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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 4. Burg/Berlin, 1836.

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53 Conversations=Blatt. 54
[Beginn Spaltensatz] gebaut waren und besser erschienen, als die Mehrzahl
der Gebäude von Altkastilien und Leon. Damals war
die ganze Umgegend reich an Weinstöcken. Noch wa-
ren die Weingärten nicht zerstört, ihrer Stöcke beraubt,
verbrannt; noch war die Furie des Kriegs mit ihrem
Giftathem nicht verheerend über jenen Landstrich hinge-
fahren.

Es war an einem Abend des Septembers 1810.
Lange Zeit war dieser Theil von Spanien trotz des
ewigen Hin= und Herziehens der englischen und fran-
zösischen Heere den todbringenden Blicken jener Maro-
deurs entgangen, welche von ihren Korps sich entfern-
nend, furchtbarere Werkzeuge der Zerstörung und aller
Gräuel sind, als ganze von ihren Feldherren im Zaum
gehaltene Heere.

Das erwähnte Dorf hieß San Pedro und lag
nahe an der Pena de Francia genannten Bergkette,
unfern des Thals von Batuecas. Seine Bewohner
waren sehr regsam, geschäftig, munter, lebten ein
friedlich heiteres Leben des Ackerbaues und erwarben
sich damit genug, um sich das Leben angenehm zu
machen.

Unter ihnen befand sich ein junges Paar, dessen
Tugenden unwillkührlich Aller Achtung und Liebe in
hohem Grade gewonnen hatten. Die erst zwanzig
Jahr alte Frau war die Tochter eines durch das ganze
Land wegen seiner Tapferkeit gegen die Schleichhändler-
banden berühmten Mannes. Solche Tapferkeit war
von Werth für ein einzelnes Dorf, wie San Pedro,
indem vor dem französischen Kriege die Schmuggler
nicht selten frech und stark genug waren, solche Dör-
fer anzugreifen und auszuplündern. Thomas Munoz
hieß der Tapfere, er war von ungewöhnlicher Körper-
stärke und die Energie seines Charakters entsprach sei-
ner physischen Kraft. Als der Kriegsruf über ganz
Spanien erklang, horchte Munoz, auf welcher Seite
wohl die gerechte Sache wäre. Hätte sein König Un-
recht gehabt, so wäre Munoz gewiß im Dorfe geblie-
ben und hätte sich, ohne einer andern Fahne zu fol-
gen, auf dessen Vertheidigung beschränkt. Aber als er
die ganze Gehässigkeit dieses unheiligen Kriegs begriff
und die ganze Frevelhaftigkeit des fremden Einfalls er-
kannte, da legte er seine Ackerwerkzeuge bei Seite und
entsagte jeder bäuerlichen Beschäftigung.

Er hatte vier Söhne und eine Tochter, das äl-
teste dieser fünf Kinder zählte dreißig, das jüngste
zwanzig Jahr, und dieses jüngste hieß Maria de los
Dolores. Schön war Maria, schön durch jene Reize,
welche ein warmes Herz und eine starke Seele verlei-
hen. Gewöhnlich lag Ruhe auf ihrem Antlitz und jene
Blässe, welche weder der Lebendigkeit noch der Frische
entbehrt. Jhre Augen waren schwarz, glänzend und
sanft. Mit einem Wort, sie war eine jener Spanie-
rinnen, welche das Herz entzücken, für ewig es fes-
seln, das Vaterland und Alles, was man vor ihnen
geliebt hat, vergessen machen.

Besser vielleicht, als einer ihrer Brüder, begriff
Maria den Vater. Als dieser an der Spitze einer
selbstgeworbenen Bauernschaar auszog, um die ersten
[Spaltenumbruch] Guerillas zu bilden, folgte sie ihm in die Sierra,
trug ihre Flinte und tödtete mit dem Muth und der
Kaltblütigkeit des kräftigen Mannes ihren Feind.
Mächtigen Zauber übte das Wort Vaterland auf das
Herz dieses Mädchens, einen bewundernswürdigen Aus-
druck gewann ihr Mund, so oft sie es aussprach,
und ihre Augen, ihre so reinen und sanften Blicke
wurden alsdann zu flammenden Blitzen und sprachen
eindringlich die Sprache, welche damals aus jedem
spanischen Männerherzen ertönte.

    (Fortsetzung folgt.)



Kindernester.

(Eine Antike.)

Der Baum mit zwei Nestern voller Kinder ist
für Liebhaber der Kunst und des Alterthums eins der
anziehendsten marmornen Denkmäler der berühmten
Antikensammlung im Vatikan zu Rom. Es hat aber
auch den Alterthumsforschern die meiste Schwierigkeit
zur Erklärung desselben dargeboten. Dem gelehrten
Römer, dem Abbate Raffei, gelang es indessen, die
Bedeutung desselben sehr wahrscheinlich zu machen. Er
erinnert daran, daß unter den Statuen, welche das
Theater und die Hallen des Pompejus zierten,
einige Personen dargestellt waren, die als außerordent-
liche Erscheinungen in der Naturgeschichte des Menschen
zu betrachten waren. Unter andern sah man daselbst
Bildsäulen einiger Mütter, welche theils wegen der un-
gewöhnlich großen Anzahl, theils wegen der Mißgestalt
der von ihnen gebornen Kinder berühmt geworden
waren. Bei dieser Gelegenheit erwähnt er der Statue
der Entychidis, einer Mutter von 30 Kindern,
von denen sie 20 zu Grabe begleitete. Auch war da
die Alcippe abgebildet, welche alten Nachrichten zu-
folge einen Elephanten geboren haben soll. Noch ge-
schieht beiläufig Meldung von einer andern peloponesi-
schen Frau, die in 4 Wochenbetten 20 Kinder zur
Welt brachte, und es kann beinahe als gewiß gelten,
daß ihre Bildsäule neben jener der Entychidis und
der Alcippe aufgestellt war. Der römische Natur-
forscher Plinius berichtet ferner, daß die größten
Künstler zur Zeit des Pompejus an dergleichen Ge-
genständen ihre Kunst und Erfindungsgabe bewiesen
hätten; woraus man schließen darf, daß den obgedach-
ten Statuen gewisse Sinnbilder und Nebenwerke beige-
geben gewesen, welche die Sache, wodurch die abge-
bildeten Personen berühmt geworden, auf eine edle
und geschmackvolle Weise andeuteten. Da mochte nun,
um die Bildsäule der zuletzt genannten peloponesischen
Frau zu bezeichnen, der Bildhauer neben sie einen
Baumstamm gesetzt haben, wie solches bei antiken
Statuen häufig geschah, und auf diesen Stamm vier
Nester, jedes mit 5 Kindern angefüllt, wodurch das Na-
turwunder der 20 Kinder aus 4 Wochenbetten auf
gefällige Art angedeutet worden wäre. Hierdurch wäre
denn dies Monument auf ungezwungene Weise er-
klärt.

[Ende Spaltensatz]

53 Conversations=Blatt. 54
[Beginn Spaltensatz] gebaut waren und besser erschienen, als die Mehrzahl
der Gebäude von Altkastilien und Leon. Damals war
die ganze Umgegend reich an Weinstöcken. Noch wa-
ren die Weingärten nicht zerstört, ihrer Stöcke beraubt,
verbrannt; noch war die Furie des Kriegs mit ihrem
Giftathem nicht verheerend über jenen Landstrich hinge-
fahren.

Es war an einem Abend des Septembers 1810.
Lange Zeit war dieser Theil von Spanien trotz des
ewigen Hin= und Herziehens der englischen und fran-
zösischen Heere den todbringenden Blicken jener Maro-
deurs entgangen, welche von ihren Korps sich entfern-
nend, furchtbarere Werkzeuge der Zerstörung und aller
Gräuel sind, als ganze von ihren Feldherren im Zaum
gehaltene Heere.

Das erwähnte Dorf hieß San Pedro und lag
nahe an der Pena de Francia genannten Bergkette,
unfern des Thals von Batuecas. Seine Bewohner
waren sehr regsam, geschäftig, munter, lebten ein
friedlich heiteres Leben des Ackerbaues und erwarben
sich damit genug, um sich das Leben angenehm zu
machen.

Unter ihnen befand sich ein junges Paar, dessen
Tugenden unwillkührlich Aller Achtung und Liebe in
hohem Grade gewonnen hatten. Die erst zwanzig
Jahr alte Frau war die Tochter eines durch das ganze
Land wegen seiner Tapferkeit gegen die Schleichhändler-
banden berühmten Mannes. Solche Tapferkeit war
von Werth für ein einzelnes Dorf, wie San Pedro,
indem vor dem französischen Kriege die Schmuggler
nicht selten frech und stark genug waren, solche Dör-
fer anzugreifen und auszuplündern. Thomas Munoz
hieß der Tapfere, er war von ungewöhnlicher Körper-
stärke und die Energie seines Charakters entsprach sei-
ner physischen Kraft. Als der Kriegsruf über ganz
Spanien erklang, horchte Munoz, auf welcher Seite
wohl die gerechte Sache wäre. Hätte sein König Un-
recht gehabt, so wäre Munoz gewiß im Dorfe geblie-
ben und hätte sich, ohne einer andern Fahne zu fol-
gen, auf dessen Vertheidigung beschränkt. Aber als er
die ganze Gehässigkeit dieses unheiligen Kriegs begriff
und die ganze Frevelhaftigkeit des fremden Einfalls er-
kannte, da legte er seine Ackerwerkzeuge bei Seite und
entsagte jeder bäuerlichen Beschäftigung.

Er hatte vier Söhne und eine Tochter, das äl-
teste dieser fünf Kinder zählte dreißig, das jüngste
zwanzig Jahr, und dieses jüngste hieß Maria de los
Dolores. Schön war Maria, schön durch jene Reize,
welche ein warmes Herz und eine starke Seele verlei-
hen. Gewöhnlich lag Ruhe auf ihrem Antlitz und jene
Blässe, welche weder der Lebendigkeit noch der Frische
entbehrt. Jhre Augen waren schwarz, glänzend und
sanft. Mit einem Wort, sie war eine jener Spanie-
rinnen, welche das Herz entzücken, für ewig es fes-
seln, das Vaterland und Alles, was man vor ihnen
geliebt hat, vergessen machen.

Besser vielleicht, als einer ihrer Brüder, begriff
Maria den Vater. Als dieser an der Spitze einer
selbstgeworbenen Bauernschaar auszog, um die ersten
[Spaltenumbruch] Guerillas zu bilden, folgte sie ihm in die Sierra,
trug ihre Flinte und tödtete mit dem Muth und der
Kaltblütigkeit des kräftigen Mannes ihren Feind.
Mächtigen Zauber übte das Wort Vaterland auf das
Herz dieses Mädchens, einen bewundernswürdigen Aus-
druck gewann ihr Mund, so oft sie es aussprach,
und ihre Augen, ihre so reinen und sanften Blicke
wurden alsdann zu flammenden Blitzen und sprachen
eindringlich die Sprache, welche damals aus jedem
spanischen Männerherzen ertönte.

    (Fortsetzung folgt.)



Kindernester.

(Eine Antike.)

Der Baum mit zwei Nestern voller Kinder ist
für Liebhaber der Kunst und des Alterthums eins der
anziehendsten marmornen Denkmäler der berühmten
Antikensammlung im Vatikan zu Rom. Es hat aber
auch den Alterthumsforschern die meiste Schwierigkeit
zur Erklärung desselben dargeboten. Dem gelehrten
Römer, dem Abbate Raffei, gelang es indessen, die
Bedeutung desselben sehr wahrscheinlich zu machen. Er
erinnert daran, daß unter den Statuen, welche das
Theater und die Hallen des Pompejus zierten,
einige Personen dargestellt waren, die als außerordent-
liche Erscheinungen in der Naturgeschichte des Menschen
zu betrachten waren. Unter andern sah man daselbst
Bildsäulen einiger Mütter, welche theils wegen der un-
gewöhnlich großen Anzahl, theils wegen der Mißgestalt
der von ihnen gebornen Kinder berühmt geworden
waren. Bei dieser Gelegenheit erwähnt er der Statue
der Entychidis, einer Mutter von 30 Kindern,
von denen sie 20 zu Grabe begleitete. Auch war da
die Alcippe abgebildet, welche alten Nachrichten zu-
folge einen Elephanten geboren haben soll. Noch ge-
schieht beiläufig Meldung von einer andern peloponesi-
schen Frau, die in 4 Wochenbetten 20 Kinder zur
Welt brachte, und es kann beinahe als gewiß gelten,
daß ihre Bildsäule neben jener der Entychidis und
der Alcippe aufgestellt war. Der römische Natur-
forscher Plinius berichtet ferner, daß die größten
Künstler zur Zeit des Pompejus an dergleichen Ge-
genständen ihre Kunst und Erfindungsgabe bewiesen
hätten; woraus man schließen darf, daß den obgedach-
ten Statuen gewisse Sinnbilder und Nebenwerke beige-
geben gewesen, welche die Sache, wodurch die abge-
bildeten Personen berühmt geworden, auf eine edle
und geschmackvolle Weise andeuteten. Da mochte nun,
um die Bildsäule der zuletzt genannten peloponesischen
Frau zu bezeichnen, der Bildhauer neben sie einen
Baumstamm gesetzt haben, wie solches bei antiken
Statuen häufig geschah, und auf diesen Stamm vier
Nester, jedes mit 5 Kindern angefüllt, wodurch das Na-
turwunder der 20 Kinder aus 4 Wochenbetten auf
gefällige Art angedeutet worden wäre. Hierdurch wäre
denn dies Monument auf ungezwungene Weise er-
klärt.

[Ende Spaltensatz]
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Dem gelehrten Römer, dem Abbate Raffei, gelang es indessen, die Bedeutung desselben sehr wahrscheinlich zu machen. Er erinnert daran, daß unter den Statuen, welche das Theater und die Hallen des Pompejus zierten, einige Personen dargestellt waren, die als außerordent- liche Erscheinungen in der Naturgeschichte des Menschen zu betrachten waren. Unter andern sah man daselbst Bildsäulen einiger Mütter, welche theils wegen der un- gewöhnlich großen Anzahl, theils wegen der Mißgestalt der von ihnen gebornen Kinder berühmt geworden waren. Bei dieser Gelegenheit erwähnt er der Statue der Entychidis, einer Mutter von 30 Kindern, von denen sie 20 zu Grabe begleitete. Auch war da die Alcippe abgebildet, welche alten Nachrichten zu- folge einen Elephanten geboren haben soll. 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Da mochte nun, um die Bildsäule der zuletzt genannten peloponesischen Frau zu bezeichnen, der Bildhauer neben sie einen Baumstamm gesetzt haben, wie solches bei antiken Statuen häufig geschah, und auf diesen Stamm vier Nester, jedes mit 5 Kindern angefüllt, wodurch das Na- turwunder der 20 Kinder aus 4 Wochenbetten auf gefällige Art angedeutet worden wäre. Hierdurch wäre denn dies Monument auf ungezwungene Weise er- klärt.

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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 4. Burg/Berlin, 1836, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt04_1836/3>, abgerufen am 15.06.2024.