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Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 14. Prag, 1836.

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Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] eine Meile lang ist. Sie reisen der Hitze wegen meist
sehr früh. Da jeder Mohamedaner in seinem Leben
wenigstens einmal das Grab Mohamed's besuchen
muß, so gehen jährlich von mehreren Sammelplätzen
Caravanen nach Mekka. Der Anführer einer sol-
chen Mekkacaravane, der einiges Geschütz zur Be-
deckung mit sich führt, wird Emir Adge genannt.
Handlungscaravanen erwählen sich aus ihrer Mitte
einen Oberbefehlshaber, welchen sie Caravan = Baschi
nennen. Unser heutiges Bild zeigt eine Gruppe von
Arabern, welche sich bei der Mittagsruhe von der
übrigen Caravane abgesondert, und Erholung von
der Anstrengung einer solchen Reise in den glühen-
den Climaten zu suchen scheinen.     C.



Die Kunst reich zu werden.

Vor hundert Jahren lebte zu Paris ein Mann
mit Namen Vandille, der sich durch seine Reich-
thümer und durch seinen beispiellosen Geiz so merk-
würdig gemacht hat, daß man heute noch von ihm
zu erzählen weiß. Er wohnte im obersten Stockwerk
eines Hauses, und die Treppen, welche zu ihm führ-
ten, betrat gewiß Niemand gern: er erreichte dadurch
die edle Absicht, sich von allen Besuchen und Zusprü-
chen befreit zu sehen. Zu seiner Aufwärterin hatte
er ein altes Weib gedungen, dem er wöchentlich 7
Sous ( täglich 3 Pfennige ) gab. Seine gewöhnliche
Speise war Brot und Milch, und zur Erquickung
des Sonntags ein Glas elenden, wohlfeilen Weins,
der kaum zu genießen war. Doch muß ihm nach-
gerühmt werden, daß er sonntäglich auch die Armen
bedachte und ihnen jedesmal zwei Pfennige, also
jährlich in Summa acht Groschen und acht Pfennige
reichte. Dieser musterhafte Haushälter war früher
eine beamtete Person beim Magistrat zu Boulogne
gewesen, und von dort nach Paris übersetzt wor-
den, weil der Ruf seines Reichthums die Aufmerk-
samkeit auf ihn gezogen hatte, was ganz natürlich
zuging, da er seine Kapitalien stets bei öffentlichen
Staats = Etablissements anlegte, und für keinen Preis
sich einer Privatperson anvertraut haben würde,
weswegen er denn auch lieber auf allen Umgang
und allen sogenannten Freundschaftsgenuß gänzlich
Verzicht leistete. Bei seiner Anstellung in Boulogne
hatte er es auf eine schlaue Weise dahin zu bringen
gewußt, daß, angeblich zum Besten des Publikums,
ein öffentlicher Milchkoster auf dem Markte bestellt
werden mußte, welcher die, in großen Quantitäten
vom Lande in die Stadt gebrachte Milch zu kosten,
und die Güte derselben zu prüfen hatte, ein Amt,
zu dessen Uebernahme er sich natürlich selbst bereit
erklärte, und dabei den Vortheil gewann, daß er
fernerweit seinen Milchbedarf nicht mehr zu bezahlen
brauchte, indem er dergestalt zu kosten wußte, daß
er blos sein Brot dabei zu genießen brauchte. --
Als er den Ruf nach Paris erhielt, berechnete er,
daß ihm das Fuhrwerk unnöthige Kosten verursachen
würde, und beschloß daher, seine Reise lieber zu Fuß
zu machen, auch, um nicht bestohlen werden zu kön-
nen, weder mehr noch weniger als zwei Sous bei
sich zu führen, und übrigens in einem alten Pilger-
kleide zu wandern, um auf diese Weise das Mitleid
gutmüthiger Menschen in Anspruch zu nehmen. Es
gelang ihm auch wirklich, diese Reise von hundert
und dreißig französischen Meilen mit der genannten
Baarschaft zurückzulegen. -- Jm Jahre 1735 im
[Spaltenumbruch] zwei und siebenzigsten seines Alters, soll er mehrere
Millionen Livres besessen haben, die er seit seinem
sechzehnten Jahre mit einem ursprünglichen Fond
von einem halben Gulden, nach und nach zusammen-
gekargt hatte. Jn diesem seinen zwei und siebzigsten
Lebensjahre gewahrte er an einem heißen Sommer-
tage einen armen Bauer, der Holzbündel feilhielt
und sehr betrübt war, weil Niemand kaufen wollte.
Schnell erwachte der Spekulationsgeist in ihm, er
beschied den armen Mann vor seine Thür, handelte
ihm einen Theil der Ladung um einen unverant-
wortlich niedrigen Preis ab, stahl aber dem Betrüb-
ten, während dieser die erkaufte Quantität auch noch
hinauf unter das Dach schleppen mußte, mehrere
Bündel heimlich hinweg, und trug sie, bei starker
Erhitzung, in ein sehr kaltes und dumpfes Kellerloch,
wodurch er sich ein heftiges Fieber zuzog. Zum
ersten Mal in seinem Leben schickte er nun zu einem
Wundarzt, welcher ihm Blut lassen sollte; allein er
entließ ihn auch auf der Stelle wieder, da der Mann
so gewissenlos war, für seine Operation die uner-
hörte Summe von -- einem halben Livre zu fordern.
Nun ward ein Anderer gerufen, und dieser verlangte
noch einmal so viel; das brachte den Kranken in
Harnisch, und der Gerufene wurde, mit einer don-
nernden Vermahnung wegen seiner beispiellosen Un-
billigkeit zurückgeschickt. Endlich erklärte sich ein
Barbiergeselle bereit, da ein dreimaliges Blutlassen
nöthig seyn würde, ihm die Ader jedesmal für acht
Pfennige zu öffnen. Das war der Patient zufrie-
den. "Aber -- fragte der treffliche Oekonom, --
wie viel Blut will er mir denn jedesmal abnehmen,
Freund?" -- Acht Unzen, war die Antwort. --
"Gut -- sagte Vandille -- so wird er wohlthun,
mir gleich vier und zwanzig Unzen auf einmal ab-
zulassen; ich sehe nicht ein, warum ich nicht sechzehn
Pfennige ersparen soll?" Sein Wille geschah, die
vier und zwanzig Unzen wurden ihm auf einmal
genommen; die Krankheit wurde gefährlich, und
nach zwei Tagen war er todt. -- Sein Erbe war
-- der König, denn diesen hatte der weise Mann
durch testamentliche Verfügung dazu ernannt. L.



Prag.
( Beschluß. )

Die wichtigsten Bibliotheken sind, nebst der k. k.
Universitäts=Bibliothek, die jährlich vermehrt
und ergänzt wird, und zum allgemeinen Gebrauch
eröffnet ist, die Büchersammlung des Stra-
höfer Klosters
und die Bibliothek und das
Archiv des Domkapitels.
Auch unter dem Adel
und den gebildeten Privatpersonen finden sich Bü-
cher = und Gemälde = Sammlungen von bedeutendem
Umfang, von den letztern ist vorzüglich die No-
stitz 'sche
Gemäldegalerie von hohem Werth.

Die erste Bildungsanstalt der männlichen Ju-
gend ist die Karl=Ferdinands-Universität, merk-
würdig durch ihren ersten Gründer Karl IV., die-
sen großen Wohlthäter Böhmens, durch ihr Alter-
thum, ihre Schicksale und ihren seit Jahrhunderten
behaupteten Ruhm. Vorbereitungsanstalten zu der-
selben sind die Pfarrschulen, die Hauptmu-
sterschule
und die Gymnasien, deren letztern
wir drei besitzen. Auch die böhmischen Stände un-
terhalten nebst dem polytechnischen Jnstitute
[Ende Spaltensatz]

Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] eine Meile lang ist. Sie reisen der Hitze wegen meist
sehr früh. Da jeder Mohamedaner in seinem Leben
wenigstens einmal das Grab Mohamed's besuchen
muß, so gehen jährlich von mehreren Sammelplätzen
Caravanen nach Mekka. Der Anführer einer sol-
chen Mekkacaravane, der einiges Geschütz zur Be-
deckung mit sich führt, wird Emir Adge genannt.
Handlungscaravanen erwählen sich aus ihrer Mitte
einen Oberbefehlshaber, welchen sie Caravan = Baschi
nennen. Unser heutiges Bild zeigt eine Gruppe von
Arabern, welche sich bei der Mittagsruhe von der
übrigen Caravane abgesondert, und Erholung von
der Anstrengung einer solchen Reise in den glühen-
den Climaten zu suchen scheinen.     C.



Die Kunst reich zu werden.

Vor hundert Jahren lebte zu Paris ein Mann
mit Namen Vandille, der sich durch seine Reich-
thümer und durch seinen beispiellosen Geiz so merk-
würdig gemacht hat, daß man heute noch von ihm
zu erzählen weiß. Er wohnte im obersten Stockwerk
eines Hauses, und die Treppen, welche zu ihm führ-
ten, betrat gewiß Niemand gern: er erreichte dadurch
die edle Absicht, sich von allen Besuchen und Zusprü-
chen befreit zu sehen. Zu seiner Aufwärterin hatte
er ein altes Weib gedungen, dem er wöchentlich 7
Sous ( täglich 3 Pfennige ) gab. Seine gewöhnliche
Speise war Brot und Milch, und zur Erquickung
des Sonntags ein Glas elenden, wohlfeilen Weins,
der kaum zu genießen war. Doch muß ihm nach-
gerühmt werden, daß er sonntäglich auch die Armen
bedachte und ihnen jedesmal zwei Pfennige, also
jährlich in Summa acht Groschen und acht Pfennige
reichte. Dieser musterhafte Haushälter war früher
eine beamtete Person beim Magistrat zu Boulogne
gewesen, und von dort nach Paris übersetzt wor-
den, weil der Ruf seines Reichthums die Aufmerk-
samkeit auf ihn gezogen hatte, was ganz natürlich
zuging, da er seine Kapitalien stets bei öffentlichen
Staats = Etablissements anlegte, und für keinen Preis
sich einer Privatperson anvertraut haben würde,
weswegen er denn auch lieber auf allen Umgang
und allen sogenannten Freundschaftsgenuß gänzlich
Verzicht leistete. Bei seiner Anstellung in Boulogne
hatte er es auf eine schlaue Weise dahin zu bringen
gewußt, daß, angeblich zum Besten des Publikums,
ein öffentlicher Milchkoster auf dem Markte bestellt
werden mußte, welcher die, in großen Quantitäten
vom Lande in die Stadt gebrachte Milch zu kosten,
und die Güte derselben zu prüfen hatte, ein Amt,
zu dessen Uebernahme er sich natürlich selbst bereit
erklärte, und dabei den Vortheil gewann, daß er
fernerweit seinen Milchbedarf nicht mehr zu bezahlen
brauchte, indem er dergestalt zu kosten wußte, daß
er blos sein Brot dabei zu genießen brauchte. —
Als er den Ruf nach Paris erhielt, berechnete er,
daß ihm das Fuhrwerk unnöthige Kosten verursachen
würde, und beschloß daher, seine Reise lieber zu Fuß
zu machen, auch, um nicht bestohlen werden zu kön-
nen, weder mehr noch weniger als zwei Sous bei
sich zu führen, und übrigens in einem alten Pilger-
kleide zu wandern, um auf diese Weise das Mitleid
gutmüthiger Menschen in Anspruch zu nehmen. Es
gelang ihm auch wirklich, diese Reise von hundert
und dreißig französischen Meilen mit der genannten
Baarschaft zurückzulegen. — Jm Jahre 1735 im
[Spaltenumbruch] zwei und siebenzigsten seines Alters, soll er mehrere
Millionen Livres besessen haben, die er seit seinem
sechzehnten Jahre mit einem ursprünglichen Fond
von einem halben Gulden, nach und nach zusammen-
gekargt hatte. Jn diesem seinen zwei und siebzigsten
Lebensjahre gewahrte er an einem heißen Sommer-
tage einen armen Bauer, der Holzbündel feilhielt
und sehr betrübt war, weil Niemand kaufen wollte.
Schnell erwachte der Spekulationsgeist in ihm, er
beschied den armen Mann vor seine Thür, handelte
ihm einen Theil der Ladung um einen unverant-
wortlich niedrigen Preis ab, stahl aber dem Betrüb-
ten, während dieser die erkaufte Quantität auch noch
hinauf unter das Dach schleppen mußte, mehrere
Bündel heimlich hinweg, und trug sie, bei starker
Erhitzung, in ein sehr kaltes und dumpfes Kellerloch,
wodurch er sich ein heftiges Fieber zuzog. Zum
ersten Mal in seinem Leben schickte er nun zu einem
Wundarzt, welcher ihm Blut lassen sollte; allein er
entließ ihn auch auf der Stelle wieder, da der Mann
so gewissenlos war, für seine Operation die uner-
hörte Summe von — einem halben Livre zu fordern.
Nun ward ein Anderer gerufen, und dieser verlangte
noch einmal so viel; das brachte den Kranken in
Harnisch, und der Gerufene wurde, mit einer don-
nernden Vermahnung wegen seiner beispiellosen Un-
billigkeit zurückgeschickt. Endlich erklärte sich ein
Barbiergeselle bereit, da ein dreimaliges Blutlassen
nöthig seyn würde, ihm die Ader jedesmal für acht
Pfennige zu öffnen. Das war der Patient zufrie-
den. „Aber — fragte der treffliche Oekonom, —
wie viel Blut will er mir denn jedesmal abnehmen,
Freund?“ — Acht Unzen, war die Antwort. —
„Gut — sagte Vandille — so wird er wohlthun,
mir gleich vier und zwanzig Unzen auf einmal ab-
zulassen; ich sehe nicht ein, warum ich nicht sechzehn
Pfennige ersparen soll?“ Sein Wille geschah, die
vier und zwanzig Unzen wurden ihm auf einmal
genommen; die Krankheit wurde gefährlich, und
nach zwei Tagen war er todt. — Sein Erbe war
— der König, denn diesen hatte der weise Mann
durch testamentliche Verfügung dazu ernannt. L.



Prag.
( Beschluß. )

Die wichtigsten Bibliotheken sind, nebst der k. k.
Universitäts=Bibliothek, die jährlich vermehrt
und ergänzt wird, und zum allgemeinen Gebrauch
eröffnet ist, die Büchersammlung des Stra-
höfer Klosters
und die Bibliothek und das
Archiv des Domkapitels.
Auch unter dem Adel
und den gebildeten Privatpersonen finden sich Bü-
cher = und Gemälde = Sammlungen von bedeutendem
Umfang, von den letztern ist vorzüglich die No-
stitz 'sche
Gemäldegalerie von hohem Werth.

Die erste Bildungsanstalt der männlichen Ju-
gend ist die Karl=Ferdinands-Universität, merk-
würdig durch ihren ersten Gründer Karl IV., die-
sen großen Wohlthäter Böhmens, durch ihr Alter-
thum, ihre Schicksale und ihren seit Jahrhunderten
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selben sind die Pfarrschulen, die Hauptmu-
sterschule
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wir drei besitzen. Auch die böhmischen Stände un-
terhalten nebst dem polytechnischen Jnstitute
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Er wohnte im obersten Stockwerk eines Hauses, und die Treppen, welche zu ihm führ- ten, betrat gewiß Niemand gern: er erreichte dadurch die edle Absicht, sich von allen Besuchen und Zusprü- chen befreit zu sehen. Zu seiner Aufwärterin hatte er ein altes Weib gedungen, dem er wöchentlich 7 Sous ( täglich 3 Pfennige ) gab. Seine gewöhnliche Speise war Brot und Milch, und zur Erquickung des Sonntags ein Glas elenden, wohlfeilen Weins, der kaum zu genießen war. Doch muß ihm nach- gerühmt werden, daß er sonntäglich auch die Armen bedachte und ihnen jedesmal zwei Pfennige, also jährlich in Summa acht Groschen und acht Pfennige reichte. Dieser musterhafte Haushälter war früher eine beamtete Person beim Magistrat zu Boulogne gewesen, und von dort nach Paris übersetzt wor- den, weil der Ruf seines Reichthums die Aufmerk- samkeit auf ihn gezogen hatte, was ganz natürlich zuging, da er seine Kapitalien stets bei öffentlichen Staats = Etablissements anlegte, und für keinen Preis sich einer Privatperson anvertraut haben würde, weswegen er denn auch lieber auf allen Umgang und allen sogenannten Freundschaftsgenuß gänzlich Verzicht leistete. 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Es gelang ihm auch wirklich, diese Reise von hundert und dreißig französischen Meilen mit der genannten Baarschaft zurückzulegen. — Jm Jahre 1735 im zwei und siebenzigsten seines Alters, soll er mehrere Millionen Livres besessen haben, die er seit seinem sechzehnten Jahre mit einem ursprünglichen Fond von einem halben Gulden, nach und nach zusammen- gekargt hatte. Jn diesem seinen zwei und siebzigsten Lebensjahre gewahrte er an einem heißen Sommer- tage einen armen Bauer, der Holzbündel feilhielt und sehr betrübt war, weil Niemand kaufen wollte. Schnell erwachte der Spekulationsgeist in ihm, er beschied den armen Mann vor seine Thür, handelte ihm einen Theil der Ladung um einen unverant- wortlich niedrigen Preis ab, stahl aber dem Betrüb- ten, während dieser die erkaufte Quantität auch noch hinauf unter das Dach schleppen mußte, mehrere Bündel heimlich hinweg, und trug sie, bei starker Erhitzung, in ein sehr kaltes und dumpfes Kellerloch, wodurch er sich ein heftiges Fieber zuzog. Zum ersten Mal in seinem Leben schickte er nun zu einem Wundarzt, welcher ihm Blut lassen sollte; allein er entließ ihn auch auf der Stelle wieder, da der Mann so gewissenlos war, für seine Operation die uner- hörte Summe von — einem halben Livre zu fordern. Nun ward ein Anderer gerufen, und dieser verlangte noch einmal so viel; das brachte den Kranken in Harnisch, und der Gerufene wurde, mit einer don- nernden Vermahnung wegen seiner beispiellosen Un- billigkeit zurückgeschickt. Endlich erklärte sich ein Barbiergeselle bereit, da ein dreimaliges Blutlassen nöthig seyn würde, ihm die Ader jedesmal für acht Pfennige zu öffnen. Das war der Patient zufrie- den. „Aber — fragte der treffliche Oekonom, — wie viel Blut will er mir denn jedesmal abnehmen, Freund?“ — Acht Unzen, war die Antwort. — „Gut — sagte Vandille — so wird er wohlthun, mir gleich vier und zwanzig Unzen auf einmal ab- zulassen; ich sehe nicht ein, warum ich nicht sechzehn Pfennige ersparen soll?“ Sein Wille geschah, die vier und zwanzig Unzen wurden ihm auf einmal genommen; die Krankheit wurde gefährlich, und nach zwei Tagen war er todt. — Sein Erbe war — der König, denn diesen hatte der weise Mann durch testamentliche Verfügung dazu ernannt. L. Prag. ( Beschluß. ) Die wichtigsten Bibliotheken sind, nebst der k. k. Universitäts=Bibliothek, die jährlich vermehrt und ergänzt wird, und zum allgemeinen Gebrauch eröffnet ist, die Büchersammlung des Stra- höfer Klosters und die Bibliothek und das Archiv des Domkapitels. Auch unter dem Adel und den gebildeten Privatpersonen finden sich Bü- cher = und Gemälde = Sammlungen von bedeutendem Umfang, von den letztern ist vorzüglich die No- stitz 'sche Gemäldegalerie von hohem Werth. Die erste Bildungsanstalt der männlichen Ju- gend ist die Karl=Ferdinands-Universität, merk- würdig durch ihren ersten Gründer Karl IV., die- sen großen Wohlthäter Böhmens, durch ihr Alter- thum, ihre Schicksale und ihren seit Jahrhunderten behaupteten Ruhm. Vorbereitungsanstalten zu der- selben sind die Pfarrschulen, die Hauptmu- sterschule und die Gymnasien, deren letztern wir drei besitzen. Auch die böhmischen Stände un- terhalten nebst dem polytechnischen Jnstitute

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Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 14. Prag, 1836, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama14_1836/5>, abgerufen am 01.06.2024.