Allgemeine Zeitung, Nr. 31, 1. August 1914.Allgemeine Zeitung 1. August 1914. [Spaltenumbruch]
sondern innerlich zusammengehörten, daß sie gemeinsam zu demeinen großen Ziele hinarbeiten, daß kein anderes ist als der Wohl- stand und das Gedeihen des ganzen deutschen Volkes. Als Gegner aber sah das Bismarcksche Kartell alle Mächte und Parteien an, welche entweder, wie die Sozialdemokratie den allgemeinen Umsturz und die allgemeine Expropriation aller Produktivmittel, d. h. des Ackers, der Fabriken, Werkstätten usw. forderte, oder welche wie die Deutsch-freisinnige Partei nicht eine Vertretung des schaffenden Bür- gertums, sondern des ausbeutenden, internationalen oder Börsen- kapitals seien. Dieser durch und durch gesunde Gedanke eines Kartells aller Das Werk des Herrn Bassermann nun ist es gewesen, dieses Gewiß hat Herr Bassermann so wenig wie seine Partei bei Das Bedenklichste aber ist, daß unter Herrn Bassermanns Wenn somit das Werk des Herrn Bassermann leider darin So haben die rechtsstehenden Parteien keine Ursache, in die Und so können wir auch nicht finden, daß die Reden des Herrn Gerade die heutige Kriegsgefahr sollte, meinen wir, jedem Heute, wo einflußreiche sozialdemokratische Blätter in einer Die Abrechnung mit Serbien. Wien, 28. Juli.Endlich! Ein mächtiger Atemzug hat die Brust des Niemand -- außer den Sozialdemokraten -- die übrigens Allgemeine Zeitung 1. Auguſt 1914. [Spaltenumbruch]
ſondern innerlich zuſammengehörten, daß ſie gemeinſam zu demeinen großen Ziele hinarbeiten, daß kein anderes iſt als der Wohl- ſtand und das Gedeihen des ganzen deutſchen Volkes. Als Gegner aber ſah das Bismarckſche Kartell alle Mächte und Parteien an, welche entweder, wie die Sozialdemokratie den allgemeinen Umſturz und die allgemeine Expropriation aller Produktivmittel, d. h. des Ackers, der Fabriken, Werkſtätten uſw. forderte, oder welche wie die Deutſch-freiſinnige Partei nicht eine Vertretung des ſchaffenden Bür- gertums, ſondern des ausbeutenden, internationalen oder Börſen- kapitals ſeien. Dieſer durch und durch geſunde Gedanke eines Kartells aller Das Werk des Herrn Baſſermann nun iſt es geweſen, dieſes Gewiß hat Herr Baſſermann ſo wenig wie ſeine Partei bei Das Bedenklichſte aber iſt, daß unter Herrn Baſſermanns Wenn ſomit das Werk des Herrn Baſſermann leider darin So haben die rechtsſtehenden Parteien keine Urſache, in die Und ſo können wir auch nicht finden, daß die Reden des Herrn Gerade die heutige Kriegsgefahr ſollte, meinen wir, jedem Heute, wo einflußreiche ſozialdemokratiſche Blätter in einer Die Abrechnung mit Serbien. Wien, 28. Juli.Endlich! Ein mächtiger Atemzug hat die Bruſt des Niemand — außer den Sozialdemokraten — die übrigens <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0004" n="490"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung</hi> 1. 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Gewiß war das Bismarckſche Kartell im Jahre 1887 auch<lb/> gegen das Zentrum geſchloſſen, da dieſes damals unter der Führung<lb/> des verbitterten Welfen Windthorſt allen Militär- und Flotten-<lb/> vorſchlägen ablehnend gegenüber ſtand. Seit aber mit dem Ende<lb/> der neunziger Jahre das Zentrum ſeine oppoſitionelle Politik immer<lb/> mehr aufgab und an der ſozialen Geſetzgebung ebenſo mitarbeitete<lb/> wie an allen volkswirtſchaftlichen, finanziellen und militäriſchen Auf-<lb/> gaben, blieb als zu bekämpfender Gegner im weſentlichen nur der<lb/> Freiſinn und die Sozialdemokratie übrig.</p><lb/> <p>Das Werk des Herrn Baſſermann nun iſt es geweſen, dieſes<lb/> natürliche und ſo heilſame Bündnis der ſchaffenden Stände geſprengt<lb/> zu haben. Er lehrte ſeine Partei, nicht mehr im kapitaliſtiſchen<lb/> Freiſinn und der ſozialiſtiſchen Umſturzpartei, ſondern in den rechts-<lb/> ſtehenden Parteien und der konſervativen Landwirtſchaft ihre Haupt-<lb/> feinde zu ſuchen. Sein Werk in erſter Linie iſt es geweſen, wenn<lb/> heute die nationalliberale Partei den Konſervativen haßerfüllt gegen-<lb/> überſteht und ein furchtbarer Riß durch unſer innerpolitiſches Leben<lb/> geht. Statt der Bismarckſchen und Bennigſenſchen Politik, welche<lb/> den Frieden und die Harmonie der produzierenden Stände pflegen<lb/> und aufrecht erhalten wollte, predigte er den Krieg gegen die kon-<lb/> ſervative Landwirtſchaft. Und in dieſem Kampfe, den er herauf-<lb/> beſchworen half, trug er kein Bedenken, ſich auf die demokratiſchen<lb/> Mächte des antimonarchiſchen Freiſinns zu ſtützen. Er fand nichts<lb/> Tadelnswertes dabei, wenn die nationalliberale Partei in Bayern<lb/> und Baden ſich mit der vaterlandsfeindlichen Sozialdemokratie ver-<lb/> bündete. Für ihn ſelbſt hatte es nichts Bedenkliches, wenn er ſein<lb/> Mandat zum Reichstage nur der Hilfe der Sozialdemokratie ver-<lb/> dankte. Und ſo fand er auch nichts Demütigendes dabei, wenn ſeine<lb/> Partei zu einem großen Teile für die Wahl ſozialdemokratiſcher<lb/> Reichstragspräſidenten eintrat.</p><lb/> <p>Gewiß hat Herr Baſſermann ſo wenig wie ſeine Partei bei<lb/> Fragen der nationalen Wehrhaftigkeit verſagt, und darum glauben<lb/> heute ſeine Anhänger nicht laut genug ſeine nationale Geſinnung<lb/> preiſen zu müſſen. Aber die nationale Geſinnung beſteht nicht nur<lb/> darin, daß man die ſelbſtverſtändliche Pflicht erfüllt, ſein Vaterland<lb/> wehrhaft zu erhalten. Das iſt noch kein Verdienſt, ſondern die aller-<lb/> einfachſte ſelbſtverſtändlichſte Pflicht jedes Volksvertreters. Sondern<lb/> eine nationale Politik beſteht vor allem darin, daß man die ſtaats-<lb/> erhaltenden Elemente in unſerem Volksleben ſtärkt und kräftigt, daß<lb/> man den zerſtörenden Mächten im Innern aber mit allem Nach-<lb/> druck entgegentritt. Von dieſem Standpunkt betrachtet, hat Herr<lb/> Baſſermann eine nationale Politik nicht immer gefördert, ſondern<lb/> mit ſeinem Namen ſind auch politiſche Maßregeln verknüpft, die<lb/> einer geſunden nationalen Politik geradezu gefährlich ſind. Ihm<lb/> und ſeiner Partei an erſter Stelle iſt die hochbedenkliche demokrati-<lb/> ſche Verfaſſung des Reichslandes Elſaß-Lothringen zu verdanken,<lb/> durch welche die Regierung die allerwichtigſten Machtmittel aus der<lb/> Hand gegeben hat, und die nicht zu einer Förderung, ſondern zu<lb/> einem Hindernis für die innere Verſchmelzung der Grenzlande mit<lb/> dem deutſchen Reiche zu werden droht. Er und ſeine Partei ließen<lb/> ſich in der Zaberner Sache zu dem unglücklichen Vorſtoß gegen die<lb/> Regierung und zu jener ganz und gar unüberlegten Diskreditierung<lb/> unſeres Militärs verleiten, durch die Herr Baſſermann ſeiner Partei<lb/> ein unglaubliches Fiasko bereitete.</p><lb/> <p>Das Bedenklichſte aber iſt, daß unter Herrn Baſſermanns<lb/> Leitung eigentlich erſt das ſpekulative Großkapital eine beherr-<lb/> ſchende Macht in der nationalliberalen Partei geworden iſt. Früher<lb/> war der deutſche Liberalismus eine Partei, in der edle deutſche<lb/> Gelehrte eine tonangebende Rolle ſpielten. Heute iſt nicht ohne<lb/> Grund behauptet worden, daß die nationalliberale Partei ſich immer<lb/> mehr zu einer „Partei der Aufſichtsräte“ entwickele. So haben denn<lb/><cb/> auch Herr Baſſermann ſowohl wie andere der wichtigſten liberalen<lb/> Führer Dutzende von Aufſichtsratsſtellen inne. Auf dieſe Art gerät<lb/> die nationalliberale Partei immer mehr unter den Einfluß gewiſſer<lb/> kapitaliſtiſcher Gruppen, die keineswegs immer im ſtrengen Sinne<lb/> national ſind, wohl aber in der durch und durch nationalen deut-<lb/> ſchen Landwirtſchaft und dem alten konſervativen Landadel ihren<lb/> natürlichen Gegner und Feind wittern.</p><lb/> <p>Wenn ſomit das Werk des Herrn Baſſermann leider darin<lb/> beſteht, daß durch ſeine Politik die wichtigſten nationalen und wirt-<lb/> ſchaftlichen Gruppen, die eigentlich zuſammengehören, auseinander<lb/> getrieben worden ſind, ſo braucht man nicht lange zu ſuchen, um<lb/> die Mächte zu entdecken, die davon den Vorteil gehabt haben. Und<lb/> dieſe Macht iſt vor allem die Sozialdemokratie. Ihr vor allem iſt<lb/> der verbitternde Kampf zwiſchen Konſervativen und National-<lb/> liberalen, den Herr Baſſermann entzündet hat, zuſtatten gekommen.<lb/> Herr Baſſermann kann ſich das traurige Verdienſt beimeſſen, die<lb/> Abwehrkraft der bürgerlichen Parteien gegen die Umſturzpartei ge-<lb/> ſchwächt zu haben, und die 4¼ Millionen ſozialdemokratiſcher Stim-<lb/> men bei der letzten Reichstagswahl wären ohne ſeine, die nationalen<lb/> Parteien auseinandertreibende Politik nicht zu erklären.</p><lb/> <p>So haben die rechtsſtehenden Parteien keine Urſache, in die<lb/> Jubelhymnen zum ſechzigſten Geburtstage des nationalliberalen<lb/> Parteiführers einzuſtimmen. Es iſt nach unſerer Meinung nicht<lb/> ein Zeichen des Fortſchrittes, verglichen mit den Zeiten Bennigſens,<lb/> wenn die Partei ſich unter dieſen Führer geſtellt hat.</p><lb/> <p>Und ſo können wir auch nicht finden, daß die Reden des Herrn<lb/> Baſſermann ſich durch jene edle Gedankentiefe auszeichnen, die<lb/> man ſonſt bei den Wortführern der liberalen Mittelparteien ge-<lb/> wohnt war. Dem jetzigen Führer der nationalliberalen Partei<lb/> fehlt ſowohl der weite ſtaatsmänniſche Blick eines Bennigſen, wie<lb/> ſeine Reden das edle Feuer einer echten, reinen Begeiſterung<lb/> vermiſſen laſſen.</p><lb/> <p>Gerade die heutige Kriegsgefahr ſollte, meinen wir, jedem<lb/> Einſichtigen zeigen, wie verfehlt eine Politik iſt, welche die nationalen<lb/> Elemente nicht einigt, ſondern verfeindet, und die treuſten Stützen<lb/> der Throne und des Vaterlandes, die Konſervativen und die deutſche<lb/> Landwirtſchaft, als Gegner behandelt. Vielleicht hat aber die<lb/> große Kriſe des Weltfriedens heute das Gute, daß auch die national-<lb/> liberale Partei ſich wieder auf ihre alten beſſeren Traditionen be-<lb/> ſinnt, daß man einhält mit jenem inneren zerfleiſchenden<lb/> Kampfe zwiſchen Rechts und Links.</p><lb/> <p>Heute, wo einflußreiche ſozialdemokratiſche Blätter in einer<lb/> der ſchwerſten Staatskriſen und bei direkter Kriegsgefahr geradezu<lb/> drohen mit Erſchwerung der deutſchen Mobilmachung, d. h. mit<lb/> unbedingt hochverräteriſchen Handlungen, wo ihre vaterlandsloſe<lb/> Haltung alles, was denkbar war, überbietet, heute müßten doch<lb/> endlich, ſo ſollte man meinen, allen Nationalliberalen die Augen<lb/> aufgehen darüber, wie ſchwer ſich ihre Parteileitung gegen das<lb/> Vaterland vergangen hat, wenn ſie in Bayern und Baden ſich mit<lb/> einer Partei auf Schutz und Trutz verbunden haben, in deren<lb/> Preſſe man jetzt unverhohlen die Drohung mit hochverräteriſchen<lb/> Handlungen findet.</p><lb/> <byline> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Wolfgang Eiſenhart</hi>.</hi> </byline> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die Abrechnung mit Serbien.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 28. 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Was keinem Miniſter gelungen iſt, das hat die Kugel<lb/> des ſerbiſchen Mordbuben zu Wege gebracht: die Einigkeit<lb/> der Völker des Reichs, die Erkenntnis, daß ſie alle zuſammen-<lb/> gehören und daß das alte, von ihnen ſo oft geſchmähte Habs-<lb/> burgerreich doch ihre Heimat iſt, die es jetzt zu ſchützen gilt.</p><lb/> <p>Niemand — außer den Sozialdemokraten — die übrigens<lb/> in dem allgemeinen Begeiſterungsſturm recht kleinlaut ge-<lb/> worden ſind, und neben ihnen natürlich auch noch die Pan-<lb/> ſlawiſten, niemand ſonſt gab es in der ganzen Monarchie,<lb/> der das Ultimatum an Serbien nicht gutgeheißen und als<lb/> würdigen Ausdruck der Empörung angeſehen hätte, die das<lb/> meuchelmörderiſche Treiben der großſerbiſchen Propaganda<lb/> in der Monarchie hervorrufen mußte. Niemand ferner hat<lb/> es beklagt, daß Serbien keine befriedigende Antwort erteilt<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [490/0004]
Allgemeine Zeitung 1. Auguſt 1914.
ſondern innerlich zuſammengehörten, daß ſie gemeinſam zu dem
einen großen Ziele hinarbeiten, daß kein anderes iſt als der Wohl-
ſtand und das Gedeihen des ganzen deutſchen Volkes. Als Gegner
aber ſah das Bismarckſche Kartell alle Mächte und Parteien an,
welche entweder, wie die Sozialdemokratie den allgemeinen Umſturz
und die allgemeine Expropriation aller Produktivmittel, d. h. des
Ackers, der Fabriken, Werkſtätten uſw. forderte, oder welche wie die
Deutſch-freiſinnige Partei nicht eine Vertretung des ſchaffenden Bür-
gertums, ſondern des ausbeutenden, internationalen oder Börſen-
kapitals ſeien.
Dieſer durch und durch geſunde Gedanke eines Kartells aller
ſchaffenden Stände gegen ihre gemeinſamen Feinde hatte ſich nun
zwei Jahrzehnte lang glänzend bewährt. Er hatte unſeren inneren
Zuſtänden eine Feſtigkeit gegeben, die ſo leicht nicht zu erſchüttern
war. Gewiß war das Bismarckſche Kartell im Jahre 1887 auch
gegen das Zentrum geſchloſſen, da dieſes damals unter der Führung
des verbitterten Welfen Windthorſt allen Militär- und Flotten-
vorſchlägen ablehnend gegenüber ſtand. Seit aber mit dem Ende
der neunziger Jahre das Zentrum ſeine oppoſitionelle Politik immer
mehr aufgab und an der ſozialen Geſetzgebung ebenſo mitarbeitete
wie an allen volkswirtſchaftlichen, finanziellen und militäriſchen Auf-
gaben, blieb als zu bekämpfender Gegner im weſentlichen nur der
Freiſinn und die Sozialdemokratie übrig.
Das Werk des Herrn Baſſermann nun iſt es geweſen, dieſes
natürliche und ſo heilſame Bündnis der ſchaffenden Stände geſprengt
zu haben. Er lehrte ſeine Partei, nicht mehr im kapitaliſtiſchen
Freiſinn und der ſozialiſtiſchen Umſturzpartei, ſondern in den rechts-
ſtehenden Parteien und der konſervativen Landwirtſchaft ihre Haupt-
feinde zu ſuchen. Sein Werk in erſter Linie iſt es geweſen, wenn
heute die nationalliberale Partei den Konſervativen haßerfüllt gegen-
überſteht und ein furchtbarer Riß durch unſer innerpolitiſches Leben
geht. Statt der Bismarckſchen und Bennigſenſchen Politik, welche
den Frieden und die Harmonie der produzierenden Stände pflegen
und aufrecht erhalten wollte, predigte er den Krieg gegen die kon-
ſervative Landwirtſchaft. Und in dieſem Kampfe, den er herauf-
beſchworen half, trug er kein Bedenken, ſich auf die demokratiſchen
Mächte des antimonarchiſchen Freiſinns zu ſtützen. Er fand nichts
Tadelnswertes dabei, wenn die nationalliberale Partei in Bayern
und Baden ſich mit der vaterlandsfeindlichen Sozialdemokratie ver-
bündete. Für ihn ſelbſt hatte es nichts Bedenkliches, wenn er ſein
Mandat zum Reichstage nur der Hilfe der Sozialdemokratie ver-
dankte. Und ſo fand er auch nichts Demütigendes dabei, wenn ſeine
Partei zu einem großen Teile für die Wahl ſozialdemokratiſcher
Reichstragspräſidenten eintrat.
Gewiß hat Herr Baſſermann ſo wenig wie ſeine Partei bei
Fragen der nationalen Wehrhaftigkeit verſagt, und darum glauben
heute ſeine Anhänger nicht laut genug ſeine nationale Geſinnung
preiſen zu müſſen. Aber die nationale Geſinnung beſteht nicht nur
darin, daß man die ſelbſtverſtändliche Pflicht erfüllt, ſein Vaterland
wehrhaft zu erhalten. Das iſt noch kein Verdienſt, ſondern die aller-
einfachſte ſelbſtverſtändlichſte Pflicht jedes Volksvertreters. Sondern
eine nationale Politik beſteht vor allem darin, daß man die ſtaats-
erhaltenden Elemente in unſerem Volksleben ſtärkt und kräftigt, daß
man den zerſtörenden Mächten im Innern aber mit allem Nach-
druck entgegentritt. Von dieſem Standpunkt betrachtet, hat Herr
Baſſermann eine nationale Politik nicht immer gefördert, ſondern
mit ſeinem Namen ſind auch politiſche Maßregeln verknüpft, die
einer geſunden nationalen Politik geradezu gefährlich ſind. Ihm
und ſeiner Partei an erſter Stelle iſt die hochbedenkliche demokrati-
ſche Verfaſſung des Reichslandes Elſaß-Lothringen zu verdanken,
durch welche die Regierung die allerwichtigſten Machtmittel aus der
Hand gegeben hat, und die nicht zu einer Förderung, ſondern zu
einem Hindernis für die innere Verſchmelzung der Grenzlande mit
dem deutſchen Reiche zu werden droht. Er und ſeine Partei ließen
ſich in der Zaberner Sache zu dem unglücklichen Vorſtoß gegen die
Regierung und zu jener ganz und gar unüberlegten Diskreditierung
unſeres Militärs verleiten, durch die Herr Baſſermann ſeiner Partei
ein unglaubliches Fiasko bereitete.
Das Bedenklichſte aber iſt, daß unter Herrn Baſſermanns
Leitung eigentlich erſt das ſpekulative Großkapital eine beherr-
ſchende Macht in der nationalliberalen Partei geworden iſt. Früher
war der deutſche Liberalismus eine Partei, in der edle deutſche
Gelehrte eine tonangebende Rolle ſpielten. Heute iſt nicht ohne
Grund behauptet worden, daß die nationalliberale Partei ſich immer
mehr zu einer „Partei der Aufſichtsräte“ entwickele. So haben denn
auch Herr Baſſermann ſowohl wie andere der wichtigſten liberalen
Führer Dutzende von Aufſichtsratsſtellen inne. Auf dieſe Art gerät
die nationalliberale Partei immer mehr unter den Einfluß gewiſſer
kapitaliſtiſcher Gruppen, die keineswegs immer im ſtrengen Sinne
national ſind, wohl aber in der durch und durch nationalen deut-
ſchen Landwirtſchaft und dem alten konſervativen Landadel ihren
natürlichen Gegner und Feind wittern.
Wenn ſomit das Werk des Herrn Baſſermann leider darin
beſteht, daß durch ſeine Politik die wichtigſten nationalen und wirt-
ſchaftlichen Gruppen, die eigentlich zuſammengehören, auseinander
getrieben worden ſind, ſo braucht man nicht lange zu ſuchen, um
die Mächte zu entdecken, die davon den Vorteil gehabt haben. Und
dieſe Macht iſt vor allem die Sozialdemokratie. Ihr vor allem iſt
der verbitternde Kampf zwiſchen Konſervativen und National-
liberalen, den Herr Baſſermann entzündet hat, zuſtatten gekommen.
Herr Baſſermann kann ſich das traurige Verdienſt beimeſſen, die
Abwehrkraft der bürgerlichen Parteien gegen die Umſturzpartei ge-
ſchwächt zu haben, und die 4¼ Millionen ſozialdemokratiſcher Stim-
men bei der letzten Reichstagswahl wären ohne ſeine, die nationalen
Parteien auseinandertreibende Politik nicht zu erklären.
So haben die rechtsſtehenden Parteien keine Urſache, in die
Jubelhymnen zum ſechzigſten Geburtstage des nationalliberalen
Parteiführers einzuſtimmen. Es iſt nach unſerer Meinung nicht
ein Zeichen des Fortſchrittes, verglichen mit den Zeiten Bennigſens,
wenn die Partei ſich unter dieſen Führer geſtellt hat.
Und ſo können wir auch nicht finden, daß die Reden des Herrn
Baſſermann ſich durch jene edle Gedankentiefe auszeichnen, die
man ſonſt bei den Wortführern der liberalen Mittelparteien ge-
wohnt war. Dem jetzigen Führer der nationalliberalen Partei
fehlt ſowohl der weite ſtaatsmänniſche Blick eines Bennigſen, wie
ſeine Reden das edle Feuer einer echten, reinen Begeiſterung
vermiſſen laſſen.
Gerade die heutige Kriegsgefahr ſollte, meinen wir, jedem
Einſichtigen zeigen, wie verfehlt eine Politik iſt, welche die nationalen
Elemente nicht einigt, ſondern verfeindet, und die treuſten Stützen
der Throne und des Vaterlandes, die Konſervativen und die deutſche
Landwirtſchaft, als Gegner behandelt. Vielleicht hat aber die
große Kriſe des Weltfriedens heute das Gute, daß auch die national-
liberale Partei ſich wieder auf ihre alten beſſeren Traditionen be-
ſinnt, daß man einhält mit jenem inneren zerfleiſchenden
Kampfe zwiſchen Rechts und Links.
Heute, wo einflußreiche ſozialdemokratiſche Blätter in einer
der ſchwerſten Staatskriſen und bei direkter Kriegsgefahr geradezu
drohen mit Erſchwerung der deutſchen Mobilmachung, d. h. mit
unbedingt hochverräteriſchen Handlungen, wo ihre vaterlandsloſe
Haltung alles, was denkbar war, überbietet, heute müßten doch
endlich, ſo ſollte man meinen, allen Nationalliberalen die Augen
aufgehen darüber, wie ſchwer ſich ihre Parteileitung gegen das
Vaterland vergangen hat, wenn ſie in Bayern und Baden ſich mit
einer Partei auf Schutz und Trutz verbunden haben, in deren
Preſſe man jetzt unverhohlen die Drohung mit hochverräteriſchen
Handlungen findet.
Wolfgang Eiſenhart.
Die Abrechnung mit Serbien.
Wien, 28. Juli.
Endlich! Ein mächtiger Atemzug hat die Bruſt des
Habsburgerreichs von dem dumpfen Drucke befreit, mit dem
der ſerbiſche Alp ſeit Jahren auf ihr gelaſtet. Ein frohes
Aufatmen geht durch das ganze weite Reich, und dieſes
ungewohnte Gefühl der Erleichterung und Befreiung macht
ſich in ſtürmiſchen Kundgebungen patriotiſchen Charakters
Luft. Was keinem Miniſter gelungen iſt, das hat die Kugel
des ſerbiſchen Mordbuben zu Wege gebracht: die Einigkeit
der Völker des Reichs, die Erkenntnis, daß ſie alle zuſammen-
gehören und daß das alte, von ihnen ſo oft geſchmähte Habs-
burgerreich doch ihre Heimat iſt, die es jetzt zu ſchützen gilt.
Niemand — außer den Sozialdemokraten — die übrigens
in dem allgemeinen Begeiſterungsſturm recht kleinlaut ge-
worden ſind, und neben ihnen natürlich auch noch die Pan-
ſlawiſten, niemand ſonſt gab es in der ganzen Monarchie,
der das Ultimatum an Serbien nicht gutgeheißen und als
würdigen Ausdruck der Empörung angeſehen hätte, die das
meuchelmörderiſche Treiben der großſerbiſchen Propaganda
in der Monarchie hervorrufen mußte. Niemand ferner hat
es beklagt, daß Serbien keine befriedigende Antwort erteilt
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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