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Mainzer Journal. Nr. 249. Mainz, 19. Oktober 1849.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 249. Samstag, den 20. October. 1849.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Wien 15. October. ( A. Z. ) Die Regierung, welche die große
Sympathie für das tapfere Magyarenvolk nicht ganz ohne Be-
sorgniß betrachtete, scheint entschlossen, den Hinrichtungen in Pesth
Einhalt zu thun. Glaubwürdige Personen versichern, daß ein
Courier mit diesem Befehle in Pesth eingetroffen sey. Die Hin-
richtung Nyary's und anderer magyarischen Koryphäen ist jeden-
falls noch nicht erfolgt und dürfte den neuen Bestimmungen gemäß
unterbleiben. Man erzählt, daß der junge Monarch, als er neulich
bei einer Spazierfahrt den Vortrab einer starken Patrouille mit
fertigem Gewehre einhergehen sah, den Wunsch äußerte, den Be-
lagerungszustand aufhören zu lassen. Jm Angesichte der gegen-
wärtig etwas gereizten Stimmung der Vorstadtbevölkerung mag
man aber Anstand nehmen diesen Gedanken kaiserlicher Milde in
diesem Augenblicke zur Aufführung zu bringen. -- Der Herbst mit
der unfreundlichsten Witterung hat sich seit einigen Tagen einge-
stellt, und treibt die verspäteten Choleraflüchtlinge nach der Stadt
zurück. -- Jn Mailand soll, so erzählte man sich an der Börse,
ein Attentat gegen den Grafen Montecuceoli stattgefunden haben.
-- Heute haben hier die Conferenzen des deutschen Eisenbahncon-
gresses begonnen. -- Graf Colloredo wird vorläufig keinen un-
mittelbaren Nachfolger auf seinem Gesandtschaftsposten in Lon-
don erhalten, und die Geschäfte daselbst werden indessen durch
Herrn Koller als Geschäftsträger versehen werden.

Berlin 16. October. ( K. Z. ) Eine über bayrische Angelegen-
heiten gewöhnlich sehr gut unterrichtete Person erzählt Folgen-
des: Am 1. October habe ein aus München eingetroffener Com-
missär 265,000 Thlr. für Bayern aus der Zollvereinscasse er-
heben wollen. Es sey ihm aber erklärt worden, das Kriegsmini-
sterium habe Befehl gegeben, die Summe zurückzubehalten, weil
Preußen von Bayern für die Kosten der Pacification der Pfalz
465,000 Thlr. verlange. Die Sache, wenn sie sich bestätigt --
und ich habe keinen Grund, die Richtigkeit der Angabe zu bezwei-
feln --, ist um so interessanter 1), als Bayern, wie Sie wissen,
behauptet hatte, es habe die preußische Hilfe nicht verlangt. --
Man glaubt, Herr v. Radowitz werde die Verhandlungen mit
Oesterreich den Kammern vorlegen und die Politik der Regierung
erklären.

Vom 14. bis zum 15. October Mittags sind an der Cholera
zwei Personen erkrankt und keine gestorben.

Ad. Stahr erzählt in dem zweiten Hefte seiner Schilderung
der preußischen Revolution, welches so eben erschienen ist, fol-
gende Anekdote zur Charakterisirung der demokratischen Staats-
weisheit, die im vorigen Jahre die Schicksale der Völker zu leiten
sich herabließ: Als der "demokratische Congreß" in Berlin tagte,
dessen für die "sociale Frage" niedergesetzte Commission unter an-
deren zu Resultaten gelangte wie: "der Pachter bezahlt hinfort
keinen Pacht," fragte der berühmte Arzt und Patholog Virchow
einen dieser Socialisten: "Aber denkt denn wirklich Eure Com-
mission, daß sie die sociale Frage lösen wird?" -- "Freilich wer-
den wir sie lösen," erwiederte der Gefragte, " und wenn wir
auch die ganze Nacht darum sitzen sollten!
"

Köln 18. October. Am 17. October sind 5 Erkrankungen
an der Cholera, 13 Genesungen und 5 Sterbefälle angezeigt
worden.

Trier 15. October. ( Tr. V. ) Sicherem Vernehmen nach ist
der befürchtete Conflict der Staatsgewalt mit der bischöflichen
Behörde der Diöcese Trier wirklich eingetreten. Die Direction
des hiesigen katholischen Gymnasiums hat sich in Folge höherer
Ordre geweigert, den von unserem Hochw. Herrn Bischofe zum
Religionslehrer der gedachten Anstalt ernannten Herrn Cap-
lan Corzilius ohne Genehmigung der weltlichen Behörde in
sein Amt einzuführen. Eben so hat der interimistische Director
der hiesigen höheren Bürger= und Provinzialgewerdschule dem
von dem Bischofe zum Religionslehrer dieser Schule ernannten
Caplan Ramers erklärt, daß er zufolge Verfügung der königl.
Regierung ihn ohne Genehmigung dieser Behörde nicht in sein
Amt einführen könne. Da die bisherigen Religionslehrer des
Gymnasiums und der Bürgerschule bereits zu anderen Functionen
abberufen sind, so wird bis zur Erledigung des eingetretenen
[Spaltenumbruch] Conflictes, welcher offenbar eine Lebensfrage der Kirche betrifft,
an den gedachten Anstalten vorläufig weder Religionsunterricht,
noch auch wie bisher ein besonderer Gottesdienst resp. Seelsorge
stattfinden. Sollte der eingetretene Conflict, den man bei der un-
zweideutigen Bestimmung der Verfassungsurkunde über das Er-
nennungsrecht der bischöflichen Behörden zu allen kirchlichen
Aemtern kaum für möglich hätte halten sollen, nicht baldigst aus-
geglichen werden, so möchte das Wohl der beiden Anstalten ernst-
lich gefährdet werden. Wir hoffen, daß es nicht zum Aeußersten
kommen wird, da uns die nachtheiligen Folgen solcher Conflicte
für Staat und Schule noch in frischem Andenken sind, was bei
den Staatsbehörden leider nicht der Fall zu seyn scheint. [ Was
kann auch intelligenten Staatsmännern daran liegen, ob die Bu-
ben in der Schule recht roth gefärbt werden oder nicht!]

Oldenburg 15. October. ( K. Z. ) Die Wahlen für den
neuen Landtag, so weit sie bis heute bekannt geworden, sind über-
wiegend anti preußisch ausgefallen. Unsere Regierung sieht sich
jetzt in einer schlimmen Lage. Jst der neue Landtag, der schon
Ende Octobers oder doch sicher in den ersten Tagen des Monates
November zusammentreten wird, noch entschiedener demokratisch
und anschlußfeindlich, als der aufgelöste erste, was bleibt da
übrig? -- Der Großherzog ist seit einigen Tagen zum Besuche
nach Weimar gereist. Man spricht davon, daß er von dort einen
Abstecher nach Berlin machen werde, wo unser Minister, Oberst
Mosle, noch immer weilt.

Rudolstadt 7. October. Gestern ging es hier sehr unruhig
her. Gegen den Regierungsrath Hönniger ( ehemals Mitglied
der Linken in der Nationalversammlung ) sollte eine Criminal-
untersuchung eingeleitet werden wegen des bekannten Aufrufs,
welcher von dem "Donnersberg" ausgegangen und welchen Hön-
niger mit unterschrieben und auch in Rudolstadt mit verbreitet
haben soll. Die Fürstlich schwarzburgische Regierung hat
deshalb ein Rechtsgutachten in Leipzig eingeholt und da dieses sich
dafür aussprach, so begab sich gestern Morgen eine Regierungs-
commission in die Behausung Hönnigers, um dort dessen Papiere
mit Beschlag zu belegen und ihn darüber zu vernehmen. Die
Commission erschien mit "sechs Mann Militär," und da das
Publicum den näheren Zusammenhang nicht kannte, so ließen
Einzelne sich verleiten, auf das Militär einzustürmen, sogar den
Commissären mit Waffen zu drohen. Doch ging das Ganze noch
mit ein wenig Blut und Verhaftung eines Excedenten ab, wäh-
rend später Militär und Bürgerwehr gemeinschaftlich eine Wache
vor dem Hause aufstellten. Hiesige Blätter theilen auch eine un-
term 3. October an die Landstände gerichtete Petition des Schwarz-
burger Bataillons mit, worin dasselbe, Recht und Genug-
thuung fordernd, sich beschwert, daß der Regierungsrath Hön-
niger am 30. September auf dem Wege nach Schaale mehrere
Soldaten: "Jhr Hunde, an den rothen Kragen erkennt man euch
Knechte!" und in Schaale selbst, wo eben Kirchweih war, einen
anderen Soldaten mit den Worten: "Fort, du rothkragiger Hund!"
aus dem Gasthofe auf die Straße gestoßen habe.

Bernburg 13. October. Noch ein Stück Krähwinkelei!
Der Landtag hat einstimmig das sogenannte Judenschutzgeld auf-
gehoben. An Stelle desselben tritt für jüdische Handelsleute ein
"Handelsgeld." Die Abgabe ist geblieben, es ist nur der anrüchige
Name gefallen.

Frankfurt 17. October. ( K. Z. ) Bekanntlich sind vor eini-
gen Wochen und zwar wunderbarerweise gerade in dem Augen-
blicke, wo die französische Regierung ihre Auslieferung nach
Frankfurt endlich beschlossen hatte, die des Mordes von Lych-
nowski
und Auerswald bezüchtigten Jndividuen aus der
Festung Verdun entflohen und über Belgien nach England ge-
langt. So eben verbreitet sich hier die Nachricht, daß dieselben
in England verhaftet sind. Wir würden also bei den demnächst
zu eröffnenden Assisen vielleicht auch diesen Proceß schon verhan-
delt sehen.

Ueber die Anwesenheit des Staatsrathes Römer aus Stutt-
gart in hiesiger Stadt, so wird der D. V. H. gemeldet, wird viel
gesprochen. Man redet allgemein von einer wichtigen diplomati-
schen Mission, die er habe. Jn wohlunterrichteten Kreisen wird
nun versichert, dieselbe gehe dahin, bei dem Reichsministerium in
so fern Protest gegen das neue Jnterim einzulegen, als dasselbe
nicht vom Volke und den Regierungen, sondern nur von letzteren
[Ende Spaltensatz]

1) Jn der That sehr "interessant" für Deutschland, wenn wie-
der zwei Regierungen und Stämme in Conflict miteinander gerathen!
Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 249. Samstag, den 20. October. 1849.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Wien 15. October. ( A. Z. ) Die Regierung, welche die große
Sympathie für das tapfere Magyarenvolk nicht ganz ohne Be-
sorgniß betrachtete, scheint entschlossen, den Hinrichtungen in Pesth
Einhalt zu thun. Glaubwürdige Personen versichern, daß ein
Courier mit diesem Befehle in Pesth eingetroffen sey. Die Hin-
richtung Nyary's und anderer magyarischen Koryphäen ist jeden-
falls noch nicht erfolgt und dürfte den neuen Bestimmungen gemäß
unterbleiben. Man erzählt, daß der junge Monarch, als er neulich
bei einer Spazierfahrt den Vortrab einer starken Patrouille mit
fertigem Gewehre einhergehen sah, den Wunsch äußerte, den Be-
lagerungszustand aufhören zu lassen. Jm Angesichte der gegen-
wärtig etwas gereizten Stimmung der Vorstadtbevölkerung mag
man aber Anstand nehmen diesen Gedanken kaiserlicher Milde in
diesem Augenblicke zur Aufführung zu bringen. — Der Herbst mit
der unfreundlichsten Witterung hat sich seit einigen Tagen einge-
stellt, und treibt die verspäteten Choleraflüchtlinge nach der Stadt
zurück. — Jn Mailand soll, so erzählte man sich an der Börse,
ein Attentat gegen den Grafen Montecuceoli stattgefunden haben.
— Heute haben hier die Conferenzen des deutschen Eisenbahncon-
gresses begonnen. — Graf Colloredo wird vorläufig keinen un-
mittelbaren Nachfolger auf seinem Gesandtschaftsposten in Lon-
don erhalten, und die Geschäfte daselbst werden indessen durch
Herrn Koller als Geschäftsträger versehen werden.

Berlin 16. October. ( K. Z. ) Eine über bayrische Angelegen-
heiten gewöhnlich sehr gut unterrichtete Person erzählt Folgen-
des: Am 1. October habe ein aus München eingetroffener Com-
missär 265,000 Thlr. für Bayern aus der Zollvereinscasse er-
heben wollen. Es sey ihm aber erklärt worden, das Kriegsmini-
sterium habe Befehl gegeben, die Summe zurückzubehalten, weil
Preußen von Bayern für die Kosten der Pacification der Pfalz
465,000 Thlr. verlange. Die Sache, wenn sie sich bestätigt —
und ich habe keinen Grund, die Richtigkeit der Angabe zu bezwei-
feln —, ist um so interessanter 1), als Bayern, wie Sie wissen,
behauptet hatte, es habe die preußische Hilfe nicht verlangt. —
Man glaubt, Herr v. Radowitz werde die Verhandlungen mit
Oesterreich den Kammern vorlegen und die Politik der Regierung
erklären.

Vom 14. bis zum 15. October Mittags sind an der Cholera
zwei Personen erkrankt und keine gestorben.

Ad. Stahr erzählt in dem zweiten Hefte seiner Schilderung
der preußischen Revolution, welches so eben erschienen ist, fol-
gende Anekdote zur Charakterisirung der demokratischen Staats-
weisheit, die im vorigen Jahre die Schicksale der Völker zu leiten
sich herabließ: Als der „demokratische Congreß“ in Berlin tagte,
dessen für die „sociale Frage“ niedergesetzte Commission unter an-
deren zu Resultaten gelangte wie: „der Pachter bezahlt hinfort
keinen Pacht,“ fragte der berühmte Arzt und Patholog Virchow
einen dieser Socialisten: „Aber denkt denn wirklich Eure Com-
mission, daß sie die sociale Frage lösen wird?“ — „Freilich wer-
den wir sie lösen,“ erwiederte der Gefragte, „ und wenn wir
auch die ganze Nacht darum sitzen sollten!

Köln 18. October. Am 17. October sind 5 Erkrankungen
an der Cholera, 13 Genesungen und 5 Sterbefälle angezeigt
worden.

Trier 15. October. ( Tr. V. ) Sicherem Vernehmen nach ist
der befürchtete Conflict der Staatsgewalt mit der bischöflichen
Behörde der Diöcese Trier wirklich eingetreten. Die Direction
des hiesigen katholischen Gymnasiums hat sich in Folge höherer
Ordre geweigert, den von unserem Hochw. Herrn Bischofe zum
Religionslehrer der gedachten Anstalt ernannten Herrn Cap-
lan Corzilius ohne Genehmigung der weltlichen Behörde in
sein Amt einzuführen. Eben so hat der interimistische Director
der hiesigen höheren Bürger= und Provinzialgewerdschule dem
von dem Bischofe zum Religionslehrer dieser Schule ernannten
Caplan Ramers erklärt, daß er zufolge Verfügung der königl.
Regierung ihn ohne Genehmigung dieser Behörde nicht in sein
Amt einführen könne. Da die bisherigen Religionslehrer des
Gymnasiums und der Bürgerschule bereits zu anderen Functionen
abberufen sind, so wird bis zur Erledigung des eingetretenen
[Spaltenumbruch] Conflictes, welcher offenbar eine Lebensfrage der Kirche betrifft,
an den gedachten Anstalten vorläufig weder Religionsunterricht,
noch auch wie bisher ein besonderer Gottesdienst resp. Seelsorge
stattfinden. Sollte der eingetretene Conflict, den man bei der un-
zweideutigen Bestimmung der Verfassungsurkunde über das Er-
nennungsrecht der bischöflichen Behörden zu allen kirchlichen
Aemtern kaum für möglich hätte halten sollen, nicht baldigst aus-
geglichen werden, so möchte das Wohl der beiden Anstalten ernst-
lich gefährdet werden. Wir hoffen, daß es nicht zum Aeußersten
kommen wird, da uns die nachtheiligen Folgen solcher Conflicte
für Staat und Schule noch in frischem Andenken sind, was bei
den Staatsbehörden leider nicht der Fall zu seyn scheint. [ Was
kann auch intelligenten Staatsmännern daran liegen, ob die Bu-
ben in der Schule recht roth gefärbt werden oder nicht!]

Oldenburg 15. October. ( K. Z. ) Die Wahlen für den
neuen Landtag, so weit sie bis heute bekannt geworden, sind über-
wiegend anti preußisch ausgefallen. Unsere Regierung sieht sich
jetzt in einer schlimmen Lage. Jst der neue Landtag, der schon
Ende Octobers oder doch sicher in den ersten Tagen des Monates
November zusammentreten wird, noch entschiedener demokratisch
und anschlußfeindlich, als der aufgelöste erste, was bleibt da
übrig? — Der Großherzog ist seit einigen Tagen zum Besuche
nach Weimar gereist. Man spricht davon, daß er von dort einen
Abstecher nach Berlin machen werde, wo unser Minister, Oberst
Mosle, noch immer weilt.

Rudolstadt 7. October. Gestern ging es hier sehr unruhig
her. Gegen den Regierungsrath Hönniger ( ehemals Mitglied
der Linken in der Nationalversammlung ) sollte eine Criminal-
untersuchung eingeleitet werden wegen des bekannten Aufrufs,
welcher von dem „Donnersberg“ ausgegangen und welchen Hön-
niger mit unterschrieben und auch in Rudolstadt mit verbreitet
haben soll. Die Fürstlich schwarzburgische Regierung hat
deshalb ein Rechtsgutachten in Leipzig eingeholt und da dieses sich
dafür aussprach, so begab sich gestern Morgen eine Regierungs-
commission in die Behausung Hönnigers, um dort dessen Papiere
mit Beschlag zu belegen und ihn darüber zu vernehmen. Die
Commission erschien mit „sechs Mann Militär,“ und da das
Publicum den näheren Zusammenhang nicht kannte, so ließen
Einzelne sich verleiten, auf das Militär einzustürmen, sogar den
Commissären mit Waffen zu drohen. Doch ging das Ganze noch
mit ein wenig Blut und Verhaftung eines Excedenten ab, wäh-
rend später Militär und Bürgerwehr gemeinschaftlich eine Wache
vor dem Hause aufstellten. Hiesige Blätter theilen auch eine un-
term 3. October an die Landstände gerichtete Petition des Schwarz-
burger Bataillons mit, worin dasselbe, Recht und Genug-
thuung fordernd, sich beschwert, daß der Regierungsrath Hön-
niger am 30. September auf dem Wege nach Schaale mehrere
Soldaten: „Jhr Hunde, an den rothen Kragen erkennt man euch
Knechte!“ und in Schaale selbst, wo eben Kirchweih war, einen
anderen Soldaten mit den Worten: „Fort, du rothkragiger Hund!“
aus dem Gasthofe auf die Straße gestoßen habe.

Bernburg 13. October. Noch ein Stück Krähwinkelei!
Der Landtag hat einstimmig das sogenannte Judenschutzgeld auf-
gehoben. An Stelle desselben tritt für jüdische Handelsleute ein
„Handelsgeld.“ Die Abgabe ist geblieben, es ist nur der anrüchige
Name gefallen.

Frankfurt 17. October. ( K. Z. ) Bekanntlich sind vor eini-
gen Wochen und zwar wunderbarerweise gerade in dem Augen-
blicke, wo die französische Regierung ihre Auslieferung nach
Frankfurt endlich beschlossen hatte, die des Mordes von Lych-
nowski
und Auerswald bezüchtigten Jndividuen aus der
Festung Verdun entflohen und über Belgien nach England ge-
langt. So eben verbreitet sich hier die Nachricht, daß dieselben
in England verhaftet sind. Wir würden also bei den demnächst
zu eröffnenden Assisen vielleicht auch diesen Proceß schon verhan-
delt sehen.

Ueber die Anwesenheit des Staatsrathes Römer aus Stutt-
gart in hiesiger Stadt, so wird der D. V. H. gemeldet, wird viel
gesprochen. Man redet allgemein von einer wichtigen diplomati-
schen Mission, die er habe. Jn wohlunterrichteten Kreisen wird
nun versichert, dieselbe gehe dahin, bei dem Reichsministerium in
so fern Protest gegen das neue Jnterim einzulegen, als dasselbe
nicht vom Volke und den Regierungen, sondern nur von letzteren
[Ende Spaltensatz]

1) Jn der That sehr „interessant“ für Deutschland, wenn wie-
der zwei Regierungen und Stämme in Conflict miteinander gerathen!
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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 249. Samstag, den 20. October. 1849. Deutschland. Wien 15. October. ( A. Z. ) Die Regierung, welche die große Sympathie für das tapfere Magyarenvolk nicht ganz ohne Be- sorgniß betrachtete, scheint entschlossen, den Hinrichtungen in Pesth Einhalt zu thun. Glaubwürdige Personen versichern, daß ein Courier mit diesem Befehle in Pesth eingetroffen sey. Die Hin- richtung Nyary's und anderer magyarischen Koryphäen ist jeden- falls noch nicht erfolgt und dürfte den neuen Bestimmungen gemäß unterbleiben. Man erzählt, daß der junge Monarch, als er neulich bei einer Spazierfahrt den Vortrab einer starken Patrouille mit fertigem Gewehre einhergehen sah, den Wunsch äußerte, den Be- lagerungszustand aufhören zu lassen. Jm Angesichte der gegen- wärtig etwas gereizten Stimmung der Vorstadtbevölkerung mag man aber Anstand nehmen diesen Gedanken kaiserlicher Milde in diesem Augenblicke zur Aufführung zu bringen. — Der Herbst mit der unfreundlichsten Witterung hat sich seit einigen Tagen einge- stellt, und treibt die verspäteten Choleraflüchtlinge nach der Stadt zurück. — Jn Mailand soll, so erzählte man sich an der Börse, ein Attentat gegen den Grafen Montecuceoli stattgefunden haben. — Heute haben hier die Conferenzen des deutschen Eisenbahncon- gresses begonnen. — Graf Colloredo wird vorläufig keinen un- mittelbaren Nachfolger auf seinem Gesandtschaftsposten in Lon- don erhalten, und die Geschäfte daselbst werden indessen durch Herrn Koller als Geschäftsträger versehen werden. Berlin 16. October. ( K. Z. ) Eine über bayrische Angelegen- heiten gewöhnlich sehr gut unterrichtete Person erzählt Folgen- des: Am 1. October habe ein aus München eingetroffener Com- missär 265,000 Thlr. für Bayern aus der Zollvereinscasse er- heben wollen. Es sey ihm aber erklärt worden, das Kriegsmini- sterium habe Befehl gegeben, die Summe zurückzubehalten, weil Preußen von Bayern für die Kosten der Pacification der Pfalz 465,000 Thlr. verlange. Die Sache, wenn sie sich bestätigt — und ich habe keinen Grund, die Richtigkeit der Angabe zu bezwei- feln —, ist um so interessanter 1), als Bayern, wie Sie wissen, behauptet hatte, es habe die preußische Hilfe nicht verlangt. — Man glaubt, Herr v. Radowitz werde die Verhandlungen mit Oesterreich den Kammern vorlegen und die Politik der Regierung erklären. Vom 14. bis zum 15. October Mittags sind an der Cholera zwei Personen erkrankt und keine gestorben. Ad. Stahr erzählt in dem zweiten Hefte seiner Schilderung der preußischen Revolution, welches so eben erschienen ist, fol- gende Anekdote zur Charakterisirung der demokratischen Staats- weisheit, die im vorigen Jahre die Schicksale der Völker zu leiten sich herabließ: Als der „demokratische Congreß“ in Berlin tagte, dessen für die „sociale Frage“ niedergesetzte Commission unter an- deren zu Resultaten gelangte wie: „der Pachter bezahlt hinfort keinen Pacht,“ fragte der berühmte Arzt und Patholog Virchow einen dieser Socialisten: „Aber denkt denn wirklich Eure Com- mission, daß sie die sociale Frage lösen wird?“ — „Freilich wer- den wir sie lösen,“ erwiederte der Gefragte, „ und wenn wir auch die ganze Nacht darum sitzen sollten! “ Köln 18. October. Am 17. October sind 5 Erkrankungen an der Cholera, 13 Genesungen und 5 Sterbefälle angezeigt worden. Trier 15. October. ( Tr. V. ) Sicherem Vernehmen nach ist der befürchtete Conflict der Staatsgewalt mit der bischöflichen Behörde der Diöcese Trier wirklich eingetreten. Die Direction des hiesigen katholischen Gymnasiums hat sich in Folge höherer Ordre geweigert, den von unserem Hochw. Herrn Bischofe zum Religionslehrer der gedachten Anstalt ernannten Herrn Cap- lan Corzilius ohne Genehmigung der weltlichen Behörde in sein Amt einzuführen. Eben so hat der interimistische Director der hiesigen höheren Bürger= und Provinzialgewerdschule dem von dem Bischofe zum Religionslehrer dieser Schule ernannten Caplan Ramers erklärt, daß er zufolge Verfügung der königl. Regierung ihn ohne Genehmigung dieser Behörde nicht in sein Amt einführen könne. Da die bisherigen Religionslehrer des Gymnasiums und der Bürgerschule bereits zu anderen Functionen abberufen sind, so wird bis zur Erledigung des eingetretenen Conflictes, welcher offenbar eine Lebensfrage der Kirche betrifft, an den gedachten Anstalten vorläufig weder Religionsunterricht, noch auch wie bisher ein besonderer Gottesdienst resp. Seelsorge stattfinden. Sollte der eingetretene Conflict, den man bei der un- zweideutigen Bestimmung der Verfassungsurkunde über das Er- nennungsrecht der bischöflichen Behörden zu allen kirchlichen Aemtern kaum für möglich hätte halten sollen, nicht baldigst aus- geglichen werden, so möchte das Wohl der beiden Anstalten ernst- lich gefährdet werden. Wir hoffen, daß es nicht zum Aeußersten kommen wird, da uns die nachtheiligen Folgen solcher Conflicte für Staat und Schule noch in frischem Andenken sind, was bei den Staatsbehörden leider nicht der Fall zu seyn scheint. [ Was kann auch intelligenten Staatsmännern daran liegen, ob die Bu- ben in der Schule recht roth gefärbt werden oder nicht!] Oldenburg 15. October. ( K. Z. ) Die Wahlen für den neuen Landtag, so weit sie bis heute bekannt geworden, sind über- wiegend anti preußisch ausgefallen. Unsere Regierung sieht sich jetzt in einer schlimmen Lage. Jst der neue Landtag, der schon Ende Octobers oder doch sicher in den ersten Tagen des Monates November zusammentreten wird, noch entschiedener demokratisch und anschlußfeindlich, als der aufgelöste erste, was bleibt da übrig? — Der Großherzog ist seit einigen Tagen zum Besuche nach Weimar gereist. Man spricht davon, daß er von dort einen Abstecher nach Berlin machen werde, wo unser Minister, Oberst Mosle, noch immer weilt. Rudolstadt 7. October. Gestern ging es hier sehr unruhig her. Gegen den Regierungsrath Hönniger ( ehemals Mitglied der Linken in der Nationalversammlung ) sollte eine Criminal- untersuchung eingeleitet werden wegen des bekannten Aufrufs, welcher von dem „Donnersberg“ ausgegangen und welchen Hön- niger mit unterschrieben und auch in Rudolstadt mit verbreitet haben soll. Die Fürstlich schwarzburgische Regierung hat deshalb ein Rechtsgutachten in Leipzig eingeholt und da dieses sich dafür aussprach, so begab sich gestern Morgen eine Regierungs- commission in die Behausung Hönnigers, um dort dessen Papiere mit Beschlag zu belegen und ihn darüber zu vernehmen. Die Commission erschien mit „sechs Mann Militär,“ und da das Publicum den näheren Zusammenhang nicht kannte, so ließen Einzelne sich verleiten, auf das Militär einzustürmen, sogar den Commissären mit Waffen zu drohen. Doch ging das Ganze noch mit ein wenig Blut und Verhaftung eines Excedenten ab, wäh- rend später Militär und Bürgerwehr gemeinschaftlich eine Wache vor dem Hause aufstellten. Hiesige Blätter theilen auch eine un- term 3. October an die Landstände gerichtete Petition des Schwarz- burger Bataillons mit, worin dasselbe, Recht und Genug- thuung fordernd, sich beschwert, daß der Regierungsrath Hön- niger am 30. September auf dem Wege nach Schaale mehrere Soldaten: „Jhr Hunde, an den rothen Kragen erkennt man euch Knechte!“ und in Schaale selbst, wo eben Kirchweih war, einen anderen Soldaten mit den Worten: „Fort, du rothkragiger Hund!“ aus dem Gasthofe auf die Straße gestoßen habe. Bernburg 13. October. Noch ein Stück Krähwinkelei! Der Landtag hat einstimmig das sogenannte Judenschutzgeld auf- gehoben. An Stelle desselben tritt für jüdische Handelsleute ein „Handelsgeld.“ Die Abgabe ist geblieben, es ist nur der anrüchige Name gefallen. Frankfurt 17. October. ( K. Z. ) Bekanntlich sind vor eini- gen Wochen und zwar wunderbarerweise gerade in dem Augen- blicke, wo die französische Regierung ihre Auslieferung nach Frankfurt endlich beschlossen hatte, die des Mordes von Lych- nowski und Auerswald bezüchtigten Jndividuen aus der Festung Verdun entflohen und über Belgien nach England ge- langt. So eben verbreitet sich hier die Nachricht, daß dieselben in England verhaftet sind. Wir würden also bei den demnächst zu eröffnenden Assisen vielleicht auch diesen Proceß schon verhan- delt sehen. Ueber die Anwesenheit des Staatsrathes Römer aus Stutt- gart in hiesiger Stadt, so wird der D. V. H. gemeldet, wird viel gesprochen. Man redet allgemein von einer wichtigen diplomati- schen Mission, die er habe. Jn wohlunterrichteten Kreisen wird nun versichert, dieselbe gehe dahin, bei dem Reichsministerium in so fern Protest gegen das neue Jnterim einzulegen, als dasselbe nicht vom Volke und den Regierungen, sondern nur von letzteren 1) Jn der That sehr „interessant“ für Deutschland, wenn wie- der zwei Regierungen und Stämme in Conflict miteinander gerathen!

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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 249. Mainz, 19. Oktober 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal249_1849/5>, abgerufen am 01.06.2024.