Allgemeine Zeitung, Nr. 165, 13. Juni 1860.[Spaltenumbruch]
von Piemont eingesetzten Beamten im allgemeinen in ihren Stellen verblei- Großbritannien. (Nähere Darstellung der Parlamentsverhandlungen vom 8 Jun.) Im Im Unterhaus wünscht Hr. Seymour Fitzgerald zu wissen wie Frankreich. Paris, 11 Jun. Niemals war es für die Deutschen nothwendiger besonnen und wachsam *) Die unglückliche Stadt Palermo ist gewiß bedauernswerth; aber man darf
doch fragen: würde ein englischer General in derselben Lage wie die Nea- politauer anders handeln, und sich etwa darauf beschränken einem Feind der sich in einer englischen Stadt festgesetzt hätte, und von einem großen Theil der städtischen Bevölkerung unterstützt würde, bloß mit Flinte und Bajonnett Wider- stand zu leisten? Auch bei jeder Belagerung hat eine Menge harmloser Menschen zu leiden, die gern ruhig und in Frieden blieben; aber haben darum vor zwei Jahren die Engländer sich enthalten Delhi zu bombardiren, und einen guten Theil von Lakhno zusammenzuschießen? Man kann den Krieg über- haupt als ein Unglück beklagen, aber wer den Krieg will, muß auch seine Con- sequenzen hinnehmen. [Spaltenumbruch]
von Piemont eingeſetzten Beamten im allgemeinen in ihren Stellen verblei- Großbritannien. (Nähere Darſtellung der Parlamentsverhandlungen vom 8 Jun.) Im Im Unterhaus wünſcht Hr. Seymour Fitzgerald zu wiſſen wie Frankreich. Paris, 11 Jun. Niemals war es für die Deutſchen nothwendiger beſonnen und wachſam *) Die unglückliche Stadt Palermo iſt gewiß bedauernswerth; aber man darf
doch fragen: würde ein engliſcher General in derſelben Lage wie die Nea- politauer anders handeln, und ſich etwa darauf beſchränken einem Feind der ſich in einer engliſchen Stadt feſtgeſetzt hätte, und von einem großen Theil der ſtädtiſchen Bevölkerung unterſtützt würde, bloß mit Flinte und Bajonnett Wider- ſtand zu leiſten? Auch bei jeder Belagerung hat eine Menge harmloſer Menſchen zu leiden, die gern ruhig und in Frieden blieben; aber haben darum vor zwei Jahren die Engländer ſich enthalten Delhi zu bombardiren, und einen guten Theil von Lakhno zuſammenzuſchießen? Man kann den Krieg über- haupt als ein Unglück beklagen, aber wer den Krieg will, muß auch ſeine Con- ſequenzen hinnehmen. <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0005" n="2749"/><cb/> von Piemont eingeſetzten Beamten im allgemeinen in ihren Stellen verblei-<lb/> ben. General Ulrich wird in Chambery verbleiben. Die Regimenter in Lyon,<lb/> welche zur Completirung der Beſatzungen Savoyens beſtimmt ſind, ſind ſchon<lb/> längſt bezeichnet; täglich ſieht man ihrem Aufbruch entgegen; nach den neue-<lb/> ſten Nachrichten wäre derſelbe heute zu erwarten. — In unſerm Großrath<lb/> kommt heute das Geſetz über die Militärtaxe, eine Taxe nämlich welcher die-<lb/> jenigen unterworfen werden ſollen welche aus irgendeinem Grund keinen Mi-<lb/> litärdienſt thun, zur dritten Leſung. Dieſes Geſetz, deſſen Billigkeit niemand<lb/> beſtreiten kann, hat ſchon zu hitzigen Debatten Veranlaſſung gegeben, und<lb/> auch heute wird es wohl nicht daran fehlen, denn wenn es den Leuten an den<lb/> Beutel geht, ſo werden ſie die Gründe dafür immer und überall ſchlecht<lb/> finden.</p> </div> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/> <div n="3"> <head>(Nähere Darſtellung der Parlamentsverhandlungen vom 8 Jun.)</head> <p>Im<lb/><hi rendition="#g">Oberhaus</hi> hat Lord <hi rendition="#g">Brougham</hi> an ſeinen edlen Freund gegenüber<lb/> (Granville) eine Frage zu richten, die er hoffentlich in der Lage ſeyn werde<lb/> mit einer entſchiedenen Verneinung zu beantworten. Es liege ihm daran zu<lb/> wiſſen ob die Zeitungsberichte über das Bombardement Palermo’s begründet<lb/> ſeyen. Um der Ehre der Menſchheit willen wolle er hoffen daß die Kunde<lb/> von einer ſo beiſpielloſen Grauſamkeit der Begründung entbehre. Er nenne<lb/> ſie beiſpiellos, weil man ſelbſt dem verabſcheuungswürdigſten Tyrannen des<lb/> Alterthums, Nero, nur vorgeworfen daß er während des Brandes von Rom<lb/> leichtfertige Kurzweil trieb, nicht daß er eine Stadt gefliſſentlich in Brand<lb/> ſteckte, um unter ihren Hunderttauſenden von Einwohnern die Feinde die ihn<lb/> angriffen zu treffen und zu vernichten. <note place="foot" n="*)">Die unglückliche Stadt Palermo iſt gewiß bedauernswerth; aber man darf<lb/> doch fragen: würde ein <hi rendition="#g">engliſcher</hi> General in derſelben Lage wie die Nea-<lb/> politauer anders handeln, und ſich etwa darauf beſchränken einem Feind der<lb/> ſich in einer engliſchen Stadt feſtgeſetzt hätte, und von einem großen Theil der<lb/> ſtädtiſchen Bevölkerung unterſtützt würde, bloß mit Flinte und Bajonnett Wider-<lb/> ſtand zu leiſten? Auch bei jeder Belagerung hat eine Menge harmloſer<lb/> Menſchen zu leiden, die gern ruhig und in Frieden blieben; aber haben darum<lb/> vor zwei Jahren die Engländer ſich enthalten Delhi zu bombardiren, und einen<lb/> guten Theil von Lakhno zuſammenzuſchießen? Man kann den Krieg über-<lb/> haupt als ein Unglück beklagen, aber wer den Krieg will, muß auch ſeine Con-<lb/> ſequenzen hinnehmen.</note> Das Princip der Nichtintervention<lb/> müſſe gewiß heilig gehalten werden, aber wenn die erwähnten Gerüchte ſich<lb/> beſtätigen ſollten, ſo müſſe er ſagen daß es auf eine harte Probe geſtellt<lb/> worden ſey; denn bei all ſeiner Heiligkeit vermöge es doch die natürlichen Ge-<lb/> fühle der Menſchlichkeit in unſerm Herzen nicht zu erſticken. (Hört!) Graf<lb/><hi rendition="#g">Granville</hi> bedauert ſagen zu müſſen daß die Regierung amtliche Nach-<lb/> richten über das Bombardement Palermo’s erhalten habe. Zu bemerken ſey<lb/> noch daß es weder üblich noch gelegen ſey nicht vorangezeigte die auswärtige<lb/> Politik betreffende Fragen zu beantworten. Lord <hi rendition="#g">Brougham</hi> erklärt daß<lb/> er abſichtlich die Frage nicht vorher angezeigt habe um den edlen Lord und<lb/> ſeine Collegen nicht zu einer Erwiederung zu zwingen. Graf v. <hi rendition="#g">Stanhope</hi><lb/> erlaubt ſich die diplomatiſchen Beziehungen zu Rom der Aufmerkſamkeit der<lb/> Regierung zu empfehlen. Seit die Legation in Florenz aufgehört, werde der<lb/> Verkehr mit Rom durch einen Attach<hi rendition="#aq">é</hi> der neapolitaniſchen Legation ver-<lb/> mittelt, was mancherlei Ungelegenheiten und Nachtheile verurſache. Seiner<lb/> Meinung nach könnte Ihrer Maj. Regierung ſich in directe diplomatiſche Be-<lb/> ziehungen zum Papſt ſetzen — eine Einrichtung die unter anderm auch der<lb/> brittiſchen Kunſt und den brittiſchen Künſtlern zum Segen gereichen würde.<lb/> Lord <hi rendition="#g">Wodehouſe</hi> glaubt zeigen zu können daß der gegenwärtige Augenblick<lb/> für die vorgeſchlagene Aenderung nicht gut gewählt ſeyn würde. Nach dem<lb/> Erlaß der Parlamentsacte von 1848 (unter dem Namen die Eglinton-Clauſel<lb/> bekannt, welche der Regierung verbietet römiſch-katholiſche Prieſter oder<lb/> Mönche als Geſandte zu empfangen) fand zu verſchiedenenmalen eine Cor-<lb/> reſpondenz mit dem römiſchen Hof über die Frage des diplomatiſchen Verkehrs<lb/> ſtatt, aber, weit entfernt den engliſchen Standpunkt als mit dem preußiſchen<lb/> und ruſſiſchen identiſch zu erachten, dachte der römiſche Hof daß zwiſchen<lb/> ihnen ein nicht geringer Unterſchied herrſche. Die ruſſiſche und die preußiſche<lb/> Regierung hätten bloß angedeutet daß ſie keinen Geiſtlichen als Geſandten<lb/> Roms zu empfangen wünſchten, und dieß ſey denn doch etwas ganz anderes<lb/> als eine Andeutung vermittelſt einer Parlamentsacte, wodurch die Prärogative<lb/> der Krone in Bezug auf den diplomatiſchen Verkehr mit einem einzigen Staat<lb/> der Welt beſchränkt werde. Es ſey wahr daß die Stellung eines Attach<hi rendition="#aq">é</hi><lb/> weniger Einfluß gewähre als die eines Geſandten, allein ebenſo wahr daß<lb/> Hr. Odo Ruſſell, gleich ſeinen Vorgängern, das diplomatiſche Geſchäft in<lb/> Rom zur vollkommenen Zufriedenheit der Regierung verſehen habe. Er<lb/> müſſe erwähnen daß der römiſche Hof ſich gern bereit erklärte ſo oft als<lb/> nöthig eine Specialmiſſion zu empfangen; aber wenn die Regierung den<lb/> Wunſch ausſpräche einen permanenten Vertreter nach Rom zu ſenden, ſo<lb/> würde ſie, fürchte er, ſich einer abſchlägigen Antwort ausſetzen und dem<lb/> römiſchen Hof eine Verlegenheit bereiten. Sein edler Freund an der Spitze<lb/> des Auswärtigen (Lord John Ruſſell) halte den Augenblick für durchaus un-<lb/> günſtig um einen ſolchen Schritt zu thun. Sowohl in England wie auf den<lb/><cb/> Continent habe man irriger Weiſe vermuthet daß Ihre Maj. Regierung ſich<lb/> in dreiſter (<hi rendition="#aq">forward</hi>) Manier befliſſen habe dem Souverän von Rom eine<lb/> Politik die von der jetzt befolgten verſchieden wäre aufzudrängen. Es ſey von<lb/> Wichtigkeit über dieſen Punkt kein Mißverſtändniß obwalten zu laſſen. Das<lb/> gegenwärtige Miniſterium habe allerdings gleich mehreren ſeiner Vorgänger<lb/> den Wunſch gehegt daß der Souverän Roms in ſeiner Verwaltung gewiſſe<lb/> Aenderungen vornehmen möchte, aber zugleich gedacht daß es England als<lb/> einem vorzugsweiſe proteſtantiſchen Staat nicht anſtehen würde ſich mit ſeinen<lb/> Reformempfehlungen ſo ſehr in den Vordergrund zu ſtellen wie die natürlich<lb/> einflußretcheren katholiſchen Staaten des Continents. Ihrer Maj. Regierung<lb/> habe ſich daher darauf beſchränkt die guten Rathſchläge zu unterſtützen welche<lb/> dem Papſt von jenen katholiſchen Staaten, insbeſondere von Frankreich, zu<lb/> verſchiedenenmalen ertheilt wurden. Dieſe Vorſtellungen fanden bei der<lb/> römiſchen Regierung eine freundliche Aufnahme, blieben jedoch, wie er leider<lb/> ſagen müſſe, ohne praktiſche Folge. Wenn der Souverän von Rom jemals<lb/> den Wunſch ausſprechen ſollte daß ein Geſandter bei ihm beglaubigt werde,<lb/> ſo werde Ihrer Maj. Regierung ohne Zweifel nichts dagegen einzuwenden<lb/> haben. Der Graf v. <hi rendition="#g">Malmesbury</hi> ſtimmt in das Hrn. O. Ruſſell ge-<lb/> ſpendete Lob vollkommen ein, und glaubt nur daß es unter den gegenwärtigen<lb/> Verhältniſſen zweckmäßiger geweſen wäre ihn der Miſſion in Turin als der<lb/> in Neapel zu attachiren. Dem edlen und gelehrten Lord der auf die tragi-<lb/> ſchen Vorgänge in Palermo aufmerkſam gemacht, ſowie dem Haus überhaupt<lb/> könne er nicht genug die Nothwendigkeit größerer Vorſicht im Urtheil über<lb/> italieniſche Angelegenheiten aus Herz legen. (Hört, hört!) Wenn man den<lb/> König von Neapel wegen des durch das Bombardement Palermo’s ver-<lb/> urſachten Verluſtes an Menſchenleben tadle, ſo fordere man zu der Ent-<lb/> gegnung heraus daß der König Victor Emmanuel erſt im Jahr 1849 die<lb/> Stadt Genua bombardirte als ſie in derſelben Weiſe und von demſelben Mann,<lb/> Garibaldi, gewaltſam in Beſitz genommen wurde. (Hört!) Gott behüte ihn<lb/> den einen oder andern dieſer Acte zu rechtfertigen. Er wolle nur zeigen daß<lb/> man durch voreilige Bemerkungen ſich herbe Gegenbemerkungen und Schwierig-<lb/> keiten, die noch größere Bedeutung hätten, zuziehen könne. (Hört, hört!) Der<lb/> Marquis v. <hi rendition="#g">Normanby</hi> kann den Leiſtungen Hrn. O. Ruſſells nur gutes<lb/> nachſagen, iſt indeß der Meinung Lord Stanhope’s. Einige von dem letztern<lb/> gewünſchte Vorlagen werden angeordnet.</p><lb/> <p>Im <hi rendition="#g">Unterhaus</hi> wünſcht Hr. Seymour <hi rendition="#g">Fitzgerald</hi> zu wiſſen wie<lb/> weit es den in Paris ſitzenden brittiſchen Commiſſarien geglückt ſey für die<lb/> Verwandlung der <hi rendition="#aq">ad valorem</hi> Zölle auf brittiſche Producte in ſpecifiſche<lb/> Zölle zu wirken. Der <hi rendition="#g">Schatzkanzler</hi> ſagt daß der Regierung noch nichts<lb/> endgültiges darüber mitgetheilt ſey. Da es ſich lediglich um eine Arrangi-<lb/> rung von Details handle, ſo gebe es kein beſtimmtes Stadium wo den Com-<lb/> miſſarien vorgeſchrieben wäre einen Bericht abzuſtatten. Der Wortlaut des<lb/> Vertrags ſey ihm nicht ganz gegenwärtig, doch ſcheine ihm daß der ehrenw.<lb/> Gentleman ſich irre wenn er annehme daß die Nichtverwandlung zur Folge<lb/> haben müſſe daß die <hi rendition="#aq">ad valorem</hi> Zölle nach den Maximal-Sätzen erhoben<lb/> werden würden. Auf eine Frage von Hrn. <hi rendition="#g">Kinnaird</hi> erwiedert Lord J.<lb/><hi rendition="#g">Ruſſell:</hi> es ſey nur zu wahr, und beklagenswerth, daß es mit allen von England<lb/> gebrachten Opfern doch nicht gelungen ſey dem Sklavenhandel überall ein<lb/> Ende zu machen, und daß jährlich 30,000 bis 40,000 Neger aus Afrika auf<lb/> der Inſel Cuba gelandet werden. Großentheils habe man dieſen Stand<lb/> der Dinge den Mängeln des amerikaniſchen Geſetzes über den Sklavenhan-<lb/> del zuzuſchreiben. Nach dem engliſchen Vertrag können Schiffe die für den<lb/> Sklavenhandel ausgerüſtet ſind von engliſchen Kreuzern aufgebracht werden<lb/> aber amerikaniſchen Kreuzern gebe das amerikaniſche Geſetz keine ſolche Er-<lb/> mächtigung. Ein Sklavenfahrer der ſich in den Gewäſſern von Cuba<lb/> ohne Flagge blicken laſſe, könne von einem engliſchen Kreuzer genom-<lb/> men werden; ein amerikaniſcher Kreuzer dagegen könne ihm nichts anhaben,<lb/> wenn derſelbe ſeine Papiere und ſeine Flagge verbrannt oder über Bord ge-<lb/> worfen habe. Ihrer Maj. Regierung habe den Vereinigten Staaten einen<lb/> Cooperationsplan vorgeſchlagen, daß nämlich engliſche und amerikaniſche<lb/> Kreuzer zuſammen ſegeln ſollten, wo dann der eine ermächtigt wäre die Skla-<lb/> venfahrer unter amerikaniſcher Flagge zu nehmen, und der andere die ohne<lb/> Flagge Fahrenden abfangen könnte. Dieſer Vorſchlag unterliege jetzt der<lb/> Erwägung der amerikaniſchen Regierung, aber letztere habe ſich nie zu<lb/> dem Verſprechen verſtehen wollen das Geſetz in Bezug auf dieſe beſondern<lb/> Punkte zu verbeſſern. Es ſey wohl zu befürchten daß diejenigen recht haben<lb/> welche behaupten daß keine Verſchärfung der gegen den Sklavenhandel gerich-<lb/> teten Geſetze jetzt eine Ausſicht habe die Sanction des Congreſſes zu erlan-<lb/> gen. Aber die Regierung beſchäftige ſich ernſtlich mit dem Gegenſtand, und<lb/> er beabſichtige eine den Rechtspunkt erläuternde Depeſche an die verſchiedenen<lb/> Mächte zu erlaſſen.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 11 Jun.</dateline> <p>Niemals war es für die Deutſchen nothwendiger beſonnen und wachſam<lb/> zu ſeyn als eben jetzt. Von Paris aus beabſichtigt man das eben erſt im<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2749/0005]
von Piemont eingeſetzten Beamten im allgemeinen in ihren Stellen verblei-
ben. General Ulrich wird in Chambery verbleiben. Die Regimenter in Lyon,
welche zur Completirung der Beſatzungen Savoyens beſtimmt ſind, ſind ſchon
längſt bezeichnet; täglich ſieht man ihrem Aufbruch entgegen; nach den neue-
ſten Nachrichten wäre derſelbe heute zu erwarten. — In unſerm Großrath
kommt heute das Geſetz über die Militärtaxe, eine Taxe nämlich welcher die-
jenigen unterworfen werden ſollen welche aus irgendeinem Grund keinen Mi-
litärdienſt thun, zur dritten Leſung. Dieſes Geſetz, deſſen Billigkeit niemand
beſtreiten kann, hat ſchon zu hitzigen Debatten Veranlaſſung gegeben, und
auch heute wird es wohl nicht daran fehlen, denn wenn es den Leuten an den
Beutel geht, ſo werden ſie die Gründe dafür immer und überall ſchlecht
finden.
Großbritannien.
(Nähere Darſtellung der Parlamentsverhandlungen vom 8 Jun.) Im
Oberhaus hat Lord Brougham an ſeinen edlen Freund gegenüber
(Granville) eine Frage zu richten, die er hoffentlich in der Lage ſeyn werde
mit einer entſchiedenen Verneinung zu beantworten. Es liege ihm daran zu
wiſſen ob die Zeitungsberichte über das Bombardement Palermo’s begründet
ſeyen. Um der Ehre der Menſchheit willen wolle er hoffen daß die Kunde
von einer ſo beiſpielloſen Grauſamkeit der Begründung entbehre. Er nenne
ſie beiſpiellos, weil man ſelbſt dem verabſcheuungswürdigſten Tyrannen des
Alterthums, Nero, nur vorgeworfen daß er während des Brandes von Rom
leichtfertige Kurzweil trieb, nicht daß er eine Stadt gefliſſentlich in Brand
ſteckte, um unter ihren Hunderttauſenden von Einwohnern die Feinde die ihn
angriffen zu treffen und zu vernichten. *) Das Princip der Nichtintervention
müſſe gewiß heilig gehalten werden, aber wenn die erwähnten Gerüchte ſich
beſtätigen ſollten, ſo müſſe er ſagen daß es auf eine harte Probe geſtellt
worden ſey; denn bei all ſeiner Heiligkeit vermöge es doch die natürlichen Ge-
fühle der Menſchlichkeit in unſerm Herzen nicht zu erſticken. (Hört!) Graf
Granville bedauert ſagen zu müſſen daß die Regierung amtliche Nach-
richten über das Bombardement Palermo’s erhalten habe. Zu bemerken ſey
noch daß es weder üblich noch gelegen ſey nicht vorangezeigte die auswärtige
Politik betreffende Fragen zu beantworten. Lord Brougham erklärt daß
er abſichtlich die Frage nicht vorher angezeigt habe um den edlen Lord und
ſeine Collegen nicht zu einer Erwiederung zu zwingen. Graf v. Stanhope
erlaubt ſich die diplomatiſchen Beziehungen zu Rom der Aufmerkſamkeit der
Regierung zu empfehlen. Seit die Legation in Florenz aufgehört, werde der
Verkehr mit Rom durch einen Attaché der neapolitaniſchen Legation ver-
mittelt, was mancherlei Ungelegenheiten und Nachtheile verurſache. Seiner
Meinung nach könnte Ihrer Maj. Regierung ſich in directe diplomatiſche Be-
ziehungen zum Papſt ſetzen — eine Einrichtung die unter anderm auch der
brittiſchen Kunſt und den brittiſchen Künſtlern zum Segen gereichen würde.
Lord Wodehouſe glaubt zeigen zu können daß der gegenwärtige Augenblick
für die vorgeſchlagene Aenderung nicht gut gewählt ſeyn würde. Nach dem
Erlaß der Parlamentsacte von 1848 (unter dem Namen die Eglinton-Clauſel
bekannt, welche der Regierung verbietet römiſch-katholiſche Prieſter oder
Mönche als Geſandte zu empfangen) fand zu verſchiedenenmalen eine Cor-
reſpondenz mit dem römiſchen Hof über die Frage des diplomatiſchen Verkehrs
ſtatt, aber, weit entfernt den engliſchen Standpunkt als mit dem preußiſchen
und ruſſiſchen identiſch zu erachten, dachte der römiſche Hof daß zwiſchen
ihnen ein nicht geringer Unterſchied herrſche. Die ruſſiſche und die preußiſche
Regierung hätten bloß angedeutet daß ſie keinen Geiſtlichen als Geſandten
Roms zu empfangen wünſchten, und dieß ſey denn doch etwas ganz anderes
als eine Andeutung vermittelſt einer Parlamentsacte, wodurch die Prärogative
der Krone in Bezug auf den diplomatiſchen Verkehr mit einem einzigen Staat
der Welt beſchränkt werde. Es ſey wahr daß die Stellung eines Attaché
weniger Einfluß gewähre als die eines Geſandten, allein ebenſo wahr daß
Hr. Odo Ruſſell, gleich ſeinen Vorgängern, das diplomatiſche Geſchäft in
Rom zur vollkommenen Zufriedenheit der Regierung verſehen habe. Er
müſſe erwähnen daß der römiſche Hof ſich gern bereit erklärte ſo oft als
nöthig eine Specialmiſſion zu empfangen; aber wenn die Regierung den
Wunſch ausſpräche einen permanenten Vertreter nach Rom zu ſenden, ſo
würde ſie, fürchte er, ſich einer abſchlägigen Antwort ausſetzen und dem
römiſchen Hof eine Verlegenheit bereiten. Sein edler Freund an der Spitze
des Auswärtigen (Lord John Ruſſell) halte den Augenblick für durchaus un-
günſtig um einen ſolchen Schritt zu thun. Sowohl in England wie auf den
Continent habe man irriger Weiſe vermuthet daß Ihre Maj. Regierung ſich
in dreiſter (forward) Manier befliſſen habe dem Souverän von Rom eine
Politik die von der jetzt befolgten verſchieden wäre aufzudrängen. Es ſey von
Wichtigkeit über dieſen Punkt kein Mißverſtändniß obwalten zu laſſen. Das
gegenwärtige Miniſterium habe allerdings gleich mehreren ſeiner Vorgänger
den Wunſch gehegt daß der Souverän Roms in ſeiner Verwaltung gewiſſe
Aenderungen vornehmen möchte, aber zugleich gedacht daß es England als
einem vorzugsweiſe proteſtantiſchen Staat nicht anſtehen würde ſich mit ſeinen
Reformempfehlungen ſo ſehr in den Vordergrund zu ſtellen wie die natürlich
einflußretcheren katholiſchen Staaten des Continents. Ihrer Maj. Regierung
habe ſich daher darauf beſchränkt die guten Rathſchläge zu unterſtützen welche
dem Papſt von jenen katholiſchen Staaten, insbeſondere von Frankreich, zu
verſchiedenenmalen ertheilt wurden. Dieſe Vorſtellungen fanden bei der
römiſchen Regierung eine freundliche Aufnahme, blieben jedoch, wie er leider
ſagen müſſe, ohne praktiſche Folge. Wenn der Souverän von Rom jemals
den Wunſch ausſprechen ſollte daß ein Geſandter bei ihm beglaubigt werde,
ſo werde Ihrer Maj. Regierung ohne Zweifel nichts dagegen einzuwenden
haben. Der Graf v. Malmesbury ſtimmt in das Hrn. O. Ruſſell ge-
ſpendete Lob vollkommen ein, und glaubt nur daß es unter den gegenwärtigen
Verhältniſſen zweckmäßiger geweſen wäre ihn der Miſſion in Turin als der
in Neapel zu attachiren. Dem edlen und gelehrten Lord der auf die tragi-
ſchen Vorgänge in Palermo aufmerkſam gemacht, ſowie dem Haus überhaupt
könne er nicht genug die Nothwendigkeit größerer Vorſicht im Urtheil über
italieniſche Angelegenheiten aus Herz legen. (Hört, hört!) Wenn man den
König von Neapel wegen des durch das Bombardement Palermo’s ver-
urſachten Verluſtes an Menſchenleben tadle, ſo fordere man zu der Ent-
gegnung heraus daß der König Victor Emmanuel erſt im Jahr 1849 die
Stadt Genua bombardirte als ſie in derſelben Weiſe und von demſelben Mann,
Garibaldi, gewaltſam in Beſitz genommen wurde. (Hört!) Gott behüte ihn
den einen oder andern dieſer Acte zu rechtfertigen. Er wolle nur zeigen daß
man durch voreilige Bemerkungen ſich herbe Gegenbemerkungen und Schwierig-
keiten, die noch größere Bedeutung hätten, zuziehen könne. (Hört, hört!) Der
Marquis v. Normanby kann den Leiſtungen Hrn. O. Ruſſells nur gutes
nachſagen, iſt indeß der Meinung Lord Stanhope’s. Einige von dem letztern
gewünſchte Vorlagen werden angeordnet.
Im Unterhaus wünſcht Hr. Seymour Fitzgerald zu wiſſen wie
weit es den in Paris ſitzenden brittiſchen Commiſſarien geglückt ſey für die
Verwandlung der ad valorem Zölle auf brittiſche Producte in ſpecifiſche
Zölle zu wirken. Der Schatzkanzler ſagt daß der Regierung noch nichts
endgültiges darüber mitgetheilt ſey. Da es ſich lediglich um eine Arrangi-
rung von Details handle, ſo gebe es kein beſtimmtes Stadium wo den Com-
miſſarien vorgeſchrieben wäre einen Bericht abzuſtatten. Der Wortlaut des
Vertrags ſey ihm nicht ganz gegenwärtig, doch ſcheine ihm daß der ehrenw.
Gentleman ſich irre wenn er annehme daß die Nichtverwandlung zur Folge
haben müſſe daß die ad valorem Zölle nach den Maximal-Sätzen erhoben
werden würden. Auf eine Frage von Hrn. Kinnaird erwiedert Lord J.
Ruſſell: es ſey nur zu wahr, und beklagenswerth, daß es mit allen von England
gebrachten Opfern doch nicht gelungen ſey dem Sklavenhandel überall ein
Ende zu machen, und daß jährlich 30,000 bis 40,000 Neger aus Afrika auf
der Inſel Cuba gelandet werden. Großentheils habe man dieſen Stand
der Dinge den Mängeln des amerikaniſchen Geſetzes über den Sklavenhan-
del zuzuſchreiben. Nach dem engliſchen Vertrag können Schiffe die für den
Sklavenhandel ausgerüſtet ſind von engliſchen Kreuzern aufgebracht werden
aber amerikaniſchen Kreuzern gebe das amerikaniſche Geſetz keine ſolche Er-
mächtigung. Ein Sklavenfahrer der ſich in den Gewäſſern von Cuba
ohne Flagge blicken laſſe, könne von einem engliſchen Kreuzer genom-
men werden; ein amerikaniſcher Kreuzer dagegen könne ihm nichts anhaben,
wenn derſelbe ſeine Papiere und ſeine Flagge verbrannt oder über Bord ge-
worfen habe. Ihrer Maj. Regierung habe den Vereinigten Staaten einen
Cooperationsplan vorgeſchlagen, daß nämlich engliſche und amerikaniſche
Kreuzer zuſammen ſegeln ſollten, wo dann der eine ermächtigt wäre die Skla-
venfahrer unter amerikaniſcher Flagge zu nehmen, und der andere die ohne
Flagge Fahrenden abfangen könnte. Dieſer Vorſchlag unterliege jetzt der
Erwägung der amerikaniſchen Regierung, aber letztere habe ſich nie zu
dem Verſprechen verſtehen wollen das Geſetz in Bezug auf dieſe beſondern
Punkte zu verbeſſern. Es ſey wohl zu befürchten daß diejenigen recht haben
welche behaupten daß keine Verſchärfung der gegen den Sklavenhandel gerich-
teten Geſetze jetzt eine Ausſicht habe die Sanction des Congreſſes zu erlan-
gen. Aber die Regierung beſchäftige ſich ernſtlich mit dem Gegenſtand, und
er beabſichtige eine den Rechtspunkt erläuternde Depeſche an die verſchiedenen
Mächte zu erlaſſen.
Frankreich.
Paris, 11 Jun. Niemals war es für die Deutſchen nothwendiger beſonnen und wachſam
zu ſeyn als eben jetzt. Von Paris aus beabſichtigt man das eben erſt im
*) Die unglückliche Stadt Palermo iſt gewiß bedauernswerth; aber man darf
doch fragen: würde ein engliſcher General in derſelben Lage wie die Nea-
politauer anders handeln, und ſich etwa darauf beſchränken einem Feind der
ſich in einer engliſchen Stadt feſtgeſetzt hätte, und von einem großen Theil der
ſtädtiſchen Bevölkerung unterſtützt würde, bloß mit Flinte und Bajonnett Wider-
ſtand zu leiſten? Auch bei jeder Belagerung hat eine Menge harmloſer
Menſchen zu leiden, die gern ruhig und in Frieden blieben; aber haben darum
vor zwei Jahren die Engländer ſich enthalten Delhi zu bombardiren, und einen
guten Theil von Lakhno zuſammenzuſchießen? Man kann den Krieg über-
haupt als ein Unglück beklagen, aber wer den Krieg will, muß auch ſeine Con-
ſequenzen hinnehmen.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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