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Mainzer Journal. Nr. 255. Mainz, 26. Oktober 1849.

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[Beginn Spaltensatz] cher Blätter, als habe seine letzte Reise nach Frankfurt politische
Zwecke gehabt, daß dieselbe lediglich eine Erholungsreise gewesen
sey. Den Präsidenten des Reichsministeriums habe er in seinem
Leben noch nie gesehen, somit auch keine Conferenzen mit ihm
gehabt. Ebenso wenig habe er die Ehre gehabt, von dem Erzher-
zog Reichsverweser, der ohne Zweifel von seiner Anwesenheit in
Frankfurt keine Kenntniß hatte, empfangen oder gar zur Tafel
gezogen zu werden.

Karlsruhe 23. October. ( Fr. Z. ) Sicherem Vernehmen zu-
folge beabsichtigt die Regierung nunmehr auch das Mittel der
freiwilligen Auswanderung zu benützen, um den re-
volutionären Elementen einen Abzug aus dem Lande zu verschaf-
fen. Alle Personen, welche sich bei dem letzten Aufstande bethei-
ligt haben, aber minder gravirt sind, sollen gefragt werden, ob
sie noch in diesem Spätjahre etwa geneigt seyen, auszuwandern.
Dabei soll zugleich erhoben werden, wie viele Reisemittel diesel-
ben besitzen, ohne Zweifel in der Absicht, um Denjenigen, die
auszuwandern bereit sind, aber die Mittel dazu nicht haben, eine
Unterstützung aus der Staatscasse zukommen zu lassen.

sqrt Aus Darmstadt 24. October wird der "Deutschen Zeitung"
geschrieben: "Wohin man die Blicke lenkt, zeigt es sich, wie
wenig Lebens= und Entwickelungsfähigkeit unser Staat für sich in
sich trägt; die Erkenntniß drängt sich immer mächtiger uns auf,
daß die Rettung allein im Gelingen des "Bundesstaates" liegt,
unsere Blicke sind sehnsuchtsvoll auf den "Reichstag" gerichtet."
Jm Register der Gothaer steht also auch unser Großherzogthum
bereits als nicht mehr lebensfähig verzeichnet und Herr Reh
würde sich auf der Stelle in einen preußischen Geheimrath me-
diatisiren lassen! Jn anderen Zeiten hätte man Das Landesver-
rath geheißen, bei der jetzigen Begriffsverwirrung ist es blos
Sympathie für die "deutsche Sache!"

# Wiesbaden 23. October. Das Verordnungsblatt des
Herzogthums bringt uns endlich das Gesetz, die Organisation
der Centralbehörden betreffend. Die Centralverwaltung wird
hiernach in vier Abtheilungen getheilt: 1 ) für die Justiz, 2 ) für
das Jnnere, 3 ) für das Kriegswesen und 4 ) für die Finanzen.
Jede Abtheilung hat einen Präsidenten an ihrer Spitze. Einer
derselben, in der Regel der Präsident für die Abtheilung der
Justiz, führt in dem Gesammtministerium den Vorsitz. Diese
Ministerialvorstände, die Präsidenten oder Directoren der Ju-
stizcollegien, der Landesbank, der Rechnungskammer und der
Staatscassendirection beziehen eine Besoldung von 2000 fl.
Außerdem beziehen die Präsidenten der Ministerialabtheilungen
und der Präsident des Oberappellationsgerichtes einen Func-
tionsgehalt von 1000 fl. Die Directoren der Hofgerichte, der
Landesbank, der Rechnungskammer, der Staatscassendirection
einen solchen von 500 fl. Das Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1850
in Wirksamkeit. Mit diesem Tage werden das Staatsministerium
in seiner bisherigen Stellung und Zusammensetzung einschließlich
des demselben beigeordneten Staatsrathes, die Landesregierung,
das Generalcommando, die Generaldomainendirection und die Ge-
neralsteuerdirection aufgelöst und gehen die seitherigen Functionen
dieser Behörden an die neuen Centralverwaltungsstellen über.
Man sieht daher großen Versetzungen und Veränderungen unter
den Angestellten entgegen.

Aus allen Gegenden des Herzogthums, namentlich aber aus
der Gegend von Weilburg hört man von Raubanfällen. Es
wäre daher sehr zu wünschen, daß unsere Landjäger ( Gens-
darmen ) endlich in Wirksamkeit treten möchten, und wenigstens
die in Wiesbaden überzählig herumgehenden an die Orte ihrer
Bestimmung abgeschickt würden. -- Wie wir soeben aus guter
Quelle erfahren, befindet sich der alte Jtzstein schon seit einigen
Tagen auf seinem Gute zu Hallgarten im Rheingau.

# Wiesbaden 24. October. Gestern und heute standen
1 ) Julius Oppermann, Redacteur der "Freien Zeitung"
zu Wiesbaden, 24 Jahre alt, 2 ) Friedrich Frauenholz von
Homburg, 17 Jahre alt, Buchhändlerlehrling und 3 ) Christian
Limbarth, 24 Jahre alt, von Rambach bei Wiesbaden, Buch-
händlergehilfe zu Wiesbaden, angeklagt wegen Landes= und Hoch-
verrathes, vor den Assisen. Jn dem Anklageacte wird Julius
Oppermann und seine Mitangeklagten beschuldigt, aufrührerische,
zum bewaffneten Aufstande und zum Umsturze der bestehenden
Regierungen auffordernde Schriften namentlich unter den nas-
sauischen Soldaten verbreitet zu haben. Die vernommenen 24
Zeugen gehörten daher auch meistens dem Militärstande an. Fer-
ner wurde Angeklagter Oppermann beschuldigt, in vielen Num-
mern der von ihm redigirten "Freien Zeitung" ebenfalls zum
bewaffneten Aufstande gegen verrätherische Fürsten und Regie-
rungen aufgefordert und ferner Se. Majestät den König von
Preußen durch Schmähungen beleidigt zu haben, indem er den
König einen blutdürstigen Tyrannen genannt. Die Klage wurde
theils von der nassauischen Behörde aus eigenem Antriebe erho-
[Spaltenumbruch] ben, theils auf Betreiben der preußischen Behörde veranlaßt.
Die Verhandlungen wurden nach 8 Uhr Morgens eröffnet und
nachdem die Zeugen bis um 12 Uhr Mittags alle vernommen
waren, die Verhandlungen bis um 3 Uhr ausgesetzt. Um 3 Uhr
nahm der Staatsanwalt das Wort und endete seinen Vortrag
und Verlesung der betreffenden Artikel der "Freien Zeitung"
um 4 Uhr, worauf der Angeklagte Oppermann das Wort
zu seiner Vertheidigung bekam. Derselbe sprach ununterbrochen
bis 6 Uhr Abends, die Räume für die Zuhörer waren bis
zum Erdrücken voll und eine Hitze zum Ersticken; weswegen
der Gerichtshof zur Erholung eine Pause von einer halben
Stunde eintreten ließ, nach welcher Oppermann seine Verthei-
digungsrede fortsetzte bis 7 Uhr Abends, womit die Verhand-
lungen am ersten Tage geschlossen wurden. Nicht nur fast sämmt-
liche Demokraten Wiesbadens, sondern auch viele der Umgegend
vom Maine und Rheine ( auch das Rheingau war vertreten ) wa-
ren am zweiten Tage zugegen, wohl vertheilt in den Räumen,
um am Schlusse je nach dem Ausspruche der Geschworenen ihr
Mißfallen oder ihren Beifall von allen Seiten ertönen zu lassen.
Schon am ersten Tage des Morgens, als nach Verlesung des
Anklageactes der Staatsanwalt das Wort genommen, suchten die
Herren Demokraten dessen Vortrag durch absichtliches Husten und
Räuspern unverständlich zu machen, so daß der Präsident mit
der Schelle zur Ruhe mahnen mußte. Vor dem Beginne der
Mittagssitzung hatte derselbe daher den im Strafgesetzbuche wegen
Ruhestörung während der Assisenverhandlungen vorgesehenen
Artikel verlesen.

Was nun die Vertheidigungsrede des Angeklagten Opper-
mann betrifft, so glauben wir kann man dieselbe eine gelungene
nennen. Wohl berechnet für die bei weitem größere Mehrheit der
Zuhörer, so wie für die Geschworenen, wußte derselbe in einem
geläufigen und feurigen Vortrage, keine der ihm als Verbrechen
angeschuldigten Handlungen in Abrede stellend, die weniger gra-
virenden Anschuldigungen geschickt hervorzuheben und durch ver-
steckte Trugschlüsse als durchaus nicht strafbar darzustellen. Der
letzte Theil seiner Rede hatte die Anklage wegen Beleidigung des
Königs von Preußen zum Gegenstande. Derselbe gestand ein,
den König einen blutdürstigen Tyrannen genannt zu haben, und
suchte nun durch Thatsachen, wobei es freilich nicht auf Verdre-
hungen ankam, darzuthun, daß wenn er die Wahrheit habe be-
richten wollen, was er zu thun schuldig gewesen, er den König
von Preußen nicht anders habe nennen können; wenn man aber
von Jemanden die Wahrheit berichte, so könne, wenn diese Wahr-
heit auch unangenehm berühre, doch keine Beleidigung darin
gefunden werden. Was er damals behauptet, das behaupte er
auch heute noch. Der Angeklagte sprach also im Angesichte der
Richter die ihm angeschuldigte Majestätsbeleidigung wiederholt
aus! Die Rede des Vertheidigers Lang ( Landtags=Abgeordne-
ten ) war eine Fortsetzung der Oppermannischen, gleich geeignet
den weniger intelligenten Zuhörern und Geschworenen, wenn es
überhaupt noch nöthig war, Sand in die Augen zu streuen; der-
selbe warf der Staatsbehörde vor, wie sie Einzelne verfolge, wäh-
rend weit Schuldigere frei herumgingen, weil sie sich nicht an die-
selben wage; den Geschworenen suchte er verständlich zu machen,
daß, wenn sie das "Schuldig" aussprächen, sie sich selbst verurthei-
len würden. Lang endete seine Rede mit Vorlesung eines Zeitungs-
artikels, welcher über die Assisenverhandlungen in Gießen, nament-
lich die Freisprechung Scriba's berichtet und fordert die Geschwore-
nen auf ein Gleiches zu thun, was sie denn auch treulich be-
folgten, indem sie alle an sie gestellten Fragen mit "Nein" beant-
worteten, worauf der Assisenpräsident Trepka die Angeklagten
von der gegen sie erhobenen Anklage freisprach. Ein Bravo er-
scholl nun von allen Seiten aus voller Kehle. Auch Jsrael und
gesinnungstüchtige Dämchen fehlten nicht und gaben ihre Freude
über den Ausspruch der Geschworenen zu erkennen.

Jn Dillenburg wurden am 13. October Lorenz Keul
und Kaspar Keul von Hausen, herzogl. Amtes Hadamar, we-
gen Tödtung zu 25 Monaten Correctionshausstrafe und zur Ent-
schädigung der Wittwe des Getödteten, und am 17. October
Mathias Jung von Caden, Amtes Wallmerod, ebenfalls
wegen Tödtung zu sechs Jahren Correctionshausstrafe verur-
theilt. Sie sehen, es geht bei uns fast ebenso zu wie in Texas!

Frankfurt 25. October. Se. kaiserl. Hoheit der Erzherzog
Reichsverweser hat gestern nebst Familie eine Reise nach Belgien,
welche sich auf 10--12 Tage erstrecken wird, angetreten.

Frankreich.

*** Paris 24. October. Jn der heutigen wider Erwarten
ziemlich ruhigen Sitzung der Nationalversammlung wurde der
Vorschlag Cretons, den verbannten Prinzen aus den Häusern
von Bourbon und Orleans die Pforten des Vaterlandes wieder
zu eröffnen, wenn sie darum nachsuchten und im Lande als ein-
fache Bürger leben wollten, mit 484 gegen 103 Stimmen ver-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] cher Blätter, als habe seine letzte Reise nach Frankfurt politische
Zwecke gehabt, daß dieselbe lediglich eine Erholungsreise gewesen
sey. Den Präsidenten des Reichsministeriums habe er in seinem
Leben noch nie gesehen, somit auch keine Conferenzen mit ihm
gehabt. Ebenso wenig habe er die Ehre gehabt, von dem Erzher-
zog Reichsverweser, der ohne Zweifel von seiner Anwesenheit in
Frankfurt keine Kenntniß hatte, empfangen oder gar zur Tafel
gezogen zu werden.

Karlsruhe 23. October. ( Fr. Z. ) Sicherem Vernehmen zu-
folge beabsichtigt die Regierung nunmehr auch das Mittel der
freiwilligen Auswanderung zu benützen, um den re-
volutionären Elementen einen Abzug aus dem Lande zu verschaf-
fen. Alle Personen, welche sich bei dem letzten Aufstande bethei-
ligt haben, aber minder gravirt sind, sollen gefragt werden, ob
sie noch in diesem Spätjahre etwa geneigt seyen, auszuwandern.
Dabei soll zugleich erhoben werden, wie viele Reisemittel diesel-
ben besitzen, ohne Zweifel in der Absicht, um Denjenigen, die
auszuwandern bereit sind, aber die Mittel dazu nicht haben, eine
Unterstützung aus der Staatscasse zukommen zu lassen.

√ Aus Darmstadt 24. October wird der „Deutschen Zeitung“
geschrieben: „Wohin man die Blicke lenkt, zeigt es sich, wie
wenig Lebens= und Entwickelungsfähigkeit unser Staat für sich in
sich trägt; die Erkenntniß drängt sich immer mächtiger uns auf,
daß die Rettung allein im Gelingen des „Bundesstaates“ liegt,
unsere Blicke sind sehnsuchtsvoll auf den „Reichstag“ gerichtet.“
Jm Register der Gothaer steht also auch unser Großherzogthum
bereits als nicht mehr lebensfähig verzeichnet und Herr Reh
würde sich auf der Stelle in einen preußischen Geheimrath me-
diatisiren lassen! Jn anderen Zeiten hätte man Das Landesver-
rath geheißen, bei der jetzigen Begriffsverwirrung ist es blos
Sympathie für die „deutsche Sache!“

# Wiesbaden 23. October. Das Verordnungsblatt des
Herzogthums bringt uns endlich das Gesetz, die Organisation
der Centralbehörden betreffend. Die Centralverwaltung wird
hiernach in vier Abtheilungen getheilt: 1 ) für die Justiz, 2 ) für
das Jnnere, 3 ) für das Kriegswesen und 4 ) für die Finanzen.
Jede Abtheilung hat einen Präsidenten an ihrer Spitze. Einer
derselben, in der Regel der Präsident für die Abtheilung der
Justiz, führt in dem Gesammtministerium den Vorsitz. Diese
Ministerialvorstände, die Präsidenten oder Directoren der Ju-
stizcollegien, der Landesbank, der Rechnungskammer und der
Staatscassendirection beziehen eine Besoldung von 2000 fl.
Außerdem beziehen die Präsidenten der Ministerialabtheilungen
und der Präsident des Oberappellationsgerichtes einen Func-
tionsgehalt von 1000 fl. Die Directoren der Hofgerichte, der
Landesbank, der Rechnungskammer, der Staatscassendirection
einen solchen von 500 fl. Das Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1850
in Wirksamkeit. Mit diesem Tage werden das Staatsministerium
in seiner bisherigen Stellung und Zusammensetzung einschließlich
des demselben beigeordneten Staatsrathes, die Landesregierung,
das Generalcommando, die Generaldomainendirection und die Ge-
neralsteuerdirection aufgelöst und gehen die seitherigen Functionen
dieser Behörden an die neuen Centralverwaltungsstellen über.
Man sieht daher großen Versetzungen und Veränderungen unter
den Angestellten entgegen.

Aus allen Gegenden des Herzogthums, namentlich aber aus
der Gegend von Weilburg hört man von Raubanfällen. Es
wäre daher sehr zu wünschen, daß unsere Landjäger ( Gens-
darmen ) endlich in Wirksamkeit treten möchten, und wenigstens
die in Wiesbaden überzählig herumgehenden an die Orte ihrer
Bestimmung abgeschickt würden. — Wie wir soeben aus guter
Quelle erfahren, befindet sich der alte Jtzstein schon seit einigen
Tagen auf seinem Gute zu Hallgarten im Rheingau.

□ Wiesbaden 24. October. Gestern und heute standen
1 ) Julius Oppermann, Redacteur der „Freien Zeitung“
zu Wiesbaden, 24 Jahre alt, 2 ) Friedrich Frauenholz von
Homburg, 17 Jahre alt, Buchhändlerlehrling und 3 ) Christian
Limbarth, 24 Jahre alt, von Rambach bei Wiesbaden, Buch-
händlergehilfe zu Wiesbaden, angeklagt wegen Landes= und Hoch-
verrathes, vor den Assisen. Jn dem Anklageacte wird Julius
Oppermann und seine Mitangeklagten beschuldigt, aufrührerische,
zum bewaffneten Aufstande und zum Umsturze der bestehenden
Regierungen auffordernde Schriften namentlich unter den nas-
sauischen Soldaten verbreitet zu haben. Die vernommenen 24
Zeugen gehörten daher auch meistens dem Militärstande an. Fer-
ner wurde Angeklagter Oppermann beschuldigt, in vielen Num-
mern der von ihm redigirten „Freien Zeitung“ ebenfalls zum
bewaffneten Aufstande gegen verrätherische Fürsten und Regie-
rungen aufgefordert und ferner Se. Majestät den König von
Preußen durch Schmähungen beleidigt zu haben, indem er den
König einen blutdürstigen Tyrannen genannt. Die Klage wurde
theils von der nassauischen Behörde aus eigenem Antriebe erho-
[Spaltenumbruch] ben, theils auf Betreiben der preußischen Behörde veranlaßt.
Die Verhandlungen wurden nach 8 Uhr Morgens eröffnet und
nachdem die Zeugen bis um 12 Uhr Mittags alle vernommen
waren, die Verhandlungen bis um 3 Uhr ausgesetzt. Um 3 Uhr
nahm der Staatsanwalt das Wort und endete seinen Vortrag
und Verlesung der betreffenden Artikel der „Freien Zeitung“
um 4 Uhr, worauf der Angeklagte Oppermann das Wort
zu seiner Vertheidigung bekam. Derselbe sprach ununterbrochen
bis 6 Uhr Abends, die Räume für die Zuhörer waren bis
zum Erdrücken voll und eine Hitze zum Ersticken; weswegen
der Gerichtshof zur Erholung eine Pause von einer halben
Stunde eintreten ließ, nach welcher Oppermann seine Verthei-
digungsrede fortsetzte bis 7 Uhr Abends, womit die Verhand-
lungen am ersten Tage geschlossen wurden. Nicht nur fast sämmt-
liche Demokraten Wiesbadens, sondern auch viele der Umgegend
vom Maine und Rheine ( auch das Rheingau war vertreten ) wa-
ren am zweiten Tage zugegen, wohl vertheilt in den Räumen,
um am Schlusse je nach dem Ausspruche der Geschworenen ihr
Mißfallen oder ihren Beifall von allen Seiten ertönen zu lassen.
Schon am ersten Tage des Morgens, als nach Verlesung des
Anklageactes der Staatsanwalt das Wort genommen, suchten die
Herren Demokraten dessen Vortrag durch absichtliches Husten und
Räuspern unverständlich zu machen, so daß der Präsident mit
der Schelle zur Ruhe mahnen mußte. Vor dem Beginne der
Mittagssitzung hatte derselbe daher den im Strafgesetzbuche wegen
Ruhestörung während der Assisenverhandlungen vorgesehenen
Artikel verlesen.

Was nun die Vertheidigungsrede des Angeklagten Opper-
mann betrifft, so glauben wir kann man dieselbe eine gelungene
nennen. Wohl berechnet für die bei weitem größere Mehrheit der
Zuhörer, so wie für die Geschworenen, wußte derselbe in einem
geläufigen und feurigen Vortrage, keine der ihm als Verbrechen
angeschuldigten Handlungen in Abrede stellend, die weniger gra-
virenden Anschuldigungen geschickt hervorzuheben und durch ver-
steckte Trugschlüsse als durchaus nicht strafbar darzustellen. Der
letzte Theil seiner Rede hatte die Anklage wegen Beleidigung des
Königs von Preußen zum Gegenstande. Derselbe gestand ein,
den König einen blutdürstigen Tyrannen genannt zu haben, und
suchte nun durch Thatsachen, wobei es freilich nicht auf Verdre-
hungen ankam, darzuthun, daß wenn er die Wahrheit habe be-
richten wollen, was er zu thun schuldig gewesen, er den König
von Preußen nicht anders habe nennen können; wenn man aber
von Jemanden die Wahrheit berichte, so könne, wenn diese Wahr-
heit auch unangenehm berühre, doch keine Beleidigung darin
gefunden werden. Was er damals behauptet, das behaupte er
auch heute noch. Der Angeklagte sprach also im Angesichte der
Richter die ihm angeschuldigte Majestätsbeleidigung wiederholt
aus! Die Rede des Vertheidigers Lang ( Landtags=Abgeordne-
ten ) war eine Fortsetzung der Oppermannischen, gleich geeignet
den weniger intelligenten Zuhörern und Geschworenen, wenn es
überhaupt noch nöthig war, Sand in die Augen zu streuen; der-
selbe warf der Staatsbehörde vor, wie sie Einzelne verfolge, wäh-
rend weit Schuldigere frei herumgingen, weil sie sich nicht an die-
selben wage; den Geschworenen suchte er verständlich zu machen,
daß, wenn sie das „Schuldig“ aussprächen, sie sich selbst verurthei-
len würden. Lang endete seine Rede mit Vorlesung eines Zeitungs-
artikels, welcher über die Assisenverhandlungen in Gießen, nament-
lich die Freisprechung Scriba's berichtet und fordert die Geschwore-
nen auf ein Gleiches zu thun, was sie denn auch treulich be-
folgten, indem sie alle an sie gestellten Fragen mit „Nein“ beant-
worteten, worauf der Assisenpräsident Trepka die Angeklagten
von der gegen sie erhobenen Anklage freisprach. Ein Bravo er-
scholl nun von allen Seiten aus voller Kehle. Auch Jsrael und
gesinnungstüchtige Dämchen fehlten nicht und gaben ihre Freude
über den Ausspruch der Geschworenen zu erkennen.

Jn Dillenburg wurden am 13. October Lorenz Keul
und Kaspar Keul von Hausen, herzogl. Amtes Hadamar, we-
gen Tödtung zu 25 Monaten Correctionshausstrafe und zur Ent-
schädigung der Wittwe des Getödteten, und am 17. October
Mathias Jung von Caden, Amtes Wallmerod, ebenfalls
wegen Tödtung zu sechs Jahren Correctionshausstrafe verur-
theilt. Sie sehen, es geht bei uns fast ebenso zu wie in Texas!

Frankfurt 25. October. Se. kaiserl. Hoheit der Erzherzog
Reichsverweser hat gestern nebst Familie eine Reise nach Belgien,
welche sich auf 10—12 Tage erstrecken wird, angetreten.

Frankreich.

*** Paris 24. October. Jn der heutigen wider Erwarten
ziemlich ruhigen Sitzung der Nationalversammlung wurde der
Vorschlag Cretons, den verbannten Prinzen aus den Häusern
von Bourbon und Orleans die Pforten des Vaterlandes wieder
zu eröffnen, wenn sie darum nachsuchten und im Lande als ein-
fache Bürger leben wollten, mit 484 gegen 103 Stimmen ver-
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[0003] cher Blätter, als habe seine letzte Reise nach Frankfurt politische Zwecke gehabt, daß dieselbe lediglich eine Erholungsreise gewesen sey. Den Präsidenten des Reichsministeriums habe er in seinem Leben noch nie gesehen, somit auch keine Conferenzen mit ihm gehabt. Ebenso wenig habe er die Ehre gehabt, von dem Erzher- zog Reichsverweser, der ohne Zweifel von seiner Anwesenheit in Frankfurt keine Kenntniß hatte, empfangen oder gar zur Tafel gezogen zu werden. Karlsruhe 23. October. ( Fr. Z. ) Sicherem Vernehmen zu- folge beabsichtigt die Regierung nunmehr auch das Mittel der freiwilligen Auswanderung zu benützen, um den re- volutionären Elementen einen Abzug aus dem Lande zu verschaf- fen. Alle Personen, welche sich bei dem letzten Aufstande bethei- ligt haben, aber minder gravirt sind, sollen gefragt werden, ob sie noch in diesem Spätjahre etwa geneigt seyen, auszuwandern. Dabei soll zugleich erhoben werden, wie viele Reisemittel diesel- ben besitzen, ohne Zweifel in der Absicht, um Denjenigen, die auszuwandern bereit sind, aber die Mittel dazu nicht haben, eine Unterstützung aus der Staatscasse zukommen zu lassen. √ Aus Darmstadt 24. October wird der „Deutschen Zeitung“ geschrieben: „Wohin man die Blicke lenkt, zeigt es sich, wie wenig Lebens= und Entwickelungsfähigkeit unser Staat für sich in sich trägt; die Erkenntniß drängt sich immer mächtiger uns auf, daß die Rettung allein im Gelingen des „Bundesstaates“ liegt, unsere Blicke sind sehnsuchtsvoll auf den „Reichstag“ gerichtet.“ Jm Register der Gothaer steht also auch unser Großherzogthum bereits als nicht mehr lebensfähig verzeichnet und Herr Reh würde sich auf der Stelle in einen preußischen Geheimrath me- diatisiren lassen! Jn anderen Zeiten hätte man Das Landesver- rath geheißen, bei der jetzigen Begriffsverwirrung ist es blos Sympathie für die „deutsche Sache!“ # Wiesbaden 23. October. Das Verordnungsblatt des Herzogthums bringt uns endlich das Gesetz, die Organisation der Centralbehörden betreffend. Die Centralverwaltung wird hiernach in vier Abtheilungen getheilt: 1 ) für die Justiz, 2 ) für das Jnnere, 3 ) für das Kriegswesen und 4 ) für die Finanzen. Jede Abtheilung hat einen Präsidenten an ihrer Spitze. Einer derselben, in der Regel der Präsident für die Abtheilung der Justiz, führt in dem Gesammtministerium den Vorsitz. Diese Ministerialvorstände, die Präsidenten oder Directoren der Ju- stizcollegien, der Landesbank, der Rechnungskammer und der Staatscassendirection beziehen eine Besoldung von 2000 fl. Außerdem beziehen die Präsidenten der Ministerialabtheilungen und der Präsident des Oberappellationsgerichtes einen Func- tionsgehalt von 1000 fl. Die Directoren der Hofgerichte, der Landesbank, der Rechnungskammer, der Staatscassendirection einen solchen von 500 fl. Das Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1850 in Wirksamkeit. Mit diesem Tage werden das Staatsministerium in seiner bisherigen Stellung und Zusammensetzung einschließlich des demselben beigeordneten Staatsrathes, die Landesregierung, das Generalcommando, die Generaldomainendirection und die Ge- neralsteuerdirection aufgelöst und gehen die seitherigen Functionen dieser Behörden an die neuen Centralverwaltungsstellen über. Man sieht daher großen Versetzungen und Veränderungen unter den Angestellten entgegen. Aus allen Gegenden des Herzogthums, namentlich aber aus der Gegend von Weilburg hört man von Raubanfällen. Es wäre daher sehr zu wünschen, daß unsere Landjäger ( Gens- darmen ) endlich in Wirksamkeit treten möchten, und wenigstens die in Wiesbaden überzählig herumgehenden an die Orte ihrer Bestimmung abgeschickt würden. — Wie wir soeben aus guter Quelle erfahren, befindet sich der alte Jtzstein schon seit einigen Tagen auf seinem Gute zu Hallgarten im Rheingau. □ Wiesbaden 24. October. Gestern und heute standen 1 ) Julius Oppermann, Redacteur der „Freien Zeitung“ zu Wiesbaden, 24 Jahre alt, 2 ) Friedrich Frauenholz von Homburg, 17 Jahre alt, Buchhändlerlehrling und 3 ) Christian Limbarth, 24 Jahre alt, von Rambach bei Wiesbaden, Buch- händlergehilfe zu Wiesbaden, angeklagt wegen Landes= und Hoch- verrathes, vor den Assisen. Jn dem Anklageacte wird Julius Oppermann und seine Mitangeklagten beschuldigt, aufrührerische, zum bewaffneten Aufstande und zum Umsturze der bestehenden Regierungen auffordernde Schriften namentlich unter den nas- sauischen Soldaten verbreitet zu haben. Die vernommenen 24 Zeugen gehörten daher auch meistens dem Militärstande an. Fer- ner wurde Angeklagter Oppermann beschuldigt, in vielen Num- mern der von ihm redigirten „Freien Zeitung“ ebenfalls zum bewaffneten Aufstande gegen verrätherische Fürsten und Regie- rungen aufgefordert und ferner Se. Majestät den König von Preußen durch Schmähungen beleidigt zu haben, indem er den König einen blutdürstigen Tyrannen genannt. Die Klage wurde theils von der nassauischen Behörde aus eigenem Antriebe erho- ben, theils auf Betreiben der preußischen Behörde veranlaßt. Die Verhandlungen wurden nach 8 Uhr Morgens eröffnet und nachdem die Zeugen bis um 12 Uhr Mittags alle vernommen waren, die Verhandlungen bis um 3 Uhr ausgesetzt. Um 3 Uhr nahm der Staatsanwalt das Wort und endete seinen Vortrag und Verlesung der betreffenden Artikel der „Freien Zeitung“ um 4 Uhr, worauf der Angeklagte Oppermann das Wort zu seiner Vertheidigung bekam. Derselbe sprach ununterbrochen bis 6 Uhr Abends, die Räume für die Zuhörer waren bis zum Erdrücken voll und eine Hitze zum Ersticken; weswegen der Gerichtshof zur Erholung eine Pause von einer halben Stunde eintreten ließ, nach welcher Oppermann seine Verthei- digungsrede fortsetzte bis 7 Uhr Abends, womit die Verhand- lungen am ersten Tage geschlossen wurden. Nicht nur fast sämmt- liche Demokraten Wiesbadens, sondern auch viele der Umgegend vom Maine und Rheine ( auch das Rheingau war vertreten ) wa- ren am zweiten Tage zugegen, wohl vertheilt in den Räumen, um am Schlusse je nach dem Ausspruche der Geschworenen ihr Mißfallen oder ihren Beifall von allen Seiten ertönen zu lassen. Schon am ersten Tage des Morgens, als nach Verlesung des Anklageactes der Staatsanwalt das Wort genommen, suchten die Herren Demokraten dessen Vortrag durch absichtliches Husten und Räuspern unverständlich zu machen, so daß der Präsident mit der Schelle zur Ruhe mahnen mußte. Vor dem Beginne der Mittagssitzung hatte derselbe daher den im Strafgesetzbuche wegen Ruhestörung während der Assisenverhandlungen vorgesehenen Artikel verlesen. Was nun die Vertheidigungsrede des Angeklagten Opper- mann betrifft, so glauben wir kann man dieselbe eine gelungene nennen. Wohl berechnet für die bei weitem größere Mehrheit der Zuhörer, so wie für die Geschworenen, wußte derselbe in einem geläufigen und feurigen Vortrage, keine der ihm als Verbrechen angeschuldigten Handlungen in Abrede stellend, die weniger gra- virenden Anschuldigungen geschickt hervorzuheben und durch ver- steckte Trugschlüsse als durchaus nicht strafbar darzustellen. Der letzte Theil seiner Rede hatte die Anklage wegen Beleidigung des Königs von Preußen zum Gegenstande. Derselbe gestand ein, den König einen blutdürstigen Tyrannen genannt zu haben, und suchte nun durch Thatsachen, wobei es freilich nicht auf Verdre- hungen ankam, darzuthun, daß wenn er die Wahrheit habe be- richten wollen, was er zu thun schuldig gewesen, er den König von Preußen nicht anders habe nennen können; wenn man aber von Jemanden die Wahrheit berichte, so könne, wenn diese Wahr- heit auch unangenehm berühre, doch keine Beleidigung darin gefunden werden. Was er damals behauptet, das behaupte er auch heute noch. Der Angeklagte sprach also im Angesichte der Richter die ihm angeschuldigte Majestätsbeleidigung wiederholt aus! Die Rede des Vertheidigers Lang ( Landtags=Abgeordne- ten ) war eine Fortsetzung der Oppermannischen, gleich geeignet den weniger intelligenten Zuhörern und Geschworenen, wenn es überhaupt noch nöthig war, Sand in die Augen zu streuen; der- selbe warf der Staatsbehörde vor, wie sie Einzelne verfolge, wäh- rend weit Schuldigere frei herumgingen, weil sie sich nicht an die- selben wage; den Geschworenen suchte er verständlich zu machen, daß, wenn sie das „Schuldig“ aussprächen, sie sich selbst verurthei- len würden. Lang endete seine Rede mit Vorlesung eines Zeitungs- artikels, welcher über die Assisenverhandlungen in Gießen, nament- lich die Freisprechung Scriba's berichtet und fordert die Geschwore- nen auf ein Gleiches zu thun, was sie denn auch treulich be- folgten, indem sie alle an sie gestellten Fragen mit „Nein“ beant- worteten, worauf der Assisenpräsident Trepka die Angeklagten von der gegen sie erhobenen Anklage freisprach. Ein Bravo er- scholl nun von allen Seiten aus voller Kehle. Auch Jsrael und gesinnungstüchtige Dämchen fehlten nicht und gaben ihre Freude über den Ausspruch der Geschworenen zu erkennen. Jn Dillenburg wurden am 13. October Lorenz Keul und Kaspar Keul von Hausen, herzogl. Amtes Hadamar, we- gen Tödtung zu 25 Monaten Correctionshausstrafe und zur Ent- schädigung der Wittwe des Getödteten, und am 17. October Mathias Jung von Caden, Amtes Wallmerod, ebenfalls wegen Tödtung zu sechs Jahren Correctionshausstrafe verur- theilt. Sie sehen, es geht bei uns fast ebenso zu wie in Texas! Frankfurt 25. October. Se. kaiserl. Hoheit der Erzherzog Reichsverweser hat gestern nebst Familie eine Reise nach Belgien, welche sich auf 10—12 Tage erstrecken wird, angetreten. Frankreich. *** Paris 24. October. Jn der heutigen wider Erwarten ziemlich ruhigen Sitzung der Nationalversammlung wurde der Vorschlag Cretons, den verbannten Prinzen aus den Häusern von Bourbon und Orleans die Pforten des Vaterlandes wieder zu eröffnen, wenn sie darum nachsuchten und im Lande als ein- fache Bürger leben wollten, mit 484 gegen 103 Stimmen ver-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 255. Mainz, 26. Oktober 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal255_1849/3>, abgerufen am 01.06.2024.