Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mainzer Journal. Nr. 163. Mainz, 13. Dezember 1848.

Bild:
<< vorherige Seite
Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 163. Donnerstag, den 14. December. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Berlin 11. December. ( D. Z. ) Obwohl der Belagerungs-
zustand wahrscheinlich noch längere Zeit fortdauern wird, so wird
derselbe doch seit Octroyirung der Verfassung mit so großer
Schonung gehandhabt, daß man fast nur seine wohlthätigen
Folgen wahrnimmt an der wiederhergestellten Ruhe und dem be-
lebteren Wandel und Verkehr. Das Schauspielhaus ist dem Pu-
blicum bereits wieder geöffnet: der Debit aller Zeitungen und
Journale ist, mit Ausnahme einiger Winkelblätter, wieder ge-
stattet. Nur die Reform verschmäht es bei Wrangel die Erlaubniß
nachzusuchen, weiter erscheinen zu dürfen; Ruge will vielmehr
trotz des Verbotes in einigen Tagen wieder eine neue Nummer
herausgeben -- natürlich wird der Spaß auf diese Weise bald
genug ein Ende haben. Komisch genug ist es übrigens, die ver-
änderten Züge der entschlafenen Blätter nach ihrer Auferstehung
zu beobachten. Herr Julius, der bekanntlich vor dem März
Alles that, um sein Blatt zu einem subventionirten zu
machen, wittert jetzt wieder Morgenluft und bereitet sich all-
mählig zur Schwenkung nach der andern Seite vor. Er habe
die Novemberrevolution vorausgesagt und die Mittel zu ihrer
Verhinderung angegeben; damals habe man ihn ausgelacht und
verfolgt -- jetzt möge man daher von ihm keinen Trost erwarten,
er sey des Undankes satt. Consequenter und ehrenhafter ist
die Nationalzeitung geblieben. -- Was die Stimmung hier
am Orte betrifft, so ähnelt sie der eines Fieberkranken, der
nach wüsten Träumen wieder erwacht, aber in völliger Apathie
die Rückkehr der Kräfte erwartet. Wenn irgend ein hiesiges
Blatt meint, das Volk habe die Verfassung "über sich ergehen
lassen," so ist das vollkommen falsch: unsere Demokratie hat
es nur glücklich so weit gebracht, daß die Masse unfähig war,
irgend etwas Anderes zu empfinden, als das Bedürfniß nach
Ruhe und daß durch die Befriedigung dieser Sehnsucht jede
sonstige Regung absorbirt ward. Sobald die Nation wieder zu
Kräften gekommen, wird sie in dem treuen und unverbrüchlichen
Festhalten an dieser Charte die einzige Möglichkeit der Rettung,
sie wird in derselben zwar kein Geschenk sehen, wohl aber ein
Merkzeichen von der Redlichkeit ihres Fürsten. Der Kern des
Volkes ist völlig befriedigt, wenn auch die Radicalen unseren
Spießbürgern zuflüstern, mit einem absoluten Veto könne der Kö-
nig ja doch machen, was er wolle, oder die Preußenvereine laut
darüber klagen, daß selbst ein Manteuffel den Herrscher verrathen
habe. Jn so weit darf man nun wohl getrosten Blickes in die
Zukunft sehen: aber demungeachtet muß man nicht vergessen, daß
erst die nächsten Wahlen unser, Schichsal entscheiden und
daß daher für die Partei der gemäßigten Liberalen die heiligste
Pflicht ist, auf diese mit aller Energie zu wirken. Bekommen wir
wieder eine ähnliche Kammer, tagen unsere besten Capacitäten
wieder zu Frankfurt, wo sie höchstens den Brand löschen, wäh-
rend sie hier den Ausbruch desselben verhindern -- beginnt in
dieser Weise die alte Historie von Neuem: so muß wahrlich auch
das tüchtigste Volk demoralisirt werden, auch die bestgesinnte Re-
gierung zuletzt den Kopf verlieren. Man geht auch hier be-
reits damit um, ein Wahlcomit e im Sinne des Centrums zu bil-
den, während Bülow=Cummerow zu einem Vereine auffordert,
um für die äußerste Rechte zu agitiren: die Linke hat bekanntlich
ebenfalls schon die nöthigen Einleitungen getroffen, um am 26.
Februar mit verstärkten Kräften zu erscheinen. Wie wenig diese
Herren ihre Hoffnungen und Pläne haben fahren lassen, wie sie
sich nur für den Augenblick geschlagen glauben, ersieht man z. B.
aus einer kleinen Broschure Oppenheim's: Kaltblütige Glossen
über die octroyirte Verfassung, die mit dem tröstlichen Versprechen
schließt: Wir wissen wohl, daß wir zur Zeit nur eine streitende
Kirche sind -- aber laßt uns Preßfreiheit und Associationsrecht,
und wir wollen euch, Stockjobbers, die ihr nach Ruhe seufzet,
schon zeigen, daß der Tanz nun erst angeht, da ihr im Hafen an-
gelangt zu seyn glaubt!

Der König von Preußen soll gedroht haben, daß Preußen
sich zurückziehen müsse, "wenn Oesterreich sich genöthigt sähe, an
Deutschland keinen Antheil zu nehmen."

Aus Bayern bringt die "Augsburger Abendzeitung" die
folgende charakteristische Klage: "Die Wahlen, wie uns die Re-
sultate aus ganz Altbayern und dem größten Theile Schwabens
vorliegen, erregen wohl in jedem "Freisinnigen" das Gefühl ei-
nes ungeheuren politischen Katzenjammers, der zu dem reactio-
[Spaltenumbruch] nären Wunsche führen könnte: O kehrt zurück ihr Tage -- der
Wahl nach Ständen. Wir begegnen immer und immer wie-
der nur der Scholle, den niedrigen Parteiinteressen. Das Paar
Beamten und redlicher Geistlichen -- werden sie hinreichend die
Jntelligenz, den geistigen Fortschritt vertreten? So muß sich wohl
Jeder fragen, der sein Vaterland liebt, und die Antwort kann
ihm keine Beruhigung gewähren." Nun die "Jntelligenz" und
der "Fortschritt" waren in Berlin ja übermäßig vertreten, und
wie weit sie es gebracht, ist männiglich bekannt. Vielleicht geht es
in München jetzt besser, wenn auch die "Scholle," die am Ende
doch überall die Zeche bezahlen muß und in ihrer Weise gerade
so berechtigt ist, wie Fortschritt und Jntelligenz, ihre Vertreter
findet. Ohnedies ist gar nicht abzusehen, warum ein altbayerischer
Bauer nicht eben so gescheidt seyn soll wie ein pfälzischer oder
fränkischer Republikaner.

Frankfurt 11. December. ( Karsr. Z. ) Ueber die Frage,
ob eine Abordnung nach Oesterreich geschickt werden solle, um
über die Bedingungen der Einigung zwischen Ost= und West-
deutschland zu unterhandeln, sind seit mehreren Tagen die Clubs
in Bewegung. Die des Landsbergs und des Augsburger Hofes
haben sich, wie ich höre, mit Ja entschieden und die Sache zur
Parteifrage gemacht; im Casinoclub dagegen blieben die Ansich-
ten getheilt. Dahlmann und Waitz einerseits mit den Ultra-
preußen wollen Oesterreich um jeden Preis ausgeschieden wissen;
andererseits bestehen v. Gagern, Welcker, Bassermann,
sodann die Bayern mit Haubenschmied, und auch ein Theil der
Norddeutschen, insbesondere Hannoveraner, mit Reichens-
perger
und Jürgens auf der Einleitung von Unterhandlun-
gen. Wird Letzteres beschlossen, woran nicht wohl zu zweifeln
ist, da auch der Württemberger Hof und ein Theil der Linken sich
vor der Alleinherrschaft Preußens scheut, so würde v. Gagern
in das Reichsministerium treten und die Leitung der auswärti-
gen Angelegenheiten übernehmen. Allerdings wird Himmel und
Hölle aufgeboten, um ein solches Ergebniß zu hintertreiben, und
wohl möchte es kommen, daß auch hier, wie in anderen Fragen,
der Weg der Vereinbarung eher zu einem erfreulichen Ende führte,
als der der Abstimmung.

Jtalien.

* * * Nach Berichten aus Rom vom 1. December will das
Ministerium sofort eine constituirende Versammlung berufen und
Mamiani hat die Kammer um die Genehmigung ersucht, in dieser
Beziehung Unterhandlungen mit den übrigen italiänischen Staa-
ten, namentlich mit Toscana zu eröffnen. Jn wenigen Tagen,
sagt die "Alba" vom 3., werden wir erfahren, welche Haltung
der Papst einzunehmen gesonnen ist und dann werden wir
eine bestimmte Regierung einsetzen,
wir werden mit
Energie handeln, -- das heißt mit anderen Worten, wir werden
in Rom die Republik proclamiren. Während der Zeit thut das
römische Ministerium außerordentlich kriegerisch und schickt Trup-
pen über Truppen an die neapolitanische Grenze, angeblich weil
von dort her ein Einfall zu besorgen ist. Der Gouverneur von
Bologna hat sich geweigert, das neue Cabinet anzuerkennen.
Was den heiligen Vater betrifft, so scheint es doch, daß er dem
Wunsche König Ferdinands gemäß sich nach Neapel begeben wird.
Mehrere Cardinäle sind dort schon angekommen.

Jn Turin hat am 6. December eine neue Manifestation zu
Ehren Gioberti's stattgefunden. Nachdem das Volk ihn als
Prasidenten des künftigen Cabinets begrüßt, zog es vor den
Palast des Königs und schrie: es lebe das demokratische Mini-
sterium! Wie die "Concordia" berichtet, soll eine hohe Person
dem Volke die Versicherung gegeben haben, daß seine Wünsche
erhört werden sollen, in diesem Falle würde das piemontesische
Ministerium mit den Demagogen in Rom und Florenz gemeinsame
Sache machen und die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten gegen
Oesterreich wäre unvermeidlich. Es ist dieses das letzte Ziel aller
Bestrebungen der italienischen Radicalen, sie schreien und toben,
sie weisen auf dem Papiere eine Masse Soldaten nach und machen
dem alten Feldmarschall eine Faust, -- wenn es aber zum Schla-
gen käme, so würde den Oesterreichern wiederum Niemand als
die Piemontesen [unleserliches Material - 14 Zeichen fehlen]entgegenstehen. Um den Congreß, der demnächst
zu Brüssel eröffnet werden soll, kümmern sich die Radicalen in
Turin eben so wenig, wie die in Rom, und sie werden alles Mög-
liche aufbieten, damit er nicht zu Stande komme, Alles nach dem
Grundsatze: Jm Trüben läßt sich gut fischen.

[Ende Spaltensatz]
Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 163. Donnerstag, den 14. December. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Berlin 11. December. ( D. Z. ) Obwohl der Belagerungs-
zustand wahrscheinlich noch längere Zeit fortdauern wird, so wird
derselbe doch seit Octroyirung der Verfassung mit so großer
Schonung gehandhabt, daß man fast nur seine wohlthätigen
Folgen wahrnimmt an der wiederhergestellten Ruhe und dem be-
lebteren Wandel und Verkehr. Das Schauspielhaus ist dem Pu-
blicum bereits wieder geöffnet: der Debit aller Zeitungen und
Journale ist, mit Ausnahme einiger Winkelblätter, wieder ge-
stattet. Nur die Reform verschmäht es bei Wrangel die Erlaubniß
nachzusuchen, weiter erscheinen zu dürfen; Ruge will vielmehr
trotz des Verbotes in einigen Tagen wieder eine neue Nummer
herausgeben — natürlich wird der Spaß auf diese Weise bald
genug ein Ende haben. Komisch genug ist es übrigens, die ver-
änderten Züge der entschlafenen Blätter nach ihrer Auferstehung
zu beobachten. Herr Julius, der bekanntlich vor dem März
Alles that, um sein Blatt zu einem subventionirten zu
machen, wittert jetzt wieder Morgenluft und bereitet sich all-
mählig zur Schwenkung nach der andern Seite vor. Er habe
die Novemberrevolution vorausgesagt und die Mittel zu ihrer
Verhinderung angegeben; damals habe man ihn ausgelacht und
verfolgt — jetzt möge man daher von ihm keinen Trost erwarten,
er sey des Undankes satt. Consequenter und ehrenhafter ist
die Nationalzeitung geblieben. — Was die Stimmung hier
am Orte betrifft, so ähnelt sie der eines Fieberkranken, der
nach wüsten Träumen wieder erwacht, aber in völliger Apathie
die Rückkehr der Kräfte erwartet. Wenn irgend ein hiesiges
Blatt meint, das Volk habe die Verfassung „über sich ergehen
lassen,“ so ist das vollkommen falsch: unsere Demokratie hat
es nur glücklich so weit gebracht, daß die Masse unfähig war,
irgend etwas Anderes zu empfinden, als das Bedürfniß nach
Ruhe und daß durch die Befriedigung dieser Sehnsucht jede
sonstige Regung absorbirt ward. Sobald die Nation wieder zu
Kräften gekommen, wird sie in dem treuen und unverbrüchlichen
Festhalten an dieser Charte die einzige Möglichkeit der Rettung,
sie wird in derselben zwar kein Geschenk sehen, wohl aber ein
Merkzeichen von der Redlichkeit ihres Fürsten. Der Kern des
Volkes ist völlig befriedigt, wenn auch die Radicalen unseren
Spießbürgern zuflüstern, mit einem absoluten Veto könne der Kö-
nig ja doch machen, was er wolle, oder die Preußenvereine laut
darüber klagen, daß selbst ein Manteuffel den Herrscher verrathen
habe. Jn so weit darf man nun wohl getrosten Blickes in die
Zukunft sehen: aber demungeachtet muß man nicht vergessen, daß
erst die nächsten Wahlen unser, Schichsal entscheiden und
daß daher für die Partei der gemäßigten Liberalen die heiligste
Pflicht ist, auf diese mit aller Energie zu wirken. Bekommen wir
wieder eine ähnliche Kammer, tagen unsere besten Capacitäten
wieder zu Frankfurt, wo sie höchstens den Brand löschen, wäh-
rend sie hier den Ausbruch desselben verhindern — beginnt in
dieser Weise die alte Historie von Neuem: so muß wahrlich auch
das tüchtigste Volk demoralisirt werden, auch die bestgesinnte Re-
gierung zuletzt den Kopf verlieren. Man geht auch hier be-
reits damit um, ein Wahlcomit é im Sinne des Centrums zu bil-
den, während Bülow=Cummerow zu einem Vereine auffordert,
um für die äußerste Rechte zu agitiren: die Linke hat bekanntlich
ebenfalls schon die nöthigen Einleitungen getroffen, um am 26.
Februar mit verstärkten Kräften zu erscheinen. Wie wenig diese
Herren ihre Hoffnungen und Pläne haben fahren lassen, wie sie
sich nur für den Augenblick geschlagen glauben, ersieht man z. B.
aus einer kleinen Broschure Oppenheim's: Kaltblütige Glossen
über die octroyirte Verfassung, die mit dem tröstlichen Versprechen
schließt: Wir wissen wohl, daß wir zur Zeit nur eine streitende
Kirche sind — aber laßt uns Preßfreiheit und Associationsrecht,
und wir wollen euch, Stockjobbers, die ihr nach Ruhe seufzet,
schon zeigen, daß der Tanz nun erst angeht, da ihr im Hafen an-
gelangt zu seyn glaubt!

Der König von Preußen soll gedroht haben, daß Preußen
sich zurückziehen müsse, „wenn Oesterreich sich genöthigt sähe, an
Deutschland keinen Antheil zu nehmen.“

Aus Bayern bringt die „Augsburger Abendzeitung“ die
folgende charakteristische Klage: „Die Wahlen, wie uns die Re-
sultate aus ganz Altbayern und dem größten Theile Schwabens
vorliegen, erregen wohl in jedem „Freisinnigen“ das Gefühl ei-
nes ungeheuren politischen Katzenjammers, der zu dem reactio-
[Spaltenumbruch] nären Wunsche führen könnte: O kehrt zurück ihr Tage — der
Wahl nach Ständen. Wir begegnen immer und immer wie-
der nur der Scholle, den niedrigen Parteiinteressen. Das Paar
Beamten und redlicher Geistlichen — werden sie hinreichend die
Jntelligenz, den geistigen Fortschritt vertreten? So muß sich wohl
Jeder fragen, der sein Vaterland liebt, und die Antwort kann
ihm keine Beruhigung gewähren.“ Nun die „Jntelligenz“ und
der „Fortschritt“ waren in Berlin ja übermäßig vertreten, und
wie weit sie es gebracht, ist männiglich bekannt. Vielleicht geht es
in München jetzt besser, wenn auch die „Scholle,“ die am Ende
doch überall die Zeche bezahlen muß und in ihrer Weise gerade
so berechtigt ist, wie Fortschritt und Jntelligenz, ihre Vertreter
findet. Ohnedies ist gar nicht abzusehen, warum ein altbayerischer
Bauer nicht eben so gescheidt seyn soll wie ein pfälzischer oder
fränkischer Republikaner.

Frankfurt 11. December. ( Karsr. Z. ) Ueber die Frage,
ob eine Abordnung nach Oesterreich geschickt werden solle, um
über die Bedingungen der Einigung zwischen Ost= und West-
deutschland zu unterhandeln, sind seit mehreren Tagen die Clubs
in Bewegung. Die des Landsbergs und des Augsburger Hofes
haben sich, wie ich höre, mit Ja entschieden und die Sache zur
Parteifrage gemacht; im Casinoclub dagegen blieben die Ansich-
ten getheilt. Dahlmann und Waitz einerseits mit den Ultra-
preußen wollen Oesterreich um jeden Preis ausgeschieden wissen;
andererseits bestehen v. Gagern, Welcker, Bassermann,
sodann die Bayern mit Haubenschmied, und auch ein Theil der
Norddeutschen, insbesondere Hannoveraner, mit Reichens-
perger
und Jürgens auf der Einleitung von Unterhandlun-
gen. Wird Letzteres beschlossen, woran nicht wohl zu zweifeln
ist, da auch der Württemberger Hof und ein Theil der Linken sich
vor der Alleinherrschaft Preußens scheut, so würde v. Gagern
in das Reichsministerium treten und die Leitung der auswärti-
gen Angelegenheiten übernehmen. Allerdings wird Himmel und
Hölle aufgeboten, um ein solches Ergebniß zu hintertreiben, und
wohl möchte es kommen, daß auch hier, wie in anderen Fragen,
der Weg der Vereinbarung eher zu einem erfreulichen Ende führte,
als der der Abstimmung.

Jtalien.

* * * Nach Berichten aus Rom vom 1. December will das
Ministerium sofort eine constituirende Versammlung berufen und
Mamiani hat die Kammer um die Genehmigung ersucht, in dieser
Beziehung Unterhandlungen mit den übrigen italiänischen Staa-
ten, namentlich mit Toscana zu eröffnen. Jn wenigen Tagen,
sagt die „Alba“ vom 3., werden wir erfahren, welche Haltung
der Papst einzunehmen gesonnen ist und dann werden wir
eine bestimmte Regierung einsetzen,
wir werden mit
Energie handeln, — das heißt mit anderen Worten, wir werden
in Rom die Republik proclamiren. Während der Zeit thut das
römische Ministerium außerordentlich kriegerisch und schickt Trup-
pen über Truppen an die neapolitanische Grenze, angeblich weil
von dort her ein Einfall zu besorgen ist. Der Gouverneur von
Bologna hat sich geweigert, das neue Cabinet anzuerkennen.
Was den heiligen Vater betrifft, so scheint es doch, daß er dem
Wunsche König Ferdinands gemäß sich nach Neapel begeben wird.
Mehrere Cardinäle sind dort schon angekommen.

Jn Turin hat am 6. December eine neue Manifestation zu
Ehren Gioberti's stattgefunden. Nachdem das Volk ihn als
Prasidenten des künftigen Cabinets begrüßt, zog es vor den
Palast des Königs und schrie: es lebe das demokratische Mini-
sterium! Wie die „Concordia“ berichtet, soll eine hohe Person
dem Volke die Versicherung gegeben haben, daß seine Wünsche
erhört werden sollen, in diesem Falle würde das piemontesische
Ministerium mit den Demagogen in Rom und Florenz gemeinsame
Sache machen und die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten gegen
Oesterreich wäre unvermeidlich. Es ist dieses das letzte Ziel aller
Bestrebungen der italienischen Radicalen, sie schreien und toben,
sie weisen auf dem Papiere eine Masse Soldaten nach und machen
dem alten Feldmarschall eine Faust, — wenn es aber zum Schla-
gen käme, so würde den Oesterreichern wiederum Niemand als
die Piemontesen [unleserliches Material – 14 Zeichen fehlen]entgegenstehen. Um den Congreß, der demnächst
zu Brüssel eröffnet werden soll, kümmern sich die Radicalen in
Turin eben so wenig, wie die in Rom, und sie werden alles Mög-
liche aufbieten, damit er nicht zu Stande komme, Alles nach dem
Grundsatze: Jm Trüben läßt sich gut fischen.

[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <back>
      <pb facs="#f0005"/>
      <div>
        <floatingText>
          <front>
            <titlePage type="heading">
              <docTitle>
                <titlePart type="main"> <hi rendition="#fr">Beilage zum Mainzer Journal.</hi> </titlePart>
              </docTitle><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <docImprint>N<hi rendition="#sup">ro</hi> 163.   <docDate><hi rendition="#c">Donnerstag, den 14. December.</hi><hi rendition="#right">1848.</hi></docDate></docImprint><lb/>
            </titlePage>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </front>
          <body>
            <cb type="start"/>
            <div type="jPoliticalNews" n="1">
              <head> <hi rendition="#g">Deutschland.</hi> </head><lb/>
              <div type="jArticle" n="2">
                <p>Berlin 11. December. ( D. Z. ) Obwohl der Belagerungs-<lb/>
zustand wahrscheinlich noch längere Zeit fortdauern wird, so wird<lb/>
derselbe doch seit Octroyirung der Verfassung mit so großer<lb/>
Schonung gehandhabt, daß man fast nur seine wohlthätigen<lb/>
Folgen wahrnimmt an der wiederhergestellten Ruhe und dem be-<lb/>
lebteren Wandel und Verkehr. Das Schauspielhaus ist dem Pu-<lb/>
blicum bereits wieder geöffnet: der Debit aller Zeitungen und<lb/>
Journale ist, mit Ausnahme einiger Winkelblätter, wieder ge-<lb/>
stattet. Nur die Reform verschmäht es bei Wrangel die Erlaubniß<lb/>
nachzusuchen, weiter erscheinen zu dürfen; Ruge will vielmehr<lb/>
trotz des Verbotes in einigen Tagen wieder eine neue Nummer<lb/>
herausgeben &#x2014; natürlich wird der Spaß auf diese Weise bald<lb/>
genug ein Ende haben. Komisch genug ist es übrigens, die ver-<lb/>
änderten Züge der entschlafenen Blätter nach ihrer Auferstehung<lb/>
zu beobachten. Herr <hi rendition="#g">Julius,</hi> der bekanntlich <hi rendition="#g">vor dem März</hi><lb/>
Alles that, um sein Blatt zu einem <hi rendition="#g">subventionirten</hi> zu<lb/>
machen, wittert jetzt wieder Morgenluft und bereitet sich all-<lb/>
mählig zur Schwenkung nach der andern Seite vor. Er habe<lb/>
die Novemberrevolution vorausgesagt und die Mittel zu ihrer<lb/>
Verhinderung angegeben; damals habe man ihn ausgelacht und<lb/>
verfolgt &#x2014; jetzt möge man daher von ihm keinen Trost erwarten,<lb/>
er sey des Undankes satt. Consequenter und ehrenhafter ist<lb/>
die Nationalzeitung geblieben. &#x2014; Was die Stimmung hier<lb/>
am Orte betrifft, so ähnelt sie der eines Fieberkranken, der<lb/>
nach wüsten Träumen wieder erwacht, aber in völliger Apathie<lb/>
die Rückkehr der Kräfte erwartet. Wenn irgend ein hiesiges<lb/>
Blatt meint, das Volk habe die Verfassung &#x201E;über sich ergehen<lb/>
lassen,&#x201C; so ist das vollkommen falsch: unsere Demokratie hat<lb/>
es nur glücklich so weit gebracht, daß die Masse unfähig war,<lb/>
irgend etwas Anderes zu empfinden, als das Bedürfniß nach<lb/>
Ruhe und daß durch die Befriedigung dieser Sehnsucht jede<lb/>
sonstige Regung absorbirt ward. Sobald die Nation wieder zu<lb/>
Kräften gekommen, wird sie in dem treuen und unverbrüchlichen<lb/>
Festhalten an dieser Charte die einzige Möglichkeit der Rettung,<lb/>
sie wird in derselben zwar kein Geschenk sehen, wohl aber ein<lb/>
Merkzeichen von der Redlichkeit ihres Fürsten. Der Kern des<lb/>
Volkes ist völlig befriedigt, wenn auch die Radicalen unseren<lb/>
Spießbürgern zuflüstern, mit einem absoluten Veto könne der Kö-<lb/>
nig ja doch machen, was er wolle, oder die Preußenvereine laut<lb/>
darüber klagen, daß selbst ein Manteuffel den Herrscher verrathen<lb/>
habe. Jn so weit darf man nun wohl getrosten Blickes in die<lb/>
Zukunft sehen: aber demungeachtet muß man nicht vergessen, daß<lb/>
erst <hi rendition="#g">die nächsten Wahlen</hi> unser, Schichsal entscheiden und<lb/>
daß daher für die Partei der gemäßigten Liberalen die heiligste<lb/>
Pflicht ist, auf diese mit aller Energie zu wirken. Bekommen wir<lb/>
wieder eine ähnliche Kammer, tagen unsere besten Capacitäten<lb/>
wieder zu Frankfurt, wo sie höchstens den Brand löschen, wäh-<lb/>
rend sie hier den Ausbruch desselben verhindern &#x2014; beginnt in<lb/>
dieser Weise die alte Historie von Neuem: so muß wahrlich auch<lb/>
das tüchtigste Volk demoralisirt werden, auch die bestgesinnte Re-<lb/>
gierung zuletzt den Kopf verlieren. Man geht auch hier be-<lb/>
reits damit um, ein Wahlcomit <hi rendition="#aq">é</hi> im Sinne des Centrums zu bil-<lb/>
den, während Bülow=Cummerow zu einem Vereine auffordert,<lb/>
um für die äußerste Rechte zu agitiren: die Linke hat bekanntlich<lb/>
ebenfalls schon die nöthigen Einleitungen getroffen, um am 26.<lb/>
Februar mit verstärkten Kräften zu erscheinen. Wie wenig diese<lb/>
Herren ihre Hoffnungen und Pläne haben fahren lassen, wie sie<lb/>
sich nur für den Augenblick geschlagen glauben, ersieht man z. B.<lb/>
aus einer kleinen Broschure Oppenheim's: Kaltblütige Glossen<lb/>
über die octroyirte Verfassung, die mit dem tröstlichen Versprechen<lb/>
schließt: Wir wissen wohl, daß wir zur Zeit nur eine streitende<lb/>
Kirche sind &#x2014; aber laßt uns Preßfreiheit und Associationsrecht,<lb/>
und wir wollen euch, Stockjobbers, die ihr nach Ruhe seufzet,<lb/>
schon zeigen, daß der Tanz nun erst angeht, da ihr im Hafen an-<lb/>
gelangt zu seyn glaubt!</p>
              </div><lb/>
              <div type="jArticle" n="2">
                <p>Der König von Preußen soll gedroht haben, daß Preußen<lb/>
sich zurückziehen müsse, &#x201E;wenn Oesterreich sich genöthigt sähe, an<lb/>
Deutschland keinen Antheil zu nehmen.&#x201C;</p>
              </div><lb/>
              <div type="jArticle" n="2">
                <p>Aus Bayern bringt die &#x201E;Augsburger Abendzeitung&#x201C; die<lb/>
folgende charakteristische Klage: &#x201E;Die Wahlen, wie uns die Re-<lb/>
sultate aus ganz Altbayern und dem größten Theile Schwabens<lb/>
vorliegen, erregen wohl in jedem &#x201E;Freisinnigen&#x201C; das Gefühl ei-<lb/>
nes ungeheuren politischen Katzenjammers, der zu dem reactio-<lb/><cb n="2"/>
nären Wunsche führen könnte: O kehrt zurück ihr Tage &#x2014; der<lb/><hi rendition="#g">Wahl nach Ständen.</hi> Wir begegnen immer und immer wie-<lb/>
der nur der Scholle, den niedrigen Parteiinteressen. Das Paar<lb/>
Beamten und redlicher Geistlichen &#x2014; werden sie hinreichend die<lb/>
Jntelligenz, den geistigen Fortschritt vertreten? So muß sich wohl<lb/>
Jeder fragen, der sein Vaterland liebt, und die Antwort kann<lb/>
ihm keine Beruhigung gewähren.&#x201C; Nun die &#x201E;Jntelligenz&#x201C; und<lb/>
der &#x201E;Fortschritt&#x201C; waren in Berlin ja übermäßig vertreten, und<lb/>
wie weit sie es gebracht, ist männiglich bekannt. Vielleicht geht es<lb/>
in München jetzt besser, wenn auch die &#x201E;Scholle,&#x201C; die am Ende<lb/>
doch überall die Zeche bezahlen muß und in ihrer Weise gerade<lb/>
so berechtigt ist, wie Fortschritt und Jntelligenz, ihre Vertreter<lb/>
findet. Ohnedies ist gar nicht abzusehen, warum ein altbayerischer<lb/>
Bauer nicht eben so gescheidt seyn soll wie ein pfälzischer oder<lb/>
fränkischer Republikaner.</p>
              </div><lb/>
              <div type="jArticle" n="2">
                <p>Frankfurt 11. December. ( Karsr. Z. ) Ueber die Frage,<lb/>
ob eine Abordnung nach Oesterreich geschickt werden solle, um<lb/>
über die Bedingungen der Einigung zwischen Ost= und West-<lb/>
deutschland zu unterhandeln, sind seit mehreren Tagen die Clubs<lb/>
in Bewegung. Die des Landsbergs und des Augsburger Hofes<lb/>
haben sich, wie ich höre, mit Ja entschieden und die Sache zur<lb/>
Parteifrage gemacht; im Casinoclub dagegen blieben die Ansich-<lb/>
ten getheilt. <hi rendition="#g">Dahlmann</hi> und <hi rendition="#g">Waitz</hi> einerseits mit den Ultra-<lb/>
preußen wollen Oesterreich um jeden Preis ausgeschieden wissen;<lb/>
andererseits bestehen v. <hi rendition="#g">Gagern, Welcker, Bassermann,</hi><lb/>
sodann die Bayern mit Haubenschmied, und auch ein Theil der<lb/>
Norddeutschen, insbesondere Hannoveraner, mit <hi rendition="#g">Reichens-<lb/>
perger</hi> und <hi rendition="#g">Jürgens</hi> auf der Einleitung von Unterhandlun-<lb/>
gen. Wird Letzteres beschlossen, woran nicht wohl zu zweifeln<lb/>
ist, da auch der Württemberger Hof und ein Theil der Linken sich<lb/>
vor der Alleinherrschaft Preußens scheut, so würde v. Gagern<lb/>
in das Reichsministerium treten und die Leitung der auswärti-<lb/>
gen Angelegenheiten übernehmen. Allerdings wird Himmel und<lb/>
Hölle aufgeboten, um ein solches Ergebniß zu hintertreiben, und<lb/>
wohl möchte es kommen, daß auch hier, wie in anderen Fragen,<lb/>
der Weg der Vereinbarung eher zu einem erfreulichen Ende führte,<lb/>
als der der Abstimmung.</p>
              </div>
            </div><lb/>
            <div type="jPoliticalNews" n="1">
              <head> <hi rendition="#g">Jtalien.</hi> </head><lb/>
              <div type="jArticle" n="2">
                <p><hi rendition="#sup">* * *</hi> Nach Berichten aus Rom vom 1. December will das<lb/>
Ministerium sofort eine constituirende Versammlung berufen und<lb/>
Mamiani hat die Kammer um die Genehmigung ersucht, in dieser<lb/>
Beziehung Unterhandlungen mit den übrigen italiänischen Staa-<lb/>
ten, namentlich mit Toscana zu eröffnen. Jn wenigen Tagen,<lb/>
sagt die &#x201E;Alba&#x201C; vom 3., werden wir erfahren, welche Haltung<lb/>
der Papst einzunehmen gesonnen ist und <hi rendition="#g">dann werden wir<lb/>
eine bestimmte Regierung einsetzen,</hi> wir werden mit<lb/>
Energie handeln, &#x2014; das heißt mit anderen Worten, wir werden<lb/>
in Rom die Republik proclamiren. Während der Zeit thut das<lb/>
römische Ministerium außerordentlich kriegerisch und schickt Trup-<lb/>
pen über Truppen an die neapolitanische Grenze, angeblich weil<lb/>
von dort her ein Einfall zu besorgen ist. Der Gouverneur von<lb/>
Bologna hat sich geweigert, das neue Cabinet anzuerkennen.<lb/>
Was den heiligen Vater betrifft, so scheint es doch, daß er dem<lb/>
Wunsche König Ferdinands gemäß sich nach Neapel begeben wird.<lb/>
Mehrere Cardinäle sind dort schon angekommen.</p>
              </div><lb/>
              <div type="jArticle" n="2">
                <p>Jn Turin hat am 6. December eine neue Manifestation zu<lb/>
Ehren Gioberti's stattgefunden. Nachdem das Volk ihn als<lb/>
Prasidenten des künftigen Cabinets begrüßt, zog es vor den<lb/>
Palast des Königs und schrie: es lebe das demokratische Mini-<lb/>
sterium! Wie die &#x201E;Concordia&#x201C; berichtet, soll eine hohe Person<lb/>
dem Volke die Versicherung gegeben haben, daß seine Wünsche<lb/>
erhört werden sollen, in diesem Falle würde das piemontesische<lb/>
Ministerium mit den Demagogen in Rom und Florenz gemeinsame<lb/>
Sache machen und die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten gegen<lb/>
Oesterreich wäre unvermeidlich. Es ist dieses das letzte Ziel aller<lb/>
Bestrebungen der italienischen Radicalen, sie schreien und toben,<lb/>
sie weisen auf dem Papiere eine Masse Soldaten nach und machen<lb/>
dem alten Feldmarschall eine Faust, &#x2014; wenn es aber zum Schla-<lb/>
gen käme, so würde den Oesterreichern wiederum Niemand als<lb/>
die Piemontesen <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="14"/>entgegenstehen. Um den Congreß, der demnächst<lb/>
zu Brüssel eröffnet werden soll, kümmern sich die Radicalen in<lb/>
Turin eben so wenig, wie die in Rom, und sie werden alles Mög-<lb/>
liche aufbieten, damit er nicht zu Stande komme, Alles nach dem<lb/>
Grundsatze: Jm Trüben läßt sich gut fischen.</p>
              </div><lb/>
              <cb type="end"/>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 163. Donnerstag, den 14. December. 1848. Deutschland. Berlin 11. December. ( D. Z. ) Obwohl der Belagerungs- zustand wahrscheinlich noch längere Zeit fortdauern wird, so wird derselbe doch seit Octroyirung der Verfassung mit so großer Schonung gehandhabt, daß man fast nur seine wohlthätigen Folgen wahrnimmt an der wiederhergestellten Ruhe und dem be- lebteren Wandel und Verkehr. Das Schauspielhaus ist dem Pu- blicum bereits wieder geöffnet: der Debit aller Zeitungen und Journale ist, mit Ausnahme einiger Winkelblätter, wieder ge- stattet. Nur die Reform verschmäht es bei Wrangel die Erlaubniß nachzusuchen, weiter erscheinen zu dürfen; Ruge will vielmehr trotz des Verbotes in einigen Tagen wieder eine neue Nummer herausgeben — natürlich wird der Spaß auf diese Weise bald genug ein Ende haben. Komisch genug ist es übrigens, die ver- änderten Züge der entschlafenen Blätter nach ihrer Auferstehung zu beobachten. Herr Julius, der bekanntlich vor dem März Alles that, um sein Blatt zu einem subventionirten zu machen, wittert jetzt wieder Morgenluft und bereitet sich all- mählig zur Schwenkung nach der andern Seite vor. Er habe die Novemberrevolution vorausgesagt und die Mittel zu ihrer Verhinderung angegeben; damals habe man ihn ausgelacht und verfolgt — jetzt möge man daher von ihm keinen Trost erwarten, er sey des Undankes satt. Consequenter und ehrenhafter ist die Nationalzeitung geblieben. — Was die Stimmung hier am Orte betrifft, so ähnelt sie der eines Fieberkranken, der nach wüsten Träumen wieder erwacht, aber in völliger Apathie die Rückkehr der Kräfte erwartet. Wenn irgend ein hiesiges Blatt meint, das Volk habe die Verfassung „über sich ergehen lassen,“ so ist das vollkommen falsch: unsere Demokratie hat es nur glücklich so weit gebracht, daß die Masse unfähig war, irgend etwas Anderes zu empfinden, als das Bedürfniß nach Ruhe und daß durch die Befriedigung dieser Sehnsucht jede sonstige Regung absorbirt ward. Sobald die Nation wieder zu Kräften gekommen, wird sie in dem treuen und unverbrüchlichen Festhalten an dieser Charte die einzige Möglichkeit der Rettung, sie wird in derselben zwar kein Geschenk sehen, wohl aber ein Merkzeichen von der Redlichkeit ihres Fürsten. Der Kern des Volkes ist völlig befriedigt, wenn auch die Radicalen unseren Spießbürgern zuflüstern, mit einem absoluten Veto könne der Kö- nig ja doch machen, was er wolle, oder die Preußenvereine laut darüber klagen, daß selbst ein Manteuffel den Herrscher verrathen habe. Jn so weit darf man nun wohl getrosten Blickes in die Zukunft sehen: aber demungeachtet muß man nicht vergessen, daß erst die nächsten Wahlen unser, Schichsal entscheiden und daß daher für die Partei der gemäßigten Liberalen die heiligste Pflicht ist, auf diese mit aller Energie zu wirken. Bekommen wir wieder eine ähnliche Kammer, tagen unsere besten Capacitäten wieder zu Frankfurt, wo sie höchstens den Brand löschen, wäh- rend sie hier den Ausbruch desselben verhindern — beginnt in dieser Weise die alte Historie von Neuem: so muß wahrlich auch das tüchtigste Volk demoralisirt werden, auch die bestgesinnte Re- gierung zuletzt den Kopf verlieren. Man geht auch hier be- reits damit um, ein Wahlcomit é im Sinne des Centrums zu bil- den, während Bülow=Cummerow zu einem Vereine auffordert, um für die äußerste Rechte zu agitiren: die Linke hat bekanntlich ebenfalls schon die nöthigen Einleitungen getroffen, um am 26. Februar mit verstärkten Kräften zu erscheinen. Wie wenig diese Herren ihre Hoffnungen und Pläne haben fahren lassen, wie sie sich nur für den Augenblick geschlagen glauben, ersieht man z. B. aus einer kleinen Broschure Oppenheim's: Kaltblütige Glossen über die octroyirte Verfassung, die mit dem tröstlichen Versprechen schließt: Wir wissen wohl, daß wir zur Zeit nur eine streitende Kirche sind — aber laßt uns Preßfreiheit und Associationsrecht, und wir wollen euch, Stockjobbers, die ihr nach Ruhe seufzet, schon zeigen, daß der Tanz nun erst angeht, da ihr im Hafen an- gelangt zu seyn glaubt! Der König von Preußen soll gedroht haben, daß Preußen sich zurückziehen müsse, „wenn Oesterreich sich genöthigt sähe, an Deutschland keinen Antheil zu nehmen.“ Aus Bayern bringt die „Augsburger Abendzeitung“ die folgende charakteristische Klage: „Die Wahlen, wie uns die Re- sultate aus ganz Altbayern und dem größten Theile Schwabens vorliegen, erregen wohl in jedem „Freisinnigen“ das Gefühl ei- nes ungeheuren politischen Katzenjammers, der zu dem reactio- nären Wunsche führen könnte: O kehrt zurück ihr Tage — der Wahl nach Ständen. Wir begegnen immer und immer wie- der nur der Scholle, den niedrigen Parteiinteressen. Das Paar Beamten und redlicher Geistlichen — werden sie hinreichend die Jntelligenz, den geistigen Fortschritt vertreten? So muß sich wohl Jeder fragen, der sein Vaterland liebt, und die Antwort kann ihm keine Beruhigung gewähren.“ Nun die „Jntelligenz“ und der „Fortschritt“ waren in Berlin ja übermäßig vertreten, und wie weit sie es gebracht, ist männiglich bekannt. Vielleicht geht es in München jetzt besser, wenn auch die „Scholle,“ die am Ende doch überall die Zeche bezahlen muß und in ihrer Weise gerade so berechtigt ist, wie Fortschritt und Jntelligenz, ihre Vertreter findet. Ohnedies ist gar nicht abzusehen, warum ein altbayerischer Bauer nicht eben so gescheidt seyn soll wie ein pfälzischer oder fränkischer Republikaner. Frankfurt 11. December. ( Karsr. Z. ) Ueber die Frage, ob eine Abordnung nach Oesterreich geschickt werden solle, um über die Bedingungen der Einigung zwischen Ost= und West- deutschland zu unterhandeln, sind seit mehreren Tagen die Clubs in Bewegung. Die des Landsbergs und des Augsburger Hofes haben sich, wie ich höre, mit Ja entschieden und die Sache zur Parteifrage gemacht; im Casinoclub dagegen blieben die Ansich- ten getheilt. Dahlmann und Waitz einerseits mit den Ultra- preußen wollen Oesterreich um jeden Preis ausgeschieden wissen; andererseits bestehen v. Gagern, Welcker, Bassermann, sodann die Bayern mit Haubenschmied, und auch ein Theil der Norddeutschen, insbesondere Hannoveraner, mit Reichens- perger und Jürgens auf der Einleitung von Unterhandlun- gen. Wird Letzteres beschlossen, woran nicht wohl zu zweifeln ist, da auch der Württemberger Hof und ein Theil der Linken sich vor der Alleinherrschaft Preußens scheut, so würde v. Gagern in das Reichsministerium treten und die Leitung der auswärti- gen Angelegenheiten übernehmen. Allerdings wird Himmel und Hölle aufgeboten, um ein solches Ergebniß zu hintertreiben, und wohl möchte es kommen, daß auch hier, wie in anderen Fragen, der Weg der Vereinbarung eher zu einem erfreulichen Ende führte, als der der Abstimmung. Jtalien. * * * Nach Berichten aus Rom vom 1. December will das Ministerium sofort eine constituirende Versammlung berufen und Mamiani hat die Kammer um die Genehmigung ersucht, in dieser Beziehung Unterhandlungen mit den übrigen italiänischen Staa- ten, namentlich mit Toscana zu eröffnen. Jn wenigen Tagen, sagt die „Alba“ vom 3., werden wir erfahren, welche Haltung der Papst einzunehmen gesonnen ist und dann werden wir eine bestimmte Regierung einsetzen, wir werden mit Energie handeln, — das heißt mit anderen Worten, wir werden in Rom die Republik proclamiren. Während der Zeit thut das römische Ministerium außerordentlich kriegerisch und schickt Trup- pen über Truppen an die neapolitanische Grenze, angeblich weil von dort her ein Einfall zu besorgen ist. Der Gouverneur von Bologna hat sich geweigert, das neue Cabinet anzuerkennen. Was den heiligen Vater betrifft, so scheint es doch, daß er dem Wunsche König Ferdinands gemäß sich nach Neapel begeben wird. Mehrere Cardinäle sind dort schon angekommen. Jn Turin hat am 6. December eine neue Manifestation zu Ehren Gioberti's stattgefunden. Nachdem das Volk ihn als Prasidenten des künftigen Cabinets begrüßt, zog es vor den Palast des Königs und schrie: es lebe das demokratische Mini- sterium! Wie die „Concordia“ berichtet, soll eine hohe Person dem Volke die Versicherung gegeben haben, daß seine Wünsche erhört werden sollen, in diesem Falle würde das piemontesische Ministerium mit den Demagogen in Rom und Florenz gemeinsame Sache machen und die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten gegen Oesterreich wäre unvermeidlich. Es ist dieses das letzte Ziel aller Bestrebungen der italienischen Radicalen, sie schreien und toben, sie weisen auf dem Papiere eine Masse Soldaten nach und machen dem alten Feldmarschall eine Faust, — wenn es aber zum Schla- gen käme, so würde den Oesterreichern wiederum Niemand als die Piemontesen ______________entgegenstehen. Um den Congreß, der demnächst zu Brüssel eröffnet werden soll, kümmern sich die Radicalen in Turin eben so wenig, wie die in Rom, und sie werden alles Mög- liche aufbieten, damit er nicht zu Stande komme, Alles nach dem Grundsatze: Jm Trüben läßt sich gut fischen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal163_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal163_1848/5
Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 163. Mainz, 13. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal163_1848/5>, abgerufen am 01.06.2024.