Staatsrath unter dem Empire), Ernoul (energischer Legitimist), de Corcelles (der Mann
der Expedition nach Rom), Delpit (Reactionär), Abbe Jaffre, Msgr. Dupanloup (beider
Namen bedürfen keines Commentars), Richemond, Tailhand (beide erklärte Gegner des
obligatorischen wie des unentgeltlichen Unterrichts), Lacombe (früherer Redacteur der
"Gazette de France"), Keller (bekannter zelotischer Klerikaler), Cumont (rechter Arm des
Bischofs Greppel). Nur zwei der Erwählten, die HH. Ricard und Carnot, sind der Vor-
lage günstig. Vor den Wahlen fand schon in den einzelnen Bureaux eine sehr lebhafte
Debatte über die Unterrichtsfrage statt. Die meisten Redner, darunter besonders Bischof
Dupanloup in längerer Rede, bekämpften den Gesetzentwurf. Am 5 haben auch das erste
und das sechste Bureau der Nationalversammlung die in ihnen noch rückständigen Wahlen
für die Unterrichtscommission vorgenommen. Nach heißen Debatten und mehrmaligen
Wahlgängen wurden im ersten Bureau der Vicomte v. Meaux und im sechsten der
Graf v. Resseguier, beide anerkannte Gegner des Unterrichtsgesetzes, ernannt. Die Com-
mission besteht mithin aus zwei Vertheidigern und dreizehn Gegnern der Regierungs-
vorlage. Eine Reform des Unterrichts ist von dieser Commission nicht zu erwarten.



Deutsches Reich.

Se. Maj. der König wird in nächster Woche von
Hohenschwangau zurückerwartet, um für den Rest des Winters hierselbst Aufenthalt
zu nehmen. -- Der österreichische Gesandte Frhr. v. Bruck, dessen gerüchtweise ge-
meldete Abberufung von seinem hiesigen Posten wieder dementirt wird, hat Ein-
ladungen zu drei großen Ballfesten ergehen lassen, von welchen das erste bereits
am Dienstag den 9 d. stattfindet. -- Sir H. F. Howard, der abberufene englische
Gesandte, hat bereits seine Abschiedsbesuche gemacht, und wird demnächst durch Hrn.
Morrier, den bisherigen Geschäftsträger in Stuttgart, abgelöst werden. -- Der
erkrankte Obersthofmarschall Graf Moy, von dessen Pensionirung bereits vielfach|die
Rede war, befindet sich wieder in voller Reconvalescenz, und es ist daher ein Wechsel
in der Besetzung der obersten Hofämter vorläufig nicht zu erwarten.


Se. Maj. der König hat dem kgl. Polizeidirector
und Regierungsrath K. Frhrn. v. Burchtorff den Titel und Rang eines kgl. Re-
gierungsdirectors verliehen, derselbe verbleibt übrigens in seiner dermaligen dienst-
lichen Stellung.


Zu Friedensrichtern in Elsaß-Lothringen sind
neuerdings vierundzwanzig bayerische Landrichter, Gerichtsassessoren und Acces-
sisten ernannt worden. -- Die nächste öffentliche Sitzung der Kammer der Abge-
ordneten ist auf künftigen Donnerstag anberaumt. In derselben erfolgt Be-
rathung über das Referat des Abg. Crämer bezüglich der Eingabe des Stadtmagi-
strats Pfarrkirchen, die Erbauung einer Eisenbahn von Mühldorf über Eggenfelden,
Pfarrkirchen nach Vilshofen betr., sowie über die zu dieser Eingabe eingelaufenen
Beitrittserklärungen der Marktgemeinden Eggenfelden und Aidenbach. -- Künf-
tigen Dienstag Vormittags hält der II. Ausschuß der Kammer der Abgeordneten
Sitzung. In derselben erfolgt Berathung und Beschlußfassung über: 1) Vortrag
des Abgeordneten Kühlmann über die Eisenbahnerträgnisse im Jahre 1869 und
über die Remuneration der Bediensteten der k. Verkehrsanstalten, veziehungsweise
Vorberathung über die Kammerbeschlüsse vom 3 und 4 Januar; 2) Vortrag des
Abgeordneten G. F. Kolb über die Rechnungsnachweilsungen des Bergwesens für
1869; 3) Vortrag des Abgeordneten Dr. Anton Schmid über die Deckung des De-

[Spaltenumbruch] Sultan über die Wahl ſeines neuen Großweſſiers noch nicht mit ſich ſelbſt einig
iſt, indem er zwiſchen Midhat Paſcha, Generalgouverneur von Bagdad, und
Rüſchdi Paſcha, dem vorigen Juſtizminiſter und ehemaligen Großweſſier, ſchwankt.

Inzwiſchen fährt der jetzige Großweſſier in der von ihm begonnenen Weiſe
fort; die Civil- und Criminalgerichte, in denen bis jetzt ziemlich genau die Hälfte
der Präſidenten und Richter aus Mohammedanern und die andere Hälfte aus
Chriſten beſtand, ſind aufgelöst, und der „civiliſationsfreundliche,“ der „libe-
rale,“ der „Freimaurer“ Muſtafa Fazyl Paſcha, der Bruder des Vicekönigs von
Aegypten, hat uns geſtern mit einer neuen Beſetzung dieſer Gerichte überraſcht,
in denen auf 37 Präſidenten und Richter 28 Mohammedaner und 9 Chriſten kom-
men, die Zahl der chriſtlichen Beamten alſo auf weniger als ein Viertel reducirt
iſt; hoffentlich wird der Vertreter des chriſtlichen Englands, Hr. Elliot, nicht ver-
fehlen den Großvezier dafür wieder nächſtens ſeinen officiellen Glückwunſch ab-
zuſtatten. Auch der Stadt-Präfect von Konſtantinopel ſetzt ſeine Experimente als
Plänkler des Großveziers fort; da er die Tramways in Konſtantinopel nicht
rückgängig machen konnte, ſo hat er ſeinen Zorn an den Stationshäuſern
der Tramways ausgelaſſen, und von ſieben derſelben ſechs einreißen laſſen; die
Compagnie hat natürlich ſofort ihre Entſchädigungsklage eingereicht, und die
Staatscaſſe, in deren Intereſſe alle dieſe Experimente angeblich gemacht werden,
kann nächſtens 300 bis 400 Pf. St. für dieſes Privatvergnügen des Stadt-Prä-
fecten auszahlen.

Die Sanitätsbehörde iſt leider in ihrer olympiſchen Ruhe ſchon wieder ge
ſtört worden; in der letzten Sitzung trat der engliſche Delegirte Dr. Dickſon mit
dem Antrag auf: dieſe Behörde, die während der letzten Epidemie ſo handgreifliche
Beweiſe von ihrer Unfähigkeit in der Erfüllung ihrer internationalen Pflichten
gegeben habe, von ihrem Amte zu entbinden und ihre Functionen einer von den
europäiſchen Mächten eingeſetzten Behörde anzuvertrauen. Dieſer Antrag fiel
wie eine Bombe hinein, und die Collegen des Dr. Dickſon, die Delegirten der andern
Staaten, welche ſich durch ihr leiſetreten des Verfahren ſchon eine hübſche Samm-
lung von Ordens-Decorationen aller europäiſchen und ſelbſt aſiatiſchen Potentaten
erſchwiegen hatten, fühlten ſich auch dießmal nicht aufgelegt ihr majeſtätiſches
Schweigen zu brechen. Die Cholera hat noch immer nicht ganz aufgehört; indeſſen
hat ſie doch ſchon ihren epidemiſchen Charakter verloren und tritt nur noch
ſporadiſch auf.

Dieſe Woche rief wieder einen Repräſentanten des echten urtürkiſchen
Typus ab: Muſtafa Naili Paſcha; er ſtarb am vorigen Mittwoch (27 Dec.) nach
einer längeren Krankheit; über ſein Alter ſchwanken die Angaben zwiſchen 75 und
95 Jahren; die Wahrheit dürfte in der Mitte liegen. Geboren im Diſtrict Kesrie
bei Monaſtir in Albanien, begab er ſich in ſeinem 12. Jahre nach Aegypten und
trat in die Dienſte ſeines Landsmannes Mehemed Ali Paſcha, und machte als
Officier in dem irregulären Arnauten-Corps den Feldzug gegen die Wechabiten in
Hidſchaz mit; ſpäter wurde er nach Kreta geſchickt, um die dortigen griechiſchen
Inſurgenten zu bekämpfen, erwarb ſich hier den Grad eines Oberſten und
blieb dort als Statthalter. Als Mehemed Ali Paſcha 1832 Syrien eroberte,
ward Muſtafa Paſcha Statthalter dieſer neuen Provinz, jedoch nur wenige Monate,
worauf er wieder als Statthalter nach Kreta zurückkehrte und bis 1841 im Dienſte
des Vicekönigs blieb. 1841 wurde Kreta wieder unter die unmittelbare Herrſchaft
des Sultans gebracht, Muſtafa Paſcha aber ward in ſeinem Poſten beſtätigt und
blieb bis zum Jahre 1850. Während dieſer 16jährigen Statthalterſchaft wußte
er durch geſchickte Operationen einerſeits ſich die Zuneigung der Einwohner zu
erwerben, andrerſeits aber auch ſeinen perſönlichen Nutzen zu befördern,
indem er ſich einen Grundbeſitz verſchaffte der faſt die Hälfte der Inſel begriff.
Bei ſeiner Ankunft in Konſtantinopel erhielt er den Rang eines Vezirs und ward
1853 Großvezir, konnte jedoch dieſen Poſten nur kurze Zeit behaupten, und blieb
ſeitdem Miniſter ohne Portefeuille. 1866 wurde er nach Kreta geſchickt, um den
dortigen Aufſtand zu bewältigen; das gänzliche Fehlſchlagen dieſer Miſſion iſt noch
in jedermanns Andenken, aber das Geheimniß dieſes Nichterfolgs hat er wohl mit
ins Grab genommen. Daß es ſeinem perſönlichen Intereſſe nicht conveniren konnte
bei einer ernſtlichen Bekämpfung der Inſurgenten ſeine eigenen Beſitzungen zu
ruiniren, lag auf der Hand, und ſchon aus dieſem Grunde war ſeine Wahl eine ſehr
unglückliche. Unbegreiflich iſt es aber noch wie er damals von Woche zu Woche
pomphafte Berichte über Gefechte, Schlachten, Belagerungen und Eroberungen ein-
ſchicken konnte, die gänzlich aus der Luft gegriffen waren, ſo daß am Ende, als man
ihn abberief, die ganze Inſel mit Ausnahme der Küſtenfeſtungen ſich im Beſitze der
Aufſtändiſchen befand. Seit jenem Ereigniß hatte er ſich von allem Antheil an
Staatsgeſchäften fern gehalten. Von ſeinen Söhnen ſind mehrere bereits wohlbe-
kannt. Veli Paſcha, Vertreter der Türkei in Paris während des Krim-Krieges, machte
in zwei Jahren eine Million Franken Schulden, welche der Vater bezahlte; noch
ein oder zweimal bezahlte er die Schulden ſeines Sohnes, dann aber ward er es
überdrüſſig, und ſo mußte Veli Paſcha alle ſeine Habe verkaufen. Ein anderer Sohn,
Mehemed Bey, war längere Zeit Präſes des Handelsgerichtes, mußte aber von
Kabuli Paſcha wegen ſchamloſer Beſtechungen abgeſetzt werden, und friſtet jetzt ſeine
Exiſtenz als Stockjobber. Kurz, die Herren Söhne werden ſchon mit dem bereits
bedeutend reducirten Vermögen des Herrn Papa fertig werden.



Aus der franzöſiſchen Nationalverſammlung.

Auf der Tagesordnung ſteht der Geſetzentwurf des
Deputirten Princeteau, welcher den Deputirten die nicht Beamte ſind unterſagt
bezahlte Stellungen anzunehmen, oder denen welche dem Beamtenſtand angehören jedes
Avancement für die Dauer ihres Mandats verweigert. Ausgenommen ſollen ſein nach
dem Antragſteller die Miniſter, die Botſchafter, der Seinepräfect, die Stellungen welche
durch Preisbewerbungen oder durch Wahl zu erhalten ſind und das Avancement im
Soldatenſtande. Hr. Berthauld: Ich finde das Geſetz unnütz, unzureichend und
deſpotiſch. Ich begreife nicht wie man dieſe Kammer für eine allen ehrgeizigen Be-
ſtrebungen erſchloſſene Armee darſtellen kann. Sind wir denn derart käuflich? Der
Antrag iſt unzureichend; denn wenn ein Deputirter überhaupt ſollicitiren will, ſo wird
er es, wenn nicht für ſich, ſo doch für ſeine Familie thun. Kann man den Nepotismus
verhindern? Warum nimmt die Vorlage die Botſchafter aus? Hat man nicht geſehen
[Spaltenumbruch] wie Diplomaten eines ſchönen Tages in der Treibhaus-Atmoſphäre eines Salons auf-
ſprießen (Gelächter), während die richterliche Laufbahn, die man den Deputirten ver-
ſchließen will, nur nach mühevoller Arbeit zu erreichen iſt? Warum alſo dieſes diplo-
matiſche Privilegium? Streichen Sie es; es iſt vielleicht ein Mittel ſich unbequemer
Diplomaten zu entledigen. (Wachſende Heiterkeit.) Dieſe Vorlage wurde uns unter-
breitet im Augenblicke da ein Gouverneur der Bank von Frankreich ernannt werden
ſollte; urplötzlich iſt aus dieſem Gouverneur (Erneſt Picard) ein Diplomat geworden.
(Gelächter.) Vergeſſen Sie nicht daß die Kammern des Kaiſerreichs keine Beamten ent-
hielten, was keineswegs eine Bürgſchaft ihrer Unabhängigkeit war. Der Wähler allein
ſoll die Erwählten beurtheilen. Der Berichterſtatter Gaslonde erläutert: daß der De-
putirte welcher im Augenblicke ſeiner Erwählung Beamtenqualität beſitze auch Beamter
bleiben dürfe; er ſolle nur gehindert werden während der Dauer ſeines Mandats ſeine
Stellung zu verändern. Darauf hin wird der Art. 1 der Vorlage, dahin lautend daß
ein Deputirter während der Dauer ſeines Mandats und ſechs Monate nachher, aus-
genommen den Fall einer Auflöſung, keine bezahlte Stellung annehmen dürfe, mit 472
Stimmen gegen 92 votirt. Der Miniſter des Innern, Caſimir Périer, ergreift zu
Art. 2 das Wort, welcher die Ausnahmen präciſirt. Er wünſcht dieſelben zahlreicher als
der Entwurf, und ſchlägt vor: außer den ſchon Genannten auch noch die bevollmächtigten
Geſandten, den Polizeipräfecten, die Unterſtaatsſecretäre (Lärm), die erſten Präſidenten
des Caſſations- und des Rechnungshofs und die Generalprocuratoren dieſer beiden
Höfe in die Zahl der Ausnahmen einzubegreifen. (Lärm.) Dieſe neuen Vorſchläge
werden nacheinander zur Abſtimmung gebracht und verworfen; nur die bevollmächtigten
Miniſter werden mit ſchwacher Mehrheit zugelaſſen. Der Art. 3, welcher den Abgeord-
neten geſtattet zeitweilige und außerordentliche Miſſionen anzunehmen, wird adoptirt.
Der Art. 4 dagegen, welcher für Officiere während ihrer Abgeordnetenlaufbahn das
reglementsmäßige Avancement für zuläſſig erklärt, wird behufs klarerer Faſſung an
die Commiſſion zurückverwieſen. Präſident Grévy zeigt an daß folgender Zuſatzartikel
zur Vorlage bei ihm niedergelegt worden iſt: „Abgeordnete können im Orden der Ehren-
legion weder ernannt noch befördert werden.“ (Heiterkeit.) Damit ſchließt die Sitzung.


Die Kammer votirt einſtimmig einen Credit von
2,228,000 Fr., um die Soldaten der Gendarmerie und der republicaniſchen Garde für
die Verluſte zu entſchädigen die ſie während des Kriegs und während der Dauer des
Pariſer Aufſtandes erlitten haben. Mit 561 gegen eine Stimme wird darauf dem Kriegs-
miniſter ein Credit von 6 Millionen eröffnet behufs Fabrication von Kriegswaffen.
Daran ſchließt ſich faſt ohne Debatte die Votirung des Geſetzentwurfs über das Avan-
cement in den niedern Graden für Infanterie und Cavallerie, ſowie das Geſetz über die
Penſionirung der Officiere nach 25 Dienſtjahren. Damit iſt die Tagesordnung erſchöpft,
und Hr. v. Laſteyrie theilt von Seiten der Budgetcommiſſion mit daß dieſelbe, da
ihr eigener Geſetzentwurf über die Einkommenſteuer von der Kammer ſo übel aufge-
nommen worden ſei, darauf verzichten wolle dieſen aufs neue der Kammer zu unter-
breiten. Finanzminiſter Pouyer-Quertier: Wäre es nicht beſſer daß die Commiſ-
ſion zum wenigſten einen mündlichen Bericht über dieſe Fragen und ihre Entſcheidungen
formulirte? Präſident Grévy: Die Lage iſt ſehr einfach; da die Regierungsvorlage
der Commiſſion als Amendement zugewieſen wurde, ſo muß dieſe Bericht erſtatten.
Dabei bleibt es, und die Sitzung wird geſchloſſen.


Vor Beginn der Sitzung vom 4 Jan. wurde die Commiſſion zur Prüfung
des neuen Unterrichtsgeſetzes gewählt. Von den Commiſſionsmitgliedern gehören
elf den Gegnern der Jules Simon’ſchen Vorlage an, und zwar die HH. Gaslonde
(Staatsrath unter dem Empire), Ernoul (energiſcher Legitimiſt), de Corcelles (der Mann
der Expedition nach Rom), Delpit (Reactionär), Abbé Jaffré, Mſgr. Dupanloup (beider
Namen bedürfen keines Commentars), Richemond, Tailhand (beide erklärte Gegner des
obligatoriſchen wie des unentgeltlichen Unterrichts), Lacombe (früherer Redacteur der
„Gazette de France“), Keller (bekannter zelotiſcher Klerikaler), Cumont (rechter Arm des
Biſchofs Greppel). Nur zwei der Erwählten, die HH. Ricard und Carnot, ſind der Vor-
lage günſtig. Vor den Wahlen fand ſchon in den einzelnen Bureaux eine ſehr lebhafte
Debatte über die Unterrichtsfrage ſtatt. Die meiſten Redner, darunter beſonders Biſchof
Dupanloup in längerer Rede, bekämpften den Geſetzentwurf. Am 5 haben auch das erſte
und das ſechste Bureau der Nationalverſammlung die in ihnen noch rückſtändigen Wahlen
für die Unterrichtscommiſſion vorgenommen. Nach heißen Debatten und mehrmaligen
Wahlgängen wurden im erſten Bureau der Vicomte v. Meaux und im ſechsten der
Graf v. Reſſéguier, beide anerkannte Gegner des Unterrichtsgeſetzes, ernannt. Die Com-
miſſion beſteht mithin aus zwei Vertheidigern und dreizehn Gegnern der Regierungs-
vorlage. Eine Reform des Unterrichts iſt von dieſer Commiſſion nicht zu erwarten.



Deutſches Reich.

Se. Maj. der König wird in nächſter Woche von
Hohenſchwangau zurückerwartet, um für den Reſt des Winters hierſelbſt Aufenthalt
zu nehmen. — Der öſterreichiſche Geſandte Frhr. v. Bruck, deſſen gerüchtweiſe ge-
meldete Abberufung von ſeinem hieſigen Poſten wieder dementirt wird, hat Ein-
ladungen zu drei großen Ballfeſten ergehen laſſen, von welchen das erſte bereits
am Dienſtag den 9 d. ſtattfindet. — Sir H. F. Howard, der abberufene engliſche
Geſandte, hat bereits ſeine Abſchiedsbeſuche gemacht, und wird demnächſt durch Hrn.
Morrier, den bisherigen Geſchäftsträger in Stuttgart, abgelöst werden. — Der
erkrankte Oberſthofmarſchall Graf Moy, von deſſen Penſionirung bereits vielfach|die
Rede war, befindet ſich wieder in voller Reconvaleſcenz, und es iſt daher ein Wechſel
in der Beſetzung der oberſten Hofämter vorläufig nicht zu erwarten.


Se. Maj. der König hat dem kgl. Polizeidirector
und Regierungsrath K. Frhrn. v. Burchtorff den Titel und Rang eines kgl. Re-
gierungsdirectors verliehen, derſelbe verbleibt übrigens in ſeiner dermaligen dienſt-
lichen Stellung.


Zu Friedensrichtern in Elſaß-Lothringen ſind
neuerdings vierundzwanzig bayeriſche Landrichter, Gerichtsaſſeſſoren und Acceſ-
ſiſten ernannt worden. — Die nächſte öffentliche Sitzung der Kammer der Abge-
ordneten iſt auf künftigen Donnerstag anberaumt. In derſelben erfolgt Be-
rathung über das Referat des Abg. Crämer bezüglich der Eingabe des Stadtmagi-
ſtrats Pfarrkirchen, die Erbauung einer Eiſenbahn von Mühldorf über Eggenfelden,
Pfarrkirchen nach Vilshofen betr., ſowie über die zu dieſer Eingabe eingelaufenen
Beitrittserklärungen der Marktgemeinden Eggenfelden und Aidenbach. — Künf-
tigen Dienſtag Vormittags hält der II. Ausſchuß der Kammer der Abgeordneten
Sitzung. In derſelben erfolgt Berathung und Beſchlußfaſſung über: 1) Vortrag
des Abgeordneten Kühlmann über die Eiſenbahnerträgniſſe im Jahre 1869 und
über die Remuneration der Bedienſteten der k. Verkehrsanſtalten, veziehungsweiſe
Vorberathung über die Kammerbeſchlüſſe vom 3 und 4 Januar; 2) Vortrag des
Abgeordneten G. F. Kolb über die Rechnungsnachweilſungen des Bergweſens für
1869; 3) Vortrag des Abgeordneten Dr. Anton Schmid über die Deckung des De-

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Aegypten, hat uns ge&#x017F;tern mit einer neuen Be&#x017F;etzung die&#x017F;er Gerichte überra&#x017F;cht,<lb/>
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zu&#x017F;tatten. Auch der Stadt-Präfect von Kon&#x017F;tantinopel &#x017F;etzt &#x017F;eine Experimente als<lb/>
Plänkler des Großveziers fort; da er die Tramways in Kon&#x017F;tantinopel nicht<lb/>
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Compagnie hat natürlich &#x017F;ofort ihre Ent&#x017F;chädigungsklage eingereicht, und die<lb/>
Staatsca&#x017F;&#x017F;e, in deren Intere&#x017F;&#x017F;e alle die&#x017F;e Experimente angeblich gemacht werden,<lb/>
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            <p>Die Sanitätsbehörde i&#x017F;t leider in ihrer olympi&#x017F;chen Ruhe &#x017F;chon wieder ge<lb/>
&#x017F;tört worden; in der letzten Sitzung trat der engli&#x017F;che Delegirte <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Dick&#x017F;on mit<lb/>
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Bewei&#x017F;e von ihrer Unfähigkeit in der Erfüllung ihrer internationalen Pflichten<lb/>
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Staaten, welche &#x017F;ich durch ihr lei&#x017F;etreten des Verfahren &#x017F;chon eine hüb&#x017F;che Samm-<lb/>
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Schweigen zu brechen. Die Cholera hat noch immer nicht ganz aufgehört; inde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
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Typus ab: Mu&#x017F;tafa Naili Pa&#x017F;cha; er &#x017F;tarb am vorigen Mittwoch (27 Dec.) nach<lb/>
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95 Jahren; die Wahrheit dürfte in der Mitte liegen. Geboren im Di&#x017F;trict Kesrie<lb/>
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Officier in dem irregulären Arnauten-Corps den Feldzug gegen die Wechabiten in<lb/>
Hid&#x017F;chaz mit; &#x017F;päter wurde er nach Kreta ge&#x017F;chickt, um die dortigen griechi&#x017F;chen<lb/>
In&#x017F;urgenten zu bekämpfen, erwarb &#x017F;ich hier den Grad eines Ober&#x017F;ten und<lb/>
blieb dort als Statthalter. Als Mehemed Ali Pa&#x017F;cha 1832 Syrien eroberte,<lb/>
ward Mu&#x017F;tafa Pa&#x017F;cha Statthalter die&#x017F;er neuen Provinz, jedoch nur wenige Monate,<lb/>
worauf er wieder als Statthalter nach Kreta zurückkehrte und bis 1841 im Dien&#x017F;te<lb/>
des Vicekönigs blieb. 1841 wurde Kreta wieder unter die unmittelbare Herr&#x017F;chaft<lb/>
des Sultans gebracht, Mu&#x017F;tafa Pa&#x017F;cha aber ward in &#x017F;einem Po&#x017F;ten be&#x017F;tätigt und<lb/>
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erwerben, andrer&#x017F;eits aber auch &#x017F;einen per&#x017F;önlichen Nutzen zu befördern,<lb/>
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Bei &#x017F;einer Ankunft in Kon&#x017F;tantinopel erhielt er den Rang eines Vezirs und ward<lb/>
1853 Großvezir, konnte jedoch die&#x017F;en Po&#x017F;ten nur kurze Zeit behaupten, und blieb<lb/>
&#x017F;eitdem Mini&#x017F;ter ohne Portefeuille. 1866 wurde er nach Kreta ge&#x017F;chickt, um den<lb/>
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in jedermanns Andenken, aber das Geheimniß die&#x017F;es Nichterfolgs hat er wohl mit<lb/>
ins Grab genommen. Daß es &#x017F;einem per&#x017F;önlichen Intere&#x017F;&#x017F;e nicht conveniren konnte<lb/>
bei einer ern&#x017F;tlichen Bekämpfung der In&#x017F;urgenten &#x017F;eine eigenen Be&#x017F;itzungen zu<lb/>
ruiniren, lag auf der Hand, und &#x017F;chon aus die&#x017F;em Grunde war &#x017F;eine Wahl eine &#x017F;ehr<lb/>
unglückliche. Unbegreiflich i&#x017F;t es aber noch wie er damals von Woche zu Woche<lb/>
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&#x017F;chicken konnte, die gänzlich aus der Luft gegriffen waren, &#x017F;o daß am Ende, als man<lb/>
ihn abberief, die ganze In&#x017F;el mit Ausnahme der Kü&#x017F;tenfe&#x017F;tungen &#x017F;ich im Be&#x017F;itze der<lb/>
Auf&#x017F;tändi&#x017F;chen befand. Seit jenem Ereigniß hatte er &#x017F;ich von allem Antheil an<lb/>
Staatsge&#x017F;chäften fern gehalten. Von &#x017F;einen Söhnen &#x017F;ind mehrere bereits wohlbe-<lb/>
kannt. Veli Pa&#x017F;cha, Vertreter der Türkei in Paris während des Krim-Krieges, machte<lb/>
in zwei Jahren eine Million Franken Schulden, welche der Vater bezahlte; noch<lb/>
ein oder zweimal bezahlte er die Schulden &#x017F;eines Sohnes, dann aber ward er es<lb/>
überdrü&#x017F;&#x017F;ig, und &#x017F;o mußte Veli Pa&#x017F;cha alle &#x017F;eine Habe verkaufen. Ein anderer Sohn,<lb/>
Mehemed Bey, war längere Zeit Prä&#x017F;es des Handelsgerichtes, mußte aber von<lb/>
Kabuli Pa&#x017F;cha wegen &#x017F;chamlo&#x017F;er Be&#x017F;techungen abge&#x017F;etzt werden, und fri&#x017F;tet jetzt &#x017F;eine<lb/>
Exi&#x017F;tenz als Stockjobber. Kurz, die Herren Söhne werden &#x017F;chon mit dem bereits<lb/>
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bezahlte Stellungen anzunehmen, oder denen welche dem Beamten&#x017F;tand angehören jedes<lb/>
Avancement für die Dauer ihres Mandats verweigert. Ausgenommen &#x017F;ollen &#x017F;ein nach<lb/>
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durch Preisbewerbungen oder durch Wahl zu erhalten &#x017F;ind und das Avancement im<lb/>
Soldaten&#x017F;tande. Hr. <hi rendition="#g">Berthauld:</hi> Ich finde das Ge&#x017F;etz unnütz, unzureichend und<lb/>
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&#x017F;trebungen er&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene Armee dar&#x017F;tellen kann. Sind wir denn derart käuflich? Der<lb/>
Antrag i&#x017F;t unzureichend; denn wenn ein Deputirter überhaupt &#x017F;ollicitiren will, &#x017F;o wird<lb/>
er es, wenn nicht für &#x017F;ich, &#x017F;o doch für &#x017F;eine Familie thun. Kann man den Nepotismus<lb/>
verhindern? Warum nimmt die Vorlage die Bot&#x017F;chafter aus? Hat man nicht ge&#x017F;ehen<lb/><cb/>
wie Diplomaten eines &#x017F;chönen Tages in der Treibhaus-Atmo&#x017F;phäre eines Salons auf-<lb/>
&#x017F;prießen (Gelächter), während die richterliche Laufbahn, die man den Deputirten ver-<lb/>
&#x017F;chließen will, nur nach mühevoller Arbeit zu erreichen i&#x017F;t? Warum al&#x017F;o die&#x017F;es diplo-<lb/>
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&#x017F;ollte; urplötzlich i&#x017F;t aus die&#x017F;em Gouverneur (Erne&#x017F;t Picard) ein Diplomat geworden.<lb/>
(Gelächter.) Verge&#x017F;&#x017F;en Sie nicht daß die Kammern des Kai&#x017F;erreichs keine Beamten ent-<lb/>
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&#x017F;oll die Erwählten beurtheilen. Der Berichter&#x017F;tatter <hi rendition="#g">Gaslonde</hi> erläutert: daß der De-<lb/>
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Ge&#x017F;andten, den Polizeipräfecten, die Unter&#x017F;taats&#x017F;ecretäre (Lärm), die er&#x017F;ten Prä&#x017F;identen<lb/>
des Ca&#x017F;&#x017F;ations- und des Rechnungshofs und die Generalprocuratoren die&#x017F;er beiden<lb/>
Höfe in die Zahl der Ausnahmen einzubegreifen. (Lärm.) Die&#x017F;e neuen Vor&#x017F;chläge<lb/>
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Daran &#x017F;chließt &#x017F;ich fa&#x017F;t ohne Debatte die Votirung des Ge&#x017F;etzentwurfs über das Avan-<lb/>
cement in den niedern Graden für Infanterie und Cavallerie, &#x017F;owie das Ge&#x017F;etz über die<lb/>
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Debatte über die Unterrichtsfrage &#x017F;tatt. Die mei&#x017F;ten Redner, darunter be&#x017F;onders Bi&#x017F;chof<lb/>
Dupanloup in längerer Rede, bekämpften den Ge&#x017F;etzentwurf. Am 5 haben auch das er&#x017F;te<lb/>
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Ge&#x017F;andte, hat bereits &#x017F;eine Ab&#x017F;chiedsbe&#x017F;uche gemacht, und wird demnäch&#x017F;t durch Hrn.<lb/>
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Rede war, befindet &#x017F;ich wieder in voller Reconvale&#x017F;cenz, und es i&#x017F;t daher ein Wech&#x017F;el<lb/>
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Vorberathung über die Kammerbe&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e vom 3 und 4 Januar; 2) Vortrag des<lb/>
Abgeordneten G. F. Kolb über die Rechnungsnachweil&#x017F;ungen des Bergwe&#x017F;ens für<lb/>
1869; 3) Vortrag des Abgeordneten <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Anton Schmid über die Deckung des De-<lb/></p>
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[115/0003] Sultan über die Wahl ſeines neuen Großweſſiers noch nicht mit ſich ſelbſt einig iſt, indem er zwiſchen Midhat Paſcha, Generalgouverneur von Bagdad, und Rüſchdi Paſcha, dem vorigen Juſtizminiſter und ehemaligen Großweſſier, ſchwankt. Inzwiſchen fährt der jetzige Großweſſier in der von ihm begonnenen Weiſe fort; die Civil- und Criminalgerichte, in denen bis jetzt ziemlich genau die Hälfte der Präſidenten und Richter aus Mohammedanern und die andere Hälfte aus Chriſten beſtand, ſind aufgelöst, und der „civiliſationsfreundliche,“ der „libe- rale,“ der „Freimaurer“ Muſtafa Fazyl Paſcha, der Bruder des Vicekönigs von Aegypten, hat uns geſtern mit einer neuen Beſetzung dieſer Gerichte überraſcht, in denen auf 37 Präſidenten und Richter 28 Mohammedaner und 9 Chriſten kom- men, die Zahl der chriſtlichen Beamten alſo auf weniger als ein Viertel reducirt iſt; hoffentlich wird der Vertreter des chriſtlichen Englands, Hr. Elliot, nicht ver- fehlen den Großvezier dafür wieder nächſtens ſeinen officiellen Glückwunſch ab- zuſtatten. Auch der Stadt-Präfect von Konſtantinopel ſetzt ſeine Experimente als Plänkler des Großveziers fort; da er die Tramways in Konſtantinopel nicht rückgängig machen konnte, ſo hat er ſeinen Zorn an den Stationshäuſern der Tramways ausgelaſſen, und von ſieben derſelben ſechs einreißen laſſen; die Compagnie hat natürlich ſofort ihre Entſchädigungsklage eingereicht, und die Staatscaſſe, in deren Intereſſe alle dieſe Experimente angeblich gemacht werden, kann nächſtens 300 bis 400 Pf. St. für dieſes Privatvergnügen des Stadt-Prä- fecten auszahlen. Die Sanitätsbehörde iſt leider in ihrer olympiſchen Ruhe ſchon wieder ge ſtört worden; in der letzten Sitzung trat der engliſche Delegirte Dr. Dickſon mit dem Antrag auf: dieſe Behörde, die während der letzten Epidemie ſo handgreifliche Beweiſe von ihrer Unfähigkeit in der Erfüllung ihrer internationalen Pflichten gegeben habe, von ihrem Amte zu entbinden und ihre Functionen einer von den europäiſchen Mächten eingeſetzten Behörde anzuvertrauen. Dieſer Antrag fiel wie eine Bombe hinein, und die Collegen des Dr. Dickſon, die Delegirten der andern Staaten, welche ſich durch ihr leiſetreten des Verfahren ſchon eine hübſche Samm- lung von Ordens-Decorationen aller europäiſchen und ſelbſt aſiatiſchen Potentaten erſchwiegen hatten, fühlten ſich auch dießmal nicht aufgelegt ihr majeſtätiſches Schweigen zu brechen. Die Cholera hat noch immer nicht ganz aufgehört; indeſſen hat ſie doch ſchon ihren epidemiſchen Charakter verloren und tritt nur noch ſporadiſch auf. Dieſe Woche rief wieder einen Repräſentanten des echten urtürkiſchen Typus ab: Muſtafa Naili Paſcha; er ſtarb am vorigen Mittwoch (27 Dec.) nach einer längeren Krankheit; über ſein Alter ſchwanken die Angaben zwiſchen 75 und 95 Jahren; die Wahrheit dürfte in der Mitte liegen. Geboren im Diſtrict Kesrie bei Monaſtir in Albanien, begab er ſich in ſeinem 12. Jahre nach Aegypten und trat in die Dienſte ſeines Landsmannes Mehemed Ali Paſcha, und machte als Officier in dem irregulären Arnauten-Corps den Feldzug gegen die Wechabiten in Hidſchaz mit; ſpäter wurde er nach Kreta geſchickt, um die dortigen griechiſchen Inſurgenten zu bekämpfen, erwarb ſich hier den Grad eines Oberſten und blieb dort als Statthalter. Als Mehemed Ali Paſcha 1832 Syrien eroberte, ward Muſtafa Paſcha Statthalter dieſer neuen Provinz, jedoch nur wenige Monate, worauf er wieder als Statthalter nach Kreta zurückkehrte und bis 1841 im Dienſte des Vicekönigs blieb. 1841 wurde Kreta wieder unter die unmittelbare Herrſchaft des Sultans gebracht, Muſtafa Paſcha aber ward in ſeinem Poſten beſtätigt und blieb bis zum Jahre 1850. Während dieſer 16jährigen Statthalterſchaft wußte er durch geſchickte Operationen einerſeits ſich die Zuneigung der Einwohner zu erwerben, andrerſeits aber auch ſeinen perſönlichen Nutzen zu befördern, indem er ſich einen Grundbeſitz verſchaffte der faſt die Hälfte der Inſel begriff. Bei ſeiner Ankunft in Konſtantinopel erhielt er den Rang eines Vezirs und ward 1853 Großvezir, konnte jedoch dieſen Poſten nur kurze Zeit behaupten, und blieb ſeitdem Miniſter ohne Portefeuille. 1866 wurde er nach Kreta geſchickt, um den dortigen Aufſtand zu bewältigen; das gänzliche Fehlſchlagen dieſer Miſſion iſt noch in jedermanns Andenken, aber das Geheimniß dieſes Nichterfolgs hat er wohl mit ins Grab genommen. Daß es ſeinem perſönlichen Intereſſe nicht conveniren konnte bei einer ernſtlichen Bekämpfung der Inſurgenten ſeine eigenen Beſitzungen zu ruiniren, lag auf der Hand, und ſchon aus dieſem Grunde war ſeine Wahl eine ſehr unglückliche. Unbegreiflich iſt es aber noch wie er damals von Woche zu Woche pomphafte Berichte über Gefechte, Schlachten, Belagerungen und Eroberungen ein- ſchicken konnte, die gänzlich aus der Luft gegriffen waren, ſo daß am Ende, als man ihn abberief, die ganze Inſel mit Ausnahme der Küſtenfeſtungen ſich im Beſitze der Aufſtändiſchen befand. Seit jenem Ereigniß hatte er ſich von allem Antheil an Staatsgeſchäften fern gehalten. Von ſeinen Söhnen ſind mehrere bereits wohlbe- kannt. Veli Paſcha, Vertreter der Türkei in Paris während des Krim-Krieges, machte in zwei Jahren eine Million Franken Schulden, welche der Vater bezahlte; noch ein oder zweimal bezahlte er die Schulden ſeines Sohnes, dann aber ward er es überdrüſſig, und ſo mußte Veli Paſcha alle ſeine Habe verkaufen. Ein anderer Sohn, Mehemed Bey, war längere Zeit Präſes des Handelsgerichtes, mußte aber von Kabuli Paſcha wegen ſchamloſer Beſtechungen abgeſetzt werden, und friſtet jetzt ſeine Exiſtenz als Stockjobber. Kurz, die Herren Söhne werden ſchon mit dem bereits bedeutend reducirten Vermögen des Herrn Papa fertig werden. Aus der franzöſiſchen Nationalverſammlung. * Verſailles, 4 Jan. Auf der Tagesordnung ſteht der Geſetzentwurf des Deputirten Princeteau, welcher den Deputirten die nicht Beamte ſind unterſagt bezahlte Stellungen anzunehmen, oder denen welche dem Beamtenſtand angehören jedes Avancement für die Dauer ihres Mandats verweigert. Ausgenommen ſollen ſein nach dem Antragſteller die Miniſter, die Botſchafter, der Seinepräfect, die Stellungen welche durch Preisbewerbungen oder durch Wahl zu erhalten ſind und das Avancement im Soldatenſtande. Hr. Berthauld: Ich finde das Geſetz unnütz, unzureichend und deſpotiſch. Ich begreife nicht wie man dieſe Kammer für eine allen ehrgeizigen Be- ſtrebungen erſchloſſene Armee darſtellen kann. Sind wir denn derart käuflich? Der Antrag iſt unzureichend; denn wenn ein Deputirter überhaupt ſollicitiren will, ſo wird er es, wenn nicht für ſich, ſo doch für ſeine Familie thun. Kann man den Nepotismus verhindern? Warum nimmt die Vorlage die Botſchafter aus? Hat man nicht geſehen wie Diplomaten eines ſchönen Tages in der Treibhaus-Atmoſphäre eines Salons auf- ſprießen (Gelächter), während die richterliche Laufbahn, die man den Deputirten ver- ſchließen will, nur nach mühevoller Arbeit zu erreichen iſt? Warum alſo dieſes diplo- matiſche Privilegium? Streichen Sie es; es iſt vielleicht ein Mittel ſich unbequemer Diplomaten zu entledigen. (Wachſende Heiterkeit.) Dieſe Vorlage wurde uns unter- breitet im Augenblicke da ein Gouverneur der Bank von Frankreich ernannt werden ſollte; urplötzlich iſt aus dieſem Gouverneur (Erneſt Picard) ein Diplomat geworden. (Gelächter.) Vergeſſen Sie nicht daß die Kammern des Kaiſerreichs keine Beamten ent- hielten, was keineswegs eine Bürgſchaft ihrer Unabhängigkeit war. Der Wähler allein ſoll die Erwählten beurtheilen. Der Berichterſtatter Gaslonde erläutert: daß der De- putirte welcher im Augenblicke ſeiner Erwählung Beamtenqualität beſitze auch Beamter bleiben dürfe; er ſolle nur gehindert werden während der Dauer ſeines Mandats ſeine Stellung zu verändern. Darauf hin wird der Art. 1 der Vorlage, dahin lautend daß ein Deputirter während der Dauer ſeines Mandats und ſechs Monate nachher, aus- genommen den Fall einer Auflöſung, keine bezahlte Stellung annehmen dürfe, mit 472 Stimmen gegen 92 votirt. Der Miniſter des Innern, Caſimir Périer, ergreift zu Art. 2 das Wort, welcher die Ausnahmen präciſirt. Er wünſcht dieſelben zahlreicher als der Entwurf, und ſchlägt vor: außer den ſchon Genannten auch noch die bevollmächtigten Geſandten, den Polizeipräfecten, die Unterſtaatsſecretäre (Lärm), die erſten Präſidenten des Caſſations- und des Rechnungshofs und die Generalprocuratoren dieſer beiden Höfe in die Zahl der Ausnahmen einzubegreifen. (Lärm.) Dieſe neuen Vorſchläge werden nacheinander zur Abſtimmung gebracht und verworfen; nur die bevollmächtigten Miniſter werden mit ſchwacher Mehrheit zugelaſſen. Der Art. 3, welcher den Abgeord- neten geſtattet zeitweilige und außerordentliche Miſſionen anzunehmen, wird adoptirt. Der Art. 4 dagegen, welcher für Officiere während ihrer Abgeordnetenlaufbahn das reglementsmäßige Avancement für zuläſſig erklärt, wird behufs klarerer Faſſung an die Commiſſion zurückverwieſen. Präſident Grévy zeigt an daß folgender Zuſatzartikel zur Vorlage bei ihm niedergelegt worden iſt: „Abgeordnete können im Orden der Ehren- legion weder ernannt noch befördert werden.“ (Heiterkeit.) Damit ſchließt die Sitzung. * Verſailles, 5 Jan. Die Kammer votirt einſtimmig einen Credit von 2,228,000 Fr., um die Soldaten der Gendarmerie und der republicaniſchen Garde für die Verluſte zu entſchädigen die ſie während des Kriegs und während der Dauer des Pariſer Aufſtandes erlitten haben. Mit 561 gegen eine Stimme wird darauf dem Kriegs- miniſter ein Credit von 6 Millionen eröffnet behufs Fabrication von Kriegswaffen. Daran ſchließt ſich faſt ohne Debatte die Votirung des Geſetzentwurfs über das Avan- cement in den niedern Graden für Infanterie und Cavallerie, ſowie das Geſetz über die Penſionirung der Officiere nach 25 Dienſtjahren. Damit iſt die Tagesordnung erſchöpft, und Hr. v. Laſteyrie theilt von Seiten der Budgetcommiſſion mit daß dieſelbe, da ihr eigener Geſetzentwurf über die Einkommenſteuer von der Kammer ſo übel aufge- nommen worden ſei, darauf verzichten wolle dieſen aufs neue der Kammer zu unter- breiten. Finanzminiſter Pouyer-Quertier: Wäre es nicht beſſer daß die Commiſ- ſion zum wenigſten einen mündlichen Bericht über dieſe Fragen und ihre Entſcheidungen formulirte? Präſident Grévy: Die Lage iſt ſehr einfach; da die Regierungsvorlage der Commiſſion als Amendement zugewieſen wurde, ſo muß dieſe Bericht erſtatten. Dabei bleibt es, und die Sitzung wird geſchloſſen. Vor Beginn der Sitzung vom 4 Jan. wurde die Commiſſion zur Prüfung des neuen Unterrichtsgeſetzes gewählt. Von den Commiſſionsmitgliedern gehören elf den Gegnern der Jules Simon’ſchen Vorlage an, und zwar die HH. Gaslonde (Staatsrath unter dem Empire), Ernoul (energiſcher Legitimiſt), de Corcelles (der Mann der Expedition nach Rom), Delpit (Reactionär), Abbé Jaffré, Mſgr. Dupanloup (beider Namen bedürfen keines Commentars), Richemond, Tailhand (beide erklärte Gegner des obligatoriſchen wie des unentgeltlichen Unterrichts), Lacombe (früherer Redacteur der „Gazette de France“), Keller (bekannter zelotiſcher Klerikaler), Cumont (rechter Arm des Biſchofs Greppel). Nur zwei der Erwählten, die HH. Ricard und Carnot, ſind der Vor- lage günſtig. Vor den Wahlen fand ſchon in den einzelnen Bureaux eine ſehr lebhafte Debatte über die Unterrichtsfrage ſtatt. Die meiſten Redner, darunter beſonders Biſchof Dupanloup in längerer Rede, bekämpften den Geſetzentwurf. Am 5 haben auch das erſte und das ſechste Bureau der Nationalverſammlung die in ihnen noch rückſtändigen Wahlen für die Unterrichtscommiſſion vorgenommen. Nach heißen Debatten und mehrmaligen Wahlgängen wurden im erſten Bureau der Vicomte v. Meaux und im ſechsten der Graf v. Reſſéguier, beide anerkannte Gegner des Unterrichtsgeſetzes, ernannt. Die Com- miſſion beſteht mithin aus zwei Vertheidigern und dreizehn Gegnern der Regierungs- vorlage. Eine Reform des Unterrichts iſt von dieſer Commiſſion nicht zu erwarten. Deutſches Reich. &#xfffc; München, 7 Jan. Se. Maj. der König wird in nächſter Woche von Hohenſchwangau zurückerwartet, um für den Reſt des Winters hierſelbſt Aufenthalt zu nehmen. — Der öſterreichiſche Geſandte Frhr. v. Bruck, deſſen gerüchtweiſe ge- meldete Abberufung von ſeinem hieſigen Poſten wieder dementirt wird, hat Ein- ladungen zu drei großen Ballfeſten ergehen laſſen, von welchen das erſte bereits am Dienſtag den 9 d. ſtattfindet. — Sir H. F. Howard, der abberufene engliſche Geſandte, hat bereits ſeine Abſchiedsbeſuche gemacht, und wird demnächſt durch Hrn. Morrier, den bisherigen Geſchäftsträger in Stuttgart, abgelöst werden. — Der erkrankte Oberſthofmarſchall Graf Moy, von deſſen Penſionirung bereits vielfach|die Rede war, befindet ſich wieder in voller Reconvaleſcenz, und es iſt daher ein Wechſel in der Beſetzung der oberſten Hofämter vorläufig nicht zu erwarten. : München, 7 Jan. Se. Maj. der König hat dem kgl. Polizeidirector und Regierungsrath K. Frhrn. v. Burchtorff den Titel und Rang eines kgl. Re- gierungsdirectors verliehen, derſelbe verbleibt übrigens in ſeiner dermaligen dienſt- lichen Stellung. × München, 7 Jan. Zu Friedensrichtern in Elſaß-Lothringen ſind neuerdings vierundzwanzig bayeriſche Landrichter, Gerichtsaſſeſſoren und Acceſ- ſiſten ernannt worden. — Die nächſte öffentliche Sitzung der Kammer der Abge- ordneten iſt auf künftigen Donnerstag anberaumt. In derſelben erfolgt Be- rathung über das Referat des Abg. Crämer bezüglich der Eingabe des Stadtmagi- ſtrats Pfarrkirchen, die Erbauung einer Eiſenbahn von Mühldorf über Eggenfelden, Pfarrkirchen nach Vilshofen betr., ſowie über die zu dieſer Eingabe eingelaufenen Beitrittserklärungen der Marktgemeinden Eggenfelden und Aidenbach. — Künf- tigen Dienſtag Vormittags hält der II. Ausſchuß der Kammer der Abgeordneten Sitzung. In derſelben erfolgt Berathung und Beſchlußfaſſung über: 1) Vortrag des Abgeordneten Kühlmann über die Eiſenbahnerträgniſſe im Jahre 1869 und über die Remuneration der Bedienſteten der k. Verkehrsanſtalten, veziehungsweiſe Vorberathung über die Kammerbeſchlüſſe vom 3 und 4 Januar; 2) Vortrag des Abgeordneten G. F. Kolb über die Rechnungsnachweilſungen des Bergweſens für 1869; 3) Vortrag des Abgeordneten Dr. Anton Schmid über die Deckung des De-

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-02-11T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 9, 9. Januar 1872, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine09_1872/3>, abgerufen am 01.11.2024.