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Mainzer Journal. Nr. 134. Mainz, 9. November 1848.

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[Beginn Spaltensatz] bis an die Grenze verfolgt hat, hielt soeben ( 3 Uhr ) seinen Ein-
zug in Wien an der Spitze eines Cuirassierregimentes. Vor ihm
her marschirte eine Abtheilung Sereschaner mit rothen Mänteln und
Mützen, mit Gewehr, Dolchen, Pistolen und Säbeln, die voll-
kommensten Banditengestalten, die ich je gesehen habe. Er wurde
gleich hinter dem Burgthore mit Vivat und Jubel begrüßt. Aus
hundert Fenstern ließen Weiber und Männer ihre Tücher wehen.
Mir stieg die Schamröthe ins Gesicht, obwohl ich die gesinnungs-
lose Wandelbarkeit der Massen kenne und sie nicht erst seit heute
verachte. Der Croatengeneral ist übrigens ein schöner, stattlicher
Mann, voll ritterlichen Anstandes, und grüßte sehr freundlich zu
den Fenstern hinauf und auf das Volk herab. Er trug einen
grauen Husarenrock. Wir sind noch immer Gefangene in der
Stadt und dürfen nicht über die Thore hinaus. Der metallene
Candelaber, an welchem Latour gehangen, ist heute auf höhern
Befehl umgestürzt und in Stücke zerschlagen worden.

Wien 4. November. ( A. Z. ) Noch immer ist uns keine aus-
wärtige Zeitung zu Gesicht gekommen, und von den hiesigen Blät-
tern erscheint nur die Wiener Zeitung, welche sich auf die Mitthei-
lung der veroffentlichen amtlichen Documente beschränkt. Fast nicht
besser geht es uns mit den Briefen. Der Stadtcommandant, Frhr.
v. Cordon, drückt in einer Proclamation sein Bedauern aus, daß
die getroffenen strengen Maßregeln auch jene Gutgesinnten be-
rühren, welche an dem erschütterten öffentlichen Rechtszustande
keinen Antheil genommen haben, und wünscht daß Alle zu den ge-
wohnten rechtlichen Beschäftigungen zurückkehren, daß die Be-
wohner Wiens durch die That beweisen, daß es ihnen um die
Erhaltung der Ruhe und Ordnung ernstlich zu thun sey; er
werde dann die Communication zwischen der Stadt und den Vor-
städten wiederherstellen. Wie sehr Alles aber jetzt durch die Hem-
mung der Communication leidet, wie sehr dies die ohnehin ge-
drückte Stimmung noch trüben muß, bedarf kaum der Erwäh-
nung. Möchte ich Jhnen bald anzeigen können, daß wir uns
wieder eines geregelten Zustandes erfreuen. Wenn unter den ob-
waltenden Verhältnissen auch nicht Alles seyn kann, wie es sollte,
so hätte man doch Vieles ungeschehen lassen und angemessenere
Schritte zur Beruhigung der Bevölkerung thun können.

Wien 4. November. ( Lith. Corr. ) Der gestrige Tag verlief,
so wie der heutige, ganz ungestört. Das Militär campirt in den
lebhaftesten Straßen der Stadt; die Stadtthore werden noch
immer abgesperrt gehalten; die Stimmung des Volkes ist sehr
gedrückt; es herrscht eine allgemeine tiefe Grabesstille, und man
kann, wenn man die öde gewordenen Straßen durchwandert,
kaum glauben, daß hier noch vor Kurzem große Aufregung und
lautes Toben der Menge geherrscht habe. Der Gemeinderath
gab gestern wieder sein erstes Lebenszeichen. Er macht die Haus-
eigenthümer für pünktlichste Ablieferung der Waffen verantwort-
lich, wozu der Feldmarschal einen neuen Termin von 12 Stun-
den mit dem Beisatze bewilligte, daß Jeder, bei dem nach dieser
Frist Waffen getroffen werden, der standrechtlichen Behandlung
verfällt. Der Verkehr stockt gänzlich; alle Kaufmannsgewölbe
sind geschlossen; die Noth der ärmern Volksclasse hat bereits
eine unermeßliche Höhe erreicht, welche der nahende Winter gräß-
lich gestalten dürfte, da auf eine Hilfe von Seite der gänzlich
erschöpften Staats= und Stadtcassen nicht leicht gerechnet werden
kann. Auch der Mangel an Silbergeld ist groß. Die Soldaten,
welche ihre Löhnungen mit Banknoten erhalten, nennen es Bos-
heit, wenn ihnen Niemand mehr wechseln kann. Der National-
gardecommandant Messenhauser und sein Generalbstab werden
als arretirt bezeichnet. Geheime Verbindungen mit der ungarischen
Partei werden als Ursache dieser Maßregel genannt. Die mei-
sten hiesigen Redacteure, in so fern man ihrer habhaft werden
konnte, sind gleichfalls verhaftet. Von jenen Deserteuren, die
ihre Truppen verließen, um sich der Sache des Volkes anzu-
schließen, sind bereits viele vom Militär eingebracht und sogleich
erschossen worden. Die Stadthauptmannschaft ist beauftragt, alle
Fremden, die nicht vollkommene Subsistenzmittel nachweisen kön-
nen, von Wien abzuschaffen. Sehr viele Reichstagsdeputirte
haben die Reise von hier in ihre Heimath bereits angetreten. Ein
Calabreser auf dem Kopfe ist jetzt das Signal zur Verhaftung;
die Aula ist abgesperrt und von einigen Grenadierbataillonen be-
zogen worden, ein Umstand, der uns wohl zu der Hoffnung be-
rechtigen darf, daß der Belagerungszustand nicht lange dauern
wird, weil laut früherm Ministerialerlasse die Vorlesungen auf
der Aula nächstens beginnen sollen und denn doch von Grena-
dieren nicht abgehalten werden können.

Wien 4. November. ( Sp. Z. ) Heute in aller Frühe wurden
die Deputirten der Linken des Frankfurter Reichstages, Robert
Blum
und Fröbel, welche noch bis vorgestern Aufruhr pre-
digten, aus dem Gasthofe zur Stadt London, wo sie wohnten,
abgeholt und in das Hauptquartier nach Schön-
[Spaltenumbruch] brunn gebracht.
Auch der Chef der Aula, Professor Füster,
welcher der Aula bei ihrer Auflösung zurief, daß die Dynastie nie
wieder nach Wien zurückkehren dürfe, der General Bem, die
Chefs der Nationalgarde, Messenhauser und Fenneberg,
wurden verhaftet. Der Commandant der akademischen Legion,
Aigner, hat sich erschossen. Eine Anzahl Redacteure der in der
letzten Zeit aufgetauchten. kleinen Blätter ist ebenfalls verhaftet.
Es herrscht Ruhe und Sicherheit in der Stadt und in den Vor-
städten. [ Die Bestätigung aller dieser Nachrichten ist wohl noch
abzuwarten. ]

Olmütz 2. November. ( Prag. Z. ) Sicheren Nachrichten
zufolge hat General Simonich die Ungarn bei Neuhäusel ge-
schlagen und diesen Platz besetzt. Die aufständischen Magyaren
mißhandeln die slovakische Bevölkerung in der Art, daß ganze
Schaaren von 5--600 die mährische Grenze überschreiten und
in den Grenzorten Schutz suchen. Man sollte doch sehr bald auf
die Beendigung dieser Zustände im Namen der Menschlichkeit
hinwirken. Jn Brünn ist die Ruhe nicht wieder gestört worden.

Jnnsbruck 4. November. So eben wurde in der Stände-
versammlung folgende, durch die nach Olmütz gesandte Deputa-
tion überbrachte Antwort Sr. Maj. auf die überreichte Ergeben-
heitsadresse verlesen: An den ständischen Ausschuß des tirolischen
Landtages, die Landesbehörden und Bürgerschaft von Jnnsbruck.
Olmütz 30. October. Die Eingabe vom 15. d. M., in der Jhr
mir die Treue, Hingebung und Anhänglichkeit der Bewohner
Eurer Provinz darbringt, konnte mich zwar nicht überraschen,
denn stets und noch in neuester Zeit hat Tirol diese Gesinnungen
auf das glänzendste bewährt; aber zu besonderem Troste in die-
sen Tagen schwerer Prüfung gereicht sie Meinem tiefbetrüb-
ten Herzen. Es hat Mir wohlgethan, zu vernehmen, daß, wäh-
rend in anderen Theilen Meines Reiches die von den Feinden
der Ordnung ausgestreute Saat des Mißtrauens bereits
zur blutigen Ernte gereift ist, unter jenem biedern Alpenvolke
die ererbten Tugenden der Väter fortleben in ungeschwächter
Kraft, und die Künste der Verführung bisher nichts ver-
mocht haben über sein unerschüttterliches Gottvertrauen, seine
treue Liebe zu dem Kaiserhause, sein muthiges Ausharren
in der Stunde der Gefahr. Auf die Anfragen, welche weiterhin
in Eurer Eingabe enthalten sind, werdet Jhr die Antwort mitt-
lerweile in Meinen Manifesten vom 16., 19. und 22. d. Mts.
gefunden haben. Vor Allem muß die gestörte Ordnung hergestellt
werden, um sodann auf den von Mir gewährten und mit Meinem
kaiserlichen Worte verbürgten Grundlagen den Neubau des
constitutionellen Oesterreichs
zu beginnen. Eine beson-
dere Aufmerksamkeit wird hierbei dem Gemeindewesen zu widmen
seyn. Jch gedenke ihm die möglichst freie Bewegung innerhalb
der natürlichen Grenzen zu sichern. Um aber ein so großes und
wichtiges Unternehmen -- die Wiedergeburt des gemeinsamen
freien Vaterlandes -- zum Besten meiner Staaten baldigst zu
vollenden, bedarf es des kräftigen Zusammenwirkens von Regie-
rung und Reichstag. Mich mit Räthen meiner Wahl zu umgeben,
die zugleich auf das Vertrauen der Wohlgesinnten gerechten An-
spruch haben, wird Meine nächste Sorge seyn, sowie ich bereits
die constituirende Versammlung nach einen Punkt verlegt habe,
wo sie ihrem wichtigen Berufe unbeirrt und in voller Freiheit
nachkommen könne. Und somit hoffe Jch, daß das große Werk
Unseren vereinten Bestrebungen mit Gottes Hilfe gelingen werde
und wir einer bessern Zukunft mit Zuversicht entgegensehen können.
Ferdinand. Wessenberg.

Berlin 6. November. ( Sp. Z. ) Die Krisis verlängert sich,
auch in der heutigen Sitzung der Nationalversammlung noch
keine Lösung der Ministerfrage, noch nicht einmal eine Anzeige des
Grafen Brandenburg, daß er die Erfüllung des ihm gewor-
denen Auftrages als unmöglich aufgegeben habe! Haben wir aber
auch noch keine officielle Anzeige, so fängt sich doch das Dunkel
bereits einigermaßen zu lichten an; man weiß nämlich bereits mit
Zuverlässigkeit, daß Graf Brandenburg, der, trotz der De-
monstration der Kammer gegen ihn, dennoch den Versuch hatte
machen wollen, ein Cabinet zu bilden, nunmehr die Unmöglichkeit
erkannt und den Plan aufgegeben hat; man weiß ferner,
daß auch die Gerüchte, wonach er beabsichtige, das Ministerium
zu bilden, ohne selbst in dasselbe einzutreten -- Gerüchte, die in
den letzten Tagen hier mannigfach umliefen, -- völlig unge-
gründet
sind; man weiß endlich, daß man nunmehr auf die
Kammer zurückzugehen gedenkt und Verhandlungen im Gange
sind, welche unzweifelhaft schließlich zu einem Resultate führen
und ein aus den Centren gebildetes Ministerium zur
Folge haben werden. Dem Vernehmen nach ist Herr v. Unruh,
zunächst in seiner Eigenschaft als Kammerpräsident, darüber be-
reits zu Rathe gezogen worden, und leicht möglich, daß die hier-
bei ertheilten Aufschlüsse auf ihn selbst als als geeignetste
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] bis an die Grenze verfolgt hat, hielt soeben ( 3 Uhr ) seinen Ein-
zug in Wien an der Spitze eines Cuirassierregimentes. Vor ihm
her marschirte eine Abtheilung Sereschaner mit rothen Mänteln und
Mützen, mit Gewehr, Dolchen, Pistolen und Säbeln, die voll-
kommensten Banditengestalten, die ich je gesehen habe. Er wurde
gleich hinter dem Burgthore mit Vivat und Jubel begrüßt. Aus
hundert Fenstern ließen Weiber und Männer ihre Tücher wehen.
Mir stieg die Schamröthe ins Gesicht, obwohl ich die gesinnungs-
lose Wandelbarkeit der Massen kenne und sie nicht erst seit heute
verachte. Der Croatengeneral ist übrigens ein schöner, stattlicher
Mann, voll ritterlichen Anstandes, und grüßte sehr freundlich zu
den Fenstern hinauf und auf das Volk herab. Er trug einen
grauen Husarenrock. Wir sind noch immer Gefangene in der
Stadt und dürfen nicht über die Thore hinaus. Der metallene
Candelaber, an welchem Latour gehangen, ist heute auf höhern
Befehl umgestürzt und in Stücke zerschlagen worden.

Wien 4. November. ( A. Z. ) Noch immer ist uns keine aus-
wärtige Zeitung zu Gesicht gekommen, und von den hiesigen Blät-
tern erscheint nur die Wiener Zeitung, welche sich auf die Mitthei-
lung der veroffentlichen amtlichen Documente beschränkt. Fast nicht
besser geht es uns mit den Briefen. Der Stadtcommandant, Frhr.
v. Cordon, drückt in einer Proclamation sein Bedauern aus, daß
die getroffenen strengen Maßregeln auch jene Gutgesinnten be-
rühren, welche an dem erschütterten öffentlichen Rechtszustande
keinen Antheil genommen haben, und wünscht daß Alle zu den ge-
wohnten rechtlichen Beschäftigungen zurückkehren, daß die Be-
wohner Wiens durch die That beweisen, daß es ihnen um die
Erhaltung der Ruhe und Ordnung ernstlich zu thun sey; er
werde dann die Communication zwischen der Stadt und den Vor-
städten wiederherstellen. Wie sehr Alles aber jetzt durch die Hem-
mung der Communication leidet, wie sehr dies die ohnehin ge-
drückte Stimmung noch trüben muß, bedarf kaum der Erwäh-
nung. Möchte ich Jhnen bald anzeigen können, daß wir uns
wieder eines geregelten Zustandes erfreuen. Wenn unter den ob-
waltenden Verhältnissen auch nicht Alles seyn kann, wie es sollte,
so hätte man doch Vieles ungeschehen lassen und angemessenere
Schritte zur Beruhigung der Bevölkerung thun können.

Wien 4. November. ( Lith. Corr. ) Der gestrige Tag verlief,
so wie der heutige, ganz ungestört. Das Militär campirt in den
lebhaftesten Straßen der Stadt; die Stadtthore werden noch
immer abgesperrt gehalten; die Stimmung des Volkes ist sehr
gedrückt; es herrscht eine allgemeine tiefe Grabesstille, und man
kann, wenn man die öde gewordenen Straßen durchwandert,
kaum glauben, daß hier noch vor Kurzem große Aufregung und
lautes Toben der Menge geherrscht habe. Der Gemeinderath
gab gestern wieder sein erstes Lebenszeichen. Er macht die Haus-
eigenthümer für pünktlichste Ablieferung der Waffen verantwort-
lich, wozu der Feldmarschal einen neuen Termin von 12 Stun-
den mit dem Beisatze bewilligte, daß Jeder, bei dem nach dieser
Frist Waffen getroffen werden, der standrechtlichen Behandlung
verfällt. Der Verkehr stockt gänzlich; alle Kaufmannsgewölbe
sind geschlossen; die Noth der ärmern Volksclasse hat bereits
eine unermeßliche Höhe erreicht, welche der nahende Winter gräß-
lich gestalten dürfte, da auf eine Hilfe von Seite der gänzlich
erschöpften Staats= und Stadtcassen nicht leicht gerechnet werden
kann. Auch der Mangel an Silbergeld ist groß. Die Soldaten,
welche ihre Löhnungen mit Banknoten erhalten, nennen es Bos-
heit, wenn ihnen Niemand mehr wechseln kann. Der National-
gardecommandant Messenhauser und sein Generalbstab werden
als arretirt bezeichnet. Geheime Verbindungen mit der ungarischen
Partei werden als Ursache dieser Maßregel genannt. Die mei-
sten hiesigen Redacteure, in so fern man ihrer habhaft werden
konnte, sind gleichfalls verhaftet. Von jenen Deserteuren, die
ihre Truppen verließen, um sich der Sache des Volkes anzu-
schließen, sind bereits viele vom Militär eingebracht und sogleich
erschossen worden. Die Stadthauptmannschaft ist beauftragt, alle
Fremden, die nicht vollkommene Subsistenzmittel nachweisen kön-
nen, von Wien abzuschaffen. Sehr viele Reichstagsdeputirte
haben die Reise von hier in ihre Heimath bereits angetreten. Ein
Calabreser auf dem Kopfe ist jetzt das Signal zur Verhaftung;
die Aula ist abgesperrt und von einigen Grenadierbataillonen be-
zogen worden, ein Umstand, der uns wohl zu der Hoffnung be-
rechtigen darf, daß der Belagerungszustand nicht lange dauern
wird, weil laut früherm Ministerialerlasse die Vorlesungen auf
der Aula nächstens beginnen sollen und denn doch von Grena-
dieren nicht abgehalten werden können.

Wien 4. November. ( Sp. Z. ) Heute in aller Frühe wurden
die Deputirten der Linken des Frankfurter Reichstages, Robert
Blum
und Fröbel, welche noch bis vorgestern Aufruhr pre-
digten, aus dem Gasthofe zur Stadt London, wo sie wohnten,
abgeholt und in das Hauptquartier nach Schön-
[Spaltenumbruch] brunn gebracht.
Auch der Chef der Aula, Professor Füster,
welcher der Aula bei ihrer Auflösung zurief, daß die Dynastie nie
wieder nach Wien zurückkehren dürfe, der General Bem, die
Chefs der Nationalgarde, Messenhauser und Fenneberg,
wurden verhaftet. Der Commandant der akademischen Legion,
Aigner, hat sich erschossen. Eine Anzahl Redacteure der in der
letzten Zeit aufgetauchten. kleinen Blätter ist ebenfalls verhaftet.
Es herrscht Ruhe und Sicherheit in der Stadt und in den Vor-
städten. [ Die Bestätigung aller dieser Nachrichten ist wohl noch
abzuwarten. ]

Olmütz 2. November. ( Prag. Z. ) Sicheren Nachrichten
zufolge hat General Simonich die Ungarn bei Neuhäusel ge-
schlagen und diesen Platz besetzt. Die aufständischen Magyaren
mißhandeln die slovakische Bevölkerung in der Art, daß ganze
Schaaren von 5—600 die mährische Grenze überschreiten und
in den Grenzorten Schutz suchen. Man sollte doch sehr bald auf
die Beendigung dieser Zustände im Namen der Menschlichkeit
hinwirken. Jn Brünn ist die Ruhe nicht wieder gestört worden.

Jnnsbruck 4. November. So eben wurde in der Stände-
versammlung folgende, durch die nach Olmütz gesandte Deputa-
tion überbrachte Antwort Sr. Maj. auf die überreichte Ergeben-
heitsadresse verlesen: An den ständischen Ausschuß des tirolischen
Landtages, die Landesbehörden und Bürgerschaft von Jnnsbruck.
Olmütz 30. October. Die Eingabe vom 15. d. M., in der Jhr
mir die Treue, Hingebung und Anhänglichkeit der Bewohner
Eurer Provinz darbringt, konnte mich zwar nicht überraschen,
denn stets und noch in neuester Zeit hat Tirol diese Gesinnungen
auf das glänzendste bewährt; aber zu besonderem Troste in die-
sen Tagen schwerer Prüfung gereicht sie Meinem tiefbetrüb-
ten Herzen. Es hat Mir wohlgethan, zu vernehmen, daß, wäh-
rend in anderen Theilen Meines Reiches die von den Feinden
der Ordnung ausgestreute Saat des Mißtrauens bereits
zur blutigen Ernte gereift ist, unter jenem biedern Alpenvolke
die ererbten Tugenden der Väter fortleben in ungeschwächter
Kraft, und die Künste der Verführung bisher nichts ver-
mocht haben über sein unerschüttterliches Gottvertrauen, seine
treue Liebe zu dem Kaiserhause, sein muthiges Ausharren
in der Stunde der Gefahr. Auf die Anfragen, welche weiterhin
in Eurer Eingabe enthalten sind, werdet Jhr die Antwort mitt-
lerweile in Meinen Manifesten vom 16., 19. und 22. d. Mts.
gefunden haben. Vor Allem muß die gestörte Ordnung hergestellt
werden, um sodann auf den von Mir gewährten und mit Meinem
kaiserlichen Worte verbürgten Grundlagen den Neubau des
constitutionellen Oesterreichs
zu beginnen. Eine beson-
dere Aufmerksamkeit wird hierbei dem Gemeindewesen zu widmen
seyn. Jch gedenke ihm die möglichst freie Bewegung innerhalb
der natürlichen Grenzen zu sichern. Um aber ein so großes und
wichtiges Unternehmen — die Wiedergeburt des gemeinsamen
freien Vaterlandes — zum Besten meiner Staaten baldigst zu
vollenden, bedarf es des kräftigen Zusammenwirkens von Regie-
rung und Reichstag. Mich mit Räthen meiner Wahl zu umgeben,
die zugleich auf das Vertrauen der Wohlgesinnten gerechten An-
spruch haben, wird Meine nächste Sorge seyn, sowie ich bereits
die constituirende Versammlung nach einen Punkt verlegt habe,
wo sie ihrem wichtigen Berufe unbeirrt und in voller Freiheit
nachkommen könne. Und somit hoffe Jch, daß das große Werk
Unseren vereinten Bestrebungen mit Gottes Hilfe gelingen werde
und wir einer bessern Zukunft mit Zuversicht entgegensehen können.
Ferdinand. Wessenberg.

Berlin 6. November. ( Sp. Z. ) Die Krisis verlängert sich,
auch in der heutigen Sitzung der Nationalversammlung noch
keine Lösung der Ministerfrage, noch nicht einmal eine Anzeige des
Grafen Brandenburg, daß er die Erfüllung des ihm gewor-
denen Auftrages als unmöglich aufgegeben habe! Haben wir aber
auch noch keine officielle Anzeige, so fängt sich doch das Dunkel
bereits einigermaßen zu lichten an; man weiß nämlich bereits mit
Zuverlässigkeit, daß Graf Brandenburg, der, trotz der De-
monstration der Kammer gegen ihn, dennoch den Versuch hatte
machen wollen, ein Cabinet zu bilden, nunmehr die Unmöglichkeit
erkannt und den Plan aufgegeben hat; man weiß ferner,
daß auch die Gerüchte, wonach er beabsichtige, das Ministerium
zu bilden, ohne selbst in dasselbe einzutreten — Gerüchte, die in
den letzten Tagen hier mannigfach umliefen, — völlig unge-
gründet
sind; man weiß endlich, daß man nunmehr auf die
Kammer zurückzugehen gedenkt und Verhandlungen im Gange
sind, welche unzweifelhaft schließlich zu einem Resultate führen
und ein aus den Centren gebildetes Ministerium zur
Folge haben werden. Dem Vernehmen nach ist Herr v. Unruh,
zunächst in seiner Eigenschaft als Kammerpräsident, darüber be-
reits zu Rathe gezogen worden, und leicht möglich, daß die hier-
bei ertheilten Aufschlüsse auf ihn selbst als als geeignetste
[Ende Spaltensatz]

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[0002] bis an die Grenze verfolgt hat, hielt soeben ( 3 Uhr ) seinen Ein- zug in Wien an der Spitze eines Cuirassierregimentes. Vor ihm her marschirte eine Abtheilung Sereschaner mit rothen Mänteln und Mützen, mit Gewehr, Dolchen, Pistolen und Säbeln, die voll- kommensten Banditengestalten, die ich je gesehen habe. Er wurde gleich hinter dem Burgthore mit Vivat und Jubel begrüßt. Aus hundert Fenstern ließen Weiber und Männer ihre Tücher wehen. Mir stieg die Schamröthe ins Gesicht, obwohl ich die gesinnungs- lose Wandelbarkeit der Massen kenne und sie nicht erst seit heute verachte. Der Croatengeneral ist übrigens ein schöner, stattlicher Mann, voll ritterlichen Anstandes, und grüßte sehr freundlich zu den Fenstern hinauf und auf das Volk herab. Er trug einen grauen Husarenrock. Wir sind noch immer Gefangene in der Stadt und dürfen nicht über die Thore hinaus. Der metallene Candelaber, an welchem Latour gehangen, ist heute auf höhern Befehl umgestürzt und in Stücke zerschlagen worden. Wien 4. November. ( A. Z. ) Noch immer ist uns keine aus- wärtige Zeitung zu Gesicht gekommen, und von den hiesigen Blät- tern erscheint nur die Wiener Zeitung, welche sich auf die Mitthei- lung der veroffentlichen amtlichen Documente beschränkt. Fast nicht besser geht es uns mit den Briefen. Der Stadtcommandant, Frhr. v. Cordon, drückt in einer Proclamation sein Bedauern aus, daß die getroffenen strengen Maßregeln auch jene Gutgesinnten be- rühren, welche an dem erschütterten öffentlichen Rechtszustande keinen Antheil genommen haben, und wünscht daß Alle zu den ge- wohnten rechtlichen Beschäftigungen zurückkehren, daß die Be- wohner Wiens durch die That beweisen, daß es ihnen um die Erhaltung der Ruhe und Ordnung ernstlich zu thun sey; er werde dann die Communication zwischen der Stadt und den Vor- städten wiederherstellen. Wie sehr Alles aber jetzt durch die Hem- mung der Communication leidet, wie sehr dies die ohnehin ge- drückte Stimmung noch trüben muß, bedarf kaum der Erwäh- nung. Möchte ich Jhnen bald anzeigen können, daß wir uns wieder eines geregelten Zustandes erfreuen. Wenn unter den ob- waltenden Verhältnissen auch nicht Alles seyn kann, wie es sollte, so hätte man doch Vieles ungeschehen lassen und angemessenere Schritte zur Beruhigung der Bevölkerung thun können. Wien 4. November. ( Lith. Corr. ) Der gestrige Tag verlief, so wie der heutige, ganz ungestört. Das Militär campirt in den lebhaftesten Straßen der Stadt; die Stadtthore werden noch immer abgesperrt gehalten; die Stimmung des Volkes ist sehr gedrückt; es herrscht eine allgemeine tiefe Grabesstille, und man kann, wenn man die öde gewordenen Straßen durchwandert, kaum glauben, daß hier noch vor Kurzem große Aufregung und lautes Toben der Menge geherrscht habe. Der Gemeinderath gab gestern wieder sein erstes Lebenszeichen. Er macht die Haus- eigenthümer für pünktlichste Ablieferung der Waffen verantwort- lich, wozu der Feldmarschal einen neuen Termin von 12 Stun- den mit dem Beisatze bewilligte, daß Jeder, bei dem nach dieser Frist Waffen getroffen werden, der standrechtlichen Behandlung verfällt. Der Verkehr stockt gänzlich; alle Kaufmannsgewölbe sind geschlossen; die Noth der ärmern Volksclasse hat bereits eine unermeßliche Höhe erreicht, welche der nahende Winter gräß- lich gestalten dürfte, da auf eine Hilfe von Seite der gänzlich erschöpften Staats= und Stadtcassen nicht leicht gerechnet werden kann. Auch der Mangel an Silbergeld ist groß. Die Soldaten, welche ihre Löhnungen mit Banknoten erhalten, nennen es Bos- heit, wenn ihnen Niemand mehr wechseln kann. Der National- gardecommandant Messenhauser und sein Generalbstab werden als arretirt bezeichnet. Geheime Verbindungen mit der ungarischen Partei werden als Ursache dieser Maßregel genannt. Die mei- sten hiesigen Redacteure, in so fern man ihrer habhaft werden konnte, sind gleichfalls verhaftet. Von jenen Deserteuren, die ihre Truppen verließen, um sich der Sache des Volkes anzu- schließen, sind bereits viele vom Militär eingebracht und sogleich erschossen worden. Die Stadthauptmannschaft ist beauftragt, alle Fremden, die nicht vollkommene Subsistenzmittel nachweisen kön- nen, von Wien abzuschaffen. Sehr viele Reichstagsdeputirte haben die Reise von hier in ihre Heimath bereits angetreten. Ein Calabreser auf dem Kopfe ist jetzt das Signal zur Verhaftung; die Aula ist abgesperrt und von einigen Grenadierbataillonen be- zogen worden, ein Umstand, der uns wohl zu der Hoffnung be- rechtigen darf, daß der Belagerungszustand nicht lange dauern wird, weil laut früherm Ministerialerlasse die Vorlesungen auf der Aula nächstens beginnen sollen und denn doch von Grena- dieren nicht abgehalten werden können. Wien 4. November. ( Sp. Z. ) Heute in aller Frühe wurden die Deputirten der Linken des Frankfurter Reichstages, Robert Blum und Fröbel, welche noch bis vorgestern Aufruhr pre- digten, aus dem Gasthofe zur Stadt London, wo sie wohnten, abgeholt und in das Hauptquartier nach Schön- brunn gebracht. Auch der Chef der Aula, Professor Füster, welcher der Aula bei ihrer Auflösung zurief, daß die Dynastie nie wieder nach Wien zurückkehren dürfe, der General Bem, die Chefs der Nationalgarde, Messenhauser und Fenneberg, wurden verhaftet. Der Commandant der akademischen Legion, Aigner, hat sich erschossen. Eine Anzahl Redacteure der in der letzten Zeit aufgetauchten. kleinen Blätter ist ebenfalls verhaftet. Es herrscht Ruhe und Sicherheit in der Stadt und in den Vor- städten. [ Die Bestätigung aller dieser Nachrichten ist wohl noch abzuwarten. ] Olmütz 2. November. ( Prag. Z. ) Sicheren Nachrichten zufolge hat General Simonich die Ungarn bei Neuhäusel ge- schlagen und diesen Platz besetzt. Die aufständischen Magyaren mißhandeln die slovakische Bevölkerung in der Art, daß ganze Schaaren von 5—600 die mährische Grenze überschreiten und in den Grenzorten Schutz suchen. Man sollte doch sehr bald auf die Beendigung dieser Zustände im Namen der Menschlichkeit hinwirken. Jn Brünn ist die Ruhe nicht wieder gestört worden. Jnnsbruck 4. November. So eben wurde in der Stände- versammlung folgende, durch die nach Olmütz gesandte Deputa- tion überbrachte Antwort Sr. Maj. auf die überreichte Ergeben- heitsadresse verlesen: An den ständischen Ausschuß des tirolischen Landtages, die Landesbehörden und Bürgerschaft von Jnnsbruck. Olmütz 30. October. Die Eingabe vom 15. d. M., in der Jhr mir die Treue, Hingebung und Anhänglichkeit der Bewohner Eurer Provinz darbringt, konnte mich zwar nicht überraschen, denn stets und noch in neuester Zeit hat Tirol diese Gesinnungen auf das glänzendste bewährt; aber zu besonderem Troste in die- sen Tagen schwerer Prüfung gereicht sie Meinem tiefbetrüb- ten Herzen. Es hat Mir wohlgethan, zu vernehmen, daß, wäh- rend in anderen Theilen Meines Reiches die von den Feinden der Ordnung ausgestreute Saat des Mißtrauens bereits zur blutigen Ernte gereift ist, unter jenem biedern Alpenvolke die ererbten Tugenden der Väter fortleben in ungeschwächter Kraft, und die Künste der Verführung bisher nichts ver- mocht haben über sein unerschüttterliches Gottvertrauen, seine treue Liebe zu dem Kaiserhause, sein muthiges Ausharren in der Stunde der Gefahr. Auf die Anfragen, welche weiterhin in Eurer Eingabe enthalten sind, werdet Jhr die Antwort mitt- lerweile in Meinen Manifesten vom 16., 19. und 22. d. Mts. gefunden haben. Vor Allem muß die gestörte Ordnung hergestellt werden, um sodann auf den von Mir gewährten und mit Meinem kaiserlichen Worte verbürgten Grundlagen den Neubau des constitutionellen Oesterreichs zu beginnen. Eine beson- dere Aufmerksamkeit wird hierbei dem Gemeindewesen zu widmen seyn. Jch gedenke ihm die möglichst freie Bewegung innerhalb der natürlichen Grenzen zu sichern. Um aber ein so großes und wichtiges Unternehmen — die Wiedergeburt des gemeinsamen freien Vaterlandes — zum Besten meiner Staaten baldigst zu vollenden, bedarf es des kräftigen Zusammenwirkens von Regie- rung und Reichstag. Mich mit Räthen meiner Wahl zu umgeben, die zugleich auf das Vertrauen der Wohlgesinnten gerechten An- spruch haben, wird Meine nächste Sorge seyn, sowie ich bereits die constituirende Versammlung nach einen Punkt verlegt habe, wo sie ihrem wichtigen Berufe unbeirrt und in voller Freiheit nachkommen könne. Und somit hoffe Jch, daß das große Werk Unseren vereinten Bestrebungen mit Gottes Hilfe gelingen werde und wir einer bessern Zukunft mit Zuversicht entgegensehen können. Ferdinand. Wessenberg. Berlin 6. November. ( Sp. Z. ) Die Krisis verlängert sich, auch in der heutigen Sitzung der Nationalversammlung noch keine Lösung der Ministerfrage, noch nicht einmal eine Anzeige des Grafen Brandenburg, daß er die Erfüllung des ihm gewor- denen Auftrages als unmöglich aufgegeben habe! Haben wir aber auch noch keine officielle Anzeige, so fängt sich doch das Dunkel bereits einigermaßen zu lichten an; man weiß nämlich bereits mit Zuverlässigkeit, daß Graf Brandenburg, der, trotz der De- monstration der Kammer gegen ihn, dennoch den Versuch hatte machen wollen, ein Cabinet zu bilden, nunmehr die Unmöglichkeit erkannt und den Plan aufgegeben hat; man weiß ferner, daß auch die Gerüchte, wonach er beabsichtige, das Ministerium zu bilden, ohne selbst in dasselbe einzutreten — Gerüchte, die in den letzten Tagen hier mannigfach umliefen, — völlig unge- gründet sind; man weiß endlich, daß man nunmehr auf die Kammer zurückzugehen gedenkt und Verhandlungen im Gange sind, welche unzweifelhaft schließlich zu einem Resultate führen und ein aus den Centren gebildetes Ministerium zur Folge haben werden. Dem Vernehmen nach ist Herr v. Unruh, zunächst in seiner Eigenschaft als Kammerpräsident, darüber be- reits zu Rathe gezogen worden, und leicht möglich, daß die hier- bei ertheilten Aufschlüsse auf ihn selbst als als geeignetste

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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 134. Mainz, 9. November 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal134_1848/2>, abgerufen am 29.05.2024.