Allgemeine Zeitung, Nr. 31, 31. Januar 1850.[Spaltenumbruch]
des Consuls eigentliches Vorhaben entdeckt. Kossuth, das war der Plan, Gestern fand in der ägyptischen Halle des Stadthauses (mansion- Frankreich. Paris, 27 Jan. Die Freisprechung der "Presse" wird von den Oppositionsjournalen Die Verhandlung über den Antrag des Generals Baraguay d'Hilliers Sun Paris, 26 Jan. Die stürmischen Verhandlungen über das Paris, 24 Jan. Nirgendwo ist der Kampf zwischen der Re- *) Schumla ist jenseits der Donaufürstenthümer, mitten im Balkan, gegen 200
Stunden von Croatien gelegen; und auf dem Wege gegen die Seeküste, d. h. mitten im türkischen Gebiet, soll eine Croatenbande Kossuth ausheben! Eben wurde in Pesth der Mörder Lambergs hingerichtet, dessen That Kos- suth eine glorreiche genannt hatte. Und nun wird jene abenteuerliche Fa- bel, auf Grund der Aussage eines geflüchteten Soldaten, verkündigt. Da die englischen Blätter versichern, die Sache sey Stadtgespräch in Konstan- tinopel, so bitten wir doch unsre dortigen HH. Berichterstatter um Aus- kunft. [Spaltenumbruch]
des Conſuls eigentliches Vorhaben entdeckt. Koſſuth, das war der Plan, Geſtern fand in der ägyptiſchen Halle des Stadthauſes (mansion- Frankreich. Paris, 27 Jan. Die Freiſprechung der „Preſſe“ wird von den Oppoſitionsjournalen Die Verhandlung über den Antrag des Generals Baraguay d’Hilliers ☉ Paris, 26 Jan. Die ſtürmiſchen Verhandlungen über das ♂ Paris, 24 Jan. Nirgendwo iſt der Kampf zwiſchen der Re- *) Schumla iſt jenſeits der Donaufürſtenthümer, mitten im Balkan, gegen 200
Stunden von Croatien gelegen; und auf dem Wege gegen die Seeküſte, d. h. mitten im türkiſchen Gebiet, ſoll eine Croatenbande Koſſuth auſheben! Eben wurde in Peſth der Mörder Lambergs hingerichtet, deſſen That Koſ- ſuth eine glorreiche genannt hatte. Und nun wird jene abenteuerliche Fa- bel, auf Grund der Ausſage eines geflüchteten Soldaten, verkündigt. Da die engliſchen Blätter verſichern, die Sache ſey Stadtgeſpräch in Konſtan- tinopel, ſo bitten wir doch unſre dortigen HH. Berichterſtatter um Aus- kunft. <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0007" n="487"/><cb/> des Conſuls eigentliches Vorhaben entdeckt. Koſſuth, das war der Plan,<lb/> ſollte von ſeiner Wohnung weggelockt, und dann von einer auf dem Wege<lb/> nach der Seeküſte poſtirten Croatenbande gemordet werden. Wie die Ent-<lb/> deckung gemacht worden? darüber gibt es mehrere Verſionen. Der Cor-<lb/> reſpondent des M. Herald ſchreibt ſie dem brittiſchen Conſul in Schumla,<lb/> Oberſt Noel, zu. Doch wie dem auch ſeyn möge, ganz gewiß iſt daß Sir<lb/> St. Canning alsbald von dieſem empörenden Verrath, ſowie von den die<lb/> öſterreichiſche Regierung ſelbſt verwickelnden Umſtänden in Kenntniß ge-<lb/> ſetzt wurde. Unter ſeiner Mitwirkung ſind die türkiſchen Behörden nun<lb/> mit einer Unterſuchung des ganzen Complotts beſchäftigt, und ehe viele<lb/> Tage vergehen, wird das Ergebniß ihrer Nachforſchungen, was es auch<lb/> ſeyn mag, der Welt vorgelegt werden. Wir ſind ſehr geſpannt ob die<lb/> öſterreichiſche Geſandtſchaft uns mit einer Erörterung oder directen Ver-<lb/> neinung der Sache begünſtigen wird.“<note place="foot" n="*)">Schumla iſt jenſeits der Donaufürſtenthümer, mitten im Balkan, gegen 200<lb/> Stunden von Croatien gelegen; und auf dem Wege gegen die Seeküſte,<lb/> d. h. mitten im türkiſchen Gebiet, ſoll eine Croatenbande Koſſuth auſheben!<lb/> Eben wurde in Peſth der Mörder Lambergs hingerichtet, deſſen That Koſ-<lb/> ſuth eine glorreiche genannt hatte. Und nun wird jene abenteuerliche Fa-<lb/> bel, auf Grund der Ausſage eines geflüchteten Soldaten, verkündigt. Da<lb/> die engliſchen Blätter verſichern, die Sache ſey Stadtgeſpräch in Konſtan-<lb/> tinopel, ſo bitten wir doch unſre dortigen HH. Berichterſtatter um Aus-<lb/> kunft.</note> — Der <hi rendition="#g">Sun</hi> meldet: Koſſuths<lb/> Gattin ſey ihrer Aufſicht entkommen, und auf dem Wege zu ihrem Gat-<lb/> ten in Schumla. 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Um ſo eifriger ſind die conſervativen Organe, der Conſtitutionnel<lb/> voran, zur Eintracht zu ermahnen, weil nur feſtes Zuſammenhalten<lb/> möglich mache gegen die Fortſchritte der moraliſchen Desorganiſation an-<lb/> zukämpfen. Noch beſteht die Coalition gegen den gemeinſchaftlichen<lb/> Feind, den Socialismus, aber ſie ſteht offenbar auf ſchwachen Fü-<lb/> ßen, beſonders iſt der Bruch zwiſchen den Legitimiſten und Bona-<lb/> partiſten unheilbar. Ein Hauptorgan der letztern, le Dix Décembre,<lb/> enthält merkwürdige Klagen: „Die Legitimiſten ſcheinen ſich nur dar-<lb/> in hervorzuthun daß ſie auf Einſchüchterung der Bonaparte’ſchen Par-<lb/> tei hin wirken. Wenn ſie drohen, angreifen, ſoll man alles von<lb/> ihnen hinnehmen, weil ſie im geheiligten Namen der Ordnung ſpre-<lb/> chen, deren wahre Dolmetſcher und einzig mögliche Vertheidiger<lb/> ſie ja ſind. Wenn ſie zufälligerweiſe kein Begehren haben, was<lb/> ſelten iſt, ſind ſie von einer umbringenden Laune, und laſſen die liberale<lb/> Partei, namentlich die Bonaparte’ſche Partei, ihre Bitterkeit empfinden.<lb/> Ha! das iſt eine Freundſchaft um theuren Preis. Es ſcheint daß dieſe<lb/> arme Bonaparte’ſche Partei, wie ein gemeiner Mann der eine Mißheirath<lb/> verſucht hat, ſich das wunderlichſte Zeug von ſeiner ungebärdigen Hälfte<lb/> gefallen laſſen ſoll.“ In dieſem Ton geht es ſort und zuletzt kommt die<lb/> Warnung: „Ihr allzu machtſüchtigen Legitimiſten, glaubt uns, ihr dürft<lb/> beſcheidener in euren Gegenanſchuldigungen ſeyn. Ihr vergeſſet zu ſchnell<lb/> oder ihr verſchmähet zu ſehr die Anwandlungen des Volks. Dieſes Volk<lb/> brauchte einen Gedanken ſo großartig als die Bonaparte’ſche Idee, um<lb/> die Autorität in der Freiheit anzunehmen der ſich Menſchen, die des Jo-<lb/> ches müde ſind, ſo ſchwer unterwerſen. Sobald ſie hinter dem Adler<lb/> und den drei Farben von Marengo, von Auſterlitz den grünen Rock des<lb/> Koſaken und den Leibrock des Ultramontanen ſich erheben ſähen, würden<lb/> alle demokratiſchen Raſereien ſich entfeſſeln, und wer weiß was aus den<lb/><cb/> Koſaten und den Abbés werden würde? Darum, ihr Legitimiſten, ſeyd<lb/> gegen die arme Bonaparte’ſche Partei freundlicher.“ In dieſen Apoſtro-<lb/> phen liegt jedenfalls ein unzweideutiges Geſtändniß der Schwäche des Bo-<lb/> napartismus. Dieſes würde eine neue Beſtätigung erhalten wenn es<lb/> wahr iſt was mehrere Blätter behaupten daß der Sonntagskaiſer, der<lb/> einen ſo ſtolzen Anlauf genommen hat, bereits wieder aufgegeben iſt.<lb/> Eine vierte Nummer iſt wenigſtens nicht erſchienen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Die Verhandlung über den Antrag des Generals Baraguay d’Hilliers<lb/> hat noch die ganze geſtrige Sitzung ausgefüllt, und der Antrag nicht nur an<lb/> dem Oberſt Charras, ſondern ſelbſt an den Generalen Lamoricière und Gour-<lb/> gand Gegner gefunden. Die Majorität hatte in dem Princip der Unent-<lb/> geltlichkeit, obgleich gezeigt wurde daß es in Frankreich in dieſer Kate-<lb/> gorie des Unterrichts unter dem alten Staat Geltung gehabt und ſie heute<lb/> noch in Rußland habe, etwas ſocialiſtiſches entdeckt, und ſo wurde be-<lb/> ſchloſſen die von Hrn. Leverrier (dem Aſtronomen) als Berichterſtatter<lb/> vertheidigte Propoſition zu einer zweiten Berathung zuzulaſſen. Im Ver-<lb/> lauf der Sitzung wurde der äußerſt umfaſſende Bericht über öffentliche<lb/> Unterſtützung von Hrn. Thiers vorgelegt. Auch die Commiſſion über<lb/> das Mobilgardengeſetz hat ihre Arbeit beendigt: ſie pflichtet dem Regie-<lb/> rungsentwurf bei und ſchlägt nur noch einen Zuſatzparagraphen vor, wel-<lb/> cher den Officieren, Unterofficieren und Soldaten der Mobilgarde erlaubt<lb/> die Concurſe der Militärſchulen 1850 und 1851 mitzumachen.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline>☉ <hi rendition="#b">Paris,</hi> 26 Jan.</dateline> <p>Die ſtürmiſchen Verhandlungen über das<lb/> Transportationsgeſetz haben wenigſtens das Gute gehabt daß ſie der Majo-<lb/> rität die Augen öffneten über die Gefahr welche ſie durch ihren innern<lb/> Hader und ihr geſpanntes Verhältniß zu der Regierung herauf zu beſchwö-<lb/> ren im Begriff war. Denn die Montagne, welche in der Regel trotz ihrer<lb/> Leidenſchaftlichkeit ganz genau weiß was ſie thut und wie weit ſie gehen darf,<lb/> ließ ſich dießmal zu einem groben Fehler hinreißen, indem ſie die Junius-<lb/> Inſurrection ſelber zu rehabilitiren ſuchte, anſtatt ſich darauf zu beſchrän-<lb/> ken die unpraktiſche Seite des Geſetzvorſchlags hervorzuheben, der ur-<lb/> ſprünglich ſogar von einem großen Theile der Majorität mißbilligt wor-<lb/> den war. Und letzteres nicht mit Unrecht, denn es gehört ſicher eine ſtarke<lb/> Doſis von Zuverſicht dazu um ſich einzubilden ſolche Geſellen wie die in<lb/> Belle-Isle eingeſperrten werden brauchbare Coloniſten abgeben, während<lb/> alle Coloniſationsverſuche mit Leuten von gutem Willen das kläglichſte<lb/> Reſultat gehabt haben. Aber dieſe Berückſichtigung, ſowie alle andern<lb/> Gründe welche gegen einen Plan ankämpfen zu deſſen Ausführung —<lb/> beiläufig geſagt — bis jetzt noch gar keine Vorbereitungen getroffen ſind,<lb/> verſchwanden vor den Beſorgniſſen, oder um das Ding mit dem rechten<lb/> Namen zu nennen, vor der Furcht welche die Declamationen der Mon-<lb/> tagne einflößten. Die Majorität begriff daß der Sieg der Demagogen<lb/> in dieſer Angelegenheit keine gewöhnlicher ſeyn würde, und votirte nicht<lb/> bloß das Geſetz, ſondern gab auch durch die Verwerfung des etwas per-<lb/> fiden Amendements Lamoricière’s der ausübenden Gewalt einen Beweis<lb/> ihres Zutrauens. Noch heilſamer ſind die mittelbaren Folgen der parla-<lb/> mentariſchen Debatten dieſer Woche, weil ſie, wie es wenigſtens ſcheint,<lb/> die verſchiedenen Fractionen der Majorität und die Regierung dem ge-<lb/> meinſchaftlichen Feinden gegenüber der Verſöhnung geneigt machten.<lb/> Selbſt der excluſive Theil der Legitimiſten hat ſeinen unwirſchen Ton<lb/> etwas herabgeſtimmt, und predigt in der Opinion publique Eintracht und<lb/> Friede, während Thiers, Berryer und Montalembert ſich bemühen den<lb/> auseinanderge allenen Staatsrathverein wieder herzuſtellen. Die Regie-<lb/> rung aber, ſo heißt es, will ihre Liebe zu einem herzlichen Einverſtändniß<lb/> dadurch bekunden daß ſie den Störenfried „Napoleon“ zum Schweigen ver-<lb/> urtheilt. Was man ſeit einigen Tagen von Agitationen unter der Arbei-<lb/> terbevölkerung der Faubourg ſich erzählt hat, war aus der Luft gegrif-<lb/> fen. Nichtsdeſtoweniger iſt die gute Wacht welche Changarnier hält,<lb/> nicht überflüſſig, und iſt es ſehr weiſe das man die Wühler von Zeit zu<lb/> Zeit durch militäriſche Promenaden in den Straßen von Paris an die Ge-<lb/> genwart bedeuten der Streitkräfte erinnert.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline>♂ <hi rendition="#b">Paris,</hi> 24 Jan.</dateline> <p>Nirgendwo iſt der Kampf zwiſchen der Re-<lb/> volution und der Geſellſchaft wie ſie noch beſteht und noch lange, hoff’<lb/> ich, wenn auch gepeitſcht von furchtbaren Stürmen, beſtehen wird, ſo<lb/> entſchieden und ſo direct als auf dem Boden des öffentlichen Unterrichts.<lb/> Hier ſteht auf der einen Seite die Maſſe derer welche mehr oder minder<lb/> bewußt die Unfehlbarkeit der menſchlichen Vernunft nicht bloß im Meſſen,<lb/> Zählen und Schließen, ſondern auch im Beſtimmen von Gut und Bös,<lb/> Recht und Unrecht, Zeitlich und Ewig vorausſetzen, und den Grund alles<lb/> menſchlichen Uebels nicht in dem Menſchen ſelbſt, ſondern in dem Medium<lb/> ſehen in dem er ſich bewegt. Auf der andern Seite befinden ſich erſtens<lb/> alle die den religiöſen Ueberlieferungen unbedingt treugeblieben, und ſo-<lb/> dann diejenigen die den geſchaffenen Geiſtern zwar eine vollkommen rich-<lb/> tige Einſicht in ihre eigenen Geſetze ſowie die Kraft begränzte Verhältniſſe<lb/> zu erkennen und zu ändern, aber weder eine Fähigkeit unendlicher An-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [487/0007]
des Conſuls eigentliches Vorhaben entdeckt. Koſſuth, das war der Plan,
ſollte von ſeiner Wohnung weggelockt, und dann von einer auf dem Wege
nach der Seeküſte poſtirten Croatenbande gemordet werden. Wie die Ent-
deckung gemacht worden? darüber gibt es mehrere Verſionen. Der Cor-
reſpondent des M. Herald ſchreibt ſie dem brittiſchen Conſul in Schumla,
Oberſt Noel, zu. Doch wie dem auch ſeyn möge, ganz gewiß iſt daß Sir
St. Canning alsbald von dieſem empörenden Verrath, ſowie von den die
öſterreichiſche Regierung ſelbſt verwickelnden Umſtänden in Kenntniß ge-
ſetzt wurde. Unter ſeiner Mitwirkung ſind die türkiſchen Behörden nun
mit einer Unterſuchung des ganzen Complotts beſchäftigt, und ehe viele
Tage vergehen, wird das Ergebniß ihrer Nachforſchungen, was es auch
ſeyn mag, der Welt vorgelegt werden. Wir ſind ſehr geſpannt ob die
öſterreichiſche Geſandtſchaft uns mit einer Erörterung oder directen Ver-
neinung der Sache begünſtigen wird.“ *) — Der Sun meldet: Koſſuths
Gattin ſey ihrer Aufſicht entkommen, und auf dem Wege zu ihrem Gat-
ten in Schumla. War’s ihr überhaupt verwehrt?
Geſtern fand in der ägyptiſchen Halle des Stadthauſes (mansion-
house) die angekündigte große Verſammlung zur Förderung der Indu-
ſtrie-Ausſtellung im Jahr 1851 ſtatt. Der Lordmayor führte den Vorſitz,
und alle angeſehenſten Bankiers und Kaufherren der Altſtadt waren an-
weſend; von Seite des Miniſteriums aber Lord John Ruſſell und der
Finanz- und Handelsminiſter. Eine Reihe Beſchlüſſe wurde vorgeſchla-
gen und unter Zuruf angenommen, darunter folgende von Lord J. Ruſſell:
„Nach der Anſicht dieſer Verſammlung ſollen die Anordnungen zu dieſer
Ausſtellung nach einem Maßſtabe gemacht werden welcher zu der Wichtig-
keit der Sache im Verhältniß ſtehe, und die zu dieſem Zweck nöthigen gro-
ßen Fonds ſind vielmehr durch freiwillige Privatbeiträge als aus den
Staatseinkünften zu beſchaffen.“ Mehr als 10,000 Pf. St. wurden gleich
auf der Stelle gezeichnet, wobei jedoch die ſchon erwähnten Gaben der
Königin und des Prinzen Albert mitgerechnet ſind. Die Miniſter Ruſſell,
Lansdowne, Labouchere, Sir G. Grey, Sir Ch. Wood und Sir J. C.
Hobhauſe haben jeder 100 Pf. unterſchrieben; Hr. T. Baring, der Ma-
rineminiſter (zugleich Bankier) 500, Hr. Samuel Gurney 500, die beiden
Rothſchild 1000 Pf. u. ſ. w.
Frankreich.
Paris, 27 Jan.
Die Freiſprechung der „Preſſe“ wird von den Oppoſitionsjournalen
als ein glänzender Sieg gefeiert. Hr. E. Girardin ſelbſt hat mit der
Berichterſtattung über die Proceßverhandlungen ſein halbes Blatt ge-
füllt. Um ſo eifriger ſind die conſervativen Organe, der Conſtitutionnel
voran, zur Eintracht zu ermahnen, weil nur feſtes Zuſammenhalten
möglich mache gegen die Fortſchritte der moraliſchen Desorganiſation an-
zukämpfen. Noch beſteht die Coalition gegen den gemeinſchaftlichen
Feind, den Socialismus, aber ſie ſteht offenbar auf ſchwachen Fü-
ßen, beſonders iſt der Bruch zwiſchen den Legitimiſten und Bona-
partiſten unheilbar. Ein Hauptorgan der letztern, le Dix Décembre,
enthält merkwürdige Klagen: „Die Legitimiſten ſcheinen ſich nur dar-
in hervorzuthun daß ſie auf Einſchüchterung der Bonaparte’ſchen Par-
tei hin wirken. Wenn ſie drohen, angreifen, ſoll man alles von
ihnen hinnehmen, weil ſie im geheiligten Namen der Ordnung ſpre-
chen, deren wahre Dolmetſcher und einzig mögliche Vertheidiger
ſie ja ſind. Wenn ſie zufälligerweiſe kein Begehren haben, was
ſelten iſt, ſind ſie von einer umbringenden Laune, und laſſen die liberale
Partei, namentlich die Bonaparte’ſche Partei, ihre Bitterkeit empfinden.
Ha! das iſt eine Freundſchaft um theuren Preis. Es ſcheint daß dieſe
arme Bonaparte’ſche Partei, wie ein gemeiner Mann der eine Mißheirath
verſucht hat, ſich das wunderlichſte Zeug von ſeiner ungebärdigen Hälfte
gefallen laſſen ſoll.“ In dieſem Ton geht es ſort und zuletzt kommt die
Warnung: „Ihr allzu machtſüchtigen Legitimiſten, glaubt uns, ihr dürft
beſcheidener in euren Gegenanſchuldigungen ſeyn. Ihr vergeſſet zu ſchnell
oder ihr verſchmähet zu ſehr die Anwandlungen des Volks. Dieſes Volk
brauchte einen Gedanken ſo großartig als die Bonaparte’ſche Idee, um
die Autorität in der Freiheit anzunehmen der ſich Menſchen, die des Jo-
ches müde ſind, ſo ſchwer unterwerſen. Sobald ſie hinter dem Adler
und den drei Farben von Marengo, von Auſterlitz den grünen Rock des
Koſaken und den Leibrock des Ultramontanen ſich erheben ſähen, würden
alle demokratiſchen Raſereien ſich entfeſſeln, und wer weiß was aus den
Koſaten und den Abbés werden würde? Darum, ihr Legitimiſten, ſeyd
gegen die arme Bonaparte’ſche Partei freundlicher.“ In dieſen Apoſtro-
phen liegt jedenfalls ein unzweideutiges Geſtändniß der Schwäche des Bo-
napartismus. Dieſes würde eine neue Beſtätigung erhalten wenn es
wahr iſt was mehrere Blätter behaupten daß der Sonntagskaiſer, der
einen ſo ſtolzen Anlauf genommen hat, bereits wieder aufgegeben iſt.
Eine vierte Nummer iſt wenigſtens nicht erſchienen.
Die Verhandlung über den Antrag des Generals Baraguay d’Hilliers
hat noch die ganze geſtrige Sitzung ausgefüllt, und der Antrag nicht nur an
dem Oberſt Charras, ſondern ſelbſt an den Generalen Lamoricière und Gour-
gand Gegner gefunden. Die Majorität hatte in dem Princip der Unent-
geltlichkeit, obgleich gezeigt wurde daß es in Frankreich in dieſer Kate-
gorie des Unterrichts unter dem alten Staat Geltung gehabt und ſie heute
noch in Rußland habe, etwas ſocialiſtiſches entdeckt, und ſo wurde be-
ſchloſſen die von Hrn. Leverrier (dem Aſtronomen) als Berichterſtatter
vertheidigte Propoſition zu einer zweiten Berathung zuzulaſſen. Im Ver-
lauf der Sitzung wurde der äußerſt umfaſſende Bericht über öffentliche
Unterſtützung von Hrn. Thiers vorgelegt. Auch die Commiſſion über
das Mobilgardengeſetz hat ihre Arbeit beendigt: ſie pflichtet dem Regie-
rungsentwurf bei und ſchlägt nur noch einen Zuſatzparagraphen vor, wel-
cher den Officieren, Unterofficieren und Soldaten der Mobilgarde erlaubt
die Concurſe der Militärſchulen 1850 und 1851 mitzumachen.
☉ Paris, 26 Jan. Die ſtürmiſchen Verhandlungen über das
Transportationsgeſetz haben wenigſtens das Gute gehabt daß ſie der Majo-
rität die Augen öffneten über die Gefahr welche ſie durch ihren innern
Hader und ihr geſpanntes Verhältniß zu der Regierung herauf zu beſchwö-
ren im Begriff war. Denn die Montagne, welche in der Regel trotz ihrer
Leidenſchaftlichkeit ganz genau weiß was ſie thut und wie weit ſie gehen darf,
ließ ſich dießmal zu einem groben Fehler hinreißen, indem ſie die Junius-
Inſurrection ſelber zu rehabilitiren ſuchte, anſtatt ſich darauf zu beſchrän-
ken die unpraktiſche Seite des Geſetzvorſchlags hervorzuheben, der ur-
ſprünglich ſogar von einem großen Theile der Majorität mißbilligt wor-
den war. Und letzteres nicht mit Unrecht, denn es gehört ſicher eine ſtarke
Doſis von Zuverſicht dazu um ſich einzubilden ſolche Geſellen wie die in
Belle-Isle eingeſperrten werden brauchbare Coloniſten abgeben, während
alle Coloniſationsverſuche mit Leuten von gutem Willen das kläglichſte
Reſultat gehabt haben. Aber dieſe Berückſichtigung, ſowie alle andern
Gründe welche gegen einen Plan ankämpfen zu deſſen Ausführung —
beiläufig geſagt — bis jetzt noch gar keine Vorbereitungen getroffen ſind,
verſchwanden vor den Beſorgniſſen, oder um das Ding mit dem rechten
Namen zu nennen, vor der Furcht welche die Declamationen der Mon-
tagne einflößten. Die Majorität begriff daß der Sieg der Demagogen
in dieſer Angelegenheit keine gewöhnlicher ſeyn würde, und votirte nicht
bloß das Geſetz, ſondern gab auch durch die Verwerfung des etwas per-
fiden Amendements Lamoricière’s der ausübenden Gewalt einen Beweis
ihres Zutrauens. Noch heilſamer ſind die mittelbaren Folgen der parla-
mentariſchen Debatten dieſer Woche, weil ſie, wie es wenigſtens ſcheint,
die verſchiedenen Fractionen der Majorität und die Regierung dem ge-
meinſchaftlichen Feinden gegenüber der Verſöhnung geneigt machten.
Selbſt der excluſive Theil der Legitimiſten hat ſeinen unwirſchen Ton
etwas herabgeſtimmt, und predigt in der Opinion publique Eintracht und
Friede, während Thiers, Berryer und Montalembert ſich bemühen den
auseinanderge allenen Staatsrathverein wieder herzuſtellen. Die Regie-
rung aber, ſo heißt es, will ihre Liebe zu einem herzlichen Einverſtändniß
dadurch bekunden daß ſie den Störenfried „Napoleon“ zum Schweigen ver-
urtheilt. Was man ſeit einigen Tagen von Agitationen unter der Arbei-
terbevölkerung der Faubourg ſich erzählt hat, war aus der Luft gegrif-
fen. Nichtsdeſtoweniger iſt die gute Wacht welche Changarnier hält,
nicht überflüſſig, und iſt es ſehr weiſe das man die Wühler von Zeit zu
Zeit durch militäriſche Promenaden in den Straßen von Paris an die Ge-
genwart bedeuten der Streitkräfte erinnert.
♂ Paris, 24 Jan. Nirgendwo iſt der Kampf zwiſchen der Re-
volution und der Geſellſchaft wie ſie noch beſteht und noch lange, hoff’
ich, wenn auch gepeitſcht von furchtbaren Stürmen, beſtehen wird, ſo
entſchieden und ſo direct als auf dem Boden des öffentlichen Unterrichts.
Hier ſteht auf der einen Seite die Maſſe derer welche mehr oder minder
bewußt die Unfehlbarkeit der menſchlichen Vernunft nicht bloß im Meſſen,
Zählen und Schließen, ſondern auch im Beſtimmen von Gut und Bös,
Recht und Unrecht, Zeitlich und Ewig vorausſetzen, und den Grund alles
menſchlichen Uebels nicht in dem Menſchen ſelbſt, ſondern in dem Medium
ſehen in dem er ſich bewegt. Auf der andern Seite befinden ſich erſtens
alle die den religiöſen Ueberlieferungen unbedingt treugeblieben, und ſo-
dann diejenigen die den geſchaffenen Geiſtern zwar eine vollkommen rich-
tige Einſicht in ihre eigenen Geſetze ſowie die Kraft begränzte Verhältniſſe
zu erkennen und zu ändern, aber weder eine Fähigkeit unendlicher An-
*) Schumla iſt jenſeits der Donaufürſtenthümer, mitten im Balkan, gegen 200
Stunden von Croatien gelegen; und auf dem Wege gegen die Seeküſte,
d. h. mitten im türkiſchen Gebiet, ſoll eine Croatenbande Koſſuth auſheben!
Eben wurde in Peſth der Mörder Lambergs hingerichtet, deſſen That Koſ-
ſuth eine glorreiche genannt hatte. Und nun wird jene abenteuerliche Fa-
bel, auf Grund der Ausſage eines geflüchteten Soldaten, verkündigt. Da
die engliſchen Blätter verſichern, die Sache ſey Stadtgeſpräch in Konſtan-
tinopel, ſo bitten wir doch unſre dortigen HH. Berichterſtatter um Aus-
kunft.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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