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Mainzer Journal. Nr. 163. Mainz, 13. Dezember 1848.

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[Beginn Spaltensatz] blos die Volkgunst verloren haben, sondern auch von vielen Sei-
ten her mit dem entschiedensten Mißtrauen betrachtet werden. Ob
dies Mißtrauen rechtmäßig ist oder nicht, ist für die vorliegende
Frage ziemlich gleichgiltig; genug, es ist vorhanden und der
Schatten desselben würde unfehlbar auch auf Hrn. v. Gagern
fallen, wenn er einen Platz neben jenen Männern einnähme.

Und was in aller Welt könnte mit seinem Eintritte in das
Ministerium, wenn derselbe in diesem Augenblicke erfolgte, für
das Gedeihen der deutschen Verfassungspolitik -- denn diese
kommt doch bis jetzt allein in Betracht -- gewonnen werden?
Das Wesentliche, was der Reichsregierung fehlt, kann ihr auch
Gagern nicht geben: die Macht nämlich, ohne welche aller
Charakter, alle Weisheit, alle Vaterlandsliebe des besten aller
denkbaren Ministerien so ziemlich wirkungslos seyn und bleiben
muß. Der große Haufe wird eben die Stellung eines solchen
Ministeriums und die aus derselben hervorgehenden Folgerungen
niemals begreifen; er wird auch Gagern verantwortlich machen
für seine Ohnmacht und Gagern wird an dieser Ohnmacht zu
Grunde gehen. Der Augenblick, die Leitung der Geschäfte zu
übernehmen, wird für Gagern erst mit der Errichtung der defini-
tiven Reichsgewalt kommen, welche diesen Namen hoffentlich mit
größerem Rechte verdienen wird, als die provisorische. Bis
dahin ist v. Gagern es der Nation schuldig, sich selbst und seinen
herrlichen Namen aufzusparen.

Frankreich.

* * * Paris 10. December. Der heilige Vater hat sich
bis jetzt weder nach Caserta, noch nach Monte=Cassino begeben,
wie es Anfangs geheißen hat, sondern befindet sich fortwährend
ganz ruhig zu Gaeta, wo er allem Anscheine nach auch vorläufig
bleiben wird. Uebrigens hat er Frankreich seinen wärmsten Dank
für die ihm angebotene Gastfreundschaft ausgesprochen. Die rö-
mischen radicalen Blätter bringen die Neuigkeit, daß man sich
dort thätig zum Kriege rüstet für den Fall, daß von irgend einer
Seite her das päpstliche Gebiet verletzt werden sollte und das
Ministerium hat eine Proclamation an die Civica erlassen, um
ihren Patriotismus in das gehörige Feuer zu bringen. Sie wissen
indessen schon, wie viel auf den italienischen Heldenmuth zu geben
ist; allein auch abgesehen davon, wimmelt das ganze Machwerk
von Lüge und Heuchelei, und es kommt unter Anderem folgende
Stelle darin vor: "Schaaret euch dichter an einander, wenn ihr
freie Jnstitutionen und die heilige Religion unserer Väter wieder
erringen wollet!" Nach der "Alba" sollte am 2. December ein
geheimes Consistorium zu Gaeta gehalten werden.

Das Turiner Cabinet hat am 5. December der Kammer
der Abgeordneten seinen Rücktritt angezeigt. Wer an dessen Stelle
treten wird, ist bis jetzt noch nicht officiell bekannt, aller Wahr-
scheinlichkeit nach wird indessen Gioberti die Präsidentschaft
des neuen Ministeriums bekommen, und die radicale Partei bietet
Alles auf, ihn an diesen Posten zu bringen. Noch am Abende des
Tages, wo das frühere Cabinet zurücktrat, zog der Volksclub
vor seine Wohnung und brachte ihm ein Vivat, worauf Gioberti
ihnen den guten Rath gab, jetzt vor des Königs Palast zu ziehen
und dort die italienische Unabhängigkeit hoch leben zu lassen, was
denn auch geschah. Gioberti will mit wahrem Fanatismus Krieg
gegen Oesterreich;
kommt er also ans Ruder, so wird er
wohl das Programm vollziehen müssen, durch welches er das
abgetretene Cabinet gestürzt hat. Nun, wir haben ihn schon ein-
mal das Staatsschiff führen sehen und vielleicht wird er es jetzt
zum zweiten Male führen, wenn nicht der König, der seine eige-
nen Bedenklichkeiten über die aus einem solchen Ministerium ent-
stehenden Verlegenheiten hat, der exaltirten Partei einen entschie-
denen Widerstand entgegensetzt. Jn diesem Falle aber schwebt der
König selbst in größter Gefahr, denn es ist ja eine weltbekannte
Sache, welchen Respect die italienischen Radicalen vor der Loya-
lität haben und wie sie die Freiheit der Könige verstehen. Jeden-
falls stehen die Dinge in Sardinien so, daß es dort zu einer hef-
tigen und zwar gewaltsamen Krisis kommen müsse.

Hier sieht es schlimm aus und die ganze Pariser Bevölkerung
ist seit vorgestern auf den Beinen. Bedeutende Volkshaufen stehen
an der Porte St. Martin, an der Porte St. Denis, auf dem
Greveplatz, auf den Quais, auf dem Vendomeplatze zusammen,
und am Freitag Abend wurde man auf letztgenanntem Platze, in
der Friedens= und Castiglionestraße fast erdrückt. Jn der Nähe
des Pantheons geriethen sich ein Haufe clubistischer und ein Haufe
napoleonistisch gesinnter Arbeiter unter dem Rufe, es lebe Ras-
pail! es lebe Bonaparte! in die Haare. Als aber eine Compag-
nie Mobilgarde kam, um sie auseinander zu treiben, schlossen
die streitenden Parteien Friede und schlugen sie unter dem Rufe:
nieder mit diesen Schlächtern Cavaignacs! in die Flucht. Erst
als zwei Compagnien Linientruppen anrückten, gelang es, die
Ruhe wieder nothdürftig herzustellen. Aehnliche Scenen fanden
gestern an mehreren Punkten, namentlich auf dem Platze Mau-
[Spaltenumbruch] bert statt und starke Patrouillen durchstreiften, sobald es finster zu
werden anfing, den ganzen Stadttheil.

Eben so wenig Erfreuliches ist aus der Nationalversammlung
zu berichten. Ein dem Berge angehörender Deputirter, Herr
Joly, interpellirte die Regierung über eine Privatunterhaltung,
in welcher sich Herr Dufaure geäußert haben soll, die Rothrepu-
blikaner möchten wohl mit Nächstem einen neuen Aufstand pro-
vociren. Es fielen heftige Reden von beiden Seiten und Ledru-
Rollin warf unter Anderem dem Polizeipräfecten vor, er habe
sich an England verkauft. Dufaure trat in seiner Antwort wie
gewöhnlich sehr entschieden auf, allein er bot, seine Rede bei
Lichte betrachtet, den Parisern auch nichts, was sie über die Zu-
kunft beruhigen könnte. Wenn nun jetzt schon eine solche fieber-
hafte Bewegung in der Hauptstadt herrscht, wie wird es erst in
den nächsten Tagen nach der Wahl seyn? Jch möchte nicht gern
leere Gerüchte aussprengen, allein ich fürchte, -- ich fürchte, ehe die
Woche um ist, wird der blutige Straßenkampf wieder ausbrechen.
Ehe die Nationalversammlung auf die Jnterpellation Joly's
einging, stellte sie noch die Liste der organischen Gesetze fest, es
sind indessen deren so viele, daß man gar nicht weiß, wann die
Kammer eigentlich damit fertig werden soll. Die Majorität hatte
aber einmal den Entschluß gefaßt, keines derselben fallen zu
lassen und nahm auf die Vorstellungen, welche ihr darüber ge-
macht wurden, nicht die mindeste Rücksicht.

Seit einigen Tagen soll Cavaignac selbst alle Hoffnungen auf
die Präsidentschaft aufgegeben haben, und wenn er noch als Can-
didat auftritt, so geschieht es nur, weil es zum Zurücktreten zu
spät ist. Die Besucher der Kammer sehen aus, als habe jeder ein
Vorgefühl, es werde ein schweres Unglück über das Land herein-
brechen, Unruhe, Angst und Ungewißheit sind auf allen Gesichtern
zu lesen und die Besorgnisse sind um so größer, da man durchaus
nicht weiß, was etwa noch kommen wird. Auch die Abgeordneten
sind von diesen Besorgnissen nicht ganz frei. -- Der Oberst der
republikanischen Garde ist heute Morgen durch einen andern er-
setz worden. -- Jn der Nationalversammlung hieß es, zwei
Obristen der Nationalgarde hätten bei dem Ministerrathe den An-
trag gestellt, den General Changarnier zu entfernen, weil die
Ordnung nur dann aufrecht erhalten werden könne, wenn die
Nationalgarde einen Führer habe, welcher der gegenwärtigen
Ordnung der Dinge aufrichtig ergeben sey. Changarnier hat
übrigens nach Nantes, wo man ihn wählen wollte, einen Brief
geschrieben, in welchem er sich für diese Ehre bedankt, weil er
"die Stimmen der gemäßigten Wähler nicht zersplittern wolle."
Der General ist also für den gemäßigten Candidaten, was man
nehmen kann, wie man will. Zum Schlusse noch die befremdliche
Notiz, daß Cavaignac eine lange Unterredung mit Ledru=Rollin
gehabt haben soll, und Marschall Bugeaud so unwohl ist, daß er
erst nach der Präsidentenwahl nach Paris kommen kann.

Straßburg 8. December. ( A. Z. ) Einer Weisung des
Ministeriums des Jnnern zufolge, haben sämmtliche politische
Flüchtlinge sich unverzüglich von der Grenze zu entfernen und sich
nach den ihnen angewiesenen Departements im Jnnern zu begeben.

Der Curiosität halber theilen wir unseren Lesern die ersten
Nummern mit, welche bei der großen Wahllotterie im Departe-
ment des Niederrheines herausgekommen sind. Es erhielten im
Cantone Zabern: Louis Bonaparte 1123, Cavaignac 430 Stimmen;
Jllkirch: Bonaparte 549, Cavaignac 264; Brumath: Cavaig-
nac 1122, Louis Bonaparte 513; Oberehnheim: Cavaignac
2400, Louis Bonaparte 500; Sulz: Louis Bonaparte 2571,
Cavaignac 716 Stimmen. Jn den Cantonen Truchtersheim und
Bischweiler Majorität für Cavaignac, dagegen in Selz für Bo-
naparte. Auf Ledru=Rollin und Lamartine fielen sehr wenig
Stimmen. Jm Ganzen also Louis Bonaparte 4256, Cavaignac
4932 Stimmen.

Niederlande.

Haag 6. December. ( D. Z. ) Das heutige Geburtsfest des
Königs Wilhelm II. wird hier, wie im ganzen Lande, mit unge-
wöhnlich freudiger Theilnahme gefeiert werden. Der König hat
sich bei der gesetzlichen Durchführung der Verfassungsrevision ebenso
volksfreundlich und entschieden, als fest und besonnen bewiesen, seiner
weisen sichern Leitung schreibt man es vorzüglich zu, daß das
große Werk der Reform unter allen Stürmen der Zeit so ruhig
und ungetrübt zu Stande gebracht worden ist, und jeder Nieder-
länder fühlt sich ihm dafür zum Danke verpflichtet. Die neuliche
Ernennung des Herrn Mutsaers, Mitgliedes der zweiten Kam-
mer, zum Minister für Sachen der katholischen Kirche hat einen
neuen Beweis geliefert, wie ernst es dem Könige ist, auf dem betre-
tenen Wege der Reform fortzuschreiten. Mutsaers ist einer der
freisinnigsten und talentvollsten Männer des Landes und, obwohl
katholischer Vorkämpfer in den Generalstaaten, von allen Parteien
geachtet, in Nordbrabant wie keiner verehrt. -- Die Wahlen in
die neuen Generalstaaten sind größtentheils beendet.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. -- Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. -- Druck von Florian Kupferberg.

[Beginn Spaltensatz] blos die Volkgunst verloren haben, sondern auch von vielen Sei-
ten her mit dem entschiedensten Mißtrauen betrachtet werden. Ob
dies Mißtrauen rechtmäßig ist oder nicht, ist für die vorliegende
Frage ziemlich gleichgiltig; genug, es ist vorhanden und der
Schatten desselben würde unfehlbar auch auf Hrn. v. Gagern
fallen, wenn er einen Platz neben jenen Männern einnähme.

Und was in aller Welt könnte mit seinem Eintritte in das
Ministerium, wenn derselbe in diesem Augenblicke erfolgte, für
das Gedeihen der deutschen Verfassungspolitik — denn diese
kommt doch bis jetzt allein in Betracht — gewonnen werden?
Das Wesentliche, was der Reichsregierung fehlt, kann ihr auch
Gagern nicht geben: die Macht nämlich, ohne welche aller
Charakter, alle Weisheit, alle Vaterlandsliebe des besten aller
denkbaren Ministerien so ziemlich wirkungslos seyn und bleiben
muß. Der große Haufe wird eben die Stellung eines solchen
Ministeriums und die aus derselben hervorgehenden Folgerungen
niemals begreifen; er wird auch Gagern verantwortlich machen
für seine Ohnmacht und Gagern wird an dieser Ohnmacht zu
Grunde gehen. Der Augenblick, die Leitung der Geschäfte zu
übernehmen, wird für Gagern erst mit der Errichtung der defini-
tiven Reichsgewalt kommen, welche diesen Namen hoffentlich mit
größerem Rechte verdienen wird, als die provisorische. Bis
dahin ist v. Gagern es der Nation schuldig, sich selbst und seinen
herrlichen Namen aufzusparen.

Frankreich.

* * * Paris 10. December. Der heilige Vater hat sich
bis jetzt weder nach Caserta, noch nach Monte=Cassino begeben,
wie es Anfangs geheißen hat, sondern befindet sich fortwährend
ganz ruhig zu Gaeta, wo er allem Anscheine nach auch vorläufig
bleiben wird. Uebrigens hat er Frankreich seinen wärmsten Dank
für die ihm angebotene Gastfreundschaft ausgesprochen. Die rö-
mischen radicalen Blätter bringen die Neuigkeit, daß man sich
dort thätig zum Kriege rüstet für den Fall, daß von irgend einer
Seite her das päpstliche Gebiet verletzt werden sollte und das
Ministerium hat eine Proclamation an die Civica erlassen, um
ihren Patriotismus in das gehörige Feuer zu bringen. Sie wissen
indessen schon, wie viel auf den italienischen Heldenmuth zu geben
ist; allein auch abgesehen davon, wimmelt das ganze Machwerk
von Lüge und Heuchelei, und es kommt unter Anderem folgende
Stelle darin vor: „Schaaret euch dichter an einander, wenn ihr
freie Jnstitutionen und die heilige Religion unserer Väter wieder
erringen wollet!“ Nach der „Alba“ sollte am 2. December ein
geheimes Consistorium zu Gaeta gehalten werden.

Das Turiner Cabinet hat am 5. December der Kammer
der Abgeordneten seinen Rücktritt angezeigt. Wer an dessen Stelle
treten wird, ist bis jetzt noch nicht officiell bekannt, aller Wahr-
scheinlichkeit nach wird indessen Gioberti die Präsidentschaft
des neuen Ministeriums bekommen, und die radicale Partei bietet
Alles auf, ihn an diesen Posten zu bringen. Noch am Abende des
Tages, wo das frühere Cabinet zurücktrat, zog der Volksclub
vor seine Wohnung und brachte ihm ein Vivat, worauf Gioberti
ihnen den guten Rath gab, jetzt vor des Königs Palast zu ziehen
und dort die italienische Unabhängigkeit hoch leben zu lassen, was
denn auch geschah. Gioberti will mit wahrem Fanatismus Krieg
gegen Oesterreich;
kommt er also ans Ruder, so wird er
wohl das Programm vollziehen müssen, durch welches er das
abgetretene Cabinet gestürzt hat. Nun, wir haben ihn schon ein-
mal das Staatsschiff führen sehen und vielleicht wird er es jetzt
zum zweiten Male führen, wenn nicht der König, der seine eige-
nen Bedenklichkeiten über die aus einem solchen Ministerium ent-
stehenden Verlegenheiten hat, der exaltirten Partei einen entschie-
denen Widerstand entgegensetzt. Jn diesem Falle aber schwebt der
König selbst in größter Gefahr, denn es ist ja eine weltbekannte
Sache, welchen Respect die italienischen Radicalen vor der Loya-
lität haben und wie sie die Freiheit der Könige verstehen. Jeden-
falls stehen die Dinge in Sardinien so, daß es dort zu einer hef-
tigen und zwar gewaltsamen Krisis kommen müsse.

Hier sieht es schlimm aus und die ganze Pariser Bevölkerung
ist seit vorgestern auf den Beinen. Bedeutende Volkshaufen stehen
an der Porte St. Martin, an der Porte St. Denis, auf dem
Greveplatz, auf den Quais, auf dem Vendomeplatze zusammen,
und am Freitag Abend wurde man auf letztgenanntem Platze, in
der Friedens= und Castiglionestraße fast erdrückt. Jn der Nähe
des Pantheons geriethen sich ein Haufe clubistischer und ein Haufe
napoleonistisch gesinnter Arbeiter unter dem Rufe, es lebe Ras-
pail! es lebe Bonaparte! in die Haare. Als aber eine Compag-
nie Mobilgarde kam, um sie auseinander zu treiben, schlossen
die streitenden Parteien Friede und schlugen sie unter dem Rufe:
nieder mit diesen Schlächtern Cavaignacs! in die Flucht. Erst
als zwei Compagnien Linientruppen anrückten, gelang es, die
Ruhe wieder nothdürftig herzustellen. Aehnliche Scenen fanden
gestern an mehreren Punkten, namentlich auf dem Platze Mau-
[Spaltenumbruch] bert statt und starke Patrouillen durchstreiften, sobald es finster zu
werden anfing, den ganzen Stadttheil.

Eben so wenig Erfreuliches ist aus der Nationalversammlung
zu berichten. Ein dem Berge angehörender Deputirter, Herr
Joly, interpellirte die Regierung über eine Privatunterhaltung,
in welcher sich Herr Dufaure geäußert haben soll, die Rothrepu-
blikaner möchten wohl mit Nächstem einen neuen Aufstand pro-
vociren. Es fielen heftige Reden von beiden Seiten und Ledru-
Rollin warf unter Anderem dem Polizeipräfecten vor, er habe
sich an England verkauft. Dufaure trat in seiner Antwort wie
gewöhnlich sehr entschieden auf, allein er bot, seine Rede bei
Lichte betrachtet, den Parisern auch nichts, was sie über die Zu-
kunft beruhigen könnte. Wenn nun jetzt schon eine solche fieber-
hafte Bewegung in der Hauptstadt herrscht, wie wird es erst in
den nächsten Tagen nach der Wahl seyn? Jch möchte nicht gern
leere Gerüchte aussprengen, allein ich fürchte, — ich fürchte, ehe die
Woche um ist, wird der blutige Straßenkampf wieder ausbrechen.
Ehe die Nationalversammlung auf die Jnterpellation Joly's
einging, stellte sie noch die Liste der organischen Gesetze fest, es
sind indessen deren so viele, daß man gar nicht weiß, wann die
Kammer eigentlich damit fertig werden soll. Die Majorität hatte
aber einmal den Entschluß gefaßt, keines derselben fallen zu
lassen und nahm auf die Vorstellungen, welche ihr darüber ge-
macht wurden, nicht die mindeste Rücksicht.

Seit einigen Tagen soll Cavaignac selbst alle Hoffnungen auf
die Präsidentschaft aufgegeben haben, und wenn er noch als Can-
didat auftritt, so geschieht es nur, weil es zum Zurücktreten zu
spät ist. Die Besucher der Kammer sehen aus, als habe jeder ein
Vorgefühl, es werde ein schweres Unglück über das Land herein-
brechen, Unruhe, Angst und Ungewißheit sind auf allen Gesichtern
zu lesen und die Besorgnisse sind um so größer, da man durchaus
nicht weiß, was etwa noch kommen wird. Auch die Abgeordneten
sind von diesen Besorgnissen nicht ganz frei. — Der Oberst der
republikanischen Garde ist heute Morgen durch einen andern er-
setz worden. — Jn der Nationalversammlung hieß es, zwei
Obristen der Nationalgarde hätten bei dem Ministerrathe den An-
trag gestellt, den General Changarnier zu entfernen, weil die
Ordnung nur dann aufrecht erhalten werden könne, wenn die
Nationalgarde einen Führer habe, welcher der gegenwärtigen
Ordnung der Dinge aufrichtig ergeben sey. Changarnier hat
übrigens nach Nantes, wo man ihn wählen wollte, einen Brief
geschrieben, in welchem er sich für diese Ehre bedankt, weil er
„die Stimmen der gemäßigten Wähler nicht zersplittern wolle.“
Der General ist also für den gemäßigten Candidaten, was man
nehmen kann, wie man will. Zum Schlusse noch die befremdliche
Notiz, daß Cavaignac eine lange Unterredung mit Ledru=Rollin
gehabt haben soll, und Marschall Bugeaud so unwohl ist, daß er
erst nach der Präsidentenwahl nach Paris kommen kann.

Straßburg 8. December. ( A. Z. ) Einer Weisung des
Ministeriums des Jnnern zufolge, haben sämmtliche politische
Flüchtlinge sich unverzüglich von der Grenze zu entfernen und sich
nach den ihnen angewiesenen Departements im Jnnern zu begeben.

Der Curiosität halber theilen wir unseren Lesern die ersten
Nummern mit, welche bei der großen Wahllotterie im Departe-
ment des Niederrheines herausgekommen sind. Es erhielten im
Cantone Zabern: Louis Bonaparte 1123, Cavaignac 430 Stimmen;
Jllkirch: Bonaparte 549, Cavaignac 264; Brumath: Cavaig-
nac 1122, Louis Bonaparte 513; Oberehnheim: Cavaignac
2400, Louis Bonaparte 500; Sulz: Louis Bonaparte 2571,
Cavaignac 716 Stimmen. Jn den Cantonen Truchtersheim und
Bischweiler Majorität für Cavaignac, dagegen in Selz für Bo-
naparte. Auf Ledru=Rollin und Lamartine fielen sehr wenig
Stimmen. Jm Ganzen also Louis Bonaparte 4256, Cavaignac
4932 Stimmen.

Niederlande.

Haag 6. December. ( D. Z. ) Das heutige Geburtsfest des
Königs Wilhelm II. wird hier, wie im ganzen Lande, mit unge-
wöhnlich freudiger Theilnahme gefeiert werden. Der König hat
sich bei der gesetzlichen Durchführung der Verfassungsrevision ebenso
volksfreundlich und entschieden, als fest und besonnen bewiesen, seiner
weisen sichern Leitung schreibt man es vorzüglich zu, daß das
große Werk der Reform unter allen Stürmen der Zeit so ruhig
und ungetrübt zu Stande gebracht worden ist, und jeder Nieder-
länder fühlt sich ihm dafür zum Danke verpflichtet. Die neuliche
Ernennung des Herrn Mutsaers, Mitgliedes der zweiten Kam-
mer, zum Minister für Sachen der katholischen Kirche hat einen
neuen Beweis geliefert, wie ernst es dem Könige ist, auf dem betre-
tenen Wege der Reform fortzuschreiten. Mutsaers ist einer der
freisinnigsten und talentvollsten Männer des Landes und, obwohl
katholischer Vorkämpfer in den Generalstaaten, von allen Parteien
geachtet, in Nordbrabant wie keiner verehrt. — Die Wahlen in
die neuen Generalstaaten sind größtentheils beendet.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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[0004] blos die Volkgunst verloren haben, sondern auch von vielen Sei- ten her mit dem entschiedensten Mißtrauen betrachtet werden. Ob dies Mißtrauen rechtmäßig ist oder nicht, ist für die vorliegende Frage ziemlich gleichgiltig; genug, es ist vorhanden und der Schatten desselben würde unfehlbar auch auf Hrn. v. Gagern fallen, wenn er einen Platz neben jenen Männern einnähme. Und was in aller Welt könnte mit seinem Eintritte in das Ministerium, wenn derselbe in diesem Augenblicke erfolgte, für das Gedeihen der deutschen Verfassungspolitik — denn diese kommt doch bis jetzt allein in Betracht — gewonnen werden? Das Wesentliche, was der Reichsregierung fehlt, kann ihr auch Gagern nicht geben: die Macht nämlich, ohne welche aller Charakter, alle Weisheit, alle Vaterlandsliebe des besten aller denkbaren Ministerien so ziemlich wirkungslos seyn und bleiben muß. Der große Haufe wird eben die Stellung eines solchen Ministeriums und die aus derselben hervorgehenden Folgerungen niemals begreifen; er wird auch Gagern verantwortlich machen für seine Ohnmacht und Gagern wird an dieser Ohnmacht zu Grunde gehen. Der Augenblick, die Leitung der Geschäfte zu übernehmen, wird für Gagern erst mit der Errichtung der defini- tiven Reichsgewalt kommen, welche diesen Namen hoffentlich mit größerem Rechte verdienen wird, als die provisorische. Bis dahin ist v. Gagern es der Nation schuldig, sich selbst und seinen herrlichen Namen aufzusparen. Frankreich. * * * Paris 10. December. Der heilige Vater hat sich bis jetzt weder nach Caserta, noch nach Monte=Cassino begeben, wie es Anfangs geheißen hat, sondern befindet sich fortwährend ganz ruhig zu Gaeta, wo er allem Anscheine nach auch vorläufig bleiben wird. Uebrigens hat er Frankreich seinen wärmsten Dank für die ihm angebotene Gastfreundschaft ausgesprochen. Die rö- mischen radicalen Blätter bringen die Neuigkeit, daß man sich dort thätig zum Kriege rüstet für den Fall, daß von irgend einer Seite her das päpstliche Gebiet verletzt werden sollte und das Ministerium hat eine Proclamation an die Civica erlassen, um ihren Patriotismus in das gehörige Feuer zu bringen. Sie wissen indessen schon, wie viel auf den italienischen Heldenmuth zu geben ist; allein auch abgesehen davon, wimmelt das ganze Machwerk von Lüge und Heuchelei, und es kommt unter Anderem folgende Stelle darin vor: „Schaaret euch dichter an einander, wenn ihr freie Jnstitutionen und die heilige Religion unserer Väter wieder erringen wollet!“ Nach der „Alba“ sollte am 2. December ein geheimes Consistorium zu Gaeta gehalten werden. Das Turiner Cabinet hat am 5. December der Kammer der Abgeordneten seinen Rücktritt angezeigt. Wer an dessen Stelle treten wird, ist bis jetzt noch nicht officiell bekannt, aller Wahr- scheinlichkeit nach wird indessen Gioberti die Präsidentschaft des neuen Ministeriums bekommen, und die radicale Partei bietet Alles auf, ihn an diesen Posten zu bringen. Noch am Abende des Tages, wo das frühere Cabinet zurücktrat, zog der Volksclub vor seine Wohnung und brachte ihm ein Vivat, worauf Gioberti ihnen den guten Rath gab, jetzt vor des Königs Palast zu ziehen und dort die italienische Unabhängigkeit hoch leben zu lassen, was denn auch geschah. Gioberti will mit wahrem Fanatismus Krieg gegen Oesterreich; kommt er also ans Ruder, so wird er wohl das Programm vollziehen müssen, durch welches er das abgetretene Cabinet gestürzt hat. Nun, wir haben ihn schon ein- mal das Staatsschiff führen sehen und vielleicht wird er es jetzt zum zweiten Male führen, wenn nicht der König, der seine eige- nen Bedenklichkeiten über die aus einem solchen Ministerium ent- stehenden Verlegenheiten hat, der exaltirten Partei einen entschie- denen Widerstand entgegensetzt. Jn diesem Falle aber schwebt der König selbst in größter Gefahr, denn es ist ja eine weltbekannte Sache, welchen Respect die italienischen Radicalen vor der Loya- lität haben und wie sie die Freiheit der Könige verstehen. Jeden- falls stehen die Dinge in Sardinien so, daß es dort zu einer hef- tigen und zwar gewaltsamen Krisis kommen müsse. Hier sieht es schlimm aus und die ganze Pariser Bevölkerung ist seit vorgestern auf den Beinen. Bedeutende Volkshaufen stehen an der Porte St. Martin, an der Porte St. Denis, auf dem Greveplatz, auf den Quais, auf dem Vendomeplatze zusammen, und am Freitag Abend wurde man auf letztgenanntem Platze, in der Friedens= und Castiglionestraße fast erdrückt. Jn der Nähe des Pantheons geriethen sich ein Haufe clubistischer und ein Haufe napoleonistisch gesinnter Arbeiter unter dem Rufe, es lebe Ras- pail! es lebe Bonaparte! in die Haare. Als aber eine Compag- nie Mobilgarde kam, um sie auseinander zu treiben, schlossen die streitenden Parteien Friede und schlugen sie unter dem Rufe: nieder mit diesen Schlächtern Cavaignacs! in die Flucht. Erst als zwei Compagnien Linientruppen anrückten, gelang es, die Ruhe wieder nothdürftig herzustellen. Aehnliche Scenen fanden gestern an mehreren Punkten, namentlich auf dem Platze Mau- bert statt und starke Patrouillen durchstreiften, sobald es finster zu werden anfing, den ganzen Stadttheil. Eben so wenig Erfreuliches ist aus der Nationalversammlung zu berichten. Ein dem Berge angehörender Deputirter, Herr Joly, interpellirte die Regierung über eine Privatunterhaltung, in welcher sich Herr Dufaure geäußert haben soll, die Rothrepu- blikaner möchten wohl mit Nächstem einen neuen Aufstand pro- vociren. Es fielen heftige Reden von beiden Seiten und Ledru- Rollin warf unter Anderem dem Polizeipräfecten vor, er habe sich an England verkauft. Dufaure trat in seiner Antwort wie gewöhnlich sehr entschieden auf, allein er bot, seine Rede bei Lichte betrachtet, den Parisern auch nichts, was sie über die Zu- kunft beruhigen könnte. Wenn nun jetzt schon eine solche fieber- hafte Bewegung in der Hauptstadt herrscht, wie wird es erst in den nächsten Tagen nach der Wahl seyn? Jch möchte nicht gern leere Gerüchte aussprengen, allein ich fürchte, — ich fürchte, ehe die Woche um ist, wird der blutige Straßenkampf wieder ausbrechen. Ehe die Nationalversammlung auf die Jnterpellation Joly's einging, stellte sie noch die Liste der organischen Gesetze fest, es sind indessen deren so viele, daß man gar nicht weiß, wann die Kammer eigentlich damit fertig werden soll. Die Majorität hatte aber einmal den Entschluß gefaßt, keines derselben fallen zu lassen und nahm auf die Vorstellungen, welche ihr darüber ge- macht wurden, nicht die mindeste Rücksicht. Seit einigen Tagen soll Cavaignac selbst alle Hoffnungen auf die Präsidentschaft aufgegeben haben, und wenn er noch als Can- didat auftritt, so geschieht es nur, weil es zum Zurücktreten zu spät ist. Die Besucher der Kammer sehen aus, als habe jeder ein Vorgefühl, es werde ein schweres Unglück über das Land herein- brechen, Unruhe, Angst und Ungewißheit sind auf allen Gesichtern zu lesen und die Besorgnisse sind um so größer, da man durchaus nicht weiß, was etwa noch kommen wird. Auch die Abgeordneten sind von diesen Besorgnissen nicht ganz frei. — Der Oberst der republikanischen Garde ist heute Morgen durch einen andern er- setz worden. — Jn der Nationalversammlung hieß es, zwei Obristen der Nationalgarde hätten bei dem Ministerrathe den An- trag gestellt, den General Changarnier zu entfernen, weil die Ordnung nur dann aufrecht erhalten werden könne, wenn die Nationalgarde einen Führer habe, welcher der gegenwärtigen Ordnung der Dinge aufrichtig ergeben sey. Changarnier hat übrigens nach Nantes, wo man ihn wählen wollte, einen Brief geschrieben, in welchem er sich für diese Ehre bedankt, weil er „die Stimmen der gemäßigten Wähler nicht zersplittern wolle.“ Der General ist also für den gemäßigten Candidaten, was man nehmen kann, wie man will. Zum Schlusse noch die befremdliche Notiz, daß Cavaignac eine lange Unterredung mit Ledru=Rollin gehabt haben soll, und Marschall Bugeaud so unwohl ist, daß er erst nach der Präsidentenwahl nach Paris kommen kann. Straßburg 8. December. ( A. Z. ) Einer Weisung des Ministeriums des Jnnern zufolge, haben sämmtliche politische Flüchtlinge sich unverzüglich von der Grenze zu entfernen und sich nach den ihnen angewiesenen Departements im Jnnern zu begeben. Der Curiosität halber theilen wir unseren Lesern die ersten Nummern mit, welche bei der großen Wahllotterie im Departe- ment des Niederrheines herausgekommen sind. Es erhielten im Cantone Zabern: Louis Bonaparte 1123, Cavaignac 430 Stimmen; Jllkirch: Bonaparte 549, Cavaignac 264; Brumath: Cavaig- nac 1122, Louis Bonaparte 513; Oberehnheim: Cavaignac 2400, Louis Bonaparte 500; Sulz: Louis Bonaparte 2571, Cavaignac 716 Stimmen. Jn den Cantonen Truchtersheim und Bischweiler Majorität für Cavaignac, dagegen in Selz für Bo- naparte. Auf Ledru=Rollin und Lamartine fielen sehr wenig Stimmen. Jm Ganzen also Louis Bonaparte 4256, Cavaignac 4932 Stimmen. Niederlande. Haag 6. December. ( D. Z. ) Das heutige Geburtsfest des Königs Wilhelm II. wird hier, wie im ganzen Lande, mit unge- wöhnlich freudiger Theilnahme gefeiert werden. Der König hat sich bei der gesetzlichen Durchführung der Verfassungsrevision ebenso volksfreundlich und entschieden, als fest und besonnen bewiesen, seiner weisen sichern Leitung schreibt man es vorzüglich zu, daß das große Werk der Reform unter allen Stürmen der Zeit so ruhig und ungetrübt zu Stande gebracht worden ist, und jeder Nieder- länder fühlt sich ihm dafür zum Danke verpflichtet. Die neuliche Ernennung des Herrn Mutsaers, Mitgliedes der zweiten Kam- mer, zum Minister für Sachen der katholischen Kirche hat einen neuen Beweis geliefert, wie ernst es dem Könige ist, auf dem betre- tenen Wege der Reform fortzuschreiten. Mutsaers ist einer der freisinnigsten und talentvollsten Männer des Landes und, obwohl katholischer Vorkämpfer in den Generalstaaten, von allen Parteien geachtet, in Nordbrabant wie keiner verehrt. — Die Wahlen in die neuen Generalstaaten sind größtentheils beendet. Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
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Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 163. Mainz, 13. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal163_1848/4>, abgerufen am 01.06.2024.