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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 4. Burg/Berlin, 1836.

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[Beginn Spaltensatz] ihnen endlich 1792 die Halbinsel Taman und das
Land zwischen dem Numan und der Mündung des
Don angewiesen wurde, wo sie jetzt unter dem Namen
der Kosaken des schwarzen Meeres, oder Tscherno-
morzen,
dem Trunke und der Faulheit äußerst er-
geben, als Grenzhüter dienen.

Höchst vortheilhaft zeichnen sich vor diesen durch
Fleiß, Reinlichkeit und Tapferkeit die donischen
Kosaken aus, welche die fruchtbaren Steppen am Don
in einem Umfange von 3600 Quadratmeilen bewohnen.
Sie nahmen nach Vertreibung der Tataren das von
diesen verlassene Land ein, haben aber ebenfalls viele
Tataren mit sich vereinigt. Jnnere Unruhen und Em-
pörungen veranlaßten manche Auswanderungen einzelner
Haufen, welche andere Wohnsitze einnahmen und so
die Stifter der uralischen Kosaken (vom Flusse
Ural) , der grebenskischen am Terek, der oren-
burgischen
und der sibirischen Kosaken wurden.
Diese letzteren sind als die Eroberer Sibiriens be-
rühmt.

Die donischen und einige andere Kosaken haben
die eigenthümliche Verfassung behalten, daß alle waf-
fenfähige Mannschaft in Regimenter unter ihren eigenen
Offizieren vertheilt ist, wovon immer ein Theil den
wirklichen Dienst zum Schutze der Grenzen versieht,
alle aber im Fall eines Aufgebots zu Felde ziehen
müssen. Der Anführer eines Stammes, den aber der
Kaiser ernennt, ist der Ataman oder Hetman.
Befehle von der Krone oder dem Kriegs=Kollegium
ergehen an die Kanzlei des letztern, von wo sie den
einzelnen Stämmen mitgetheilt werden. Die Mehrheit
der Stimmen entscheidet die vorgetragene Sache. Durch
die seit Katharina II. Regierung mehren Ober-
kosakenoffizieren ertheilten Patente regulärer Truppen,
so wie durch mehre Ordensverleihungen kann mit der
Zeit ein erblicher Adel bei ihnen entstehen. Die Rei-
chern und Vornehmern werden dadurch mehr an den
Hof gewöhnt, und dadurch wird früher oder später
auch ihr froher Freiheitssinn, vielleicht auch ihr krie-
gerischer Geist zerstört werden. Alle Kosaken sind per-
sönlich frei und mögen leicht 600,000 waffenfähige
Männer betragen.



Die Spanierin.

Wo die Königreiche Leon und Estremadura
sich berühren, erhebt sich ein gebirgiger Landstrich im-
mer höher und wilder; immer seltener werden die
menschlichen Wohnungen, immer ausgedehnter die Ein-
öden und Wüsteneien. Aber die einzelnen Wohnplätze
der Menschen, welche der Wanderer in diesem seltsamen
Lande trifft, sind bedeutend genug, um seine volle Auf-
merksamkeit zu verdienen.

Salamanka liegt mitten in einer dieser un-
fruchtbaren, von dem Tormes und Agueda durchström-
ten Ebenen. Bon diesem Salamanka aus zog der
tapfere General Moore und bezahlte mit seinem Le-
ben die Langsamkeit einer zu nachlässig geführten Expe-
[Spaltenumbruch] dition, welche ihn dem nachstürmenden Marschall Soult
entziehen und ihm in Korunna ein Asyl gewähren
sollte.

Es würde schwer sein, in ganz Spanien einen
Platz zu finden, welcher durch wichtigere Begebenheiten
innerhalb eines so kleinen Raums ausgezeichneter wäre.
Die Ströme von Blut, welche hier vergossen wurden,
hätten den Boden fruchtbarer machen sollen; aber in
diesem Gebirgsstrich und selbst in seinen Ebenen scheint
vielmehr der Zorn Gottes die Kämpfer noch in ihren
Nachkommen bestrafen zu wollen, und gleich schonungs-
los die Vertheidiger des Kreuzes und dessen Feinde zu
züchtigen.

Jn ganz Spanien giebt es wenige so unfrucht-
bare und traurige Gegenden. Kein Baum erheitert
die Ufer des Tormes; entblößt von allen Reizen einer
belebten Natur erscheint jener Landstrich als eine kahle
schauerliche Wüste. Nur während zweier Monate im
ganzen Jahre gewähren die langen Ebenen des Tormes
dem Auge eine Erquickung im Farbenwechsel. Zahl-
reiche Arten von Haidekräutern öffnen dann die Kelche
ihrer wundervollen Blüthen und Tausende köstlicher
Blumen erfüllen die Luft mit Wohlgerüchen. Allein
diese ganze Pracht und Herrlichkeit dauert nicht länger,
als die kurze Blüthenzeit. Bei den ersten Strahlen
der brennenden Sonne Spaniens fallen die frischen Ge-
wänder aller dieser Pflanzen schnell ab und starren als
nackte verwelkte Stengel empor. Dieser Anblick ist noch
trauriger, als wenn man nur eine nackte, mit Fels-
trümmern bedeckte Ebene sähe, trauriger selbst, als
jene Sandkieselstrecken um Escurial.

Vor dem Kriege von 1808 wurde das Schwei-
gen dieser Einöde zuweilen von den Karawanen unter-
brochen, welche die Lebensbedürfnisse in den Provinzen
umherführten. Diese Karawanen bestanden aus langen
Reihen von Maulthieren und Eseln, sie trugen vorzüg-
lich bockslederne betheerte Schläuche mit Landwein;
voran zog gemessenen Schrittes das am besten abgerich-
tete Maulthier mit einem buntfarbigen Federbusch und
einigen sehr gellenden Glöckchen zum Zeichen des Kom-
mando 's auf dem Kopfe, welchen es stolz hin und her
wiegte, damit die Glöckchen tönten. Ein einziger
Mann war der Führer eines solchen Zuges, hatte oft
über funfzig Maulthiere unter seiner Leitung, schritt
entweder nebenher, oder ritt bei schlechtem Wetter auf
dem vordersten capitana genannten Maulthier. Er
stammte beinahe immer aus dem Königreich Leon oder
aus Asturien, und war kenntlich an seiner Mütze von
schwarzem Sammet, an der Jacke ohne Aermel von
rothgelbem Leder und an seinem breiten hellgelben Gür-
tel mit der mächtigen Kupferschnalle. Er reiste stets
bewaffnet. Auf dem Saumsattel seines Maulthieres
kreuzten sich zwei Karabiner und dazu trug er eines
jener langen, zu Terceira fabrizirten Messer, welche
in der Hand eines Mannes, der damit umzugehen
weiß, eine so furchtbare Waffe bilden.

Jm Jahre 1811 stand noch zwischen Alba de
Tormes und Medina del Campo an den Ufern des
Zarapadiel ein Dorf von einigen Häusern, die wohl
[Ende Spaltensatz]

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[Beginn Spaltensatz] ihnen endlich 1792 die Halbinsel Taman und das
Land zwischen dem Numan und der Mündung des
Don angewiesen wurde, wo sie jetzt unter dem Namen
der Kosaken des schwarzen Meeres, oder Tscherno-
morzen,
dem Trunke und der Faulheit äußerst er-
geben, als Grenzhüter dienen.

Höchst vortheilhaft zeichnen sich vor diesen durch
Fleiß, Reinlichkeit und Tapferkeit die donischen
Kosaken aus, welche die fruchtbaren Steppen am Don
in einem Umfange von 3600 Quadratmeilen bewohnen.
Sie nahmen nach Vertreibung der Tataren das von
diesen verlassene Land ein, haben aber ebenfalls viele
Tataren mit sich vereinigt. Jnnere Unruhen und Em-
pörungen veranlaßten manche Auswanderungen einzelner
Haufen, welche andere Wohnsitze einnahmen und so
die Stifter der uralischen Kosaken (vom Flusse
Ural) , der grebenskischen am Terek, der oren-
burgischen
und der sibirischen Kosaken wurden.
Diese letzteren sind als die Eroberer Sibiriens be-
rühmt.

Die donischen und einige andere Kosaken haben
die eigenthümliche Verfassung behalten, daß alle waf-
fenfähige Mannschaft in Regimenter unter ihren eigenen
Offizieren vertheilt ist, wovon immer ein Theil den
wirklichen Dienst zum Schutze der Grenzen versieht,
alle aber im Fall eines Aufgebots zu Felde ziehen
müssen. Der Anführer eines Stammes, den aber der
Kaiser ernennt, ist der Ataman oder Hetman.
Befehle von der Krone oder dem Kriegs=Kollegium
ergehen an die Kanzlei des letztern, von wo sie den
einzelnen Stämmen mitgetheilt werden. Die Mehrheit
der Stimmen entscheidet die vorgetragene Sache. Durch
die seit Katharina II. Regierung mehren Ober-
kosakenoffizieren ertheilten Patente regulärer Truppen,
so wie durch mehre Ordensverleihungen kann mit der
Zeit ein erblicher Adel bei ihnen entstehen. Die Rei-
chern und Vornehmern werden dadurch mehr an den
Hof gewöhnt, und dadurch wird früher oder später
auch ihr froher Freiheitssinn, vielleicht auch ihr krie-
gerischer Geist zerstört werden. Alle Kosaken sind per-
sönlich frei und mögen leicht 600,000 waffenfähige
Männer betragen.



Die Spanierin.

Wo die Königreiche Leon und Estremadura
sich berühren, erhebt sich ein gebirgiger Landstrich im-
mer höher und wilder; immer seltener werden die
menschlichen Wohnungen, immer ausgedehnter die Ein-
öden und Wüsteneien. Aber die einzelnen Wohnplätze
der Menschen, welche der Wanderer in diesem seltsamen
Lande trifft, sind bedeutend genug, um seine volle Auf-
merksamkeit zu verdienen.

Salamanka liegt mitten in einer dieser un-
fruchtbaren, von dem Tormes und Agueda durchström-
ten Ebenen. Bon diesem Salamanka aus zog der
tapfere General Moore und bezahlte mit seinem Le-
ben die Langsamkeit einer zu nachlässig geführten Expe-
[Spaltenumbruch] dition, welche ihn dem nachstürmenden Marschall Soult
entziehen und ihm in Korunna ein Asyl gewähren
sollte.

Es würde schwer sein, in ganz Spanien einen
Platz zu finden, welcher durch wichtigere Begebenheiten
innerhalb eines so kleinen Raums ausgezeichneter wäre.
Die Ströme von Blut, welche hier vergossen wurden,
hätten den Boden fruchtbarer machen sollen; aber in
diesem Gebirgsstrich und selbst in seinen Ebenen scheint
vielmehr der Zorn Gottes die Kämpfer noch in ihren
Nachkommen bestrafen zu wollen, und gleich schonungs-
los die Vertheidiger des Kreuzes und dessen Feinde zu
züchtigen.

Jn ganz Spanien giebt es wenige so unfrucht-
bare und traurige Gegenden. Kein Baum erheitert
die Ufer des Tormes; entblößt von allen Reizen einer
belebten Natur erscheint jener Landstrich als eine kahle
schauerliche Wüste. Nur während zweier Monate im
ganzen Jahre gewähren die langen Ebenen des Tormes
dem Auge eine Erquickung im Farbenwechsel. Zahl-
reiche Arten von Haidekräutern öffnen dann die Kelche
ihrer wundervollen Blüthen und Tausende köstlicher
Blumen erfüllen die Luft mit Wohlgerüchen. Allein
diese ganze Pracht und Herrlichkeit dauert nicht länger,
als die kurze Blüthenzeit. Bei den ersten Strahlen
der brennenden Sonne Spaniens fallen die frischen Ge-
wänder aller dieser Pflanzen schnell ab und starren als
nackte verwelkte Stengel empor. Dieser Anblick ist noch
trauriger, als wenn man nur eine nackte, mit Fels-
trümmern bedeckte Ebene sähe, trauriger selbst, als
jene Sandkieselstrecken um Escurial.

Vor dem Kriege von 1808 wurde das Schwei-
gen dieser Einöde zuweilen von den Karawanen unter-
brochen, welche die Lebensbedürfnisse in den Provinzen
umherführten. Diese Karawanen bestanden aus langen
Reihen von Maulthieren und Eseln, sie trugen vorzüg-
lich bockslederne betheerte Schläuche mit Landwein;
voran zog gemessenen Schrittes das am besten abgerich-
tete Maulthier mit einem buntfarbigen Federbusch und
einigen sehr gellenden Glöckchen zum Zeichen des Kom-
mando 's auf dem Kopfe, welchen es stolz hin und her
wiegte, damit die Glöckchen tönten. Ein einziger
Mann war der Führer eines solchen Zuges, hatte oft
über funfzig Maulthiere unter seiner Leitung, schritt
entweder nebenher, oder ritt bei schlechtem Wetter auf
dem vordersten capitana genannten Maulthier. Er
stammte beinahe immer aus dem Königreich Leon oder
aus Asturien, und war kenntlich an seiner Mütze von
schwarzem Sammet, an der Jacke ohne Aermel von
rothgelbem Leder und an seinem breiten hellgelben Gür-
tel mit der mächtigen Kupferschnalle. Er reiste stets
bewaffnet. Auf dem Saumsattel seines Maulthieres
kreuzten sich zwei Karabiner und dazu trug er eines
jener langen, zu Terceira fabrizirten Messer, welche
in der Hand eines Mannes, der damit umzugehen
weiß, eine so furchtbare Waffe bilden.

Jm Jahre 1811 stand noch zwischen Alba de
Tormes und Medina del Campo an den Ufern des
Zarapadiel ein Dorf von einigen Häusern, die wohl
[Ende Spaltensatz]

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Nur während zweier Monate im ganzen Jahre gewähren die langen Ebenen des Tormes dem Auge eine Erquickung im Farbenwechsel. Zahl- reiche Arten von Haidekräutern öffnen dann die Kelche ihrer wundervollen Blüthen und Tausende köstlicher Blumen erfüllen die Luft mit Wohlgerüchen. Allein diese ganze Pracht und Herrlichkeit dauert nicht länger, als die kurze Blüthenzeit. Bei den ersten Strahlen der brennenden Sonne Spaniens fallen die frischen Ge- wänder aller dieser Pflanzen schnell ab und starren als nackte verwelkte Stengel empor. Dieser Anblick ist noch trauriger, als wenn man nur eine nackte, mit Fels- trümmern bedeckte Ebene sähe, trauriger selbst, als jene Sandkieselstrecken um Escurial. Vor dem Kriege von 1808 wurde das Schwei- gen dieser Einöde zuweilen von den Karawanen unter- brochen, welche die Lebensbedürfnisse in den Provinzen umherführten. Diese Karawanen bestanden aus langen Reihen von Maulthieren und Eseln, sie trugen vorzüg- lich bockslederne betheerte Schläuche mit Landwein; voran zog gemessenen Schrittes das am besten abgerich- tete Maulthier mit einem buntfarbigen Federbusch und einigen sehr gellenden Glöckchen zum Zeichen des Kom- mando 's auf dem Kopfe, welchen es stolz hin und her wiegte, damit die Glöckchen tönten. Ein einziger Mann war der Führer eines solchen Zuges, hatte oft über funfzig Maulthiere unter seiner Leitung, schritt entweder nebenher, oder ritt bei schlechtem Wetter auf dem vordersten capitana genannten Maulthier. Er stammte beinahe immer aus dem Königreich Leon oder aus Asturien, und war kenntlich an seiner Mütze von schwarzem Sammet, an der Jacke ohne Aermel von rothgelbem Leder und an seinem breiten hellgelben Gür- tel mit der mächtigen Kupferschnalle. Er reiste stets bewaffnet. 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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 4. Burg/Berlin, 1836, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt04_1836/2>, abgerufen am 01.06.2024.