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Allgemeine Zeitung, Nr. 11, 14. Januar 1929.

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[Spaltenumbruch]
Dämon Verkehr.

Das Auto und seine Opfer in U.S.A. / Eine furchtbare Statistik.

[Spaltenumbruch]

Die nordamerikanische Vereinigung zur Förderung des Wege-
baus deren Hauptsitz sich in Washington befindet, gibt bekannt
daß im ersten Halbjahr 1928 durchschnittlich 2300 Menschen
täglich dem Autoverkehr in den Städten und auf dem Lande
zum Opfer fielen. Der wirtschaftliche Verlust, der durch Auto-
unfälle in dem genannten Zeitraum entstanden ist, wird auf
350 000 000 Dollar ohne Berücksichtigung der kleinen Eigentums-
schäden und der Versicherungsprämien abgeschätzt. Nach dem
ständig steigenden Durchschnitt berechnet, wird die Zahl der
durch das Auto in U. S. A. getöteten Menschen im Jahre 1935
bereits 40 000 betragen.

[Abbildung]

Die älteren Schulkinder werden verpflichtet, die
jüngeren über die Straße zu geleiten.

Während der ersten sechs Monate 1928 wurden 13 750 Per-
sonen getötet und 412 000 schwer verletzt; man kann also damit
rechnen, daß die zum Ende dieses Jahres 27 500 Menschen dem
Auto-Moloch zum Opfer fallen werden. im vergangenen Jahre
wurden in den Vereinigten Staaten von Nordamerika 26 618
Personen durch den Autoverkehr getötet und 798 700 schwer ver-
letzt; das ergibt insgesamt die erschreckende Summe von 825 318
Unfällen in einem Jahr!

Was besagen diese Zahlen? Zeigen sie, daß der amerikanische
Autofahrer sträflich sorglos am Steuer sitzt, oder beweisen sie,
daß das Publikum unglaublich leichtsinnig die Straßen betritt?
Ergeben diese grauenhaften Verlustziffern, daß die modernen
Autos sich zu schnell bewegen, um Sicherheit zu bieten, oder daß
sie fehlerhaft gelenkt wenden? Die meisten Unfälle entstehen aus
Rücksichtslosigkeit und Sorglosigkeit der Fahrer und Fußgänger.
Die statistischen Erhebungen führten zu folgenden Ergebnissen:
Die hauptsächliche Ursache der Autounfälle, deren Schuld den
Fahrern zugeschrieben wurde, sind Unaufmerksamkeit, Sorglosig-

[Abbildung] [Spaltenumbruch]

keit, schnelles Fahren, Trunkenheit und Außerachtlassen der Ver-
kehrsvorschriften. Von den 26 618 tödlichen Unfällen des Jahres
1927 wurden 11 765 Fälle den Autofahrern zur Last gelegt.

11 367 Personen kamen einwandfrei dank der Unachtsamkeit
der Fußgänger um. Die Hauptursachen waren das Spielen der
Kinder auf den Fahrdämmen, das Ueberqueren der Straßen
entgegen den Verkehrsvorschriften, Verwirrung und Unvorsich-
tigkeit.

Widrige Zustände, wie nasse Straßen, schlechte Landwege
oder schwache Beleuchtung, kamen bei 3568 Todesfällen in Be-
tracht. 30 Prozent aller Unfälle betrafen schulpflichtige Kinder.

Diese trockenen Zahlen sprechen eine fürchterliche Sprache.
Das Auto ist zu einer wirklichen Gefahr für die Schulkinder
geworden. Im Laufe der letzten
Jahre wurden in 50 nordameri-
kanischen Staaten nicht weniger
als 34 577 Kinder durch Autos
verletzt. Eine entsetzliche Zahl!
Die Stadt Los Angeles hat
350 000 Dollar für den Bau von
40 Tunneln unter den verkehrs-
reichsten Straßen ausgegeben. Diese Tunnel haben sich sehr
bewährt, denn nur noch selten geschieht es, daß ein Kind in dieser
Stadt durch Autos verletzt wird. Die Stadt Detroit ist dem
guten Beispiel gefolgt und hat sogar einen Kinder-Sicherheits-
Klub gegründet. Die älteren Schulkinder werden darin geübt,
die jüngeren auf dem Wege zur Schule und zurück nach Hause
zu begleiten.

[Abbildung]

Kilometerweit stauen sich die Autos auf den
Straßen.

New York mit seinen 11/2 Millionen Schulkindern steht vor
dem schweren Problem, wie es angesichts des ständig wachsenden
Verkehrs am besten für die Sicherheit seiner Jugend sorgen
[Spaltenumbruch] kann. In dieser 7-Millionen-Stadt werden täglich 48 Kinder
durch Autos verletzt, und alle zwei Tage werden drei Kinder
getötet!

Im nördlichen Brooklyn weigerten sich die Mütter am
Anfang des Schuljahres, ihre Kinder zur Schule zu schicken, da
die frühere Volksschule in eine verkehrsreiche Gegend verlegt
worden war. Die Mütter protestierten durch Umzüge mit vielen
Plakaten und standen sogar Streikposten um zu verhindern, daß
Kinder sich zur Schule begaben.

Die Verkehrsschwierigkeiten bereiten den Stadtvätern New
Yorks große Kopfschmerzen. Auf Manhattan allein wohnen
zwei Millionen Menschen dicht zusammengedrängt. In früheren
Jahrzehnten wurde ohne Bauvorschriften wahllos gebaut. Ein
Nachbar wächst dem anderen sozusagen auf den Leib. Die Straßen
in der City sind für den riesenhaften Autoverkehr zu eng; auch
gibt es nicht genügend Ausweichpunkte. Jetzt fängt man an,
ganze Häuserblocks herunterzureißen, um dem Verkehr Luft zu
schaffen; ein Riesenkapital wird hierfür aufgewendet. In dem
Stadtteil Bronx, der erst vor zwei Jahrzehnten entstanden ist,
liegen die Verhältnisse besser. Dort findet man prachtvolle Auto-
straßen, wie den Grand Concourse, Fordham Road u. a. Den
Wolkenkratzern wird mit Recht ein großer Teil der Schuld em
den Verkehrsschwierigkeiten zugeschrieben. In dem Geschäfts-
viertel türmt sich ein Wolkenkratzer neben dem anderen auf.
In jedem dieser Riesenhäuser befinden sich Tausende von Büros,
wie z. B. in dem Wolworth-Turmhaus, das in 55 Stockwerken
4000 Offices enthält. 13 000 Personen arbeiten ständig in diesem
Gebäude und ungefähr 50 000 Personen gehen hier täglich ein
und aus. Wenn man bedenkt, daß jeder sechste Einwohner New
Yorks ein Auto besitzt, so wird man verstehen, daß der Auto-
verkehr zu einer Katastrophe werden muß, sobald mehrere
Wolkenkratzer auf einem Block beieinander stehen.

In welchem Maße die Zahl der Autos in den Vereinigten
Staaten von Nord-Amerika zunimmt, ersieht man daraus, daß in
U. S. A. allein im August dieses Jahres 485 000 Autos her-
gestellt wurden; dieses gesegnete Land braucht jährlich ungefähr
vier Millionen Automobile. Das Leben des Amerikaners hat
sich vollständig auf das Autowesen eingestellt und ist ohne diese
Verkehrsmaschine nicht mehr denkbar.

[Abbildung]

Eine Protestversammlung: Schutz den Kindern!



[Spaltenumbruch]
Der "Nervöse" und seine Handschrift.

(Mit 8 Schriftproben.

Der typische "nervöse" Charakter leidet durchweg an Min-
derwertigkeitsgefühlen, glaubt sich den Aufgaben des Lebens
nicht gewachsen und flieht von dem Hauptkampfplatz des Daseins
auf irgendeinen Nebenkampfplatz, wo er glaubt, mit seinen
Kräften doch noch Erfolge erzielen zu können.

Der Nervöse sieht sich vom Leben, von der Welt in seinem
Bestande bedroht und greift nun nach allen möglichen
Sicherungsmaßnahmen, er ist ängstlich auf die Wahrung seiner
Interessen bedacht, ist egoistisch im Grunde seines Wesens. Das
ist auch dann noch der Fall, wenn er sich anscheinend für eine
Idee oder für eine andere Person aufopfert. Er wird es stets
tun in dem Bewußtsein: "Ich muß Aufsehen erregen, um ge-
achtet zu werden, um etwas zu gelten". Sein Egoismus und
sein Geltungsstreben drückt sich in der Handschrift zunächst darin
aus, daß er bei möglichst vielen sich bietenden Gelegenheiten
zentripetale, d. h. auf den eignen Körpermittelpunkt zu gerichtete
Gesten ausführt.

Eine solche mittelpunktstrebige Bewegung ist z. B. in der
beigegebenen Fig. 3 in dem Endstrich des U-Häubchens zu sehen.
An der gleichen Schrift fällt auch auf, daß der Schreiber, der
offenbar in der Schule noch Schrägschrift gelernt hat, diese auf-
richtet und auflotet. Er will ihr damit einen gewissen Halt
geben. Wie wir nämlich schon im letzten Buchstaben dieser
Schriftprobe sehen, will sie aus der bogenartigen Führung bereits
zerfallen; sie nähert sich dem sogenannten "Fadenduktus", wie
wir ihn sehr schön in dem Worte "einmal" der Fig. 7 beobachten
können. Die Kurzbuchstaben "n" und "m" haben dort keine
Ecken und Winkel mehr, sondern sind schon ganz labil, weich und
"fadenförmig".

Diesen Fadenduktus der einer Schrift in den Kurzbuchstaben
alle Ecken raubt und ihr etwas Weiches und Labiles, gleichzeitig
Undeutliches verleiht, betrachtet die Graphologie mit Recht als
Kennzeichen einer mehr oder weniger zu Hysterie neigenden Ver-
anlagung. Das trifft besonders dann zu, wenn er mit der oben
erwähnten "Auslotung" Hand in Hand geht. Fig. 7 stammt von
einer sehr gebildeten jungen Dame, etwas labil, seelisch weich
und beeinflussungsfähig, die unter dem ungünstigen Einfluß
eines zu ihr durchaus nicht passenden Mannes nahe daran war
innerlich disharmonisch und hysterisch zu werden. Fig. 8 zeigt
die Schrift der nämlichen Dame wenige Wochen später, nachdem
sie sich dem Einfluß des betreffenden Mannes entzogen, innerlich
gefestigt und ein festes inneres Ziel gesteckt hat. Die Schrift ist
wieder schräg, wie es dem Temperament der Schreiberin ent-
spricht, etwas regelmäßiger und ebenmäßiger, die "i-Punkte"
fliegen wieder leichter über dem zugehörigen Buchstaben, anstelle
des Fadenduktus greift der weits Artadenduktus Platz, der nach
[Spaltenumbruch] den neuesten Forschungen als Kennzeichen von Innerlichkeit und
von an Lyrismus gemahnendem Sichversenken gilt.

Den umgekehrten Vorgang wie bei dieser Handschrift
können wir an Schriftprobe 3 und 4 beobachten. Sie stammen
von einer und der nämlichen Schreiberin und liegen um genau
ein Jahr auseinander. Zwar ist schon in Fig. 3 die Schrift
"ausgelotet" und es finden sich betont mittelpunktstrebige Züge,
aber der Duktus ist noch arkadenmäßig, während er ein Jahr
später in Fig. 4 bereits in den Fadenduktus zerfallen ist.

Fig. 5 ist eine typische "nervöse" Handschrift, die außer den
spitzen Unterlängen auch noch Schreibstörungen, also Störungen
im Schreibzentrum des Gehirns erkennen läßt. Die "spitzen"
Unterlängen gelten schon seit langem als Kennzeichen für Ner-
vosität im üblichen Sinne.

Im "g" der Fig. 1 sehen wir diesen "Haltepunkt" in des
Unterlänge wieder. Hier ist er aber gleich im Zusammenhang
mit einer "klexigen" Stelle zu finden. Diese ganze Schrift ist
"pastos", teigig. Sie erzählt uns damit von einer etwas zu
betonten Sinnlichkeit ihres Urhebers. Wenn wir die unreifen,
ungenauen Formen betrachten, daneben die Enge der Schrift in
Erwägung ziehen, dann kommen wir zu dem Ergebnis, daß es
sich hier um einen jungen Menschen handelt, der einen harten
Kampf gegen seine immer mehr überhandnehmende Sinnlichkeit
führt, und außerdem ziemlich nervös und ängstlich auf die Wah-
rung seiner Interessen bedacht ist.

Ebenfalls einen sehr sinnlichen und nervösen Eindruck ge-
währt uns Fig. 2 mit ihren unmotivierten, plötzlichen Druck-
anschwellungen und den gleichfalls spitzen Unterlängen. Wenn
sie von einer häufiger schreibenden Hand herrühren würde,
dürften wir bei ihr sicherlich schon die "zerfallene" Schrift-
führung, den schon erwähnten Fadenduktus, finden, der ja schon
stellenweise angedeutet ist.

Mit Fig. 6 verlassen wir eigentlich schon das Gebiet des
"nervösen" Charakters. Sie stammt von einer Geisteskranken,
die von den Aerzten lange Zeit für nur "nervös" gehalten und
behandelt wurde. Jedenfalls hat sich ihre Nervosität allmählich
zur Geisteskrankheit entwickelt. Die unmotivierten Druckstellen
und die jeder Kontrolle von seiten des prüfenden Auges offen-
bar entbehrende Federführung lassen zumindest auf eine gang
große Zerstreutheit, Reizbarkeit und auf Affekthandlungen
schließen, die bei diesem sonst anscheinend sanften und leicht
poetischen Menschen zumindest die Aufmerksamkeit des Grapho-
logen auf vorhandene zeitweise Störung im Gedankenablauf
lenken müssen, wie sie bekanntlich den Beginn mancher Geistas-
krankheit bildet.

Diese kurzen, skizzenhaften Ausführungen zeigen schon, wie
wichtig die Graphologie in ihrer modernsten Form für den
Nervenarzt, für den Erzieher und Lehrer und auch für den
Einzelmenschen sein kann.



[Spaltenumbruch]
Dämon Verkehr.

Das Auto und seine Opfer in U.S.A. / Eine furchtbare Statistik.

[Spaltenumbruch]

Die nordamerikaniſche Vereinigung zur Förderung des Wege-
baus deren Hauptſitz ſich in Waſhington befindet, gibt bekannt
daß im erſten Halbjahr 1928 durchſchnittlich 2300 Menſchen
täglich dem Autoverkehr in den Städten und auf dem Lande
zum Opfer fielen. Der wirtſchaftliche Verluſt, der durch Auto-
unfälle in dem genannten Zeitraum entſtanden iſt, wird auf
350 000 000 Dollar ohne Berückſichtigung der kleinen Eigentums-
ſchäden und der Verſicherungsprämien abgeſchätzt. Nach dem
ſtändig ſteigenden Durchſchnitt berechnet, wird die Zahl der
durch das Auto in U. S. A. getöteten Menſchen im Jahre 1935
bereits 40 000 betragen.

[Abbildung]

Die älteren Schulkinder werden verpflichtet, die
jüngeren über die Straße zu geleiten.

Während der erſten ſechs Monate 1928 wurden 13 750 Per-
ſonen getötet und 412 000 ſchwer verletzt; man kann alſo damit
rechnen, daß die zum Ende dieſes Jahres 27 500 Menſchen dem
Auto-Moloch zum Opfer fallen werden. im vergangenen Jahre
wurden in den Vereinigten Staaten von Nordamerika 26 618
Perſonen durch den Autoverkehr getötet und 798 700 ſchwer ver-
letzt; das ergibt insgeſamt die erſchreckende Summe von 825 318
Unfällen in einem Jahr!

Was beſagen dieſe Zahlen? Zeigen ſie, daß der amerikaniſche
Autofahrer ſträflich ſorglos am Steuer ſitzt, oder beweiſen ſie,
daß das Publikum unglaublich leichtſinnig die Straßen betritt?
Ergeben dieſe grauenhaften Verluſtziffern, daß die modernen
Autos ſich zu ſchnell bewegen, um Sicherheit zu bieten, oder daß
ſie fehlerhaft gelenkt wenden? Die meiſten Unfälle entſtehen aus
Rückſichtsloſigkeit und Sorgloſigkeit der Fahrer und Fußgänger.
Die ſtatiſtiſchen Erhebungen führten zu folgenden Ergebniſſen:
Die hauptſächliche Urſache der Autounfälle, deren Schuld den
Fahrern zugeſchrieben wurde, ſind Unaufmerkſamkeit, Sorgloſig-

[Abbildung] [Spaltenumbruch]

keit, ſchnelles Fahren, Trunkenheit und Außerachtlaſſen der Ver-
kehrsvorſchriften. Von den 26 618 tödlichen Unfällen des Jahres
1927 wurden 11 765 Fälle den Autofahrern zur Laſt gelegt.

11 367 Perſonen kamen einwandfrei dank der Unachtſamkeit
der Fußgänger um. Die Haupturſachen waren das Spielen der
Kinder auf den Fahrdämmen, das Ueberqueren der Straßen
entgegen den Verkehrsvorſchriften, Verwirrung und Unvorſich-
tigkeit.

Widrige Zuſtände, wie naſſe Straßen, ſchlechte Landwege
oder ſchwache Beleuchtung, kamen bei 3568 Todesfällen in Be-
tracht. 30 Prozent aller Unfälle betrafen ſchulpflichtige Kinder.

Dieſe trockenen Zahlen ſprechen eine fürchterliche Sprache.
Das Auto iſt zu einer wirklichen Gefahr für die Schulkinder
geworden. Im Laufe der letzten
Jahre wurden in 50 nordameri-
kaniſchen Staaten nicht weniger
als 34 577 Kinder durch Autos
verletzt. Eine entſetzliche Zahl!
Die Stadt Los Angeles hat
350 000 Dollar für den Bau von
40 Tunneln unter den verkehrs-
reichſten Straßen ausgegeben. Dieſe Tunnel haben ſich ſehr
bewährt, denn nur noch ſelten geſchieht es, daß ein Kind in dieſer
Stadt durch Autos verletzt wird. Die Stadt Detroit iſt dem
guten Beiſpiel gefolgt und hat ſogar einen Kinder-Sicherheits-
Klub gegründet. Die älteren Schulkinder werden darin geübt,
die jüngeren auf dem Wege zur Schule und zurück nach Hauſe
zu begleiten.

[Abbildung]

Kilometerweit ſtauen ſich die Autos auf den
Straßen.

New York mit ſeinen 1½ Millionen Schulkindern ſteht vor
dem ſchweren Problem, wie es angeſichts des ſtändig wachſenden
Verkehrs am beſten für die Sicherheit ſeiner Jugend ſorgen
[Spaltenumbruch] kann. In dieſer 7-Millionen-Stadt werden täglich 48 Kinder
durch Autos verletzt, und alle zwei Tage werden drei Kinder
getötet!

Im nördlichen Brooklyn weigerten ſich die Mütter am
Anfang des Schuljahres, ihre Kinder zur Schule zu ſchicken, da
die frühere Volksſchule in eine verkehrsreiche Gegend verlegt
worden war. Die Mütter proteſtierten durch Umzüge mit vielen
Plakaten und ſtanden ſogar Streikpoſten um zu verhindern, daß
Kinder ſich zur Schule begaben.

Die Verkehrsſchwierigkeiten bereiten den Stadtvätern New
Yorks große Kopfſchmerzen. Auf Manhattan allein wohnen
zwei Millionen Menſchen dicht zuſammengedrängt. In früheren
Jahrzehnten wurde ohne Bauvorſchriften wahllos gebaut. Ein
Nachbar wächſt dem anderen ſozuſagen auf den Leib. Die Straßen
in der City ſind für den rieſenhaften Autoverkehr zu eng; auch
gibt es nicht genügend Ausweichpunkte. Jetzt fängt man an,
ganze Häuſerblocks herunterzureißen, um dem Verkehr Luft zu
ſchaffen; ein Rieſenkapital wird hierfür aufgewendet. In dem
Stadtteil Bronx, der erſt vor zwei Jahrzehnten entſtanden iſt,
liegen die Verhältniſſe beſſer. Dort findet man prachtvolle Auto-
ſtraßen, wie den Grand Concourſe, Fordham Road u. a. Den
Wolkenkratzern wird mit Recht ein großer Teil der Schuld em
den Verkehrsſchwierigkeiten zugeſchrieben. In dem Geſchäfts-
viertel türmt ſich ein Wolkenkratzer neben dem anderen auf.
In jedem dieſer Rieſenhäuſer befinden ſich Tauſende von Büros,
wie z. B. in dem Wolworth-Turmhaus, das in 55 Stockwerken
4000 Offices enthält. 13 000 Perſonen arbeiten ſtändig in dieſem
Gebäude und ungefähr 50 000 Perſonen gehen hier täglich ein
und aus. Wenn man bedenkt, daß jeder ſechſte Einwohner New
Yorks ein Auto beſitzt, ſo wird man verſtehen, daß der Auto-
verkehr zu einer Kataſtrophe werden muß, ſobald mehrere
Wolkenkratzer auf einem Block beieinander ſtehen.

In welchem Maße die Zahl der Autos in den Vereinigten
Staaten von Nord-Amerika zunimmt, erſieht man daraus, daß in
U. S. A. allein im Auguſt dieſes Jahres 485 000 Autos her-
geſtellt wurden; dieſes geſegnete Land braucht jährlich ungefähr
vier Millionen Automobile. Das Leben des Amerikaners hat
ſich vollſtändig auf das Autoweſen eingeſtellt und iſt ohne dieſe
Verkehrsmaſchine nicht mehr denkbar.

[Abbildung]

Eine Proteſtverſammlung: Schutz den Kindern!



[Spaltenumbruch]
Der „Nervöſe“ und ſeine Handſchrift.

(Mit 8 Schriftproben.

Der typiſche „nervöſe“ Charakter leidet durchweg an Min-
derwertigkeitsgefühlen, glaubt ſich den Aufgaben des Lebens
nicht gewachſen und flieht von dem Hauptkampfplatz des Daſeins
auf irgendeinen Nebenkampfplatz, wo er glaubt, mit ſeinen
Kräften doch noch Erfolge erzielen zu können.

Der Nervöſe ſieht ſich vom Leben, von der Welt in ſeinem
Beſtande bedroht und greift nun nach allen möglichen
Sicherungsmaßnahmen, er iſt ängſtlich auf die Wahrung ſeiner
Intereſſen bedacht, iſt egoiſtiſch im Grunde ſeines Weſens. Das
iſt auch dann noch der Fall, wenn er ſich anſcheinend für eine
Idee oder für eine andere Perſon aufopfert. Er wird es ſtets
tun in dem Bewußtſein: „Ich muß Aufſehen erregen, um ge-
achtet zu werden, um etwas zu gelten“. Sein Egoismus und
ſein Geltungsſtreben drückt ſich in der Handſchrift zunächſt darin
aus, daß er bei möglichſt vielen ſich bietenden Gelegenheiten
zentripetale, d. h. auf den eignen Körpermittelpunkt zu gerichtete
Geſten ausführt.

Eine ſolche mittelpunktſtrebige Bewegung iſt z. B. in der
beigegebenen Fig. 3 in dem Endſtrich des U-Häubchens zu ſehen.
An der gleichen Schrift fällt auch auf, daß der Schreiber, der
offenbar in der Schule noch Schrägſchrift gelernt hat, dieſe auf-
richtet und auflotet. Er will ihr damit einen gewiſſen Halt
geben. Wie wir nämlich ſchon im letzten Buchſtaben dieſer
Schriftprobe ſehen, will ſie aus der bogenartigen Führung bereits
zerfallen; ſie nähert ſich dem ſogenannten „Fadenduktus“, wie
wir ihn ſehr ſchön in dem Worte „einmal“ der Fig. 7 beobachten
können. Die Kurzbuchſtaben „n“ und „m“ haben dort keine
Ecken und Winkel mehr, ſondern ſind ſchon ganz labil, weich und
„fadenförmig“.

Dieſen Fadenduktus der einer Schrift in den Kurzbuchſtaben
alle Ecken raubt und ihr etwas Weiches und Labiles, gleichzeitig
Undeutliches verleiht, betrachtet die Graphologie mit Recht als
Kennzeichen einer mehr oder weniger zu Hyſterie neigenden Ver-
anlagung. Das trifft beſonders dann zu, wenn er mit der oben
erwähnten „Auslotung“ Hand in Hand geht. Fig. 7 ſtammt von
einer ſehr gebildeten jungen Dame, etwas labil, ſeeliſch weich
und beeinfluſſungsfähig, die unter dem ungünſtigen Einfluß
eines zu ihr durchaus nicht paſſenden Mannes nahe daran war
innerlich disharmoniſch und hyſteriſch zu werden. Fig. 8 zeigt
die Schrift der nämlichen Dame wenige Wochen ſpäter, nachdem
ſie ſich dem Einfluß des betreffenden Mannes entzogen, innerlich
gefeſtigt und ein feſtes inneres Ziel geſteckt hat. Die Schrift iſt
wieder ſchräg, wie es dem Temperament der Schreiberin ent-
ſpricht, etwas regelmäßiger und ebenmäßiger, die „i-Punkte“
fliegen wieder leichter über dem zugehörigen Buchſtaben, anſtelle
des Fadenduktus greift der weits Artadenduktus Platz, der nach
[Spaltenumbruch] den neueſten Forſchungen als Kennzeichen von Innerlichkeit und
von an Lyrismus gemahnendem Sichverſenken gilt.

Den umgekehrten Vorgang wie bei dieſer Handſchrift
können wir an Schriftprobe 3 und 4 beobachten. Sie ſtammen
von einer und der nämlichen Schreiberin und liegen um genau
ein Jahr auseinander. Zwar iſt ſchon in Fig. 3 die Schrift
„ausgelotet“ und es finden ſich betont mittelpunktſtrebige Züge,
aber der Duktus iſt noch arkadenmäßig, während er ein Jahr
ſpäter in Fig. 4 bereits in den Fadenduktus zerfallen iſt.

Fig. 5 iſt eine typiſche „nervöſe“ Handſchrift, die außer den
ſpitzen Unterlängen auch noch Schreibſtörungen, alſo Störungen
im Schreibzentrum des Gehirns erkennen läßt. Die „ſpitzen“
Unterlängen gelten ſchon ſeit langem als Kennzeichen für Ner-
voſität im üblichen Sinne.

Im „g“ der Fig. 1 ſehen wir dieſen „Haltepunkt“ in des
Unterlänge wieder. Hier iſt er aber gleich im Zuſammenhang
mit einer „klexigen“ Stelle zu finden. Dieſe ganze Schrift iſt
„paſtos“, teigig. Sie erzählt uns damit von einer etwas zu
betonten Sinnlichkeit ihres Urhebers. Wenn wir die unreifen,
ungenauen Formen betrachten, daneben die Enge der Schrift in
Erwägung ziehen, dann kommen wir zu dem Ergebnis, daß es
ſich hier um einen jungen Menſchen handelt, der einen harten
Kampf gegen ſeine immer mehr überhandnehmende Sinnlichkeit
führt, und außerdem ziemlich nervös und ängſtlich auf die Wah-
rung ſeiner Intereſſen bedacht iſt.

Ebenfalls einen ſehr ſinnlichen und nervöſen Eindruck ge-
währt uns Fig. 2 mit ihren unmotivierten, plötzlichen Druck-
anſchwellungen und den gleichfalls ſpitzen Unterlängen. Wenn
ſie von einer häufiger ſchreibenden Hand herrühren würde,
dürften wir bei ihr ſicherlich ſchon die „zerfallene“ Schrift-
führung, den ſchon erwähnten Fadenduktus, finden, der ja ſchon
ſtellenweiſe angedeutet iſt.

Mit Fig. 6 verlaſſen wir eigentlich ſchon das Gebiet des
„nervöſen“ Charakters. Sie ſtammt von einer Geiſteskranken,
die von den Aerzten lange Zeit für nur „nervös“ gehalten und
behandelt wurde. Jedenfalls hat ſich ihre Nervoſität allmählich
zur Geiſteskrankheit entwickelt. Die unmotivierten Druckſtellen
und die jeder Kontrolle von ſeiten des prüfenden Auges offen-
bar entbehrende Federführung laſſen zumindeſt auf eine gang
große Zerſtreutheit, Reizbarkeit und auf Affekthandlungen
ſchließen, die bei dieſem ſonſt anſcheinend ſanften und leicht
poetiſchen Menſchen zumindeſt die Aufmerkſamkeit des Grapho-
logen auf vorhandene zeitweiſe Störung im Gedankenablauf
lenken müſſen, wie ſie bekanntlich den Beginn mancher Geiſtas-
krankheit bildet.

Dieſe kurzen, ſkizzenhaften Ausführungen zeigen ſchon, wie
wichtig die Graphologie in ihrer modernſten Form für den
Nervenarzt, für den Erzieher und Lehrer und auch für den
Einzelmenſchen ſein kann.



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[0011] Dämon Verkehr. Das Auto und seine Opfer in U.S.A. / Eine furchtbare Statistik. Von Walter Schiff, New York. Die nordamerikaniſche Vereinigung zur Förderung des Wege- baus deren Hauptſitz ſich in Waſhington befindet, gibt bekannt daß im erſten Halbjahr 1928 durchſchnittlich 2300 Menſchen täglich dem Autoverkehr in den Städten und auf dem Lande zum Opfer fielen. Der wirtſchaftliche Verluſt, der durch Auto- unfälle in dem genannten Zeitraum entſtanden iſt, wird auf 350 000 000 Dollar ohne Berückſichtigung der kleinen Eigentums- ſchäden und der Verſicherungsprämien abgeſchätzt. Nach dem ſtändig ſteigenden Durchſchnitt berechnet, wird die Zahl der durch das Auto in U. S. A. getöteten Menſchen im Jahre 1935 bereits 40 000 betragen. [Abbildung Die älteren Schulkinder werden verpflichtet, die jüngeren über die Straße zu geleiten.] Während der erſten ſechs Monate 1928 wurden 13 750 Per- ſonen getötet und 412 000 ſchwer verletzt; man kann alſo damit rechnen, daß die zum Ende dieſes Jahres 27 500 Menſchen dem Auto-Moloch zum Opfer fallen werden. im vergangenen Jahre wurden in den Vereinigten Staaten von Nordamerika 26 618 Perſonen durch den Autoverkehr getötet und 798 700 ſchwer ver- letzt; das ergibt insgeſamt die erſchreckende Summe von 825 318 Unfällen in einem Jahr! Was beſagen dieſe Zahlen? Zeigen ſie, daß der amerikaniſche Autofahrer ſträflich ſorglos am Steuer ſitzt, oder beweiſen ſie, daß das Publikum unglaublich leichtſinnig die Straßen betritt? Ergeben dieſe grauenhaften Verluſtziffern, daß die modernen Autos ſich zu ſchnell bewegen, um Sicherheit zu bieten, oder daß ſie fehlerhaft gelenkt wenden? Die meiſten Unfälle entſtehen aus Rückſichtsloſigkeit und Sorgloſigkeit der Fahrer und Fußgänger. Die ſtatiſtiſchen Erhebungen führten zu folgenden Ergebniſſen: Die hauptſächliche Urſache der Autounfälle, deren Schuld den Fahrern zugeſchrieben wurde, ſind Unaufmerkſamkeit, Sorgloſig- [Abbildung] keit, ſchnelles Fahren, Trunkenheit und Außerachtlaſſen der Ver- kehrsvorſchriften. Von den 26 618 tödlichen Unfällen des Jahres 1927 wurden 11 765 Fälle den Autofahrern zur Laſt gelegt. 11 367 Perſonen kamen einwandfrei dank der Unachtſamkeit der Fußgänger um. Die Haupturſachen waren das Spielen der Kinder auf den Fahrdämmen, das Ueberqueren der Straßen entgegen den Verkehrsvorſchriften, Verwirrung und Unvorſich- tigkeit. Widrige Zuſtände, wie naſſe Straßen, ſchlechte Landwege oder ſchwache Beleuchtung, kamen bei 3568 Todesfällen in Be- tracht. 30 Prozent aller Unfälle betrafen ſchulpflichtige Kinder. Dieſe trockenen Zahlen ſprechen eine fürchterliche Sprache. Das Auto iſt zu einer wirklichen Gefahr für die Schulkinder geworden. Im Laufe der letzten Jahre wurden in 50 nordameri- kaniſchen Staaten nicht weniger als 34 577 Kinder durch Autos verletzt. Eine entſetzliche Zahl! Die Stadt Los Angeles hat 350 000 Dollar für den Bau von 40 Tunneln unter den verkehrs- reichſten Straßen ausgegeben. Dieſe Tunnel haben ſich ſehr bewährt, denn nur noch ſelten geſchieht es, daß ein Kind in dieſer Stadt durch Autos verletzt wird. Die Stadt Detroit iſt dem guten Beiſpiel gefolgt und hat ſogar einen Kinder-Sicherheits- Klub gegründet. Die älteren Schulkinder werden darin geübt, die jüngeren auf dem Wege zur Schule und zurück nach Hauſe zu begleiten. [Abbildung Kilometerweit ſtauen ſich die Autos auf den Straßen.] New York mit ſeinen 1½ Millionen Schulkindern ſteht vor dem ſchweren Problem, wie es angeſichts des ſtändig wachſenden Verkehrs am beſten für die Sicherheit ſeiner Jugend ſorgen kann. In dieſer 7-Millionen-Stadt werden täglich 48 Kinder durch Autos verletzt, und alle zwei Tage werden drei Kinder getötet! Im nördlichen Brooklyn weigerten ſich die Mütter am Anfang des Schuljahres, ihre Kinder zur Schule zu ſchicken, da die frühere Volksſchule in eine verkehrsreiche Gegend verlegt worden war. Die Mütter proteſtierten durch Umzüge mit vielen Plakaten und ſtanden ſogar Streikpoſten um zu verhindern, daß Kinder ſich zur Schule begaben. Die Verkehrsſchwierigkeiten bereiten den Stadtvätern New Yorks große Kopfſchmerzen. Auf Manhattan allein wohnen zwei Millionen Menſchen dicht zuſammengedrängt. In früheren Jahrzehnten wurde ohne Bauvorſchriften wahllos gebaut. Ein Nachbar wächſt dem anderen ſozuſagen auf den Leib. Die Straßen in der City ſind für den rieſenhaften Autoverkehr zu eng; auch gibt es nicht genügend Ausweichpunkte. Jetzt fängt man an, ganze Häuſerblocks herunterzureißen, um dem Verkehr Luft zu ſchaffen; ein Rieſenkapital wird hierfür aufgewendet. In dem Stadtteil Bronx, der erſt vor zwei Jahrzehnten entſtanden iſt, liegen die Verhältniſſe beſſer. Dort findet man prachtvolle Auto- ſtraßen, wie den Grand Concourſe, Fordham Road u. a. Den Wolkenkratzern wird mit Recht ein großer Teil der Schuld em den Verkehrsſchwierigkeiten zugeſchrieben. In dem Geſchäfts- viertel türmt ſich ein Wolkenkratzer neben dem anderen auf. In jedem dieſer Rieſenhäuſer befinden ſich Tauſende von Büros, wie z. B. in dem Wolworth-Turmhaus, das in 55 Stockwerken 4000 Offices enthält. 13 000 Perſonen arbeiten ſtändig in dieſem Gebäude und ungefähr 50 000 Perſonen gehen hier täglich ein und aus. Wenn man bedenkt, daß jeder ſechſte Einwohner New Yorks ein Auto beſitzt, ſo wird man verſtehen, daß der Auto- verkehr zu einer Kataſtrophe werden muß, ſobald mehrere Wolkenkratzer auf einem Block beieinander ſtehen. In welchem Maße die Zahl der Autos in den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika zunimmt, erſieht man daraus, daß in U. S. 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Das iſt auch dann noch der Fall, wenn er ſich anſcheinend für eine Idee oder für eine andere Perſon aufopfert. Er wird es ſtets tun in dem Bewußtſein: „Ich muß Aufſehen erregen, um ge- achtet zu werden, um etwas zu gelten“. Sein Egoismus und ſein Geltungsſtreben drückt ſich in der Handſchrift zunächſt darin aus, daß er bei möglichſt vielen ſich bietenden Gelegenheiten zentripetale, d. h. auf den eignen Körpermittelpunkt zu gerichtete Geſten ausführt. Eine ſolche mittelpunktſtrebige Bewegung iſt z. B. in der beigegebenen Fig. 3 in dem Endſtrich des U-Häubchens zu ſehen. An der gleichen Schrift fällt auch auf, daß der Schreiber, der offenbar in der Schule noch Schrägſchrift gelernt hat, dieſe auf- richtet und auflotet. Er will ihr damit einen gewiſſen Halt geben. Wie wir nämlich ſchon im letzten Buchſtaben dieſer Schriftprobe ſehen, will ſie aus der bogenartigen Führung bereits zerfallen; ſie nähert ſich dem ſogenannten „Fadenduktus“, wie wir ihn ſehr ſchön in dem Worte „einmal“ der Fig. 7 beobachten können. Die Kurzbuchſtaben „n“ und „m“ haben dort keine Ecken und Winkel mehr, ſondern ſind ſchon ganz labil, weich und „fadenförmig“. Dieſen Fadenduktus der einer Schrift in den Kurzbuchſtaben alle Ecken raubt und ihr etwas Weiches und Labiles, gleichzeitig Undeutliches verleiht, betrachtet die Graphologie mit Recht als Kennzeichen einer mehr oder weniger zu Hyſterie neigenden Ver- anlagung. Das trifft beſonders dann zu, wenn er mit der oben erwähnten „Auslotung“ Hand in Hand geht. Fig. 7 ſtammt von einer ſehr gebildeten jungen Dame, etwas labil, ſeeliſch weich und beeinfluſſungsfähig, die unter dem ungünſtigen Einfluß eines zu ihr durchaus nicht paſſenden Mannes nahe daran war innerlich disharmoniſch und hyſteriſch zu werden. Fig. 8 zeigt die Schrift der nämlichen Dame wenige Wochen ſpäter, nachdem ſie ſich dem Einfluß des betreffenden Mannes entzogen, innerlich gefeſtigt und ein feſtes inneres Ziel geſteckt hat. Die Schrift iſt wieder ſchräg, wie es dem Temperament der Schreiberin ent- ſpricht, etwas regelmäßiger und ebenmäßiger, die „i-Punkte“ fliegen wieder leichter über dem zugehörigen Buchſtaben, anſtelle des Fadenduktus greift der weits Artadenduktus Platz, der nach den neueſten Forſchungen als Kennzeichen von Innerlichkeit und von an Lyrismus gemahnendem Sichverſenken gilt. Den umgekehrten Vorgang wie bei dieſer Handſchrift können wir an Schriftprobe 3 und 4 beobachten. Sie ſtammen von einer und der nämlichen Schreiberin und liegen um genau ein Jahr auseinander. Zwar iſt ſchon in Fig. 3 die Schrift „ausgelotet“ und es finden ſich betont mittelpunktſtrebige Züge, aber der Duktus iſt noch arkadenmäßig, während er ein Jahr ſpäter in Fig. 4 bereits in den Fadenduktus zerfallen iſt. Fig. 5 iſt eine typiſche „nervöſe“ Handſchrift, die außer den ſpitzen Unterlängen auch noch Schreibſtörungen, alſo Störungen im Schreibzentrum des Gehirns erkennen läßt. Die „ſpitzen“ Unterlängen gelten ſchon ſeit langem als Kennzeichen für Ner- voſität im üblichen Sinne. Im „g“ der Fig. 1 ſehen wir dieſen „Haltepunkt“ in des Unterlänge wieder. Hier iſt er aber gleich im Zuſammenhang mit einer „klexigen“ Stelle zu finden. Dieſe ganze Schrift iſt „paſtos“, teigig. Sie erzählt uns damit von einer etwas zu betonten Sinnlichkeit ihres Urhebers. Wenn wir die unreifen, ungenauen Formen betrachten, daneben die Enge der Schrift in Erwägung ziehen, dann kommen wir zu dem Ergebnis, daß es ſich hier um einen jungen Menſchen handelt, der einen harten Kampf gegen ſeine immer mehr überhandnehmende Sinnlichkeit führt, und außerdem ziemlich nervös und ängſtlich auf die Wah- rung ſeiner Intereſſen bedacht iſt. Ebenfalls einen ſehr ſinnlichen und nervöſen Eindruck ge- währt uns Fig. 2 mit ihren unmotivierten, plötzlichen Druck- anſchwellungen und den gleichfalls ſpitzen Unterlängen. Wenn ſie von einer häufiger ſchreibenden Hand herrühren würde, dürften wir bei ihr ſicherlich ſchon die „zerfallene“ Schrift- führung, den ſchon erwähnten Fadenduktus, finden, der ja ſchon ſtellenweiſe angedeutet iſt. Mit Fig. 6 verlaſſen wir eigentlich ſchon das Gebiet des „nervöſen“ Charakters. Sie ſtammt von einer Geiſteskranken, die von den Aerzten lange Zeit für nur „nervös“ gehalten und behandelt wurde. Jedenfalls hat ſich ihre Nervoſität allmählich zur Geiſteskrankheit entwickelt. Die unmotivierten Druckſtellen und die jeder Kontrolle von ſeiten des prüfenden Auges offen- bar entbehrende Federführung laſſen zumindeſt auf eine gang große Zerſtreutheit, Reizbarkeit und auf Affekthandlungen ſchließen, die bei dieſem ſonſt anſcheinend ſanften und leicht poetiſchen Menſchen zumindeſt die Aufmerkſamkeit des Grapho- logen auf vorhandene zeitweiſe Störung im Gedankenablauf lenken müſſen, wie ſie bekanntlich den Beginn mancher Geiſtas- krankheit bildet. Dieſe kurzen, ſkizzenhaften Ausführungen zeigen ſchon, wie wichtig die Graphologie in ihrer modernſten Form für den Nervenarzt, für den Erzieher und Lehrer und auch für den Einzelmenſchen ſein kann.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-03-29T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 11, 14. Januar 1929, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine11_1929/11>, abgerufen am 01.06.2024.