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Mainzer Journal. Nr. 134. Mainz, 9. November 1848.

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Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den "Rheinischen Unterhaltungs-
blättern " schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 134. Donnerstag, den 9. November. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland und Norditalien.

C Herr Vogt hat gesagt, der Krieg in Jtalien sey nur eine
dynastische Sache des Hauses Habsburg, aber nun und nimmer-
mehr eine deutsche Sache. Wir vermissen jedoch die Begründung
für diesen Machtspruch. Wohl wird der Krieg nicht geführt vom
gesammten deutschen Volke, aber ganz gewiß für das gesammte
deutsche Volk. So wenigstens müssen wir sagen, so lange wir
nicht einverstanden sind mit der Ausschließung Oesterreichs von
einem etwa zu gründenden preußisch=deutschen Reiche, und wenn
die österreichische Monarchie dem Baue des deutschen Reiches
durchaus eingegliedert werden muß, was wir genügend darge-
than zu haben glauben, dann ist ihr Umfang, dann ist die Zahl
ihrer Schutzvölker für uns nicht gleichgiltig, denn Oesterreich kann
nicht durch eine Losspaltung aller nicht=deutschen Provinzen in
das deutsche Reich sich einfügen lassen. Herr Vogt sagt weiter, jede
Revolution sey berechtigt, wenn sie siegreich sey. Das heißt aber, sich
zum Faustrechte bekennen, und Herrn Vogts Ausspruch muß, wenn
man auf Consequenz Anspruch macht, auch für Das gelten, was
Herr Vogt Reaction nennt. Ja, wir können aus jenem Ausspruche
sogar beweisen, daß gar keine Revolution berechtigt ist! Denn wenn
eine Revolution und ihre Zustände berechtigt sind, so kann Niemand
das Recht haben, dagegen anzukämpfen, sonst müßte das Recht sich
selbst aufheben. Also ist jeder Versuch einer neuen Revolution ein
Unrecht, eine Usurpation; also darf man alle Mittel, welche das
Recht in einem geordneten Staate darbietet, zu Unterdrückung und
Bestrafung von dergleichen Versuchen aufbieten, ja Diejenigen,
denen es obliegt, das Recht zu schützen, die sind verpflichtet zum
entschiedenen und consequenten Gebrauche dieser Mittel. Eine sieg-
reiche Revolution, das geben wir Herrn Vogt gern zu, wird
Niemand bestrafen. Doch von diesen Sätzen, die um so weniger
unsere Grundsätze sind, je gewisser sie aus den Worten des Herrn
Vogt folgen, als von einem unfruchtbaren Felde, wollen wir
übergehen auf die Bedeutung Jtaliens für Deutschland. Die gei-
stige wollen wir nicht besprechen, -- hier geht das deutsche Volk
in zwei unversöhnliche Behauptungen auseinander, -- die mate-
rielle wird um so einleuchtender sich nachweisen lassen.

Vorerst war es durch alle Jahrhunderte ein Charakterzug
des deutschen Volkes, gern zu wohnen und leicht heimisch zu wer-
den am südlichen Abhange der Alpen; sodann ist die lombar-
dische Ebene durch das ganze Mittelalter und so lang es ein
deutsches Reich gegeben, wenigstens dem positiven Rechte nach,
mit Ausnahme weniger vorübergehender Unterbrechungen, diesem
unterthan oder zinspflichtig gewesen. Für das Frankenreich hatte
Karl der Große sie den Lombarden abgerungen. Als später
Oesterreich Belgien verloren, ein Land, in welchem das deutsche
Element wenigstens dem welschen das Gleichgewicht hielt, da
war Venedig die Entschädigung und dieses blieb auch im Wie-
ner Frieden bei Oesterreich. Die Gerechtigkeit hätte damals
Rückgabe der venetianischen Freiheit und Erstattung Belgiens an
den Kaiserstaat gefordert. Oesterreich besitzt aber heute, oder un-
terwirft sich Benedig mit demselben Rechte, mit welchem alle
Staaten ihre 1815 ihnen zugewiesenen Rechte behaupten. Triest
aber ist eine deutsche Stadt und muß es bleiben. Nur, wenn
Venedig und Dalmatien in Einer Hand sind, kann es Selbststän-
digkeit und Bedeutung bewahren. Venedig mit Dalmatien gibt
die Herrschaft im adriatischen Meere. Es ist die südliche Mün-
dung der deutschen Handelsstraßen, und wenn der Weg über Suez,
was bei ruhigeren Zeiten nicht ausbleiben wird, den Seeweg
um das Cap der guten Hoffnung aussticht, dann wird der ganze
Güterzug von Triest und Venedig durch Eisenbahn und Dampf-
schiffe nach unseren Nord= und Ostseeküsten geleitet werden. Wenn
[Spaltenumbruch] aber Venedig nicht zu Deutschland in einem Verhältnisse steht
welches dafür bürgt, daß eine feindselige, eigensüchtige, allen-
falls Engländern und Franzosen dienstbare Politik nicht etwa
allen Vortheil dieser Völkerstraße den Deutschen rein confiscire,
wenn wir nicht betrogen seyn wollen, wie mit dem Sundzolle,
nicht gehütet, wie von Helgoland, nicht genasführt, wie mit dem
holländischen jusqu'a la mer, -- dann muß des deutschen Vol-
kes Herrschaft reichen bis zu den Fluthen von Adria; unter dem
Schatten unserer Eichen muß der Löwe des heiligen Marcus
wachen.

Die Politik des Herrn Vogt würde dagegen durch eine selbst-
ständige ( ? ) Lombardei, durch eine venetianische Republik, unter
Gott weiß welcher Vormundschaft, das adriatische Meer ebenso,
wie durch Holland den Rhein, wie durch das Magyarenthum die
untere Donau uns verschließen. Hier nur noch die Bemerkung,
daß die gewaltige Bedeutung des deutschen Handels im Mittel-
alter wesentlich dem Waarenzuge über Suez zu verdanken war,
daß aber damals nicht, wie heute bei der gewaltigen Geschwin-
digkeit des Verkehres und Regsamkeit der Concurrenz geschieht,
die ganze Bedeutung, der gesammte Vortheil der Waarendurch-
züge in den Küstenplätzen, in den End= und Anfangspunkten
der Reise, in einer oder zwei Stationen der Umladung lag.

Nun auch noch ein Wort über die strategische Bedeutung
Oberitaliens. Deutschland ist am Rheine durch die allzeit zwei-
deutige Schweiz überflügelt, durch das -- wir fürchten für
immer -- französische Elsaß von einer feindlichen vorspringenden
Bastion gebrochen. Es entbehrt die Vortheile, welche die nie-
derländischen, gleichfalls losgerissenen Länder deutschen Stammes
ihm im Norden geben müßten. Dagegen bietet in Jtalien das
lombardisch=venetianische Königreich mit den Festungen Mantua,
Verona, Legnano, Peschiera, mit seinem Zusammenhange mit
Tirols Gebirgspässen, mit seinen reichen materiellen Hilfs-
quellen ein mächtiges Vorwerk dar gegen Frankreich, welches
überdies in seinen südlichen Departements bis an das mittellän-
dische Meer Jtaliens Grenzscheide bildet, also uns auch von
Süden überflügeln würde, wenn die deutsche Macht nicht bis an
den Po sich ausdehnte. Man braucht darum wahrhaftig kein Fran-
zosenfresser zu seyn, um auch den deutschen Heeren für den, doch
immer möglichen Fall eines Krieges -- einen Boden zu wün-
schen, wo sie, wenn nicht mit Ueberlegenheit, doch mit gleichen
Vortheilen der Stellung auftreten können. Napoleons italienische
Feldzüge beweisen hinlänglich den strategischen Werth von Ober-
italien.

Es versteht sich dabei von selbst, daß wir in ihrer natürlichen,
innern Entfaltung keine Nationalität gestört und gehemmt, daß
wir keine bureaukratisch germanisirt wissen wollen: aber nach
Außen und politisch ist oft eine nicht drückende Abhängigkeit für
ein kleineres Volk vortheilhafter, als eine mit krampfhafter An-
strengung, mit Verschwendung der Lebenskraft, mit stetem Zittern
und zweifelhaftem Ausgange behauptete Scheinselbstständigkeit.
Wo nun gar das positive Recht eine solche mit sich bringt, da ist
es keine Versündigung am Völkerrechte, sie aufrecht zu halten, und
das kann für Deutschland in der Lombardei jetzt nur Oesterreich
thun. Würde es jetzt unterlassen, dann möchte weder
ein Finanz= und Handels=, noch ein Kriegsministe-
rium der Zukunft im Stande seyn, das Verlorene
wieder einzubringen; wir hätten das Nachsehen,
wie es seit
1648 gewöhnlich der Fall gewesen ist.



Deutschland.

Wien 2. November. ( A. Z. ) Jellachich, welcher die Ungarn
[Ende Spaltensatz]

Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs-
blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 134. Donnerstag, den 9. November. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland und Norditalien.

C Herr Vogt hat gesagt, der Krieg in Jtalien sey nur eine
dynastische Sache des Hauses Habsburg, aber nun und nimmer-
mehr eine deutsche Sache. Wir vermissen jedoch die Begründung
für diesen Machtspruch. Wohl wird der Krieg nicht geführt vom
gesammten deutschen Volke, aber ganz gewiß für das gesammte
deutsche Volk. So wenigstens müssen wir sagen, so lange wir
nicht einverstanden sind mit der Ausschließung Oesterreichs von
einem etwa zu gründenden preußisch=deutschen Reiche, und wenn
die österreichische Monarchie dem Baue des deutschen Reiches
durchaus eingegliedert werden muß, was wir genügend darge-
than zu haben glauben, dann ist ihr Umfang, dann ist die Zahl
ihrer Schutzvölker für uns nicht gleichgiltig, denn Oesterreich kann
nicht durch eine Losspaltung aller nicht=deutschen Provinzen in
das deutsche Reich sich einfügen lassen. Herr Vogt sagt weiter, jede
Revolution sey berechtigt, wenn sie siegreich sey. Das heißt aber, sich
zum Faustrechte bekennen, und Herrn Vogts Ausspruch muß, wenn
man auf Consequenz Anspruch macht, auch für Das gelten, was
Herr Vogt Reaction nennt. Ja, wir können aus jenem Ausspruche
sogar beweisen, daß gar keine Revolution berechtigt ist! Denn wenn
eine Revolution und ihre Zustände berechtigt sind, so kann Niemand
das Recht haben, dagegen anzukämpfen, sonst müßte das Recht sich
selbst aufheben. Also ist jeder Versuch einer neuen Revolution ein
Unrecht, eine Usurpation; also darf man alle Mittel, welche das
Recht in einem geordneten Staate darbietet, zu Unterdrückung und
Bestrafung von dergleichen Versuchen aufbieten, ja Diejenigen,
denen es obliegt, das Recht zu schützen, die sind verpflichtet zum
entschiedenen und consequenten Gebrauche dieser Mittel. Eine sieg-
reiche Revolution, das geben wir Herrn Vogt gern zu, wird
Niemand bestrafen. Doch von diesen Sätzen, die um so weniger
unsere Grundsätze sind, je gewisser sie aus den Worten des Herrn
Vogt folgen, als von einem unfruchtbaren Felde, wollen wir
übergehen auf die Bedeutung Jtaliens für Deutschland. Die gei-
stige wollen wir nicht besprechen, — hier geht das deutsche Volk
in zwei unversöhnliche Behauptungen auseinander, — die mate-
rielle wird um so einleuchtender sich nachweisen lassen.

Vorerst war es durch alle Jahrhunderte ein Charakterzug
des deutschen Volkes, gern zu wohnen und leicht heimisch zu wer-
den am südlichen Abhange der Alpen; sodann ist die lombar-
dische Ebene durch das ganze Mittelalter und so lang es ein
deutsches Reich gegeben, wenigstens dem positiven Rechte nach,
mit Ausnahme weniger vorübergehender Unterbrechungen, diesem
unterthan oder zinspflichtig gewesen. Für das Frankenreich hatte
Karl der Große sie den Lombarden abgerungen. Als später
Oesterreich Belgien verloren, ein Land, in welchem das deutsche
Element wenigstens dem welschen das Gleichgewicht hielt, da
war Venedig die Entschädigung und dieses blieb auch im Wie-
ner Frieden bei Oesterreich. Die Gerechtigkeit hätte damals
Rückgabe der venetianischen Freiheit und Erstattung Belgiens an
den Kaiserstaat gefordert. Oesterreich besitzt aber heute, oder un-
terwirft sich Benedig mit demselben Rechte, mit welchem alle
Staaten ihre 1815 ihnen zugewiesenen Rechte behaupten. Triest
aber ist eine deutsche Stadt und muß es bleiben. Nur, wenn
Venedig und Dalmatien in Einer Hand sind, kann es Selbststän-
digkeit und Bedeutung bewahren. Venedig mit Dalmatien gibt
die Herrschaft im adriatischen Meere. Es ist die südliche Mün-
dung der deutschen Handelsstraßen, und wenn der Weg über Suez,
was bei ruhigeren Zeiten nicht ausbleiben wird, den Seeweg
um das Cap der guten Hoffnung aussticht, dann wird der ganze
Güterzug von Triest und Venedig durch Eisenbahn und Dampf-
schiffe nach unseren Nord= und Ostseeküsten geleitet werden. Wenn
[Spaltenumbruch] aber Venedig nicht zu Deutschland in einem Verhältnisse steht
welches dafür bürgt, daß eine feindselige, eigensüchtige, allen-
falls Engländern und Franzosen dienstbare Politik nicht etwa
allen Vortheil dieser Völkerstraße den Deutschen rein confiscire,
wenn wir nicht betrogen seyn wollen, wie mit dem Sundzolle,
nicht gehütet, wie von Helgoland, nicht genasführt, wie mit dem
holländischen jusqu'à la mer, — dann muß des deutschen Vol-
kes Herrschaft reichen bis zu den Fluthen von Adria; unter dem
Schatten unserer Eichen muß der Löwe des heiligen Marcus
wachen.

Die Politik des Herrn Vogt würde dagegen durch eine selbst-
ständige ( ? ) Lombardei, durch eine venetianische Republik, unter
Gott weiß welcher Vormundschaft, das adriatische Meer ebenso,
wie durch Holland den Rhein, wie durch das Magyarenthum die
untere Donau uns verschließen. Hier nur noch die Bemerkung,
daß die gewaltige Bedeutung des deutschen Handels im Mittel-
alter wesentlich dem Waarenzuge über Suez zu verdanken war,
daß aber damals nicht, wie heute bei der gewaltigen Geschwin-
digkeit des Verkehres und Regsamkeit der Concurrenz geschieht,
die ganze Bedeutung, der gesammte Vortheil der Waarendurch-
züge in den Küstenplätzen, in den End= und Anfangspunkten
der Reise, in einer oder zwei Stationen der Umladung lag.

Nun auch noch ein Wort über die strategische Bedeutung
Oberitaliens. Deutschland ist am Rheine durch die allzeit zwei-
deutige Schweiz überflügelt, durch das — wir fürchten für
immer — französische Elsaß von einer feindlichen vorspringenden
Bastion gebrochen. Es entbehrt die Vortheile, welche die nie-
derländischen, gleichfalls losgerissenen Länder deutschen Stammes
ihm im Norden geben müßten. Dagegen bietet in Jtalien das
lombardisch=venetianische Königreich mit den Festungen Mantua,
Verona, Legnano, Peschiera, mit seinem Zusammenhange mit
Tirols Gebirgspässen, mit seinen reichen materiellen Hilfs-
quellen ein mächtiges Vorwerk dar gegen Frankreich, welches
überdies in seinen südlichen Departements bis an das mittellän-
dische Meer Jtaliens Grenzscheide bildet, also uns auch von
Süden überflügeln würde, wenn die deutsche Macht nicht bis an
den Po sich ausdehnte. Man braucht darum wahrhaftig kein Fran-
zosenfresser zu seyn, um auch den deutschen Heeren für den, doch
immer möglichen Fall eines Krieges — einen Boden zu wün-
schen, wo sie, wenn nicht mit Ueberlegenheit, doch mit gleichen
Vortheilen der Stellung auftreten können. Napoleons italienische
Feldzüge beweisen hinlänglich den strategischen Werth von Ober-
italien.

Es versteht sich dabei von selbst, daß wir in ihrer natürlichen,
innern Entfaltung keine Nationalität gestört und gehemmt, daß
wir keine bureaukratisch germanisirt wissen wollen: aber nach
Außen und politisch ist oft eine nicht drückende Abhängigkeit für
ein kleineres Volk vortheilhafter, als eine mit krampfhafter An-
strengung, mit Verschwendung der Lebenskraft, mit stetem Zittern
und zweifelhaftem Ausgange behauptete Scheinselbstständigkeit.
Wo nun gar das positive Recht eine solche mit sich bringt, da ist
es keine Versündigung am Völkerrechte, sie aufrecht zu halten, und
das kann für Deutschland in der Lombardei jetzt nur Oesterreich
thun. Würde es jetzt unterlassen, dann möchte weder
ein Finanz= und Handels=, noch ein Kriegsministe-
rium der Zukunft im Stande seyn, das Verlorene
wieder einzubringen; wir hätten das Nachsehen,
wie es seit
1648 gewöhnlich der Fall gewesen ist.



Deutschland.

Wien 2. November. ( A. Z. ) Jellachich, welcher die Ungarn
[Ende Spaltensatz]

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Wir vermissen jedoch die Begründung für diesen Machtspruch. Wohl wird der Krieg nicht geführt vom gesammten deutschen Volke, aber ganz gewiß für das gesammte deutsche Volk. So wenigstens müssen wir sagen, so lange wir nicht einverstanden sind mit der Ausschließung Oesterreichs von einem etwa zu gründenden preußisch=deutschen Reiche, und wenn die österreichische Monarchie dem Baue des deutschen Reiches durchaus eingegliedert werden muß, was wir genügend darge- than zu haben glauben, dann ist ihr Umfang, dann ist die Zahl ihrer Schutzvölker für uns nicht gleichgiltig, denn Oesterreich kann nicht durch eine Losspaltung aller nicht=deutschen Provinzen in das deutsche Reich sich einfügen lassen. Herr Vogt sagt weiter, jede Revolution sey berechtigt, wenn sie siegreich sey. Das heißt aber, sich zum Faustrechte bekennen, und Herrn Vogts Ausspruch muß, wenn man auf Consequenz Anspruch macht, auch für Das gelten, was Herr Vogt Reaction nennt. Ja, wir können aus jenem Ausspruche sogar beweisen, daß gar keine Revolution berechtigt ist! Denn wenn eine Revolution und ihre Zustände berechtigt sind, so kann Niemand das Recht haben, dagegen anzukämpfen, sonst müßte das Recht sich selbst aufheben. Also ist jeder Versuch einer neuen Revolution ein Unrecht, eine Usurpation; also darf man alle Mittel, welche das Recht in einem geordneten Staate darbietet, zu Unterdrückung und Bestrafung von dergleichen Versuchen aufbieten, ja Diejenigen, denen es obliegt, das Recht zu schützen, die sind verpflichtet zum entschiedenen und consequenten Gebrauche dieser Mittel. Eine sieg- reiche Revolution, das geben wir Herrn Vogt gern zu, wird Niemand bestrafen. Doch von diesen Sätzen, die um so weniger unsere Grundsätze sind, je gewisser sie aus den Worten des Herrn Vogt folgen, als von einem unfruchtbaren Felde, wollen wir übergehen auf die Bedeutung Jtaliens für Deutschland. Die gei- stige wollen wir nicht besprechen, — hier geht das deutsche Volk in zwei unversöhnliche Behauptungen auseinander, — die mate- rielle wird um so einleuchtender sich nachweisen lassen. Vorerst war es durch alle Jahrhunderte ein Charakterzug des deutschen Volkes, gern zu wohnen und leicht heimisch zu wer- den am südlichen Abhange der Alpen; sodann ist die lombar- dische Ebene durch das ganze Mittelalter und so lang es ein deutsches Reich gegeben, wenigstens dem positiven Rechte nach, mit Ausnahme weniger vorübergehender Unterbrechungen, diesem unterthan oder zinspflichtig gewesen. Für das Frankenreich hatte Karl der Große sie den Lombarden abgerungen. Als später Oesterreich Belgien verloren, ein Land, in welchem das deutsche Element wenigstens dem welschen das Gleichgewicht hielt, da war Venedig die Entschädigung und dieses blieb auch im Wie- ner Frieden bei Oesterreich. Die Gerechtigkeit hätte damals Rückgabe der venetianischen Freiheit und Erstattung Belgiens an den Kaiserstaat gefordert. Oesterreich besitzt aber heute, oder un- terwirft sich Benedig mit demselben Rechte, mit welchem alle Staaten ihre 1815 ihnen zugewiesenen Rechte behaupten. Triest aber ist eine deutsche Stadt und muß es bleiben. Nur, wenn Venedig und Dalmatien in Einer Hand sind, kann es Selbststän- digkeit und Bedeutung bewahren. Venedig mit Dalmatien gibt die Herrschaft im adriatischen Meere. Es ist die südliche Mün- dung der deutschen Handelsstraßen, und wenn der Weg über Suez, was bei ruhigeren Zeiten nicht ausbleiben wird, den Seeweg um das Cap der guten Hoffnung aussticht, dann wird der ganze Güterzug von Triest und Venedig durch Eisenbahn und Dampf- schiffe nach unseren Nord= und Ostseeküsten geleitet werden. Wenn aber Venedig nicht zu Deutschland in einem Verhältnisse steht welches dafür bürgt, daß eine feindselige, eigensüchtige, allen- falls Engländern und Franzosen dienstbare Politik nicht etwa allen Vortheil dieser Völkerstraße den Deutschen rein confiscire, wenn wir nicht betrogen seyn wollen, wie mit dem Sundzolle, nicht gehütet, wie von Helgoland, nicht genasführt, wie mit dem holländischen jusqu'à la mer, — dann muß des deutschen Vol- kes Herrschaft reichen bis zu den Fluthen von Adria; unter dem Schatten unserer Eichen muß der Löwe des heiligen Marcus wachen. Die Politik des Herrn Vogt würde dagegen durch eine selbst- ständige ( ? ) Lombardei, durch eine venetianische Republik, unter Gott weiß welcher Vormundschaft, das adriatische Meer ebenso, wie durch Holland den Rhein, wie durch das Magyarenthum die untere Donau uns verschließen. Hier nur noch die Bemerkung, daß die gewaltige Bedeutung des deutschen Handels im Mittel- alter wesentlich dem Waarenzuge über Suez zu verdanken war, daß aber damals nicht, wie heute bei der gewaltigen Geschwin- digkeit des Verkehres und Regsamkeit der Concurrenz geschieht, die ganze Bedeutung, der gesammte Vortheil der Waarendurch- züge in den Küstenplätzen, in den End= und Anfangspunkten der Reise, in einer oder zwei Stationen der Umladung lag. Nun auch noch ein Wort über die strategische Bedeutung Oberitaliens. Deutschland ist am Rheine durch die allzeit zwei- deutige Schweiz überflügelt, durch das — wir fürchten für immer — französische Elsaß von einer feindlichen vorspringenden Bastion gebrochen. Es entbehrt die Vortheile, welche die nie- derländischen, gleichfalls losgerissenen Länder deutschen Stammes ihm im Norden geben müßten. Dagegen bietet in Jtalien das lombardisch=venetianische Königreich mit den Festungen Mantua, Verona, Legnano, Peschiera, mit seinem Zusammenhange mit Tirols Gebirgspässen, mit seinen reichen materiellen Hilfs- quellen ein mächtiges Vorwerk dar gegen Frankreich, welches überdies in seinen südlichen Departements bis an das mittellän- dische Meer Jtaliens Grenzscheide bildet, also uns auch von Süden überflügeln würde, wenn die deutsche Macht nicht bis an den Po sich ausdehnte. Man braucht darum wahrhaftig kein Fran- zosenfresser zu seyn, um auch den deutschen Heeren für den, doch immer möglichen Fall eines Krieges — einen Boden zu wün- schen, wo sie, wenn nicht mit Ueberlegenheit, doch mit gleichen Vortheilen der Stellung auftreten können. Napoleons italienische Feldzüge beweisen hinlänglich den strategischen Werth von Ober- italien. Es versteht sich dabei von selbst, daß wir in ihrer natürlichen, innern Entfaltung keine Nationalität gestört und gehemmt, daß wir keine bureaukratisch germanisirt wissen wollen: aber nach Außen und politisch ist oft eine nicht drückende Abhängigkeit für ein kleineres Volk vortheilhafter, als eine mit krampfhafter An- strengung, mit Verschwendung der Lebenskraft, mit stetem Zittern und zweifelhaftem Ausgange behauptete Scheinselbstständigkeit. Wo nun gar das positive Recht eine solche mit sich bringt, da ist es keine Versündigung am Völkerrechte, sie aufrecht zu halten, und das kann für Deutschland in der Lombardei jetzt nur Oesterreich thun. Würde es jetzt unterlassen, dann möchte weder ein Finanz= und Handels=, noch ein Kriegsministe- rium der Zukunft im Stande seyn, das Verlorene wieder einzubringen; wir hätten das Nachsehen, wie es seit 1648 gewöhnlich der Fall gewesen ist. Deutschland. Wien 2. November. ( A. Z. ) Jellachich, welcher die Ungarn

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 134. Mainz, 9. November 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal134_1848/1>, abgerufen am 15.05.2024.