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Tübinger Chronik. Nr. 104. [Tübingen (Württemberg)], 29. August 1845.

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-[Beginn Spaltensatz] Höhe und warf sich dann mit einem Ausruf der
Freude in die Arme des Vaters.

Brav, mein Frederik! war die freundliche Anrede des
Letztern. erst das Geschäft und dann das Vergnügen,
erst die Pflicht und dann die Willkür - so habe ich es ge-
halten, so sollen auch meine Jungen es halten, so lange
meine Augen offen stehen! Du bist recht stark und männ-
lich geworden, Frederik, fuhr er fort und blickte wohl-
gefällig auf die Gestalt des Sohnes, der mit einem
leichten Anflug von Beklommenheit vor ihm stand;
nun sieh Frederik, das freut mich; - ich will viel,
sehr viel
für Dich thun, vielleicht mehr, als
Du zu hoffen gewagt hast. - Ja, ja, setzte er
lächelnd hinzu, Du bist Deinem Glück so nahe und
ahnst Nichts davon.

Das größte Glück für mich ist, daß ich Euch,
mein theurer Vater, nach langer Abwesenheit noch
gesund und am Leben treffe! antwortete der junge
Mann rasch und mit Jnnigkeit, vergönnt, daß ich
mich vorerst allein dieses Glücks erfreue. - Doch
was macht mein Bruder Willem, - er ist doch
wohl und munter, wie ich hoffe?

Der Willem ist ein braver Junge und hat wie
ein Löwe gegen die Brabanter Meuter gefochten!
entgegnete mit stolzem Lächeln der Vater, dies hat
mich mit seinem übertriebenen patriotischen Eifer
ausgesöhnt, der ihn gegen meinen Willen die Feder
mit dem Degen vertauschen ließ. Später ging er
mit seiner Afdeeling nach der Citadelle von Ant-
werpen und von dort in die Gefangenschaft nach
Frankreich, wo er von seinen erhaltenen Wunden
genas. Vor drei Monaten hat ihn der König zum
Ritter des Löwen=Ordens ernannt, und gegenwärtig
steht er als Lieutenant hier in Amsterdam bei der
städtischen Schutterei; Du wirst ihn morgen bei mir
zu Tische finden.

Nach diesen Worten schickte sich der alte Herr
zum Fortgehen an, doch an der Thüre wandte er
sich nochmals zurück zu dem Sohne.

Jch werde Dich morgen Mittag Deiner Braut
vorstellen, sagte er sehr freundlich, indem er mit
dem goldenen Knopfe seines Stockes auf die Schul-
ter des jungen Mannes klopfte, sei hübsch manier-
lich, Frederik, und mache meiner Empfehlung keine
Schande.

Meiner Braut!? rief dieser betroffen, und sein
Erschrecken war so sichtlich, daß der Vater über-
rascht einen Schritt zurücktrat; meiner Braut? -
Unmöglich! - Jhr treibt Euern Scherz mit mir,
lieber Vater, denn nimmermehr kann ich glauben,
daß....

Jch scherze niemals, wenn es ein Geschäft gilt,
und ein solches ist Deine Heirath und zwar ein sehr
wichtiges, entgegnete der Kaufherr, dessen Freund-
lichkeit schnell zum finstern Ernst wurde, in strengem
Tone: Du heirathest Jane van Scholten, die Du
wohl noch von Deiner Kindheit her kennst. Sie
bringt Dir fünfzig Tausend Gulden zur Mitgift, ich
mache Dich zu meinem Associe und jenes Geld wird
Dein Einlage=Kapital. Du siehst, das Geschäft ist
in Ordnung; ich habe es mit Deinem Schwieger-
Vater abgeschlossen, und Deine Meinung ist dabei
ganz überflüssig.

Und habe ich denn keine Stimme, wenn es sich
um das Glück meines Lebens handelt? war die
[Spaltenumbruch] heftige Gegenrede des Sohnes, ist denn mein Herz
eine Waare, die man wie einen Pfeffersack verhan-
delt, ohne meine Neigung zu erforschen, - ja ohne
mich überhaupt zu fragen?

Mit wortlosem Stannen hatte der alte Kauf-
Herr die Rede des Sohnes angehört. - Ziemt sich
eine solche Sprache dem Vater gegenüber? stieß er
endlich mit ausbrechender Wuth hervor.

Es ist die Sprache der Vernunft und des
Rechts, sagte der junge Mann mit ruhiger Festig-
keit, fern sei es von mir, die Ehrfurcht zu ver-
letzen, die ich Euch, mein Vater, schuldig bin;
aber....

Schweig, - ich will Deine Floskeln nicht
hören, donnerte der Aufgebrachte und stieß seinen
Stock wüthend auf den Boden. Die Sache muß
morgen Vormittags zwischen uns in's Reine, und
ich will doch sehen, ob Dein Trotz nicht zu beugen
ist; - um zehn Uhr erwarte ich Dich. - Jch for-
dere Gehorsam, oder....

Eine heftige Bewegung Frederiks unterbrach des
Alten harte Rede, aber gewaltsam drängte er die
Antwort zurück, die ihm schon auf der Zunge
schwebte.

Jch werde kommen! sagte er ruhig, und ohne
ein Wort des Abschieds verließ der Kaufherr die
Kajüte und das Schiff, um wieder zur Stadt zu-
rückzukehren.
( Fortsetzung folgt. )



Herrn Michels Freiheitsliebe.
( Ein Gedicht in Knittelversen. )
Ach, Herr Gevatter, es ist gar ein schönes Ding
Um Freiheit und Recht! ich schätze sie nicht gering!
D'rum lobe ich mir die Nepublik Amerika,
Und wünschte, ich wäre zur Stelle da.
Dort ist ein Mensch dem andern gleich,
Er sei hoch oder niedrig, arm oder reich.
Da steht es ganz klar in der Zeitung zu lesen,
Wie die Freiheit ein gar so herrliches Wesen.
Was hilft mir nun hier all mein Geld und Gut,
Wenn der Herr Rath drüben so vornehm thut
Und schaut mich über die Achseln an,
Als wäre er ein viel besserer Mann.
So sprach Herr Michel. - Da tritt herein zur Thür
Der Meister Sachs: Jch bringe die Schuhe hier;
Doch bitte ich mir sogleich mein Geld aus,
Denn ich habe ein Weib und kranke Kinder zu Haus.
Der Schuster steht da mit ernstem Gesicht,
Hält offen die Hand, krümmt den Rücken nicht.
Schon oft hat Herr Michel ihn warten lassen,
D'rum will er jetzt auf seine paar Groschen passen.
Herr Michel zahlt aus und brummet dazu:
Das ist doch gar zu viel Geld für die Schuh.
Das Leder ist mürbe, die Sohlen sind schlecht,
Die ganze Arbeit ist mir nicht recht.
Der Meister aber streicht ruhig sein Geld ein.
Die Schuhe können bei Gott nicht besser seyn!
Jch bin, wenn gleich arm, doch ein ehrlicher Mann,
Und wer die Arbeit tadelt, thut nicht recht daran.
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Höhe und warf sich dann mit einem Ausruf der
Freude in die Arme des Vaters.

Brav, mein Frederik! war die freundliche Anrede des
Letztern. erst das Geschäft und dann das Vergnügen,
erst die Pflicht und dann die Willkür – so habe ich es ge-
halten, so sollen auch meine Jungen es halten, so lange
meine Augen offen stehen! Du bist recht stark und männ-
lich geworden, Frederik, fuhr er fort und blickte wohl-
gefällig auf die Gestalt des Sohnes, der mit einem
leichten Anflug von Beklommenheit vor ihm stand;
nun sieh Frederik, das freut mich; – ich will viel,
sehr viel
für Dich thun, vielleicht mehr, als
Du zu hoffen gewagt hast. – Ja, ja, setzte er
lächelnd hinzu, Du bist Deinem Glück so nahe und
ahnst Nichts davon.

Das größte Glück für mich ist, daß ich Euch,
mein theurer Vater, nach langer Abwesenheit noch
gesund und am Leben treffe! antwortete der junge
Mann rasch und mit Jnnigkeit, vergönnt, daß ich
mich vorerst allein dieses Glücks erfreue. – Doch
was macht mein Bruder Willem, – er ist doch
wohl und munter, wie ich hoffe?

Der Willem ist ein braver Junge und hat wie
ein Löwe gegen die Brabanter Meuter gefochten!
entgegnete mit stolzem Lächeln der Vater, dies hat
mich mit seinem übertriebenen patriotischen Eifer
ausgesöhnt, der ihn gegen meinen Willen die Feder
mit dem Degen vertauschen ließ. Später ging er
mit seiner Afdeeling nach der Citadelle von Ant-
werpen und von dort in die Gefangenschaft nach
Frankreich, wo er von seinen erhaltenen Wunden
genas. Vor drei Monaten hat ihn der König zum
Ritter des Löwen=Ordens ernannt, und gegenwärtig
steht er als Lieutenant hier in Amsterdam bei der
städtischen Schutterei; Du wirst ihn morgen bei mir
zu Tische finden.

Nach diesen Worten schickte sich der alte Herr
zum Fortgehen an, doch an der Thüre wandte er
sich nochmals zurück zu dem Sohne.

Jch werde Dich morgen Mittag Deiner Braut
vorstellen, sagte er sehr freundlich, indem er mit
dem goldenen Knopfe seines Stockes auf die Schul-
ter des jungen Mannes klopfte, sei hübsch manier-
lich, Frederik, und mache meiner Empfehlung keine
Schande.

Meiner Braut!? rief dieser betroffen, und sein
Erschrecken war so sichtlich, daß der Vater über-
rascht einen Schritt zurücktrat; meiner Braut? –
Unmöglich! – Jhr treibt Euern Scherz mit mir,
lieber Vater, denn nimmermehr kann ich glauben,
daß....

Jch scherze niemals, wenn es ein Geschäft gilt,
und ein solches ist Deine Heirath und zwar ein sehr
wichtiges, entgegnete der Kaufherr, dessen Freund-
lichkeit schnell zum finstern Ernst wurde, in strengem
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wohl noch von Deiner Kindheit her kennst. Sie
bringt Dir fünfzig Tausend Gulden zur Mitgift, ich
mache Dich zu meinem Associè und jenes Geld wird
Dein Einlage=Kapital. Du siehst, das Geschäft ist
in Ordnung; ich habe es mit Deinem Schwieger-
Vater abgeschlossen, und Deine Meinung ist dabei
ganz überflüssig.

Und habe ich denn keine Stimme, wenn es sich
um das Glück meines Lebens handelt? war die
[Spaltenumbruch] heftige Gegenrede des Sohnes, ist denn mein Herz
eine Waare, die man wie einen Pfeffersack verhan-
delt, ohne meine Neigung zu erforschen, – ja ohne
mich überhaupt zu fragen?

Mit wortlosem Stannen hatte der alte Kauf-
Herr die Rede des Sohnes angehört. – Ziemt sich
eine solche Sprache dem Vater gegenüber? stieß er
endlich mit ausbrechender Wuth hervor.

Es ist die Sprache der Vernunft und des
Rechts, sagte der junge Mann mit ruhiger Festig-
keit, fern sei es von mir, die Ehrfurcht zu ver-
letzen, die ich Euch, mein Vater, schuldig bin;
aber....

Schweig, – ich will Deine Floskeln nicht
hören, donnerte der Aufgebrachte und stieß seinen
Stock wüthend auf den Boden. Die Sache muß
morgen Vormittags zwischen uns in's Reine, und
ich will doch sehen, ob Dein Trotz nicht zu beugen
ist; – um zehn Uhr erwarte ich Dich. – Jch for-
dere Gehorsam, oder....

Eine heftige Bewegung Frederiks unterbrach des
Alten harte Rede, aber gewaltsam drängte er die
Antwort zurück, die ihm schon auf der Zunge
schwebte.

Jch werde kommen! sagte er ruhig, und ohne
ein Wort des Abschieds verließ der Kaufherr die
Kajüte und das Schiff, um wieder zur Stadt zu-
rückzukehren.
( Fortsetzung folgt. )



Herrn Michels Freiheitsliebe.
( Ein Gedicht in Knittelversen. )
Ach, Herr Gevatter, es ist gar ein schönes Ding
Um Freiheit und Recht! ich schätze sie nicht gering!
D'rum lobe ich mir die Nepublik Amerika,
Und wünschte, ich wäre zur Stelle da.
Dort ist ein Mensch dem andern gleich,
Er sei hoch oder niedrig, arm oder reich.
Da steht es ganz klar in der Zeitung zu lesen,
Wie die Freiheit ein gar so herrliches Wesen.
Was hilft mir nun hier all mein Geld und Gut,
Wenn der Herr Rath drüben so vornehm thut
Und schaut mich über die Achseln an,
Als wäre er ein viel besserer Mann.
So sprach Herr Michel. – Da tritt herein zur Thür
Der Meister Sachs: Jch bringe die Schuhe hier;
Doch bitte ich mir sogleich mein Geld aus,
Denn ich habe ein Weib und kranke Kinder zu Haus.
Der Schuster steht da mit ernstem Gesicht,
Hält offen die Hand, krümmt den Rücken nicht.
Schon oft hat Herr Michel ihn warten lassen,
D'rum will er jetzt auf seine paar Groschen passen.
Herr Michel zahlt aus und brummet dazu:
Das ist doch gar zu viel Geld für die Schuh.
Das Leder ist mürbe, die Sohlen sind schlecht,
Die ganze Arbeit ist mir nicht recht.
Der Meister aber streicht ruhig sein Geld ein.
Die Schuhe können bei Gott nicht besser seyn!
Jch bin, wenn gleich arm, doch ein ehrlicher Mann,
Und wer die Arbeit tadelt, thut nicht recht daran.
[Ende Spaltensatz]
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[418/0002] – Höhe und warf sich dann mit einem Ausruf der Freude in die Arme des Vaters. Brav, mein Frederik! war die freundliche Anrede des Letztern. erst das Geschäft und dann das Vergnügen, erst die Pflicht und dann die Willkür – so habe ich es ge- halten, so sollen auch meine Jungen es halten, so lange meine Augen offen stehen! Du bist recht stark und männ- lich geworden, Frederik, fuhr er fort und blickte wohl- gefällig auf die Gestalt des Sohnes, der mit einem leichten Anflug von Beklommenheit vor ihm stand; nun sieh Frederik, das freut mich; – ich will viel, sehr viel für Dich thun, vielleicht mehr, als Du zu hoffen gewagt hast. – Ja, ja, setzte er lächelnd hinzu, Du bist Deinem Glück so nahe und ahnst Nichts davon. 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Da steht es ganz klar in der Zeitung zu lesen, Wie die Freiheit ein gar so herrliches Wesen. Was hilft mir nun hier all mein Geld und Gut, Wenn der Herr Rath drüben so vornehm thut Und schaut mich über die Achseln an, Als wäre er ein viel besserer Mann. So sprach Herr Michel. – Da tritt herein zur Thür Der Meister Sachs: Jch bringe die Schuhe hier; Doch bitte ich mir sogleich mein Geld aus, Denn ich habe ein Weib und kranke Kinder zu Haus. Der Schuster steht da mit ernstem Gesicht, Hält offen die Hand, krümmt den Rücken nicht. Schon oft hat Herr Michel ihn warten lassen, D'rum will er jetzt auf seine paar Groschen passen. Herr Michel zahlt aus und brummet dazu: Das ist doch gar zu viel Geld für die Schuh. Das Leder ist mürbe, die Sohlen sind schlecht, Die ganze Arbeit ist mir nicht recht. Der Meister aber streicht ruhig sein Geld ein. Die Schuhe können bei Gott nicht besser seyn! Jch bin, wenn gleich arm, doch ein ehrlicher Mann, Und wer die Arbeit tadelt, thut nicht recht daran.

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Zitationshilfe: Tübinger Chronik. Nr. 104. [Tübingen (Württemberg)], 29. August 1845, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_chronik104_1845/2>, abgerufen am 01.06.2024.