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Mainzer Journal. Nr. 163. Mainz, 13. Dezember 1848.

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[Beginn Spaltensatz] ungen sich nach Willkür drehen und deuteln, und eine bequeme
Hinterthür der Zukunft offen ließen, wenn möglicherweise noch
einmal die Zeit käme das Volk ungestraft um seine heiligen Rechte
zu betrügen? Jch habe diese Herren gestern nicht gesehen. Aber
die radicalen Männer von gleicher Farbe, welche uns am gestri-
gen Abende umgaben, waren während der Lesung sichtbar ver-
blüfft und in den ersten Augenblicken der Ueberraschung auch et-
was kleinlaut. "Da sind wir Demokraten schön blamirt!" sagte
einer der ehrlichsten, als der Vorleser geendet hatte. "Es läßt
sich wenig gegen diese Verfassung sagen, als daß sie eben oc-
troyirt ist," meinte ein anderer. " Elle est trop bonne pour etre
vraie
" bemerkte ein dritter. Und dabei keine Spur von Begei-
sterung, kein Fünkchen Liebe für die Sache, kein Wort der Freude,
daß der lange Zwiespalt im Staate Preußen in so freundlicher
Weise geendet sey! O welch ein armseliges, dürftiges, selbst-
süchtiges Geschlecht sind diese Berliner Demokraten! Nirgends
ein tiefer Ernst der Gesinnung, nirgends eine patriotische Gluth
in der Seele, nur der Kopf brennt bei manchen, ihr Herz ist so
frostig wie jener Aargletscher, auf welchem Herr Karl Vogt sich
einst in seiner atheistischen Doctrin gestärkt. Dieser Zug der
Kälte und Blasirtheit unterscheidet auch die Berliner Demokraten-
partei von der Wiener Jugend, die in ihren Revolutionen viel
Dummheiten begangen und gewöhnlich den Kopf verloren, aber
ein warmes Gefühl für die Sache, eine gemüthliche Schwär-
merei, einen aufrichtigen Enthusiasmus für die Freiheit, der
aus der Brust, nicht von der Zunge kam, bewahrt hat. Jch
glaube, daß alle deutschen Männer, die es mit dem preußischen
Volke und dem deutschen Vaterlande wohl und redlich meinen,
an dieser Lösung ihre Freude haben müssen. Wie oft haben wir
in den letzten acht Jahren, wenn wir die preußischen Landtags
abschiede lasen, unmuthig auf die Gegenwart, bekümmert in die
Zukunft geschaut! Jene Orkane, welche jeder hellsehende Kopf
und selbst die egoistische und der deutschen Freiheit abholde Presse
Englands dem Könige von Preußen vorhergesagt hat, sie sind
nicht ausgeblieben, sie wurden nicht abgehalten durch ein arm-
seliges königliches Patent, welches dem nach Freiheit verlangen-
den Volke hingeworfen wurde wie ein Bissen Brod dem hungern-
den Bettler. Oft glaubten wir gegründete Ursache zu haben einem
mit Schätzen des Geistes und Gemüthes reich ausgestatteten
deutschen Fürsten zu zürnen wegen seiner falschen Auffassung der
Zeit, des Volkes und der geschichtlichen Rolle, die ihm geziemte.
Heute sind wir versöhnt! alle Mißgriffe, alle Täuschungen der
letzten Jahre vergessen wir gern, und wünschen nichts inniger,
als daß die ganze deutsche Nation unsere Gesinnung theile,
daß sie mit uns sich freue über diese glückliche Lösung der ver-
wickelten Zustände Preußens, welche hoffentlich auch einer be-
friedigenden Lösung der großen deutschen Frage den Weg bah-
nen wird.

München 10. December. ( A. P. Z. ) Seit gestern befindet
sich Hr. v. Abel, der neugewählte Abgeordnete, in unserer Stadt
und zieht, wie sich denken läßt, nicht geringe Aufmerksamkeit auf
sich. Man findet den hohen Staatsmann, seit er uns in den
Februartagen verließ, sehr gealtert.

Mannheim 9. December. ( D. Z. ) Bis morgen schon ver-
lassen uns die hier stationirt gewesenen Nassauer, um, sowie
alle im Badischen liegenden Nassauer Truppen, in ihre Heimath
zurückzumarschiren. Die hier gefangen Gehaltenen sind bereits
nach Wiesbaden escortirt worden. Woran es liegt, daß im jetzi-
gen Augenblicke, wo es, ich kann es nicht läugnen, am Rheine
sehr kritisch aussieht, die Truppen weggezogen werden, das ist
mir nicht möglich zu ergründen. Man scheint von Seiten unserer
Regierung in diesem Augenblicke wenig zu fürchten, indem auch
den kürzlich Beurlaubten die Erlaubniß des Wanderns im Jn-
lande ertheilt wurde und bis jetzt noch gar nicht bestimmt ist, wann
die Außerordentlich=Conscribirten einrücken sollen. Wären Aussich-
ten einer baldigen Benöthigung vorhanden, so müßten wegen der
Organisation und militärischen Einübung schon jetzt Schritte ge-
than worden seyn, da stets als geringste Frist derselben 3--4
Wochen anzunehmen sind. Die Bürgerwehren, obschon stark im
Getriebe, sind doch keinenfalls als wirkliche Truppen zu betrach-
ten und namentlich in ihrer gegenwärtigen Gestalt. Jn 2--3
Tagen werden hier die Wahlen der Unterofficiere vollendet seyn,
wonach alsdann zu den Wahlen der Staabsofficiere geschritten
wird. Auch die demokratische Partei sieht die Nothwendigkeit ein,
hier Linienofficiere zu wählen; es fragt sich nur, ob sie wohl
Gleichgesinnte hier finden, die das Vertrauen der Bürger besitzen.

Konstanz 7. December. ( Schw. M. ) Wir hatten verflossene
Nacht einen zie mlich lebhaften Krawall. Bei einem Verles fehlte
oder kam eine Anzahl Soldaten, die mitunter etwas benebelt
waren, zu spät; auch soll Einer einen Zuckerhut haben herein-
schmuggeln wollen, der darüber ertappt und angezeigt wurde.
Kurz gegen etwa 12 Mann wurde aus mancherlei Ursachen eine
[Spaltenumbruch] Arreststrafe auf der Hauptwache verhängt. Plötzlich um 8 Uhr
Abends erhebt sich ein gewaltiger Lärm vor einem in der Regel
sehr besuchten Wirthshause; etwa 100 württembergische Sol-
daten verlangen von den dort anwesenden Officieren die Befrei-
ung der Cameraden; sie wird energisch verweigert; Jene gehen
zur Hauptwache und es schließt sich ein Haufe Schreier an, die
vor der Hauptwache einen solchen Lärm erheben, daß die an-
wesenden und hergeigeeilten Officiere persönlich mit gefälltem
Gewehr einem drohenden Angriffe sich gegenüber stellen. Jhre
entschlossene Haltung, dere Unwille der Soldaten selbst über das
ihnen nachheulende Gesindel, die Beihilfe der Civilbehörden und
stürmisches Wetter machte dem Krawall ein Ende. Die Soldaten,
die sich im Arrest befanden, hatten ihrerseits das Nebencabinet
gesprengt, in welches sie eingesperrt waren, doch machten sie, der
Energie des commandirenden Hauptmannes gegenüber, keine
weiteren Versuche. -- Heute ist dem Commando angezeigt worden,
daß Arbeiter einen Angriff auf die Hauptwache beabsichtigten;
es sind die Posten deßhalb verstärkt worden. Jch bin überzeugt,
daß dies nur eine Windbeutelei ist; aber der tägliche Verkehr des
gemeinen Mannes mit muthwilligen Gesellen fängt bereits wieder
an, seine Früchte zu tragen. Die besten Truppen müssen auf
diese Weise demoralisirt werden. Eine Casernirung der
Truppen ist durchaus nothwendig.

Darmstadt 12. December. ( O. P. A. Z. ) Jn der heutigen
Sitzung wurde von dem ersten Ausschusse der zweiten Kammer
Bericht über die Proposition des Finanzministeriums, die Forter-
hebung der seitherigen Staatsauflagen für das erste Halbjahr
1849 betreffend, erstattet. Der Ausschuß beantragt dem vorge-
legten Gesetzentwurfe die Zustimmung unter folgenden Voraus-
setzungen zu ertheilen: 1 ) bei jeder Beförderung oder Anstellung
im Staatsdienste soll die Bedingung beigefügt werden, daß der
betreffende Beamte sich allen Abänderungen der Dienstpragmatik
zu unterwerfen hat; 2 ) daß die Verordnung über Repräsenta-
tionsgehalte vom 26. Juni 1821 auf das Militär ausgedehnt
werde; 3 ) daß Renumerationen nicht ohne die höchste Nothwen-
digkeit bewilliget werden; 4 ) daß von Art. 21. der Civil=, und
Art. 12. der Militärdienstpragmatik ( Pensionirung mit vollem
Gehalte ) fernerhin kein Gebrauch gemacht werde; 5 ) daß keine
unnöthige Veränderung der vorhandenen Militäruniformen und
möglichste Ersparniß bei neu anzufertigenden eintrete; 6 ) daß
möglichste Vereinfachung der Organisation des Militäres zuge-
sichert werde. Am Schlusse der Sitzung wurde ein weiterer Ge-
setzentwurf, die Verkündigung des Standrechtes beim Militäre
betreffend, vorgelegt, durch welchen es möglich werden soll.
Truppenabtheilungen auf eine bestimmte Zeit für alle während
dieser Zeit vorkommenden Vergehen einer gewissen Art dem
Standrechte zu unterwerfen, und zugleich in Fällen, worin Ge-
fahr auf dem Verzuge haftet, sogleich im Sinne des Gesetzes ein-
schreiten zu können.

Sigmaringen 9. December. ( Schw. M. ) Der Fürst hat
sich von Frankfurt nach Berlin begeben, und es dürfte kaum
einem Zweifel unterliegen, daß dort ernstliche Verhandlungen
über unsere künftigen staatlichen Verhältnisse gepflogen werden.
Die Ansicht gewinnt die Oberhand und hat bereits in der öffent-
lichen Meinung Wurzeln geschlagen, daß der König von
Preußen
in Bälde die Regierung der beiden Fürstenthümer
Hohenzollern übernehmen werde.

Frankfurt 10. December. ( Karlsr. Z. ) Das Ministerium,
welches bisher auch seinerseits den provisorischen Charakter un-
serer öffentlichen Zustände trug, besonders seit der Zeit, wo Hr.
v. Schmerling die Portefeuilles des Jnnern und des Auswär-
tigen in seiner Hand vereinigte, das Ministerium will sich durch
Heinrich v. Gagern ergänzen und durch den gewichtigen Namen
dieses Mannes seiner, wie es scheint, durch das wankende Ver-
trauen eines Theiles der Mehrheit der Reichsversammlung er-
schütterten Existenz einen neuen Halt geben. Jch begreife viel
leichter, daß das Ministerium diesen Versuch macht, seine Be-
deutung zu heben und seine nächste Zukunft zu sichern, als ich be-
greifen werde, daß Hr. v. Gagern auf die ihm gestellte Zumuthung
einginge. Wahr ist es, daß der Präsident der Reichsversamm-
lung ziemlich tief in die ministerielle Politik verflochten ist, daß
die Reichsregierung bisher keinen wichtigen Schritt gethan hat,
ohne ihn zu Rathe zu ziehen, ohne seine Stimme einzuholen; wenn
sich aber Hr. v. Gagern durch diese mittelbare Betheiligung bei der
Leitung der Geschäfte verbunden glaubt, dem Ministerium in
einem Augenblicke der Verlegenheit auch seinen Namen, seine ganze
politische Existenz zu leihen, so schlägt er die Rücksichten gegen die
Regierung zu hoch und seine Pflichten gegen Deutschland zu nied-
rig an. Jch gehöre nicht zu den Gegnern unserer Minister, aber
ich kann mir nicht verhehlen, daß einige derselben, namentlich
aber diejenigen, welche den entschiedensten Einfluß auf den Gang
und die Haltung der ministeriellen Politik ausgeübt haben, nicht
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[Beginn Spaltensatz] ungen sich nach Willkür drehen und deuteln, und eine bequeme
Hinterthür der Zukunft offen ließen, wenn möglicherweise noch
einmal die Zeit käme das Volk ungestraft um seine heiligen Rechte
zu betrügen? Jch habe diese Herren gestern nicht gesehen. Aber
die radicalen Männer von gleicher Farbe, welche uns am gestri-
gen Abende umgaben, waren während der Lesung sichtbar ver-
blüfft und in den ersten Augenblicken der Ueberraschung auch et-
was kleinlaut. „Da sind wir Demokraten schön blamirt!“ sagte
einer der ehrlichsten, als der Vorleser geendet hatte. „Es läßt
sich wenig gegen diese Verfassung sagen, als daß sie eben oc-
troyirt ist,“ meinte ein anderer. „ Elle est trop bonne pour être
vraie
“ bemerkte ein dritter. Und dabei keine Spur von Begei-
sterung, kein Fünkchen Liebe für die Sache, kein Wort der Freude,
daß der lange Zwiespalt im Staate Preußen in so freundlicher
Weise geendet sey! O welch ein armseliges, dürftiges, selbst-
süchtiges Geschlecht sind diese Berliner Demokraten! Nirgends
ein tiefer Ernst der Gesinnung, nirgends eine patriotische Gluth
in der Seele, nur der Kopf brennt bei manchen, ihr Herz ist so
frostig wie jener Aargletscher, auf welchem Herr Karl Vogt sich
einst in seiner atheistischen Doctrin gestärkt. Dieser Zug der
Kälte und Blasirtheit unterscheidet auch die Berliner Demokraten-
partei von der Wiener Jugend, die in ihren Revolutionen viel
Dummheiten begangen und gewöhnlich den Kopf verloren, aber
ein warmes Gefühl für die Sache, eine gemüthliche Schwär-
merei, einen aufrichtigen Enthusiasmus für die Freiheit, der
aus der Brust, nicht von der Zunge kam, bewahrt hat. Jch
glaube, daß alle deutschen Männer, die es mit dem preußischen
Volke und dem deutschen Vaterlande wohl und redlich meinen,
an dieser Lösung ihre Freude haben müssen. Wie oft haben wir
in den letzten acht Jahren, wenn wir die preußischen Landtags
abschiede lasen, unmuthig auf die Gegenwart, bekümmert in die
Zukunft geschaut! Jene Orkane, welche jeder hellsehende Kopf
und selbst die egoistische und der deutschen Freiheit abholde Presse
Englands dem Könige von Preußen vorhergesagt hat, sie sind
nicht ausgeblieben, sie wurden nicht abgehalten durch ein arm-
seliges königliches Patent, welches dem nach Freiheit verlangen-
den Volke hingeworfen wurde wie ein Bissen Brod dem hungern-
den Bettler. Oft glaubten wir gegründete Ursache zu haben einem
mit Schätzen des Geistes und Gemüthes reich ausgestatteten
deutschen Fürsten zu zürnen wegen seiner falschen Auffassung der
Zeit, des Volkes und der geschichtlichen Rolle, die ihm geziemte.
Heute sind wir versöhnt! alle Mißgriffe, alle Täuschungen der
letzten Jahre vergessen wir gern, und wünschen nichts inniger,
als daß die ganze deutsche Nation unsere Gesinnung theile,
daß sie mit uns sich freue über diese glückliche Lösung der ver-
wickelten Zustände Preußens, welche hoffentlich auch einer be-
friedigenden Lösung der großen deutschen Frage den Weg bah-
nen wird.

München 10. December. ( A. P. Z. ) Seit gestern befindet
sich Hr. v. Abel, der neugewählte Abgeordnete, in unserer Stadt
und zieht, wie sich denken läßt, nicht geringe Aufmerksamkeit auf
sich. Man findet den hohen Staatsmann, seit er uns in den
Februartagen verließ, sehr gealtert.

Mannheim 9. December. ( D. Z. ) Bis morgen schon ver-
lassen uns die hier stationirt gewesenen Nassauer, um, sowie
alle im Badischen liegenden Nassauer Truppen, in ihre Heimath
zurückzumarschiren. Die hier gefangen Gehaltenen sind bereits
nach Wiesbaden escortirt worden. Woran es liegt, daß im jetzi-
gen Augenblicke, wo es, ich kann es nicht läugnen, am Rheine
sehr kritisch aussieht, die Truppen weggezogen werden, das ist
mir nicht möglich zu ergründen. Man scheint von Seiten unserer
Regierung in diesem Augenblicke wenig zu fürchten, indem auch
den kürzlich Beurlaubten die Erlaubniß des Wanderns im Jn-
lande ertheilt wurde und bis jetzt noch gar nicht bestimmt ist, wann
die Außerordentlich=Conscribirten einrücken sollen. Wären Aussich-
ten einer baldigen Benöthigung vorhanden, so müßten wegen der
Organisation und militärischen Einübung schon jetzt Schritte ge-
than worden seyn, da stets als geringste Frist derselben 3—4
Wochen anzunehmen sind. Die Bürgerwehren, obschon stark im
Getriebe, sind doch keinenfalls als wirkliche Truppen zu betrach-
ten und namentlich in ihrer gegenwärtigen Gestalt. Jn 2—3
Tagen werden hier die Wahlen der Unterofficiere vollendet seyn,
wonach alsdann zu den Wahlen der Staabsofficiere geschritten
wird. Auch die demokratische Partei sieht die Nothwendigkeit ein,
hier Linienofficiere zu wählen; es fragt sich nur, ob sie wohl
Gleichgesinnte hier finden, die das Vertrauen der Bürger besitzen.

Konstanz 7. December. ( Schw. M. ) Wir hatten verflossene
Nacht einen zie mlich lebhaften Krawall. Bei einem Verles fehlte
oder kam eine Anzahl Soldaten, die mitunter etwas benebelt
waren, zu spät; auch soll Einer einen Zuckerhut haben herein-
schmuggeln wollen, der darüber ertappt und angezeigt wurde.
Kurz gegen etwa 12 Mann wurde aus mancherlei Ursachen eine
[Spaltenumbruch] Arreststrafe auf der Hauptwache verhängt. Plötzlich um 8 Uhr
Abends erhebt sich ein gewaltiger Lärm vor einem in der Regel
sehr besuchten Wirthshause; etwa 100 württembergische Sol-
daten verlangen von den dort anwesenden Officieren die Befrei-
ung der Cameraden; sie wird energisch verweigert; Jene gehen
zur Hauptwache und es schließt sich ein Haufe Schreier an, die
vor der Hauptwache einen solchen Lärm erheben, daß die an-
wesenden und hergeigeeilten Officiere persönlich mit gefälltem
Gewehr einem drohenden Angriffe sich gegenüber stellen. Jhre
entschlossene Haltung, dere Unwille der Soldaten selbst über das
ihnen nachheulende Gesindel, die Beihilfe der Civilbehörden und
stürmisches Wetter machte dem Krawall ein Ende. Die Soldaten,
die sich im Arrest befanden, hatten ihrerseits das Nebencabinet
gesprengt, in welches sie eingesperrt waren, doch machten sie, der
Energie des commandirenden Hauptmannes gegenüber, keine
weiteren Versuche. — Heute ist dem Commando angezeigt worden,
daß Arbeiter einen Angriff auf die Hauptwache beabsichtigten;
es sind die Posten deßhalb verstärkt worden. Jch bin überzeugt,
daß dies nur eine Windbeutelei ist; aber der tägliche Verkehr des
gemeinen Mannes mit muthwilligen Gesellen fängt bereits wieder
an, seine Früchte zu tragen. Die besten Truppen müssen auf
diese Weise demoralisirt werden. Eine Casernirung der
Truppen ist durchaus nothwendig.

Darmstadt 12. December. ( O. P. A. Z. ) Jn der heutigen
Sitzung wurde von dem ersten Ausschusse der zweiten Kammer
Bericht über die Proposition des Finanzministeriums, die Forter-
hebung der seitherigen Staatsauflagen für das erste Halbjahr
1849 betreffend, erstattet. Der Ausschuß beantragt dem vorge-
legten Gesetzentwurfe die Zustimmung unter folgenden Voraus-
setzungen zu ertheilen: 1 ) bei jeder Beförderung oder Anstellung
im Staatsdienste soll die Bedingung beigefügt werden, daß der
betreffende Beamte sich allen Abänderungen der Dienstpragmatik
zu unterwerfen hat; 2 ) daß die Verordnung über Repräsenta-
tionsgehalte vom 26. Juni 1821 auf das Militär ausgedehnt
werde; 3 ) daß Renumerationen nicht ohne die höchste Nothwen-
digkeit bewilliget werden; 4 ) daß von Art. 21. der Civil=, und
Art. 12. der Militärdienstpragmatik ( Pensionirung mit vollem
Gehalte ) fernerhin kein Gebrauch gemacht werde; 5 ) daß keine
unnöthige Veränderung der vorhandenen Militäruniformen und
möglichste Ersparniß bei neu anzufertigenden eintrete; 6 ) daß
möglichste Vereinfachung der Organisation des Militäres zuge-
sichert werde. Am Schlusse der Sitzung wurde ein weiterer Ge-
setzentwurf, die Verkündigung des Standrechtes beim Militäre
betreffend, vorgelegt, durch welchen es möglich werden soll.
Truppenabtheilungen auf eine bestimmte Zeit für alle während
dieser Zeit vorkommenden Vergehen einer gewissen Art dem
Standrechte zu unterwerfen, und zugleich in Fällen, worin Ge-
fahr auf dem Verzuge haftet, sogleich im Sinne des Gesetzes ein-
schreiten zu können.

Sigmaringen 9. December. ( Schw. M. ) Der Fürst hat
sich von Frankfurt nach Berlin begeben, und es dürfte kaum
einem Zweifel unterliegen, daß dort ernstliche Verhandlungen
über unsere künftigen staatlichen Verhältnisse gepflogen werden.
Die Ansicht gewinnt die Oberhand und hat bereits in der öffent-
lichen Meinung Wurzeln geschlagen, daß der König von
Preußen
in Bälde die Regierung der beiden Fürstenthümer
Hohenzollern übernehmen werde.

Frankfurt 10. December. ( Karlsr. Z. ) Das Ministerium,
welches bisher auch seinerseits den provisorischen Charakter un-
serer öffentlichen Zustände trug, besonders seit der Zeit, wo Hr.
v. Schmerling die Portefeuilles des Jnnern und des Auswär-
tigen in seiner Hand vereinigte, das Ministerium will sich durch
Heinrich v. Gagern ergänzen und durch den gewichtigen Namen
dieses Mannes seiner, wie es scheint, durch das wankende Ver-
trauen eines Theiles der Mehrheit der Reichsversammlung er-
schütterten Existenz einen neuen Halt geben. Jch begreife viel
leichter, daß das Ministerium diesen Versuch macht, seine Be-
deutung zu heben und seine nächste Zukunft zu sichern, als ich be-
greifen werde, daß Hr. v. Gagern auf die ihm gestellte Zumuthung
einginge. Wahr ist es, daß der Präsident der Reichsversamm-
lung ziemlich tief in die ministerielle Politik verflochten ist, daß
die Reichsregierung bisher keinen wichtigen Schritt gethan hat,
ohne ihn zu Rathe zu ziehen, ohne seine Stimme einzuholen; wenn
sich aber Hr. v. Gagern durch diese mittelbare Betheiligung bei der
Leitung der Geschäfte verbunden glaubt, dem Ministerium in
einem Augenblicke der Verlegenheit auch seinen Namen, seine ganze
politische Existenz zu leihen, so schlägt er die Rücksichten gegen die
Regierung zu hoch und seine Pflichten gegen Deutschland zu nied-
rig an. Jch gehöre nicht zu den Gegnern unserer Minister, aber
ich kann mir nicht verhehlen, daß einige derselben, namentlich
aber diejenigen, welche den entschiedensten Einfluß auf den Gang
und die Haltung der ministeriellen Politik ausgeübt haben, nicht
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[0003] ungen sich nach Willkür drehen und deuteln, und eine bequeme Hinterthür der Zukunft offen ließen, wenn möglicherweise noch einmal die Zeit käme das Volk ungestraft um seine heiligen Rechte zu betrügen? Jch habe diese Herren gestern nicht gesehen. Aber die radicalen Männer von gleicher Farbe, welche uns am gestri- gen Abende umgaben, waren während der Lesung sichtbar ver- blüfft und in den ersten Augenblicken der Ueberraschung auch et- was kleinlaut. „Da sind wir Demokraten schön blamirt!“ sagte einer der ehrlichsten, als der Vorleser geendet hatte. „Es läßt sich wenig gegen diese Verfassung sagen, als daß sie eben oc- troyirt ist,“ meinte ein anderer. „ Elle est trop bonne pour être vraie “ bemerkte ein dritter. Und dabei keine Spur von Begei- sterung, kein Fünkchen Liebe für die Sache, kein Wort der Freude, daß der lange Zwiespalt im Staate Preußen in so freundlicher Weise geendet sey! O welch ein armseliges, dürftiges, selbst- süchtiges Geschlecht sind diese Berliner Demokraten! Nirgends ein tiefer Ernst der Gesinnung, nirgends eine patriotische Gluth in der Seele, nur der Kopf brennt bei manchen, ihr Herz ist so frostig wie jener Aargletscher, auf welchem Herr Karl Vogt sich einst in seiner atheistischen Doctrin gestärkt. Dieser Zug der Kälte und Blasirtheit unterscheidet auch die Berliner Demokraten- partei von der Wiener Jugend, die in ihren Revolutionen viel Dummheiten begangen und gewöhnlich den Kopf verloren, aber ein warmes Gefühl für die Sache, eine gemüthliche Schwär- merei, einen aufrichtigen Enthusiasmus für die Freiheit, der aus der Brust, nicht von der Zunge kam, bewahrt hat. Jch glaube, daß alle deutschen Männer, die es mit dem preußischen Volke und dem deutschen Vaterlande wohl und redlich meinen, an dieser Lösung ihre Freude haben müssen. Wie oft haben wir in den letzten acht Jahren, wenn wir die preußischen Landtags abschiede lasen, unmuthig auf die Gegenwart, bekümmert in die Zukunft geschaut! Jene Orkane, welche jeder hellsehende Kopf und selbst die egoistische und der deutschen Freiheit abholde Presse Englands dem Könige von Preußen vorhergesagt hat, sie sind nicht ausgeblieben, sie wurden nicht abgehalten durch ein arm- seliges königliches Patent, welches dem nach Freiheit verlangen- den Volke hingeworfen wurde wie ein Bissen Brod dem hungern- den Bettler. Oft glaubten wir gegründete Ursache zu haben einem mit Schätzen des Geistes und Gemüthes reich ausgestatteten deutschen Fürsten zu zürnen wegen seiner falschen Auffassung der Zeit, des Volkes und der geschichtlichen Rolle, die ihm geziemte. Heute sind wir versöhnt! alle Mißgriffe, alle Täuschungen der letzten Jahre vergessen wir gern, und wünschen nichts inniger, als daß die ganze deutsche Nation unsere Gesinnung theile, daß sie mit uns sich freue über diese glückliche Lösung der ver- wickelten Zustände Preußens, welche hoffentlich auch einer be- friedigenden Lösung der großen deutschen Frage den Weg bah- nen wird. München 10. December. ( A. P. Z. ) Seit gestern befindet sich Hr. v. Abel, der neugewählte Abgeordnete, in unserer Stadt und zieht, wie sich denken läßt, nicht geringe Aufmerksamkeit auf sich. Man findet den hohen Staatsmann, seit er uns in den Februartagen verließ, sehr gealtert. Mannheim 9. December. ( D. Z. ) Bis morgen schon ver- lassen uns die hier stationirt gewesenen Nassauer, um, sowie alle im Badischen liegenden Nassauer Truppen, in ihre Heimath zurückzumarschiren. Die hier gefangen Gehaltenen sind bereits nach Wiesbaden escortirt worden. Woran es liegt, daß im jetzi- gen Augenblicke, wo es, ich kann es nicht läugnen, am Rheine sehr kritisch aussieht, die Truppen weggezogen werden, das ist mir nicht möglich zu ergründen. Man scheint von Seiten unserer Regierung in diesem Augenblicke wenig zu fürchten, indem auch den kürzlich Beurlaubten die Erlaubniß des Wanderns im Jn- lande ertheilt wurde und bis jetzt noch gar nicht bestimmt ist, wann die Außerordentlich=Conscribirten einrücken sollen. Wären Aussich- ten einer baldigen Benöthigung vorhanden, so müßten wegen der Organisation und militärischen Einübung schon jetzt Schritte ge- than worden seyn, da stets als geringste Frist derselben 3—4 Wochen anzunehmen sind. Die Bürgerwehren, obschon stark im Getriebe, sind doch keinenfalls als wirkliche Truppen zu betrach- ten und namentlich in ihrer gegenwärtigen Gestalt. Jn 2—3 Tagen werden hier die Wahlen der Unterofficiere vollendet seyn, wonach alsdann zu den Wahlen der Staabsofficiere geschritten wird. Auch die demokratische Partei sieht die Nothwendigkeit ein, hier Linienofficiere zu wählen; es fragt sich nur, ob sie wohl Gleichgesinnte hier finden, die das Vertrauen der Bürger besitzen. Konstanz 7. December. ( Schw. M. ) Wir hatten verflossene Nacht einen zie mlich lebhaften Krawall. Bei einem Verles fehlte oder kam eine Anzahl Soldaten, die mitunter etwas benebelt waren, zu spät; auch soll Einer einen Zuckerhut haben herein- schmuggeln wollen, der darüber ertappt und angezeigt wurde. Kurz gegen etwa 12 Mann wurde aus mancherlei Ursachen eine Arreststrafe auf der Hauptwache verhängt. Plötzlich um 8 Uhr Abends erhebt sich ein gewaltiger Lärm vor einem in der Regel sehr besuchten Wirthshause; etwa 100 württembergische Sol- daten verlangen von den dort anwesenden Officieren die Befrei- ung der Cameraden; sie wird energisch verweigert; Jene gehen zur Hauptwache und es schließt sich ein Haufe Schreier an, die vor der Hauptwache einen solchen Lärm erheben, daß die an- wesenden und hergeigeeilten Officiere persönlich mit gefälltem Gewehr einem drohenden Angriffe sich gegenüber stellen. Jhre entschlossene Haltung, dere Unwille der Soldaten selbst über das ihnen nachheulende Gesindel, die Beihilfe der Civilbehörden und stürmisches Wetter machte dem Krawall ein Ende. Die Soldaten, die sich im Arrest befanden, hatten ihrerseits das Nebencabinet gesprengt, in welches sie eingesperrt waren, doch machten sie, der Energie des commandirenden Hauptmannes gegenüber, keine weiteren Versuche. — Heute ist dem Commando angezeigt worden, daß Arbeiter einen Angriff auf die Hauptwache beabsichtigten; es sind die Posten deßhalb verstärkt worden. Jch bin überzeugt, daß dies nur eine Windbeutelei ist; aber der tägliche Verkehr des gemeinen Mannes mit muthwilligen Gesellen fängt bereits wieder an, seine Früchte zu tragen. Die besten Truppen müssen auf diese Weise demoralisirt werden. Eine Casernirung der Truppen ist durchaus nothwendig. Darmstadt 12. December. ( O. P. A. Z. ) Jn der heutigen Sitzung wurde von dem ersten Ausschusse der zweiten Kammer Bericht über die Proposition des Finanzministeriums, die Forter- hebung der seitherigen Staatsauflagen für das erste Halbjahr 1849 betreffend, erstattet. Der Ausschuß beantragt dem vorge- legten Gesetzentwurfe die Zustimmung unter folgenden Voraus- setzungen zu ertheilen: 1 ) bei jeder Beförderung oder Anstellung im Staatsdienste soll die Bedingung beigefügt werden, daß der betreffende Beamte sich allen Abänderungen der Dienstpragmatik zu unterwerfen hat; 2 ) daß die Verordnung über Repräsenta- tionsgehalte vom 26. Juni 1821 auf das Militär ausgedehnt werde; 3 ) daß Renumerationen nicht ohne die höchste Nothwen- digkeit bewilliget werden; 4 ) daß von Art. 21. der Civil=, und Art. 12. der Militärdienstpragmatik ( Pensionirung mit vollem Gehalte ) fernerhin kein Gebrauch gemacht werde; 5 ) daß keine unnöthige Veränderung der vorhandenen Militäruniformen und möglichste Ersparniß bei neu anzufertigenden eintrete; 6 ) daß möglichste Vereinfachung der Organisation des Militäres zuge- sichert werde. Am Schlusse der Sitzung wurde ein weiterer Ge- setzentwurf, die Verkündigung des Standrechtes beim Militäre betreffend, vorgelegt, durch welchen es möglich werden soll. Truppenabtheilungen auf eine bestimmte Zeit für alle während dieser Zeit vorkommenden Vergehen einer gewissen Art dem Standrechte zu unterwerfen, und zugleich in Fällen, worin Ge- fahr auf dem Verzuge haftet, sogleich im Sinne des Gesetzes ein- schreiten zu können. Sigmaringen 9. December. ( Schw. M. ) Der Fürst hat sich von Frankfurt nach Berlin begeben, und es dürfte kaum einem Zweifel unterliegen, daß dort ernstliche Verhandlungen über unsere künftigen staatlichen Verhältnisse gepflogen werden. Die Ansicht gewinnt die Oberhand und hat bereits in der öffent- lichen Meinung Wurzeln geschlagen, daß der König von Preußen in Bälde die Regierung der beiden Fürstenthümer Hohenzollern übernehmen werde. Frankfurt 10. December. ( Karlsr. Z. ) Das Ministerium, welches bisher auch seinerseits den provisorischen Charakter un- serer öffentlichen Zustände trug, besonders seit der Zeit, wo Hr. v. Schmerling die Portefeuilles des Jnnern und des Auswär- tigen in seiner Hand vereinigte, das Ministerium will sich durch Heinrich v. Gagern ergänzen und durch den gewichtigen Namen dieses Mannes seiner, wie es scheint, durch das wankende Ver- trauen eines Theiles der Mehrheit der Reichsversammlung er- schütterten Existenz einen neuen Halt geben. Jch begreife viel leichter, daß das Ministerium diesen Versuch macht, seine Be- deutung zu heben und seine nächste Zukunft zu sichern, als ich be- greifen werde, daß Hr. v. Gagern auf die ihm gestellte Zumuthung einginge. Wahr ist es, daß der Präsident der Reichsversamm- lung ziemlich tief in die ministerielle Politik verflochten ist, daß die Reichsregierung bisher keinen wichtigen Schritt gethan hat, ohne ihn zu Rathe zu ziehen, ohne seine Stimme einzuholen; wenn sich aber Hr. v. Gagern durch diese mittelbare Betheiligung bei der Leitung der Geschäfte verbunden glaubt, dem Ministerium in einem Augenblicke der Verlegenheit auch seinen Namen, seine ganze politische Existenz zu leihen, so schlägt er die Rücksichten gegen die Regierung zu hoch und seine Pflichten gegen Deutschland zu nied- rig an. Jch gehöre nicht zu den Gegnern unserer Minister, aber ich kann mir nicht verhehlen, daß einige derselben, namentlich aber diejenigen, welche den entschiedensten Einfluß auf den Gang und die Haltung der ministeriellen Politik ausgeübt haben, nicht

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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 163. Mainz, 13. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal163_1848/3>, abgerufen am 31.10.2024.