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Allgemeine Zeitung, Nr. 343, 11. Dezember 1890.

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München, Donnerstag Allgemeine Zeitung 11. December 1890. Morgenblatt Nr. 343.
[Spaltenumbruch]

beibehalten werden wird. Abg. Dr. Windthorst erklärt sich
ebenfalls für Aufrechterhaltung der landwirthschaft-
lichen Zölle
, beklagt die Mehrentnahme von 10 Millionen
aus den Zöllen für das Reich und räth möglichste Sparsamkeit
an. Staatsfecretär v. Maltzahn rechtfertigt die betreffenden
Mehrentnahmen, sowie die Begebung der Anleihe zu 3 Procent.
Abg. v. Frege stimmt im Namen der Conservativen den For-
derungen für Officierspferde, Unterofficiersprämien und Colonial-
zwecke zu und spricht gegen die geplanten Aenderungen der
Zuckersteuer. Abg. Scipio erklärt sich gleichfalls für die be-
zeichneten Forderungen. Abg. Nickert bekämpft die Schutzzoll-
politik und sagt, die Altersversicherung würde in diesem Reichs-
tage keine Majorität gefunden haben. Der Reichskanzler
erklärt, die Freisinnigen seien Schuld an der Agitation des
österreichischen Abg. v. Plener (Rede in der Handelskammer zu
Eger), welcher ausgeführt habe, Oesterreich branche für die
Herabsetzung der deutschen Zölle keine Concessionen zu machen.
In der morgigen Sitzung wird die Etatsdebatte fortgesetzt;
außerdem steht die Vorlage über die Zuckersteuer auf der
Tagesordnung.

Der Staatssecretär des Neichsschatz-
amts bezeichnete in der heutigen Sitzung des Reichstags als
einzige erhebliche Reuforderung des Etats die einer Resolution
des Reichstags entsprechende Forderung einer anderen Gestal-
tung der Entschädigung der Officiere und Aerzte
für ihre Pferdehaltung
. Zu dieser Forderung bemerkt
die "Post":

"Es ist in weiteren Kreisen noch gar nicht bekannt, daß mit
der im Reichsbaushaltsetat enthaltenen Forderung von Pferde-
geldern für Officiere, Sanitätsofficiere und Beamte, welche Fourage-
Rationen beziehen, ohne dafür auf Chargen-Pferde Anspruch zu
besitzen, eine ganz neue Feststellung der Rations-
Competenz
sowohl nach Zahl als Art der Rationen verbunden
ist, welche bei vielen Stellen eine wesentliche Herabsetzung
der Competenz
einschließt. Bisher war die Rationsgewäh-
rung für die höheren Stellungen eine sehr ansehnliche, sehr
häufig lag nicht das Bedürsniß vor, die entsprechende Zahl
von Pferden zu unterhalten, namentlich wenn der betref-
fende Officier durch den Dienst nur in seltenen Fällen
genöthigt war, zu Pferde zu erscheinen, wie dies im abcomman-
dirten Verhältniß, beziehungsweise in Stellungen, welche mit der
Truppe keinen Zusammenhang haben, sich erklärt, man denke nur
an die Officiere des Kriegsministerinms, des Nebenetats des
Generalstabs, des Unterrichtswesens, der technischen Ressorts u. a. m.
Hier ist die Herabsetzung der Competenz, sowohl was die Zahl,
als in manchen Fällen die Art der Rationen betrifft, eine sehr an-
sehnliche. Aber auch in den höheren Stellungen des Truppen-
dienstes hat eine solche Herabsetzung stattgefunden; so stehen dem
commandirenden General, welcher bisher acht schwere Rationen be-
zogen, nach der neuen Regelung nur sechs zu. Wenn ein Officier künf-
tig auf Rationen beziehungsweise Pferdegelder in den zustehenden Gren-
zen Anspruch machen will, so muß er sich die betreffende Zahl von Pfer-
den wirklich beschaffen und halten. Für Officiere in besonderen
Stellungen ist künstighin die Rationscompetenz derartig beschränkt,
daß die entsprechende Pferdezahl nur genügt, um sich in Reitübung
zu erhalten. Die Neuregelung der Rationscompetenz und die Be-
stimmung, wonach nur ausnahmsweise und vorübergehend eine
Ration in Geld bezogen werden kann, schließt erhebliche Ersparnisse
in sich. In der Praxis bildete die bislang sehr bedeutende Zahl
der Rationen für die höheren Stellen, von der ohne Nachtheil für
den Dienst ein Theil in Geld bezogen werden konnte, eine Art
Entschädigung für die im übrigen mit der Pferdebeschaffung ver-
bundenen Opfer. In der Zahlung der Pferdegelder wird für den
künstigen Wegfall dieses Emoluments ein Ersatz gefunden
werden. Daß die Gewährung der Pferdegelder in allen den
Fällen, wo der Officier bisher durch den Dienst genöthigt war, sich
die volle Zahl der Pferde danernd zu halten, wie besonders bei
den Lieutenants, Hauptleuten und Stabsofficieren der Truppen,
ein gebieterisches Bedürfniß bildet, wird wohl Riemand
abläugnen wollen, es ist dies auch, als die ersten Nachrichten
darüber verlauteten, in der Presse allseitig anerkannt worden.
Aus dem Etat ist ersichtlich, wie auf eine früher beabsichtigt ge-
[Spaltenumbruch] wesene Gehaltserhöhung der Officiere Berzicht geleistet ist. Daß
in gewissem Grade die Gewährung der Pferdegelder hiefür einen
Ersatz leistet, ist nicht zu verkennen. Wir sind in der Lage, die
jetzige Gestaltung des Militäretats in dieser Hinsicht als die
eigenste Idee des Reichskanzlers
, Generals der Infanterie
v. Caprivi, zu bezeichnen."

Der Landes-Eisenbahnrath hat beschlossen, der Regie-
rung eine Herabsetzung der Tarife für Kohlen und
anderes Brennmaterial zu empfehlen. Der Vertreter der Eisen-
bahnverwaltung nahm hiezu einen entgegenkommenden Stand-
punkt ein.

Die Frage der Uebersiedelung Strafentlassener in
überseeische Colonien
soll vom Verein für Besserung ent-
lassener Strafgefangenen auf die Tagesordnung einer seiner näch-
sten Sitzungen gebracht werden, besonders unter dem Gesichtspunkt,
ob und wie weit er selbst die Sache finanziell unterstützen will.

Dem Vernehmen nach haben die neuestens stattgehabten
Ueberschwemmungen in den verschiedenen Theilen der preußi-
schen Monarchie das königliche Staatsministerium veranlaßt, Er-
hebungen sowohl über die Ursachen und Folgen dieser Ueber-
schwemmungen, als über die geeigneten Maßnahmen zur Verhütung
derselben anzuordnen. Diese von den königlichen Regierungen
vorzunehmenden Erhebungen sollen so beschleunigt werden, daß
eventuell zur Ausführung ins Auge gefaßte Maßnahmen schon zum
Beginn der nächsten Bauzeit in Angriff genommen werden
könnten.

Nach einer Bekanntmachung des Regierungspräsidenten für
Aachen wird die Einfuhr von Rindvieh, einschließlich der
Kälber, aus dem Königreich Belgien bis auf weiteres ganz ver-
boten.

Die Söhne des Prinzen Albrecht von Preußen, der
16jährige Prinz Friedrich Heinrich und der 14jährige Prinz Joachim
Albrecht, welche bekanntlich während dieses Winters in Berlin ver-
bleiben, um hier Confirmationsunterricht zu erhalten, werden zum
April nächsten Jahres nach Kassel übersiedeln, um das dortige
Gymnasium, welches auch der Kaiser und Prinz Heinrich absolvirt
haben, zu besuchen. Zum Erzieher beider Prinzen ist jetzt der Gym-
nastallehrer Dr. Erich Meyer aus Jena berufen worden.

Wie der "Nat.-Ztg." geschrieben wird, hat das bereits er-
wähnte Rundschreiben von 12 Professoren der drei preußischen
technischen Hochschulen, in welchem das altsprachliche Gym-
nasium als ungenügende Grundlage für das Studium an techni-
schen Hochschulen erklärt wird, einen umfassenden Erfolg gehabt.
Es gingen auf die versandten 160 Exemplare des Rundschreibens
bis zum 7. December 65 Procent Beantwortungen ein, es haben
sich also fast zwei Drittel der Docenten an der Beantwortung
betheiligt. Von vier Stellen kamen die Rundschreiben zurück,
weil Adressaten theils schwer erkrankt, theils verstorben, theils aus
dem Verbande der technischen Hochschule ausgeschieden waren. Von
den sonstigen 105 Antworten sind 84 unbedingt zustimmend (d. i.
die absolute Majorität sämmtlicher technischer Hochschullehrer),
7 bedingt zustimmend, 11 unbedingt ablehnend und 3 bedingt ab-
lehnend.

In dem soeben erschienenen
letzten Bande von Leopold v. Ranke's sämmtlichen Werken:
"Zur eigenen Lebensgeschichte" (herausgegeben von
Alfred Dove, Leipzig, Duncker und Humblot) findet sich in den
sehr reichhaltigen und auch politisch interessanten "Tagebuch-
blättern" eine Niederschrift, welche der Altmeister der Geschichte
auf die Kunde von dem am 17. Juni 1885 zu Karlsbad er-
folgten Tode des Statthalters der Reichslande, Feldmarschalls
v. Manteuffel, zu Papier brachte. Ranke war mit Man-
teuffel schon in den jungen Jahren des letzteren bekannt ge-
worden, als dieser noch Adjutant beim Prinzen Albrecht (Vater)
und später beim König Friedrich Wilhelm IV. war. Durch
Manteuffels Hände ist mancher Nathschlag gegangen, welchen
Ranke für den König niedergeschrieben. Um so werthvoller ist
das Urtheil des greisen Historikers, welches er über die Statt-
halterschaft Manteuffels abgibt, und es gereicht uns zur großen
Genugthuung, wie Ranke für den vielgeschmähten Mann und
dessen Wirksamkeit sein vollgewichtiges Zeugniß in die Wag-
schale wirft:



[Spaltenumbruch]

So weit in kurzen Zügen die Handlung, die sich im ersten
Beginn und am Ende ein wenig dehnt, in ihrem mittleren
Theile aber von dem stärksten dramatischen Feuer geschürt ist.
Bulthaupt führt seine Zuschauer ungern gleich in medias res;
wir erinnern an die "Malteser", deren erste Scenen ebenfalls
nach dem Mittelpunkte suchen, der natürlich vorhanden ist und
sich bei der Lectüre einem Leser gewiß aufdeckt, aber Augen
und Ohren des Zuschauers nicht ganz greifbar aufgezwungen
wird. Hat jedoch die Hauptaction eingesetzt, so weiß der
Dichter das Interesse auch kräftig zu packen und die Handlung
mit jener Folgerichtigkeit und Verve zu leiten, wie sie nur dem
leidenschaftlichen Dramatiker eignet. Das hat sich im zweiten
und dritten Acte bewährt, wo die Gegensätze in den schärfften
Situationen aufeinanderprallen. In feiner Erwägung weckt
Bulthaupt die Theilnahme für die beiden Parteien seines
Dramas; denn dem Intriguanten Adone hat er diese glühende
Liebe zu Maria eingepflanzt, die mit seinen Niederträchtigkeiten
aussöhnt und ihn einigermaßen adelt. Es sind eben Leiden-
schasten, die in dem Drama um dem Preis ringen, denen unter
Umständen kein Mittel heilig ist, um sich zu behaupten. Behaim
und Adone repräsentiren im Grunde die zwei entgegengesetzten
Typen, in die sich von je unser Geschlecht verzweigt hat und
die nothwendig einander befeinden müssen, den lichten, freu-
digen, vom Geschick und der Welt begünstigten und den brüten-
den, sich verzehrenden, ganz auf das eigene schwache Können gestell-
ten Menschen. Je einfacher aber die Formel ist, in die sich
der Conflict eines Dramas kleiden läßt, und je mehr die
Handlung auf jenen Seiten unsres Wesens beruht, die in
allen Zeiten und Zonen die gleichen sind, um so unmittel-
barer ist unser Gefühl interessirt. Darum war es eigentlich
thöricht, das Werk zu verbieten, weil, wo das rein Mensch-
liche so stark betont ist, die anderen Gegensätze unsrer Gesell-
schaft von selbst zur Nebensache werden, und das Inquisi-
tionstribunal nicht etwa, weil es katholisch war, im Drama
angetastet wird, sondern weil es sich in den großen Streit der
obengenannten heterogenen Naturen mischt und als Mittel mit
seinem Zweck siegen oder fallen muß.

Es ist schade, daß der Dichter dem Werke nicht den ur-
sprünglichen Schluß gelassen hat. Das Drama umfaßte näm-
lich in der ersten Ausgabe fünf Acte, deren letzter jetzt
kürzungshalber mit dem vierten verschmolzen worden ist. Es
wäre uns nicht um den Columbus zu thun, der eingesührt
war, den Helden noch ausdrücklich zu vergewissern, daß drüben
in Amerika schon die Fanatiker ihr unheilvolles Werk begon-
nen hätten; aber die tragischen Nebenpointen vermißt man
nur ungern, die sich aus der Verzweiflung des Adone, der zu-
guterletzt noch die eben errungene Geliebte wieder verliert,
und aus dem erhabenen Schmerze Behaims ergeben, wenn er
erführe, mit welchen Opfern seine Freiheit erkauft ist. Das
[Spaltenumbruch] spielt sich in der uns vorliegenden Bearbeitung hinter der
Scene ab; die Tragik würde aber gewiß rauschender ver-
klingen, wenn diese beiden Töne wieder hinzukämen.

Wie sich die Handlung über das beliebte Riveau erhebt,
hat auch das Aeußere, die Sprache mit dem üblichen Stil der
allerjüngsten Dramen nur die Buchstaben gemein; die ver-
pönte, leider nun einmal dichterische Art, in Bildern zu reden,
tritt wieder unverkümmert in ihre Nechte; und statt geist-
reichelnder Stellen schlägt wuchtiger der kühne, treffende Aus-
druck ein. Aber Bulthaupt ist zu sehr Dramatiker und Poet,
als daß er nicht instinctiv die Gefahr vermieden hätte, die
einer schwungvollen Diction sonst droht: die Weitschweisig-
keit. Das macht den Dichter und das den Poetaster aus,
dort der gehobene Ausdruck als Dolmetsch erregter bedeut-
samer Situationen, und um ihretwillen vorhanden; hier eine
Phrase, die genug gethan, wenn sie schön geklingelt hat.

Die Schauspieler und die Direction haben bei der Auf-
führung ihr Bestes gethan. Grube's Adone bot eine Meister-
leistung, besonders weil sein eigentliches Gebiet sich nur auf
die Wiedergabe kühler und berechnender Charaktere erstreckt;
aber der leidenschaftliche Ton klang so ehrlich, seine Liebe zu
Maria brach so heiß und sein Fanatismus so zündend durch,
daß sich in der That Kunst und Natur identificirten. Die
Maria (Frau v. Hochenburger) war warm empfunden und
lieblich in der Erscheinung. Matkowsky hielt im Anfang, da
das Wiedersehen mit der Geliebten nach der langen Trennung
ein rascheres Tempo und eine jubelndere Sprache verlangt,
etwas zu sehr an sich; vielleicht wollte er die Accente für die
nächsten Acte sparen, wo er sie allerdings auch in der splen-
didesten Weise verausgabt hat. Frau Stolberg verdient, als
Isabella genannt zu werden, voller Hoheit und königlicher
Würde. Nur die Sprache verrieth, wie warm dieser Fürstin
das Herz im Busen schlagen mußte. Das Arrangement macht
bei der Einheitlichkeit des Schauplatzes keine großen Schwie-
rigkeiten. Das südländische Colorit war in geschmackvollen
Farben gestimmt, so daß der Blick auf den Mastenwald und
den Guadalquivir ein entzückendes Bild gewährte. Nur hätten
bei der Inscenirung die Volksmassen besser controlirt werden
müssen.

Bulthaupt kann mit dem Erfolge in der Reichshaupt-
stadt überaus zufrieden sein; ohne Lärmtrommeln hat er die
Zuhörer gerufen; sie sind willig gefolgt und haben ihm noch
obendrein mit reichem Beifall gelohnt, so daß er je fünfmal
im Laufe der beiden ersten Aufführungen vor der Rampe er-
scheinen mußte. Man weiß jetzt wenigstens wieder, daß es
noch etwas Anderes gibt, als Sittenbilder a la Sodom oder
Demonstrationen Wahnsinniger, die in die Klinik statt auf
die Bühne gehörten, und daß dieses Andere auch wohl wirk-
sam sein kann.

[Spaltenumbruch]
"Er war in einem großen schwierigen Werk, der Pacification
von Elsaß-Lothringen, begriffen, und es schien ihm damit zu ge-
lingen. Das Werk selbst hat einen idealen Grund; es kam
darauf an, die Provinz, die durch die Entscheidung der Waffen,
also, wie die Alten glaubten und die Neueren versichern, durch
den Willen Gottes, von Frankreich losgerissen, an Deutschland ge-
knüpft worden war, unter dem Vorbehalt der Unterwerfung unter
diese Entscheidung zu regieren. Sein Sinn war, alle Parteilichkeit
dabei zu vermeiden. Zwischen den beiden Reichen wollte er keine
neuen Feindseligkeiten veranlassen; er wollte deutsch sein, ohne die
Franzosen zu beleidigen. Jede Härte, die sich nicht auf das
oberste Princip der Unterwerfung bezog, wollte er vermeiden. Er
gerieth dadurch mit der bereits eingeführten Beamtenwelt, welche
eine strenge Einengung des niedergeworfenen Elements forderte,
in einen gewissen Widerstreit. Ebenso wollte er von dem Zwiste
der beiden Confessionen abstrahiren. Es war ihm genug, die
Augsburgische Confession zu beschützen; auf die Katholiken aber
einen unzuträglichen Einfluß sich anzumaßen, war er weit ent-
fernt. Er wollte ein Regiment der Gerechtigkeit aufrichten, frei
von allen leidenschaftlichen, politischen und religiösen Voreinge-
nommenheiten. Mancherlei Schwierigkeiten erwuchsen ihm von den
beiden Seiten her, in deren Mitte er stand. Der Reichstag ver-
sagte, hauptsächlich doch in Folge der Reibungen der Factionen,
seine Beistimmung zu Maßregeln, die eine stärkere Befestigung der
Militärmacht in der Provinz durch deren eigene Mitwirkung be-
zweckten; von der anderen Seite wirkten die Zeitungen, an die
man dort gewöhnt war, widerwärtig ein. Zwischen allen diesen
Gegenwirkungen behauptete er eine freie Stellung; er meinte, sie zu-
gleich durch Fürsorge für die unläugbaren Interessen des Landes
zu dominiren. Wir haben oft in Betracht gezogen, daß er mit
alledem doch nicht zu seinem Ziele gelangen werde. Warum aber
nicht? Es ist ja klar, daß sich das Elsaß so lange nicht mit
Deutschland vereinigen wird, als noch eine Möglichkeit besteht, daß
Frankreich wieder einmal die militärische Oberhand davontragen
werde; denn dann würden Alle verloren sein, welche sich den
Deutschen angeschlossen haben würden. Ein solcher Erfolg aber
liegt in einem Umschwung der allgemeinen Combination, die doch
Niemand berechnen kann. Das Einzige ist, die Dinge zu nehmen,
wie sie sind. Und da ist ein Versahren, wie es Manteuffel ein-
schlug, das einzige, das eingeschlagen werden kann. Es entspricht
der Idee der Humanität, in der wir leben und weben."
Italien.
Die Eröffnung des Parlaments.

Tel. Die Eröffnung der 17. Legis-
laturperiode des Parlaments
hat bei prachtvollem
Wetter stattgefunden. Die Zugänge des Quirinals und des
Parlaments waren von einer zahllosen Menschenmenge besetzt,
welche den König und die königlichen Prinzen auf der Fahrt
zum Parlament überaus lebhaft begrüßte. Beim Eintritt in
den Sitzungssaal waren der König und die Prinzen Gegenstand
herzlichster Ovationen seitens der Deputirten, Senatoren und
des Publicums auf den Tribünen. Die Königin befand sich
auf der königlichen Tribüne. Bei der Ankunft des Königs
wurden 101 Kanonenschüsse abgefeuert. Der König nahm Platz
auf dem Throne, rechts der Kronprinz, links die Herzoge
von Aosta und Genua, die Minister und Großwürdenträger
umgaben den Thron; das diplomatische Corps war voll-
zählig erschienen, vor der Verlesung der Thronrede vereidigte
der Siegelbewahrer die neu ernannten Senatoren; die Ver-
eidigung des Kronprinzen und des Herzogs von Aosta rief eine
enthusiastische Kundgebung hervor. Nachdem die neu gewählten
Deputirten von dem Ministerpräsidenten Crispi vereidigt worden
waren, verlas der König die Thronrede, welche bei zahl-
reichen Stellen von lebhaftem Beifalle begleitet war, besonders
bei den Stellen, welche die Wahlen, die friedliche Lage und die
religiöse Frage berühren. Die Stellen, wo der König seine
Trauer über das Ableben des Prinzen Amadeus ausdrückte, die
Beeidigung des Kronprinzen und des Herzogs von Aosta erwähnte
und die Stärke der italienischen Monarchie betonte, entfesselten
einen wahren Beifallssturm. Von 508 Deputirten wohnten
beinahe 400 der feierlichen Handlung bei, auch die Senatoren
waren zahlreich erschienen.

Ein weiteres Telegramm berichtet über den Inhalt der
Thronrede:

In der Thronrede, mit welcher
er heute das Parlament eröffnete, begrüßt der König
mit Freude und Vertrauen die neue Kammer, welche die Nation
erwählt und dadurch ihr Vertrauen in die freien Institutionen des
Landes bethätigt habe. Indem die Nation im Innern einig und
entschlossen, von ihren Pflichten und Rechten durchdrungen, in
ihren Ueberzeugungen fest, in ihrem Willen klar und entschieden
sich bewiesen habe, gewinne Italien nach außen stets wachsendes
Ansehen, welches die erste Bürgschaft des Friedens sei. Treu den
Bündnissen, herzlich in der Freundschaft, aufrichtig in dem Wunsche,
die Beziehungen zu allen Mächten jederzeit zu verbessern, fehe
Italien mit Genugthuung jede Gesahr internationaler Verwick-
lungen zerstrent und gewahre, daß die beruhigendsten Aussichten
in ganz Europa sich verbreiten und befestigen. "Die Ehrlichkeit
unsrer Absichten bezüglich Asrika's macht es aller Welt augenschein-
lich, daß wir nur noch unsre Gebiete und Einflußsphären in Ueber-
einstimmung mit den befreundeten Negierungen abzugrenzen trach-
ten. Sie sind ausschließlich zu friedlicher Arbeit einberufen.
Die Gesetze für das Wohlergehen der Arbeiter sind die
Hauptanfgabe der neuen Session."
Der König wünscht sodann dem
Lande Glück zu dem Eintritt des Kronprinzen in den Senat
in einem Augenblicke, wo die militärische Reorganisation
zur Verhandlung komme. Innerhalb seiner nationalen Gren-
zen vollendet
, fühle Italien sich seiner selbst sicher. Der König
empfiehlt vor allem Solidität in den Finanzen. Das Parla-
ment werde durch Ersparnisse in der öffentlichen Verwaltung und
durch Umgestaltung der gegenwärtigen Steuern genügende Hülfs-
quellen zu sinden wissen, um das Gleichgewicht zu verwirklichen.
Schließlich erinnert der König daran, daß er nach der Tradition
seines Hauses fest und unerschütterlich die Rechte der Staatsgewalt
aufrecht erhalte; er verbürge jederzeit die Rechte der Religion seiner
Väter, ohne diejenigen anderer Culte zu beeinträchtigen. Aber er
werde auch nicht gestatten, daß man in politischen Versammlungen
im Namen dieser Religion die souveräne Autorität angreife.

* Ueber den Verlauf der Ministerkrisis, welche mit der
Berufung Grimaldi's in das Cabinet Crispi zum Abschluß gelangt
ist, erhält die "N. Fr. Pr." nachstehende Mittheilungen aus Rom
vom 9. December: Die Lösung, welche die Krisis gesunden, kam
so unerwartet, daß "Capitan Fracassa" noch heute Nachmittag,
4 Stunden nachdem Grimaldi den Ministereid geleistet, mit einem
Leitartikel erschien, welcher Giolitti's Standpunkt verfocht und Er-
sparungen als ein Gebot der eisernen Nothwendigkeit bezeichnete.
"Wenn die ganze Nation", schrieb das halbamtliche Blatt, "mit
seltener Einmüthigkeit nach Ersparungen ruft, so hat man nicht
das Recht, ihr mit der Ausschreibung öffentlicher Arbeiten zu ant-
worten, welche ohne Nachtheil auf bessere Zeiten vertagt werden
könnten." Alle regierungsfreundlichen Blätter waren eben an-
gewiesen worden, die öffentliche Meinung auf den Rücktritt des

München, Donnerſtag Allgemeine Zeitung 11. December 1890. Morgenblatt Nr. 343.
[Spaltenumbruch]

beibehalten werden wird. Abg. Dr. Windthorſt erklärt ſich
ebenfalls für Aufrechterhaltung der landwirthſchaft-
lichen Zölle
, beklagt die Mehrentnahme von 10 Millionen
aus den Zöllen für das Reich und räth möglichſte Sparſamkeit
an. Staatsfecretär v. Maltzahn rechtfertigt die betreffenden
Mehrentnahmen, ſowie die Begebung der Anleihe zu 3 Procent.
Abg. v. Frege ſtimmt im Namen der Conſervativen den For-
derungen für Officierspferde, Unterofficiersprämien und Colonial-
zwecke zu und ſpricht gegen die geplanten Aenderungen der
Zuckerſteuer. Abg. Scipio erklärt ſich gleichfalls für die be-
zeichneten Forderungen. Abg. Nickert bekämpft die Schutzzoll-
politik und ſagt, die Altersverſicherung würde in dieſem Reichs-
tage keine Majorität gefunden haben. Der Reichskanzler
erklärt, die Freiſinnigen ſeien Schuld an der Agitation des
öſterreichiſchen Abg. v. Plener (Rede in der Handelskammer zu
Eger), welcher ausgeführt habe, Oeſterreich branche für die
Herabſetzung der deutſchen Zölle keine Conceſſionen zu machen.
In der morgigen Sitzung wird die Etatsdebatte fortgeſetzt;
außerdem ſteht die Vorlage über die Zuckerſteuer auf der
Tagesordnung.

Der Staatsſecretär des Neichsſchatz-
amts bezeichnete in der heutigen Sitzung des Reichstags als
einzige erhebliche Reuforderung des Etats die einer Reſolution
des Reichstags entſprechende Forderung einer anderen Geſtal-
tung der Entſchädigung der Officiere und Aerzte
für ihre Pferdehaltung
. Zu dieſer Forderung bemerkt
die „Poſt“:

„Es iſt in weiteren Kreiſen noch gar nicht bekannt, daß mit
der im Reichsbaushaltsetat enthaltenen Forderung von Pferde-
geldern für Officiere, Sanitätsofficiere und Beamte, welche Fourage-
Rationen beziehen, ohne dafür auf Chargen-Pferde Anſpruch zu
beſitzen, eine ganz neue Feſtſtellung der Rations-
Competenz
ſowohl nach Zahl als Art der Rationen verbunden
iſt, welche bei vielen Stellen eine weſentliche Herabſetzung
der Competenz
einſchließt. Bisher war die Rationsgewäh-
rung für die höheren Stellungen eine ſehr anſehnliche, ſehr
häufig lag nicht das Bedürſniß vor, die entſprechende Zahl
von Pferden zu unterhalten, namentlich wenn der betref-
fende Officier durch den Dienſt nur in ſeltenen Fällen
genöthigt war, zu Pferde zu erſcheinen, wie dies im abcomman-
dirten Verhältniß, beziehungsweiſe in Stellungen, welche mit der
Truppe keinen Zuſammenhang haben, ſich erklärt, man denke nur
an die Officiere des Kriegsminiſterinms, des Nebenetats des
Generalſtabs, des Unterrichtsweſens, der techniſchen Reſſorts u. a. m.
Hier iſt die Herabſetzung der Competenz, ſowohl was die Zahl,
als in manchen Fällen die Art der Rationen betrifft, eine ſehr an-
ſehnliche. Aber auch in den höheren Stellungen des Truppen-
dienſtes hat eine ſolche Herabſetzung ſtattgefunden; ſo ſtehen dem
commandirenden General, welcher bisher acht ſchwere Rationen be-
zogen, nach der neuen Regelung nur ſechs zu. Wenn ein Officier künf-
tig auf Rationen beziehungsweiſe Pferdegelder in den zuſtehenden Gren-
zen Anſpruch machen will, ſo muß er ſich die betreffende Zahl von Pfer-
den wirklich beſchaffen und halten. Für Officiere in beſonderen
Stellungen iſt künſtighin die Rationscompetenz derartig beſchränkt,
daß die entſprechende Pferdezahl nur genügt, um ſich in Reitübung
zu erhalten. Die Neuregelung der Rationscompetenz und die Be-
ſtimmung, wonach nur ausnahmsweiſe und vorübergehend eine
Ration in Geld bezogen werden kann, ſchließt erhebliche Erſparniſſe
in ſich. In der Praxis bildete die bislang ſehr bedeutende Zahl
der Rationen für die höheren Stellen, von der ohne Nachtheil für
den Dienſt ein Theil in Geld bezogen werden konnte, eine Art
Entſchädigung für die im übrigen mit der Pferdebeſchaffung ver-
bundenen Opfer. In der Zahlung der Pferdegelder wird für den
künſtigen Wegfall dieſes Emoluments ein Erſatz gefunden
werden. Daß die Gewährung der Pferdegelder in allen den
Fällen, wo der Officier bisher durch den Dienſt genöthigt war, ſich
die volle Zahl der Pferde danernd zu halten, wie beſonders bei
den Lieutenants, Hauptleuten und Stabsofficieren der Truppen,
ein gebieteriſches Bedürfniß bildet, wird wohl Riemand
abläugnen wollen, es iſt dies auch, als die erſten Nachrichten
darüber verlauteten, in der Preſſe allſeitig anerkannt worden.
Aus dem Etat iſt erſichtlich, wie auf eine früher beabſichtigt ge-
[Spaltenumbruch] weſene Gehaltserhöhung der Officiere Berzicht geleiſtet iſt. Daß
in gewiſſem Grade die Gewährung der Pferdegelder hiefür einen
Erſatz leiſtet, iſt nicht zu verkennen. Wir ſind in der Lage, die
jetzige Geſtaltung des Militäretats in dieſer Hinſicht als die
eigenſte Idee des Reichskanzlers
, Generals der Infanterie
v. Caprivi, zu bezeichnen.“

Der Landes-Eiſenbahnrath hat beſchloſſen, der Regie-
rung eine Herabſetzung der Tarife für Kohlen und
anderes Brennmaterial zu empfehlen. Der Vertreter der Eiſen-
bahnverwaltung nahm hiezu einen entgegenkommenden Stand-
punkt ein.

Die Frage der Ueberſiedelung Strafentlaſſener in
überſeeiſche Colonien
ſoll vom Verein für Beſſerung ent-
laſſener Strafgefangenen auf die Tagesordnung einer ſeiner näch-
ſten Sitzungen gebracht werden, beſonders unter dem Geſichtspunkt,
ob und wie weit er ſelbſt die Sache finanziell unterſtützen will.

Dem Vernehmen nach haben die neueſtens ſtattgehabten
Ueberſchwemmungen in den verſchiedenen Theilen der preußi-
ſchen Monarchie das königliche Staatsminiſterium veranlaßt, Er-
hebungen ſowohl über die Urſachen und Folgen dieſer Ueber-
ſchwemmungen, als über die geeigneten Maßnahmen zur Verhütung
derſelben anzuordnen. Dieſe von den königlichen Regierungen
vorzunehmenden Erhebungen ſollen ſo beſchleunigt werden, daß
eventuell zur Ausführung ins Auge gefaßte Maßnahmen ſchon zum
Beginn der nächſten Bauzeit in Angriff genommen werden
könnten.

Nach einer Bekanntmachung des Regierungspräſidenten für
Aachen wird die Einfuhr von Rindvieh, einſchließlich der
Kälber, aus dem Königreich Belgien bis auf weiteres ganz ver-
boten.

Die Söhne des Prinzen Albrecht von Preußen, der
16jährige Prinz Friedrich Heinrich und der 14jährige Prinz Joachim
Albrecht, welche bekanntlich während dieſes Winters in Berlin ver-
bleiben, um hier Confirmationsunterricht zu erhalten, werden zum
April nächſten Jahres nach Kaſſel überſiedeln, um das dortige
Gymnaſium, welches auch der Kaiſer und Prinz Heinrich abſolvirt
haben, zu beſuchen. Zum Erzieher beider Prinzen iſt jetzt der Gym-
naſtallehrer Dr. Erich Meyer aus Jena berufen worden.

Wie der „Nat.-Ztg.“ geſchrieben wird, hat das bereits er-
wähnte Rundſchreiben von 12 Profeſſoren der drei preußiſchen
techniſchen Hochſchulen, in welchem das altſprachliche Gym-
naſium als ungenügende Grundlage für das Studium an techni-
ſchen Hochſchulen erklärt wird, einen umfaſſenden Erfolg gehabt.
Es gingen auf die verſandten 160 Exemplare des Rundſchreibens
bis zum 7. December 65 Procent Beantwortungen ein, es haben
ſich alſo faſt zwei Drittel der Docenten an der Beantwortung
betheiligt. Von vier Stellen kamen die Rundſchreiben zurück,
weil Adreſſaten theils ſchwer erkrankt, theils verſtorben, theils aus
dem Verbande der techniſchen Hochſchule ausgeſchieden waren. Von
den ſonſtigen 105 Antworten ſind 84 unbedingt zuſtimmend (d. i.
die abſolute Majorität ſämmtlicher techniſcher Hochſchullehrer),
7 bedingt zuſtimmend, 11 unbedingt ablehnend und 3 bedingt ab-
lehnend.

In dem ſoeben erſchienenen
letzten Bande von Leopold v. Ranke’s ſämmtlichen Werken:
Zur eigenen Lebensgeſchichte“ (herausgegeben von
Alfred Dove, Leipzig, Duncker und Humblot) findet ſich in den
ſehr reichhaltigen und auch politiſch intereſſanten „Tagebuch-
blättern“ eine Niederſchrift, welche der Altmeiſter der Geſchichte
auf die Kunde von dem am 17. Juni 1885 zu Karlsbad er-
folgten Tode des Statthalters der Reichslande, Feldmarſchalls
v. Manteuffel, zu Papier brachte. Ranke war mit Man-
teuffel ſchon in den jungen Jahren des letzteren bekannt ge-
worden, als dieſer noch Adjutant beim Prinzen Albrecht (Vater)
und ſpäter beim König Friedrich Wilhelm IV. war. Durch
Manteuffels Hände iſt mancher Nathſchlag gegangen, welchen
Ranke für den König niedergeſchrieben. Um ſo werthvoller iſt
das Urtheil des greiſen Hiſtorikers, welches er über die Statt-
halterſchaft Manteuffels abgibt, und es gereicht uns zur großen
Genugthuung, wie Ranke für den vielgeſchmähten Mann und
deſſen Wirkſamkeit ſein vollgewichtiges Zeugniß in die Wag-
ſchale wirft:



[Spaltenumbruch]

So weit in kurzen Zügen die Handlung, die ſich im erſten
Beginn und am Ende ein wenig dehnt, in ihrem mittleren
Theile aber von dem ſtärkſten dramatiſchen Feuer geſchürt iſt.
Bulthaupt führt ſeine Zuſchauer ungern gleich in medias res;
wir erinnern an die „Malteſer“, deren erſte Scenen ebenfalls
nach dem Mittelpunkte ſuchen, der natürlich vorhanden iſt und
ſich bei der Lectüre einem Leſer gewiß aufdeckt, aber Augen
und Ohren des Zuſchauers nicht ganz greifbar aufgezwungen
wird. Hat jedoch die Hauptaction eingeſetzt, ſo weiß der
Dichter das Intereſſe auch kräftig zu packen und die Handlung
mit jener Folgerichtigkeit und Verve zu leiten, wie ſie nur dem
leidenſchaftlichen Dramatiker eignet. Das hat ſich im zweiten
und dritten Acte bewährt, wo die Gegenſätze in den ſchärfften
Situationen aufeinanderprallen. In feiner Erwägung weckt
Bulthaupt die Theilnahme für die beiden Parteien ſeines
Dramas; denn dem Intriguanten Adone hat er dieſe glühende
Liebe zu Maria eingepflanzt, die mit ſeinen Niederträchtigkeiten
ausſöhnt und ihn einigermaßen adelt. Es ſind eben Leiden-
ſchaſten, die in dem Drama um dem Preis ringen, denen unter
Umſtänden kein Mittel heilig iſt, um ſich zu behaupten. Behaim
und Adone repräſentiren im Grunde die zwei entgegengeſetzten
Typen, in die ſich von je unſer Geſchlecht verzweigt hat und
die nothwendig einander befeinden müſſen, den lichten, freu-
digen, vom Geſchick und der Welt begünſtigten und den brüten-
den, ſich verzehrenden, ganz auf das eigene ſchwache Können geſtell-
ten Menſchen. Je einfacher aber die Formel iſt, in die ſich
der Conflict eines Dramas kleiden läßt, und je mehr die
Handlung auf jenen Seiten unſres Weſens beruht, die in
allen Zeiten und Zonen die gleichen ſind, um ſo unmittel-
barer iſt unſer Gefühl intereſſirt. Darum war es eigentlich
thöricht, das Werk zu verbieten, weil, wo das rein Menſch-
liche ſo ſtark betont iſt, die anderen Gegenſätze unſrer Geſell-
ſchaft von ſelbſt zur Nebenſache werden, und das Inquiſi-
tionstribunal nicht etwa, weil es katholiſch war, im Drama
angetaſtet wird, ſondern weil es ſich in den großen Streit der
obengenannten heterogenen Naturen miſcht und als Mittel mit
ſeinem Zweck ſiegen oder fallen muß.

Es iſt ſchade, daß der Dichter dem Werke nicht den ur-
ſprünglichen Schluß gelaſſen hat. Das Drama umfaßte näm-
lich in der erſten Ausgabe fünf Acte, deren letzter jetzt
kürzungshalber mit dem vierten verſchmolzen worden iſt. Es
wäre uns nicht um den Columbus zu thun, der eingeſührt
war, den Helden noch ausdrücklich zu vergewiſſern, daß drüben
in Amerika ſchon die Fanatiker ihr unheilvolles Werk begon-
nen hätten; aber die tragiſchen Nebenpointen vermißt man
nur ungern, die ſich aus der Verzweiflung des Adone, der zu-
guterletzt noch die eben errungene Geliebte wieder verliert,
und aus dem erhabenen Schmerze Behaims ergeben, wenn er
erführe, mit welchen Opfern ſeine Freiheit erkauft iſt. Das
[Spaltenumbruch] ſpielt ſich in der uns vorliegenden Bearbeitung hinter der
Scene ab; die Tragik würde aber gewiß rauſchender ver-
klingen, wenn dieſe beiden Töne wieder hinzukämen.

Wie ſich die Handlung über das beliebte Riveau erhebt,
hat auch das Aeußere, die Sprache mit dem üblichen Stil der
allerjüngſten Dramen nur die Buchſtaben gemein; die ver-
pönte, leider nun einmal dichteriſche Art, in Bildern zu reden,
tritt wieder unverkümmert in ihre Nechte; und ſtatt geiſt-
reichelnder Stellen ſchlägt wuchtiger der kühne, treffende Aus-
druck ein. Aber Bulthaupt iſt zu ſehr Dramatiker und Poet,
als daß er nicht inſtinctiv die Gefahr vermieden hätte, die
einer ſchwungvollen Diction ſonſt droht: die Weitſchweiſig-
keit. Das macht den Dichter und das den Poetaſter aus,
dort der gehobene Ausdruck als Dolmetſch erregter bedeut-
ſamer Situationen, und um ihretwillen vorhanden; hier eine
Phraſe, die genug gethan, wenn ſie ſchön geklingelt hat.

Die Schauſpieler und die Direction haben bei der Auf-
führung ihr Beſtes gethan. Grube’s Adone bot eine Meiſter-
leiſtung, beſonders weil ſein eigentliches Gebiet ſich nur auf
die Wiedergabe kühler und berechnender Charaktere erſtreckt;
aber der leidenſchaftliche Ton klang ſo ehrlich, ſeine Liebe zu
Maria brach ſo heiß und ſein Fanatismus ſo zündend durch,
daß ſich in der That Kunſt und Natur identificirten. Die
Maria (Frau v. Hochenburger) war warm empfunden und
lieblich in der Erſcheinung. Matkowsky hielt im Anfang, da
das Wiederſehen mit der Geliebten nach der langen Trennung
ein raſcheres Tempo und eine jubelndere Sprache verlangt,
etwas zu ſehr an ſich; vielleicht wollte er die Accente für die
nächſten Acte ſparen, wo er ſie allerdings auch in der ſplen-
dideſten Weiſe verausgabt hat. Frau Stolberg verdient, als
Iſabella genannt zu werden, voller Hoheit und königlicher
Würde. Nur die Sprache verrieth, wie warm dieſer Fürſtin
das Herz im Buſen ſchlagen mußte. Das Arrangement macht
bei der Einheitlichkeit des Schauplatzes keine großen Schwie-
rigkeiten. Das ſüdländiſche Colorit war in geſchmackvollen
Farben geſtimmt, ſo daß der Blick auf den Maſtenwald und
den Guadalquivir ein entzückendes Bild gewährte. Nur hätten
bei der Inſcenirung die Volksmaſſen beſſer controlirt werden
müſſen.

Bulthaupt kann mit dem Erfolge in der Reichshaupt-
ſtadt überaus zufrieden ſein; ohne Lärmtrommeln hat er die
Zuhörer gerufen; ſie ſind willig gefolgt und haben ihm noch
obendrein mit reichem Beifall gelohnt, ſo daß er je fünfmal
im Laufe der beiden erſten Aufführungen vor der Rampe er-
ſcheinen mußte. Man weiß jetzt wenigſtens wieder, daß es
noch etwas Anderes gibt, als Sittenbilder à la Sodom oder
Demonſtrationen Wahnſinniger, die in die Klinik ſtatt auf
die Bühne gehörten, und daß dieſes Andere auch wohl wirk-
ſam ſein kann.

[Spaltenumbruch]
„Er war in einem großen ſchwierigen Werk, der Pacification
von Elſaß-Lothringen, begriffen, und es ſchien ihm damit zu ge-
lingen. Das Werk ſelbſt hat einen idealen Grund; es kam
darauf an, die Provinz, die durch die Entſcheidung der Waffen,
alſo, wie die Alten glaubten und die Neueren verſichern, durch
den Willen Gottes, von Frankreich losgeriſſen, an Deutſchland ge-
knüpft worden war, unter dem Vorbehalt der Unterwerfung unter
dieſe Entſcheidung zu regieren. Sein Sinn war, alle Parteilichkeit
dabei zu vermeiden. Zwiſchen den beiden Reichen wollte er keine
neuen Feindſeligkeiten veranlaſſen; er wollte deutſch ſein, ohne die
Franzoſen zu beleidigen. Jede Härte, die ſich nicht auf das
oberſte Princip der Unterwerfung bezog, wollte er vermeiden. Er
gerieth dadurch mit der bereits eingeführten Beamtenwelt, welche
eine ſtrenge Einengung des niedergeworfenen Elements forderte,
in einen gewiſſen Widerſtreit. Ebenſo wollte er von dem Zwiſte
der beiden Confeſſionen abſtrahiren. Es war ihm genug, die
Augsburgiſche Confeſſion zu beſchützen; auf die Katholiken aber
einen unzuträglichen Einfluß ſich anzumaßen, war er weit ent-
fernt. Er wollte ein Regiment der Gerechtigkeit aufrichten, frei
von allen leidenſchaftlichen, politiſchen und religiöſen Voreinge-
nommenheiten. Mancherlei Schwierigkeiten erwuchſen ihm von den
beiden Seiten her, in deren Mitte er ſtand. Der Reichstag ver-
ſagte, hauptſächlich doch in Folge der Reibungen der Factionen,
ſeine Beiſtimmung zu Maßregeln, die eine ſtärkere Befeſtigung der
Militärmacht in der Provinz durch deren eigene Mitwirkung be-
zweckten; von der anderen Seite wirkten die Zeitungen, an die
man dort gewöhnt war, widerwärtig ein. Zwiſchen allen dieſen
Gegenwirkungen behauptete er eine freie Stellung; er meinte, ſie zu-
gleich durch Fürſorge für die unläugbaren Intereſſen des Landes
zu dominiren. Wir haben oft in Betracht gezogen, daß er mit
alledem doch nicht zu ſeinem Ziele gelangen werde. Warum aber
nicht? Es iſt ja klar, daß ſich das Elſaß ſo lange nicht mit
Deutſchland vereinigen wird, als noch eine Möglichkeit beſteht, daß
Frankreich wieder einmal die militäriſche Oberhand davontragen
werde; denn dann würden Alle verloren ſein, welche ſich den
Deutſchen angeſchloſſen haben würden. Ein ſolcher Erfolg aber
liegt in einem Umſchwung der allgemeinen Combination, die doch
Niemand berechnen kann. Das Einzige iſt, die Dinge zu nehmen,
wie ſie ſind. Und da iſt ein Verſahren, wie es Manteuffel ein-
ſchlug, das einzige, das eingeſchlagen werden kann. Es entſpricht
der Idee der Humanität, in der wir leben und weben.“
Italien.
Die Eröffnung des Parlaments.

Tel. Die Eröffnung der 17. Legis-
laturperiode des Parlaments
hat bei prachtvollem
Wetter ſtattgefunden. Die Zugänge des Quirinals und des
Parlaments waren von einer zahlloſen Menſchenmenge beſetzt,
welche den König und die königlichen Prinzen auf der Fahrt
zum Parlament überaus lebhaft begrüßte. Beim Eintritt in
den Sitzungsſaal waren der König und die Prinzen Gegenſtand
herzlichſter Ovationen ſeitens der Deputirten, Senatoren und
des Publicums auf den Tribünen. Die Königin befand ſich
auf der königlichen Tribüne. Bei der Ankunft des Königs
wurden 101 Kanonenſchüſſe abgefeuert. Der König nahm Platz
auf dem Throne, rechts der Kronprinz, links die Herzoge
von Aoſta und Genua, die Miniſter und Großwürdenträger
umgaben den Thron; das diplomatiſche Corps war voll-
zählig erſchienen, vor der Verleſung der Thronrede vereidigte
der Siegelbewahrer die neu ernannten Senatoren; die Ver-
eidigung des Kronprinzen und des Herzogs von Aoſta rief eine
enthuſiaſtiſche Kundgebung hervor. Nachdem die neu gewählten
Deputirten von dem Miniſterpräſidenten Criſpi vereidigt worden
waren, verlas der König die Thronrede, welche bei zahl-
reichen Stellen von lebhaftem Beifalle begleitet war, beſonders
bei den Stellen, welche die Wahlen, die friedliche Lage und die
religiöſe Frage berühren. Die Stellen, wo der König ſeine
Trauer über das Ableben des Prinzen Amadeus ausdrückte, die
Beeidigung des Kronprinzen und des Herzogs von Aoſta erwähnte
und die Stärke der italieniſchen Monarchie betonte, entfeſſelten
einen wahren Beifallsſturm. Von 508 Deputirten wohnten
beinahe 400 der feierlichen Handlung bei, auch die Senatoren
waren zahlreich erſchienen.

Ein weiteres Telegramm berichtet über den Inhalt der
Thronrede:

In der Thronrede, mit welcher
er heute das Parlament eröffnete, begrüßt der König
mit Freude und Vertrauen die neue Kammer, welche die Nation
erwählt und dadurch ihr Vertrauen in die freien Inſtitutionen des
Landes bethätigt habe. Indem die Nation im Innern einig und
entſchloſſen, von ihren Pflichten und Rechten durchdrungen, in
ihren Ueberzeugungen feſt, in ihrem Willen klar und entſchieden
ſich bewieſen habe, gewinne Italien nach außen ſtets wachſendes
Anſehen, welches die erſte Bürgſchaft des Friedens ſei. Treu den
Bündniſſen, herzlich in der Freundſchaft, aufrichtig in dem Wunſche,
die Beziehungen zu allen Mächten jederzeit zu verbeſſern, fehe
Italien mit Genugthuung jede Geſahr internationaler Verwick-
lungen zerſtrent und gewahre, daß die beruhigendſten Ausſichten
in ganz Europa ſich verbreiten und befeſtigen. „Die Ehrlichkeit
unſrer Abſichten bezüglich Aſrika’s macht es aller Welt augenſchein-
lich, daß wir nur noch unſre Gebiete und Einflußſphären in Ueber-
einſtimmung mit den befreundeten Negierungen abzugrenzen trach-
ten. Sie ſind ausſchließlich zu friedlicher Arbeit einberufen.
Die Geſetze für das Wohlergehen der Arbeiter ſind die
Hauptanfgabe der neuen Seſſion.“
Der König wünſcht ſodann dem
Lande Glück zu dem Eintritt des Kronprinzen in den Senat
in einem Augenblicke, wo die militäriſche Reorganiſation
zur Verhandlung komme. Innerhalb ſeiner nationalen Gren-
zen vollendet
, fühle Italien ſich ſeiner ſelbſt ſicher. Der König
empfiehlt vor allem Solidität in den Finanzen. Das Parla-
ment werde durch Erſparniſſe in der öffentlichen Verwaltung und
durch Umgeſtaltung der gegenwärtigen Steuern genügende Hülfs-
quellen zu ſinden wiſſen, um das Gleichgewicht zu verwirklichen.
Schließlich erinnert der König daran, daß er nach der Tradition
ſeines Hauſes feſt und unerſchütterlich die Rechte der Staatsgewalt
aufrecht erhalte; er verbürge jederzeit die Rechte der Religion ſeiner
Väter, ohne diejenigen anderer Culte zu beeinträchtigen. Aber er
werde auch nicht geſtatten, daß man in politiſchen Verſammlungen
im Namen dieſer Religion die ſouveräne Autorität angreife.

* Ueber den Verlauf der Miniſterkriſis, welche mit der
Berufung Grimaldi’s in das Cabinet Criſpi zum Abſchluß gelangt
iſt, erhält die „N. Fr. Pr.“ nachſtehende Mittheilungen aus Rom
vom 9. December: Die Löſung, welche die Kriſis geſunden, kam
ſo unerwartet, daß „Capitan Fracaſſa“ noch heute Nachmittag,
4 Stunden nachdem Grimaldi den Miniſtereid geleiſtet, mit einem
Leitartikel erſchien, welcher Giolitti’s Standpunkt verfocht und Er-
ſparungen als ein Gebot der eiſernen Nothwendigkeit bezeichnete.
„Wenn die ganze Nation“, ſchrieb das halbamtliche Blatt, „mit
ſeltener Einmüthigkeit nach Erſparungen ruft, ſo hat man nicht
das Recht, ihr mit der Ausſchreibung öffentlicher Arbeiten zu ant-
worten, welche ohne Nachtheil auf beſſere Zeiten vertagt werden
könnten.“ Alle regierungsfreundlichen Blätter waren eben an-
gewieſen worden, die öffentliche Meinung auf den Rücktritt des

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[2/0002] München, Donnerſtag Allgemeine Zeitung 11. December 1890. Morgenblatt Nr. 343. beibehalten werden wird. Abg. Dr. Windthorſt erklärt ſich ebenfalls für Aufrechterhaltung der landwirthſchaft- lichen Zölle, beklagt die Mehrentnahme von 10 Millionen aus den Zöllen für das Reich und räth möglichſte Sparſamkeit an. Staatsfecretär v. Maltzahn rechtfertigt die betreffenden Mehrentnahmen, ſowie die Begebung der Anleihe zu 3 Procent. Abg. v. Frege ſtimmt im Namen der Conſervativen den For- derungen für Officierspferde, Unterofficiersprämien und Colonial- zwecke zu und ſpricht gegen die geplanten Aenderungen der Zuckerſteuer. Abg. Scipio erklärt ſich gleichfalls für die be- zeichneten Forderungen. Abg. Nickert bekämpft die Schutzzoll- politik und ſagt, die Altersverſicherung würde in dieſem Reichs- tage keine Majorität gefunden haben. Der Reichskanzler erklärt, die Freiſinnigen ſeien Schuld an der Agitation des öſterreichiſchen Abg. v. Plener (Rede in der Handelskammer zu Eger), welcher ausgeführt habe, Oeſterreich branche für die Herabſetzung der deutſchen Zölle keine Conceſſionen zu machen. In der morgigen Sitzung wird die Etatsdebatte fortgeſetzt; außerdem ſteht die Vorlage über die Zuckerſteuer auf der Tagesordnung. * Berlin, 9. Dec. Der Staatsſecretär des Neichsſchatz- amts bezeichnete in der heutigen Sitzung des Reichstags als einzige erhebliche Reuforderung des Etats die einer Reſolution des Reichstags entſprechende Forderung einer anderen Geſtal- tung der Entſchädigung der Officiere und Aerzte für ihre Pferdehaltung. Zu dieſer Forderung bemerkt die „Poſt“: „Es iſt in weiteren Kreiſen noch gar nicht bekannt, daß mit der im Reichsbaushaltsetat enthaltenen Forderung von Pferde- geldern für Officiere, Sanitätsofficiere und Beamte, welche Fourage- Rationen beziehen, ohne dafür auf Chargen-Pferde Anſpruch zu beſitzen, eine ganz neue Feſtſtellung der Rations- Competenz ſowohl nach Zahl als Art der Rationen verbunden iſt, welche bei vielen Stellen eine weſentliche Herabſetzung der Competenz einſchließt. Bisher war die Rationsgewäh- rung für die höheren Stellungen eine ſehr anſehnliche, ſehr häufig lag nicht das Bedürſniß vor, die entſprechende Zahl von Pferden zu unterhalten, namentlich wenn der betref- fende Officier durch den Dienſt nur in ſeltenen Fällen genöthigt war, zu Pferde zu erſcheinen, wie dies im abcomman- dirten Verhältniß, beziehungsweiſe in Stellungen, welche mit der Truppe keinen Zuſammenhang haben, ſich erklärt, man denke nur an die Officiere des Kriegsminiſterinms, des Nebenetats des Generalſtabs, des Unterrichtsweſens, der techniſchen Reſſorts u. a. m. Hier iſt die Herabſetzung der Competenz, ſowohl was die Zahl, als in manchen Fällen die Art der Rationen betrifft, eine ſehr an- ſehnliche. Aber auch in den höheren Stellungen des Truppen- dienſtes hat eine ſolche Herabſetzung ſtattgefunden; ſo ſtehen dem commandirenden General, welcher bisher acht ſchwere Rationen be- zogen, nach der neuen Regelung nur ſechs zu. Wenn ein Officier künf- tig auf Rationen beziehungsweiſe Pferdegelder in den zuſtehenden Gren- zen Anſpruch machen will, ſo muß er ſich die betreffende Zahl von Pfer- den wirklich beſchaffen und halten. Für Officiere in beſonderen Stellungen iſt künſtighin die Rationscompetenz derartig beſchränkt, daß die entſprechende Pferdezahl nur genügt, um ſich in Reitübung zu erhalten. Die Neuregelung der Rationscompetenz und die Be- ſtimmung, wonach nur ausnahmsweiſe und vorübergehend eine Ration in Geld bezogen werden kann, ſchließt erhebliche Erſparniſſe in ſich. In der Praxis bildete die bislang ſehr bedeutende Zahl der Rationen für die höheren Stellen, von der ohne Nachtheil für den Dienſt ein Theil in Geld bezogen werden konnte, eine Art Entſchädigung für die im übrigen mit der Pferdebeſchaffung ver- bundenen Opfer. In der Zahlung der Pferdegelder wird für den künſtigen Wegfall dieſes Emoluments ein Erſatz gefunden werden. Daß die Gewährung der Pferdegelder in allen den Fällen, wo der Officier bisher durch den Dienſt genöthigt war, ſich die volle Zahl der Pferde danernd zu halten, wie beſonders bei den Lieutenants, Hauptleuten und Stabsofficieren der Truppen, ein gebieteriſches Bedürfniß bildet, wird wohl Riemand abläugnen wollen, es iſt dies auch, als die erſten Nachrichten darüber verlauteten, in der Preſſe allſeitig anerkannt worden. Aus dem Etat iſt erſichtlich, wie auf eine früher beabſichtigt ge- weſene Gehaltserhöhung der Officiere Berzicht geleiſtet iſt. Daß in gewiſſem Grade die Gewährung der Pferdegelder hiefür einen Erſatz leiſtet, iſt nicht zu verkennen. Wir ſind in der Lage, die jetzige Geſtaltung des Militäretats in dieſer Hinſicht als die eigenſte Idee des Reichskanzlers, Generals der Infanterie v. Caprivi, zu bezeichnen.“ Der Landes-Eiſenbahnrath hat beſchloſſen, der Regie- rung eine Herabſetzung der Tarife für Kohlen und anderes Brennmaterial zu empfehlen. Der Vertreter der Eiſen- bahnverwaltung nahm hiezu einen entgegenkommenden Stand- punkt ein. Die Frage der Ueberſiedelung Strafentlaſſener in überſeeiſche Colonien ſoll vom Verein für Beſſerung ent- laſſener Strafgefangenen auf die Tagesordnung einer ſeiner näch- ſten Sitzungen gebracht werden, beſonders unter dem Geſichtspunkt, ob und wie weit er ſelbſt die Sache finanziell unterſtützen will. Dem Vernehmen nach haben die neueſtens ſtattgehabten Ueberſchwemmungen in den verſchiedenen Theilen der preußi- ſchen Monarchie das königliche Staatsminiſterium veranlaßt, Er- hebungen ſowohl über die Urſachen und Folgen dieſer Ueber- ſchwemmungen, als über die geeigneten Maßnahmen zur Verhütung derſelben anzuordnen. Dieſe von den königlichen Regierungen vorzunehmenden Erhebungen ſollen ſo beſchleunigt werden, daß eventuell zur Ausführung ins Auge gefaßte Maßnahmen ſchon zum Beginn der nächſten Bauzeit in Angriff genommen werden könnten. Nach einer Bekanntmachung des Regierungspräſidenten für Aachen wird die Einfuhr von Rindvieh, einſchließlich der Kälber, aus dem Königreich Belgien bis auf weiteres ganz ver- boten. Die Söhne des Prinzen Albrecht von Preußen, der 16jährige Prinz Friedrich Heinrich und der 14jährige Prinz Joachim Albrecht, welche bekanntlich während dieſes Winters in Berlin ver- bleiben, um hier Confirmationsunterricht zu erhalten, werden zum April nächſten Jahres nach Kaſſel überſiedeln, um das dortige Gymnaſium, welches auch der Kaiſer und Prinz Heinrich abſolvirt haben, zu beſuchen. Zum Erzieher beider Prinzen iſt jetzt der Gym- naſtallehrer Dr. Erich Meyer aus Jena berufen worden. Wie der „Nat.-Ztg.“ geſchrieben wird, hat das bereits er- wähnte Rundſchreiben von 12 Profeſſoren der drei preußiſchen techniſchen Hochſchulen, in welchem das altſprachliche Gym- naſium als ungenügende Grundlage für das Studium an techni- ſchen Hochſchulen erklärt wird, einen umfaſſenden Erfolg gehabt. Es gingen auf die verſandten 160 Exemplare des Rundſchreibens bis zum 7. December 65 Procent Beantwortungen ein, es haben ſich alſo faſt zwei Drittel der Docenten an der Beantwortung betheiligt. Von vier Stellen kamen die Rundſchreiben zurück, weil Adreſſaten theils ſchwer erkrankt, theils verſtorben, theils aus dem Verbande der techniſchen Hochſchule ausgeſchieden waren. Von den ſonſtigen 105 Antworten ſind 84 unbedingt zuſtimmend (d. i. die abſolute Majorität ſämmtlicher techniſcher Hochſchullehrer), 7 bedingt zuſtimmend, 11 unbedingt ablehnend und 3 bedingt ab- lehnend. * Straßburg, 9. Dec. In dem ſoeben erſchienenen letzten Bande von Leopold v. Ranke’s ſämmtlichen Werken: „Zur eigenen Lebensgeſchichte“ (herausgegeben von Alfred Dove, Leipzig, Duncker und Humblot) findet ſich in den ſehr reichhaltigen und auch politiſch intereſſanten „Tagebuch- blättern“ eine Niederſchrift, welche der Altmeiſter der Geſchichte auf die Kunde von dem am 17. Juni 1885 zu Karlsbad er- folgten Tode des Statthalters der Reichslande, Feldmarſchalls v. Manteuffel, zu Papier brachte. Ranke war mit Man- teuffel ſchon in den jungen Jahren des letzteren bekannt ge- worden, als dieſer noch Adjutant beim Prinzen Albrecht (Vater) und ſpäter beim König Friedrich Wilhelm IV. war. Durch Manteuffels Hände iſt mancher Nathſchlag gegangen, welchen Ranke für den König niedergeſchrieben. Um ſo werthvoller iſt das Urtheil des greiſen Hiſtorikers, welches er über die Statt- halterſchaft Manteuffels abgibt, und es gereicht uns zur großen Genugthuung, wie Ranke für den vielgeſchmähten Mann und deſſen Wirkſamkeit ſein vollgewichtiges Zeugniß in die Wag- ſchale wirft: So weit in kurzen Zügen die Handlung, die ſich im erſten Beginn und am Ende ein wenig dehnt, in ihrem mittleren Theile aber von dem ſtärkſten dramatiſchen Feuer geſchürt iſt. Bulthaupt führt ſeine Zuſchauer ungern gleich in medias res; wir erinnern an die „Malteſer“, deren erſte Scenen ebenfalls nach dem Mittelpunkte ſuchen, der natürlich vorhanden iſt und ſich bei der Lectüre einem Leſer gewiß aufdeckt, aber Augen und Ohren des Zuſchauers nicht ganz greifbar aufgezwungen wird. Hat jedoch die Hauptaction eingeſetzt, ſo weiß der Dichter das Intereſſe auch kräftig zu packen und die Handlung mit jener Folgerichtigkeit und Verve zu leiten, wie ſie nur dem leidenſchaftlichen Dramatiker eignet. Das hat ſich im zweiten und dritten Acte bewährt, wo die Gegenſätze in den ſchärfften Situationen aufeinanderprallen. In feiner Erwägung weckt Bulthaupt die Theilnahme für die beiden Parteien ſeines Dramas; denn dem Intriguanten Adone hat er dieſe glühende Liebe zu Maria eingepflanzt, die mit ſeinen Niederträchtigkeiten ausſöhnt und ihn einigermaßen adelt. Es ſind eben Leiden- ſchaſten, die in dem Drama um dem Preis ringen, denen unter Umſtänden kein Mittel heilig iſt, um ſich zu behaupten. Behaim und Adone repräſentiren im Grunde die zwei entgegengeſetzten Typen, in die ſich von je unſer Geſchlecht verzweigt hat und die nothwendig einander befeinden müſſen, den lichten, freu- digen, vom Geſchick und der Welt begünſtigten und den brüten- den, ſich verzehrenden, ganz auf das eigene ſchwache Können geſtell- ten Menſchen. Je einfacher aber die Formel iſt, in die ſich der Conflict eines Dramas kleiden läßt, und je mehr die Handlung auf jenen Seiten unſres Weſens beruht, die in allen Zeiten und Zonen die gleichen ſind, um ſo unmittel- barer iſt unſer Gefühl intereſſirt. Darum war es eigentlich thöricht, das Werk zu verbieten, weil, wo das rein Menſch- liche ſo ſtark betont iſt, die anderen Gegenſätze unſrer Geſell- ſchaft von ſelbſt zur Nebenſache werden, und das Inquiſi- tionstribunal nicht etwa, weil es katholiſch war, im Drama angetaſtet wird, ſondern weil es ſich in den großen Streit der obengenannten heterogenen Naturen miſcht und als Mittel mit ſeinem Zweck ſiegen oder fallen muß. Es iſt ſchade, daß der Dichter dem Werke nicht den ur- ſprünglichen Schluß gelaſſen hat. Das Drama umfaßte näm- lich in der erſten Ausgabe fünf Acte, deren letzter jetzt kürzungshalber mit dem vierten verſchmolzen worden iſt. Es wäre uns nicht um den Columbus zu thun, der eingeſührt war, den Helden noch ausdrücklich zu vergewiſſern, daß drüben in Amerika ſchon die Fanatiker ihr unheilvolles Werk begon- nen hätten; aber die tragiſchen Nebenpointen vermißt man nur ungern, die ſich aus der Verzweiflung des Adone, der zu- guterletzt noch die eben errungene Geliebte wieder verliert, und aus dem erhabenen Schmerze Behaims ergeben, wenn er erführe, mit welchen Opfern ſeine Freiheit erkauft iſt. Das ſpielt ſich in der uns vorliegenden Bearbeitung hinter der Scene ab; die Tragik würde aber gewiß rauſchender ver- klingen, wenn dieſe beiden Töne wieder hinzukämen. Wie ſich die Handlung über das beliebte Riveau erhebt, hat auch das Aeußere, die Sprache mit dem üblichen Stil der allerjüngſten Dramen nur die Buchſtaben gemein; die ver- pönte, leider nun einmal dichteriſche Art, in Bildern zu reden, tritt wieder unverkümmert in ihre Nechte; und ſtatt geiſt- reichelnder Stellen ſchlägt wuchtiger der kühne, treffende Aus- druck ein. Aber Bulthaupt iſt zu ſehr Dramatiker und Poet, als daß er nicht inſtinctiv die Gefahr vermieden hätte, die einer ſchwungvollen Diction ſonſt droht: die Weitſchweiſig- keit. Das macht den Dichter und das den Poetaſter aus, dort der gehobene Ausdruck als Dolmetſch erregter bedeut- ſamer Situationen, und um ihretwillen vorhanden; hier eine Phraſe, die genug gethan, wenn ſie ſchön geklingelt hat. Die Schauſpieler und die Direction haben bei der Auf- führung ihr Beſtes gethan. Grube’s Adone bot eine Meiſter- leiſtung, beſonders weil ſein eigentliches Gebiet ſich nur auf die Wiedergabe kühler und berechnender Charaktere erſtreckt; aber der leidenſchaftliche Ton klang ſo ehrlich, ſeine Liebe zu Maria brach ſo heiß und ſein Fanatismus ſo zündend durch, daß ſich in der That Kunſt und Natur identificirten. Die Maria (Frau v. Hochenburger) war warm empfunden und lieblich in der Erſcheinung. Matkowsky hielt im Anfang, da das Wiederſehen mit der Geliebten nach der langen Trennung ein raſcheres Tempo und eine jubelndere Sprache verlangt, etwas zu ſehr an ſich; vielleicht wollte er die Accente für die nächſten Acte ſparen, wo er ſie allerdings auch in der ſplen- dideſten Weiſe verausgabt hat. Frau Stolberg verdient, als Iſabella genannt zu werden, voller Hoheit und königlicher Würde. Nur die Sprache verrieth, wie warm dieſer Fürſtin das Herz im Buſen ſchlagen mußte. Das Arrangement macht bei der Einheitlichkeit des Schauplatzes keine großen Schwie- rigkeiten. Das ſüdländiſche Colorit war in geſchmackvollen Farben geſtimmt, ſo daß der Blick auf den Maſtenwald und den Guadalquivir ein entzückendes Bild gewährte. Nur hätten bei der Inſcenirung die Volksmaſſen beſſer controlirt werden müſſen. Bulthaupt kann mit dem Erfolge in der Reichshaupt- ſtadt überaus zufrieden ſein; ohne Lärmtrommeln hat er die Zuhörer gerufen; ſie ſind willig gefolgt und haben ihm noch obendrein mit reichem Beifall gelohnt, ſo daß er je fünfmal im Laufe der beiden erſten Aufführungen vor der Rampe er- ſcheinen mußte. Man weiß jetzt wenigſtens wieder, daß es noch etwas Anderes gibt, als Sittenbilder à la Sodom oder Demonſtrationen Wahnſinniger, die in die Klinik ſtatt auf die Bühne gehörten, und daß dieſes Andere auch wohl wirk- ſam ſein kann. „Er war in einem großen ſchwierigen Werk, der Pacification von Elſaß-Lothringen, begriffen, und es ſchien ihm damit zu ge- lingen. Das Werk ſelbſt hat einen idealen Grund; es kam darauf an, die Provinz, die durch die Entſcheidung der Waffen, alſo, wie die Alten glaubten und die Neueren verſichern, durch den Willen Gottes, von Frankreich losgeriſſen, an Deutſchland ge- knüpft worden war, unter dem Vorbehalt der Unterwerfung unter dieſe Entſcheidung zu regieren. Sein Sinn war, alle Parteilichkeit dabei zu vermeiden. Zwiſchen den beiden Reichen wollte er keine neuen Feindſeligkeiten veranlaſſen; er wollte deutſch ſein, ohne die Franzoſen zu beleidigen. Jede Härte, die ſich nicht auf das oberſte Princip der Unterwerfung bezog, wollte er vermeiden. Er gerieth dadurch mit der bereits eingeführten Beamtenwelt, welche eine ſtrenge Einengung des niedergeworfenen Elements forderte, in einen gewiſſen Widerſtreit. Ebenſo wollte er von dem Zwiſte der beiden Confeſſionen abſtrahiren. Es war ihm genug, die Augsburgiſche Confeſſion zu beſchützen; auf die Katholiken aber einen unzuträglichen Einfluß ſich anzumaßen, war er weit ent- fernt. Er wollte ein Regiment der Gerechtigkeit aufrichten, frei von allen leidenſchaftlichen, politiſchen und religiöſen Voreinge- nommenheiten. Mancherlei Schwierigkeiten erwuchſen ihm von den beiden Seiten her, in deren Mitte er ſtand. Der Reichstag ver- ſagte, hauptſächlich doch in Folge der Reibungen der Factionen, ſeine Beiſtimmung zu Maßregeln, die eine ſtärkere Befeſtigung der Militärmacht in der Provinz durch deren eigene Mitwirkung be- zweckten; von der anderen Seite wirkten die Zeitungen, an die man dort gewöhnt war, widerwärtig ein. Zwiſchen allen dieſen Gegenwirkungen behauptete er eine freie Stellung; er meinte, ſie zu- gleich durch Fürſorge für die unläugbaren Intereſſen des Landes zu dominiren. Wir haben oft in Betracht gezogen, daß er mit alledem doch nicht zu ſeinem Ziele gelangen werde. Warum aber nicht? Es iſt ja klar, daß ſich das Elſaß ſo lange nicht mit Deutſchland vereinigen wird, als noch eine Möglichkeit beſteht, daß Frankreich wieder einmal die militäriſche Oberhand davontragen werde; denn dann würden Alle verloren ſein, welche ſich den Deutſchen angeſchloſſen haben würden. Ein ſolcher Erfolg aber liegt in einem Umſchwung der allgemeinen Combination, die doch Niemand berechnen kann. Das Einzige iſt, die Dinge zu nehmen, wie ſie ſind. Und da iſt ein Verſahren, wie es Manteuffel ein- ſchlug, das einzige, das eingeſchlagen werden kann. Es entſpricht der Idee der Humanität, in der wir leben und weben.“ Italien. Die Eröffnung des Parlaments. * Rom, 10. Dec. Tel. Die Eröffnung der 17. Legis- laturperiode des Parlaments hat bei prachtvollem Wetter ſtattgefunden. Die Zugänge des Quirinals und des Parlaments waren von einer zahlloſen Menſchenmenge beſetzt, welche den König und die königlichen Prinzen auf der Fahrt zum Parlament überaus lebhaft begrüßte. Beim Eintritt in den Sitzungsſaal waren der König und die Prinzen Gegenſtand herzlichſter Ovationen ſeitens der Deputirten, Senatoren und des Publicums auf den Tribünen. Die Königin befand ſich auf der königlichen Tribüne. Bei der Ankunft des Königs wurden 101 Kanonenſchüſſe abgefeuert. Der König nahm Platz auf dem Throne, rechts der Kronprinz, links die Herzoge von Aoſta und Genua, die Miniſter und Großwürdenträger umgaben den Thron; das diplomatiſche Corps war voll- zählig erſchienen, vor der Verleſung der Thronrede vereidigte der Siegelbewahrer die neu ernannten Senatoren; die Ver- eidigung des Kronprinzen und des Herzogs von Aoſta rief eine enthuſiaſtiſche Kundgebung hervor. Nachdem die neu gewählten Deputirten von dem Miniſterpräſidenten Criſpi vereidigt worden waren, verlas der König die Thronrede, welche bei zahl- reichen Stellen von lebhaftem Beifalle begleitet war, beſonders bei den Stellen, welche die Wahlen, die friedliche Lage und die religiöſe Frage berühren. Die Stellen, wo der König ſeine Trauer über das Ableben des Prinzen Amadeus ausdrückte, die Beeidigung des Kronprinzen und des Herzogs von Aoſta erwähnte und die Stärke der italieniſchen Monarchie betonte, entfeſſelten einen wahren Beifallsſturm. Von 508 Deputirten wohnten beinahe 400 der feierlichen Handlung bei, auch die Senatoren waren zahlreich erſchienen. Ein weiteres Telegramm berichtet über den Inhalt der Thronrede: * Rom, 10. Dec. In der Thronrede, mit welcher er heute das Parlament eröffnete, begrüßt der König mit Freude und Vertrauen die neue Kammer, welche die Nation erwählt und dadurch ihr Vertrauen in die freien Inſtitutionen des Landes bethätigt habe. Indem die Nation im Innern einig und entſchloſſen, von ihren Pflichten und Rechten durchdrungen, in ihren Ueberzeugungen feſt, in ihrem Willen klar und entſchieden ſich bewieſen habe, gewinne Italien nach außen ſtets wachſendes Anſehen, welches die erſte Bürgſchaft des Friedens ſei. Treu den Bündniſſen, herzlich in der Freundſchaft, aufrichtig in dem Wunſche, die Beziehungen zu allen Mächten jederzeit zu verbeſſern, fehe Italien mit Genugthuung jede Geſahr internationaler Verwick- lungen zerſtrent und gewahre, daß die beruhigendſten Ausſichten in ganz Europa ſich verbreiten und befeſtigen. „Die Ehrlichkeit unſrer Abſichten bezüglich Aſrika’s macht es aller Welt augenſchein- lich, daß wir nur noch unſre Gebiete und Einflußſphären in Ueber- einſtimmung mit den befreundeten Negierungen abzugrenzen trach- ten. Sie ſind ausſchließlich zu friedlicher Arbeit einberufen. Die Geſetze für das Wohlergehen der Arbeiter ſind die Hauptanfgabe der neuen Seſſion.“ Der König wünſcht ſodann dem Lande Glück zu dem Eintritt des Kronprinzen in den Senat in einem Augenblicke, wo die militäriſche Reorganiſation zur Verhandlung komme. Innerhalb ſeiner nationalen Gren- zen vollendet, fühle Italien ſich ſeiner ſelbſt ſicher. Der König empfiehlt vor allem Solidität in den Finanzen. Das Parla- ment werde durch Erſparniſſe in der öffentlichen Verwaltung und durch Umgeſtaltung der gegenwärtigen Steuern genügende Hülfs- quellen zu ſinden wiſſen, um das Gleichgewicht zu verwirklichen. Schließlich erinnert der König daran, daß er nach der Tradition ſeines Hauſes feſt und unerſchütterlich die Rechte der Staatsgewalt aufrecht erhalte; er verbürge jederzeit die Rechte der Religion ſeiner Väter, ohne diejenigen anderer Culte zu beeinträchtigen. Aber er werde auch nicht geſtatten, daß man in politiſchen Verſammlungen im Namen dieſer Religion die ſouveräne Autorität angreife. * Ueber den Verlauf der Miniſterkriſis, welche mit der Berufung Grimaldi’s in das Cabinet Criſpi zum Abſchluß gelangt iſt, erhält die „N. Fr. Pr.“ nachſtehende Mittheilungen aus Rom vom 9. December: Die Löſung, welche die Kriſis geſunden, kam ſo unerwartet, daß „Capitan Fracaſſa“ noch heute Nachmittag, 4 Stunden nachdem Grimaldi den Miniſtereid geleiſtet, mit einem Leitartikel erſchien, welcher Giolitti’s Standpunkt verfocht und Er- ſparungen als ein Gebot der eiſernen Nothwendigkeit bezeichnete. „Wenn die ganze Nation“, ſchrieb das halbamtliche Blatt, „mit ſeltener Einmüthigkeit nach Erſparungen ruft, ſo hat man nicht das Recht, ihr mit der Ausſchreibung öffentlicher Arbeiten zu ant- worten, welche ohne Nachtheil auf beſſere Zeiten vertagt werden könnten.“ Alle regierungsfreundlichen Blätter waren eben an- gewieſen worden, die öffentliche Meinung auf den Rücktritt des

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 343, 11. Dezember 1890, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine343_1890/2>, abgerufen am 01.06.2024.