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Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 176. Leipzig (Sachsen), 13. August 1836.

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Das Pfennig=Magazin.
[Beginn Spaltensatz] Zoll lange und ungefähr vier Zoll breite Blätter. Die
Frucht ist der Wallnuß ähnlich und enthält einen ein-
fachen oder doppelten nußartigen Kern. Aus dem
Stamme fließt, wenn man einen Einschnitt macht,
reichlich ein milder und nährender Saft. "Es sind
hier nicht", sagt Humboldt, "die feierlichen Schatten der
Wälder, der majestätische Lauf der Ströme, die mit
ewigem Schnee bedeckten Berge, was unser Gemüth
aufregt. Einige Tropfen eines Pflanzensaftes erinnern
uns an die Allmacht und Fruchtbarkeit der Natur.
Auf einem nackten Felsenvorsprunge sehen wir einen
Baum, dessen große Wurzeln kaum in den harten
Boden dringen können, und dessen trockene Blätter
mehre Monate hindurch kein Regen befeuchtet. Seine
Zweige scheinen abgestorben zu sein, aber aus dem ver-
letzten Stamme fließt, besonders bei Sonnenaufgang,
eine süße nahrhafte Milch. Dann sieht man die Neger
und Jndianer aus allen Gegenden mit großen Näpfen
herbeieilen, um Milch zu holen. Einige leeren sie gleich
unter dem Baume aus, andere bringen sie nach Hause."
Die Milch ist ziemlich dick, ohne alle Herbheit, und
von balsamischem Geruche, nur wegen ihrer leimigen
Eigenschaft etwas unangenehm. Die Neger und die
armen Arbeiter in den Pflanzungen finden darin
ein Hauptnahrungsmittel. Man genießt sie mit den
Wurzeln der Cassava oder mit Mais, und in der
Jahreszeit, wo sie am reichlichsten fließt, haben die
Neger ein wohlgenährtes Ansehen. Nicht blos aber in
seinem Äußern und im Geschmacke gleicht dieser Saft der
Thiermilch, sondern auch in dem Umstande, daß er, der Luft
ausgesetzt, eine Substanz absondert, welchedem Käse ähn-
lich ist und von den Eingeborenen auch so genannt wird.

Dieser merkwürdige Baum ist nicht blos auf
den schmalen Küstenstrich, wo Humboldt ihn fand, be-
schränkt, denn wie schon alte Überlieferungen andeu-
ten, war er den Mexicanern nicht unbekannt, und
angestellte Erkundigungen haben es bestätigt, daß ver-
schiedene Arten dieses Baumes in den Wäldern Mexicos
wachsen, besonders in den ausgedehnten feuchten Wäl-
dern der Provinzen Choco und Popayan. Ebenso findet
man in den Wäldern bei Ysconde in Choco drei Bäu-
me, welche die Eingeborenen Liria, Popa und Sande
nennen. Sie geben eine ebenso nahrhafte Milch als
der Kuhbaum in Venezuela, welche ebenfalls den ärmern
Volksclassen zur Nahrung dient. Die Wohlhabenden
benutzen sie wegen ihrer Klebrigkeit statt des Vogel-
leims bei Fangen der Papagaien. Der Sande, der
dem Kuhbaum in Venezuela im Äußern am ähnlichsten
ist, gibt eine reichliche, aber dünnere, bläuliche, minder
wohlschmeckende, daher nicht zur Nahrung dienende
Milch. Der Sonne ausgesetzt, verdickt sie zu einem
schwärzlichen Gummi, dem man arzneiliche Eigenschaf-
ten zuschreibt. Der Liriabaum ist dem Kuhbaum ganz
ähnlich. Der Popabaum gibt eine reichliche, süße und
gewürzhafte Milch, dick wie guter Rahm und blendend
weiß. Sie vermischt sich leicht mit Wasser oder Brannt-
wein und gibt mit beiden ein angenehmes Getränk.
Jn der Jahreszeit, wo sie am reichlichsten fließt, ist
sie auch hier die Hauptnahrung der Eingeborenen, und
selbst den Jaguar treibt sein Jnstinct, die Rinde mit
seinen Klauen aufzureißen, um sich an dem heraus-
tröpfelnden Safte zu laben.



Die Rechnenorgel.

Mehre ausgezeichnete Mathematiker und Mechaniker
haben sich, um eine der anstrengendsten und ermüden-
sten Geistesbeschäftigungen, das Rechnen, zu erleichtern,
[Spaltenumbruch] mit der Verfertigung von Rechnenmaschinen beschäftigt.
Die erste solche Maschine erfand der bekannte franzö-
sische Schriftsteller Pascal, welche später von dem nicht
weniger berühmten Philosophen Diderot verbessert wurde;
eine andere verfertigte der Mechaniker Thomas von Col-
mar, eine dritte 1820 der Jtaliener Palmarini in
Piemont, und ungefähr gleichzeitig eine andere der aus-
gezeichnete englische Mathematiker Babbage. Das neueste
Kunstwerk dieser Art ist die Arbeit eines jungen Tischlers
zu Mailand und befand sich auf der dortigen letzten Jn-
dustrieausstellung. Diese Maschine hat die Form einer
kleinen Orgel mit doppelter Tastatur, jede von 18 Ta-
sten; die erste Reihe der Tasten ist mit den einfachen
und doppelten, die zweite mit den drei= und vierfachen
Zahlen bezeichnet. Es bedarf also nur der Berührung
derjenigen Ziffern, welche das Rechnenexempel bilden,
um auf der Stelle das Facit zu erhalten. Soll z. B.
150 mit 7 multiplicirt werden, so bezeichnet man im
Register die erste Zahl, greift dann die Taste der zwei-
ten, und sogleich treten in dem über den Claviaturen
befindlichen Raume die Ziffern des Products hervor.
Will man von diesem die Zahl 70 abziehen, so greift
man wieder das Register und dann die Taste 70, und
sogleich erscheint der Rest. Bis jetzt ist diese künstliche
Maschine nur für die drei ersten Species eingerichtet:
der Künstler aber, durch Ertheilung einer goldenen Me-
daille aufgemuntert, wird seinem Werke auch die vierte
Species hinzufügen.



Über Blinde, Blindenunterricht und Blinden-
anstalten.

I. Von den Blinden überhaupt.
( Fortsetzung aus Nr. 175. )

Bei dem Mangel eines so wichtigen Sinnes, wie
das Gesicht ist, treten schon in der ersten Jugend
sehr häufig Fälle ein, wo das Kind diesen Mangel
durch Anstrengung der übrigen Sinne so viel als
möglich zu ersetzen sucht. Dadurch entsteht eine große
Übung und Fertigkeit dieser Sinne, und dieses ist es
eigentlich, was den meisten Blinden einen Vorzug vor
den Sehenden, besonders in Rücksicht des Gehörs und
des Gefühls gibt. Die weise Einrichtung der Natur
bewirkt auf dem gewöhnlichen Wege durch Anstrengung
und Übung, was man oft als eine außerordentliche Wir-
kung, gleichsam als eine wohlthätige Entschädigung für
den mangelnden Gesichtssinn anzusehen pflegt. Die Er-
fahrung lehrt uns auch, daß manche Sehende, deren
Beruf es mit sich bringt, einen einzelnen Sinn vorzüg-
lich zu üben, darin eine bewundernswürdige Fertigkeit
und Sicherheit erlangen.

Das in der Regel feine Gehör des Blinden kommt
ihm hauptsächlich bei dem Erlernen und Ausüben der
Musik zu statten. Ganz kleine blinde Kinder suchen
Allem, was ihnen in die Hände kommt, einen Ton ab-
zulocken, und so wird Das, was anfänglich nothdürfti-
ger Ersatz für die Unterhaltung war, welche andern Kin-
dern sichtbare Gegenstände gewähren, zum ersten Bildungs-
mittel für das Kunstgehör. Das gute Gehör des Blin-
den leistet ihm auch im täglichen Leben manche wesent-
liche Dienste. Er erkennt und unterscheidet in beträcht-
licher Entfernung die bei verschiedenen Arbeiten entste-
henden Töne, bemerkt jedes Geräusch, und entdeckt da-
durch oft eine nahende Gefahr. Besonders auffallend
aber ist bei den meisten Blinden, daß sie oft nach lan-
ger Zeit einen Menschen an der Stimme wieder erkennen.

Auch der Geruch schärft und verfeinert sich sehr bei
[Ende Spaltensatz]

Das Pfennig=Magazin.
[Beginn Spaltensatz] Zoll lange und ungefähr vier Zoll breite Blätter. Die
Frucht ist der Wallnuß ähnlich und enthält einen ein-
fachen oder doppelten nußartigen Kern. Aus dem
Stamme fließt, wenn man einen Einschnitt macht,
reichlich ein milder und nährender Saft. „Es sind
hier nicht“, sagt Humboldt, „die feierlichen Schatten der
Wälder, der majestätische Lauf der Ströme, die mit
ewigem Schnee bedeckten Berge, was unser Gemüth
aufregt. Einige Tropfen eines Pflanzensaftes erinnern
uns an die Allmacht und Fruchtbarkeit der Natur.
Auf einem nackten Felsenvorsprunge sehen wir einen
Baum, dessen große Wurzeln kaum in den harten
Boden dringen können, und dessen trockene Blätter
mehre Monate hindurch kein Regen befeuchtet. Seine
Zweige scheinen abgestorben zu sein, aber aus dem ver-
letzten Stamme fließt, besonders bei Sonnenaufgang,
eine süße nahrhafte Milch. Dann sieht man die Neger
und Jndianer aus allen Gegenden mit großen Näpfen
herbeieilen, um Milch zu holen. Einige leeren sie gleich
unter dem Baume aus, andere bringen sie nach Hause.“
Die Milch ist ziemlich dick, ohne alle Herbheit, und
von balsamischem Geruche, nur wegen ihrer leimigen
Eigenschaft etwas unangenehm. Die Neger und die
armen Arbeiter in den Pflanzungen finden darin
ein Hauptnahrungsmittel. Man genießt sie mit den
Wurzeln der Cassava oder mit Mais, und in der
Jahreszeit, wo sie am reichlichsten fließt, haben die
Neger ein wohlgenährtes Ansehen. Nicht blos aber in
seinem Äußern und im Geschmacke gleicht dieser Saft der
Thiermilch, sondern auch in dem Umstande, daß er, der Luft
ausgesetzt, eine Substanz absondert, welchedem Käse ähn-
lich ist und von den Eingeborenen auch so genannt wird.

Dieser merkwürdige Baum ist nicht blos auf
den schmalen Küstenstrich, wo Humboldt ihn fand, be-
schränkt, denn wie schon alte Überlieferungen andeu-
ten, war er den Mexicanern nicht unbekannt, und
angestellte Erkundigungen haben es bestätigt, daß ver-
schiedene Arten dieses Baumes in den Wäldern Mexicos
wachsen, besonders in den ausgedehnten feuchten Wäl-
dern der Provinzen Choco und Popayan. Ebenso findet
man in den Wäldern bei Ysconde in Choco drei Bäu-
me, welche die Eingeborenen Liria, Popa und Sande
nennen. Sie geben eine ebenso nahrhafte Milch als
der Kuhbaum in Venezuela, welche ebenfalls den ärmern
Volksclassen zur Nahrung dient. Die Wohlhabenden
benutzen sie wegen ihrer Klebrigkeit statt des Vogel-
leims bei Fangen der Papagaien. Der Sande, der
dem Kuhbaum in Venezuela im Äußern am ähnlichsten
ist, gibt eine reichliche, aber dünnere, bläuliche, minder
wohlschmeckende, daher nicht zur Nahrung dienende
Milch. Der Sonne ausgesetzt, verdickt sie zu einem
schwärzlichen Gummi, dem man arzneiliche Eigenschaf-
ten zuschreibt. Der Liriabaum ist dem Kuhbaum ganz
ähnlich. Der Popabaum gibt eine reichliche, süße und
gewürzhafte Milch, dick wie guter Rahm und blendend
weiß. Sie vermischt sich leicht mit Wasser oder Brannt-
wein und gibt mit beiden ein angenehmes Getränk.
Jn der Jahreszeit, wo sie am reichlichsten fließt, ist
sie auch hier die Hauptnahrung der Eingeborenen, und
selbst den Jaguar treibt sein Jnstinct, die Rinde mit
seinen Klauen aufzureißen, um sich an dem heraus-
tröpfelnden Safte zu laben.



Die Rechnenorgel.

Mehre ausgezeichnete Mathematiker und Mechaniker
haben sich, um eine der anstrengendsten und ermüden-
sten Geistesbeschäftigungen, das Rechnen, zu erleichtern,
[Spaltenumbruch] mit der Verfertigung von Rechnenmaschinen beschäftigt.
Die erste solche Maschine erfand der bekannte franzö-
sische Schriftsteller Pascal, welche später von dem nicht
weniger berühmten Philosophen Diderot verbessert wurde;
eine andere verfertigte der Mechaniker Thomas von Col-
mar, eine dritte 1820 der Jtaliener Palmarini in
Piemont, und ungefähr gleichzeitig eine andere der aus-
gezeichnete englische Mathematiker Babbage. Das neueste
Kunstwerk dieser Art ist die Arbeit eines jungen Tischlers
zu Mailand und befand sich auf der dortigen letzten Jn-
dustrieausstellung. Diese Maschine hat die Form einer
kleinen Orgel mit doppelter Tastatur, jede von 18 Ta-
sten; die erste Reihe der Tasten ist mit den einfachen
und doppelten, die zweite mit den drei= und vierfachen
Zahlen bezeichnet. Es bedarf also nur der Berührung
derjenigen Ziffern, welche das Rechnenexempel bilden,
um auf der Stelle das Facit zu erhalten. Soll z. B.
150 mit 7 multiplicirt werden, so bezeichnet man im
Register die erste Zahl, greift dann die Taste der zwei-
ten, und sogleich treten in dem über den Claviaturen
befindlichen Raume die Ziffern des Products hervor.
Will man von diesem die Zahl 70 abziehen, so greift
man wieder das Register und dann die Taste 70, und
sogleich erscheint der Rest. Bis jetzt ist diese künstliche
Maschine nur für die drei ersten Species eingerichtet:
der Künstler aber, durch Ertheilung einer goldenen Me-
daille aufgemuntert, wird seinem Werke auch die vierte
Species hinzufügen.



Über Blinde, Blindenunterricht und Blinden-
anstalten.

I. Von den Blinden überhaupt.
( Fortsetzung aus Nr. 175. )

Bei dem Mangel eines so wichtigen Sinnes, wie
das Gesicht ist, treten schon in der ersten Jugend
sehr häufig Fälle ein, wo das Kind diesen Mangel
durch Anstrengung der übrigen Sinne so viel als
möglich zu ersetzen sucht. Dadurch entsteht eine große
Übung und Fertigkeit dieser Sinne, und dieses ist es
eigentlich, was den meisten Blinden einen Vorzug vor
den Sehenden, besonders in Rücksicht des Gehörs und
des Gefühls gibt. Die weise Einrichtung der Natur
bewirkt auf dem gewöhnlichen Wege durch Anstrengung
und Übung, was man oft als eine außerordentliche Wir-
kung, gleichsam als eine wohlthätige Entschädigung für
den mangelnden Gesichtssinn anzusehen pflegt. Die Er-
fahrung lehrt uns auch, daß manche Sehende, deren
Beruf es mit sich bringt, einen einzelnen Sinn vorzüg-
lich zu üben, darin eine bewundernswürdige Fertigkeit
und Sicherheit erlangen.

Das in der Regel feine Gehör des Blinden kommt
ihm hauptsächlich bei dem Erlernen und Ausüben der
Musik zu statten. Ganz kleine blinde Kinder suchen
Allem, was ihnen in die Hände kommt, einen Ton ab-
zulocken, und so wird Das, was anfänglich nothdürfti-
ger Ersatz für die Unterhaltung war, welche andern Kin-
dern sichtbare Gegenstände gewähren, zum ersten Bildungs-
mittel für das Kunstgehör. Das gute Gehör des Blin-
den leistet ihm auch im täglichen Leben manche wesent-
liche Dienste. Er erkennt und unterscheidet in beträcht-
licher Entfernung die bei verschiedenen Arbeiten entste-
henden Töne, bemerkt jedes Geräusch, und entdeckt da-
durch oft eine nahende Gefahr. Besonders auffallend
aber ist bei den meisten Blinden, daß sie oft nach lan-
ger Zeit einen Menschen an der Stimme wieder erkennen.

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[Ende Spaltensatz]

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[262/0006] Das Pfennig=Magazin. Zoll lange und ungefähr vier Zoll breite Blätter. Die Frucht ist der Wallnuß ähnlich und enthält einen ein- fachen oder doppelten nußartigen Kern. Aus dem Stamme fließt, wenn man einen Einschnitt macht, reichlich ein milder und nährender Saft. „Es sind hier nicht“, sagt Humboldt, „die feierlichen Schatten der Wälder, der majestätische Lauf der Ströme, die mit ewigem Schnee bedeckten Berge, was unser Gemüth aufregt. Einige Tropfen eines Pflanzensaftes erinnern uns an die Allmacht und Fruchtbarkeit der Natur. Auf einem nackten Felsenvorsprunge sehen wir einen Baum, dessen große Wurzeln kaum in den harten Boden dringen können, und dessen trockene Blätter mehre Monate hindurch kein Regen befeuchtet. Seine Zweige scheinen abgestorben zu sein, aber aus dem ver- letzten Stamme fließt, besonders bei Sonnenaufgang, eine süße nahrhafte Milch. Dann sieht man die Neger und Jndianer aus allen Gegenden mit großen Näpfen herbeieilen, um Milch zu holen. 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Dieser merkwürdige Baum ist nicht blos auf den schmalen Küstenstrich, wo Humboldt ihn fand, be- schränkt, denn wie schon alte Überlieferungen andeu- ten, war er den Mexicanern nicht unbekannt, und angestellte Erkundigungen haben es bestätigt, daß ver- schiedene Arten dieses Baumes in den Wäldern Mexicos wachsen, besonders in den ausgedehnten feuchten Wäl- dern der Provinzen Choco und Popayan. Ebenso findet man in den Wäldern bei Ysconde in Choco drei Bäu- me, welche die Eingeborenen Liria, Popa und Sande nennen. Sie geben eine ebenso nahrhafte Milch als der Kuhbaum in Venezuela, welche ebenfalls den ärmern Volksclassen zur Nahrung dient. Die Wohlhabenden benutzen sie wegen ihrer Klebrigkeit statt des Vogel- leims bei Fangen der Papagaien. Der Sande, der dem Kuhbaum in Venezuela im Äußern am ähnlichsten ist, gibt eine reichliche, aber dünnere, bläuliche, minder wohlschmeckende, daher nicht zur Nahrung dienende Milch. 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Dadurch entsteht eine große Übung und Fertigkeit dieser Sinne, und dieses ist es eigentlich, was den meisten Blinden einen Vorzug vor den Sehenden, besonders in Rücksicht des Gehörs und des Gefühls gibt. Die weise Einrichtung der Natur bewirkt auf dem gewöhnlichen Wege durch Anstrengung und Übung, was man oft als eine außerordentliche Wir- kung, gleichsam als eine wohlthätige Entschädigung für den mangelnden Gesichtssinn anzusehen pflegt. Die Er- fahrung lehrt uns auch, daß manche Sehende, deren Beruf es mit sich bringt, einen einzelnen Sinn vorzüg- lich zu üben, darin eine bewundernswürdige Fertigkeit und Sicherheit erlangen. Das in der Regel feine Gehör des Blinden kommt ihm hauptsächlich bei dem Erlernen und Ausüben der Musik zu statten. 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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 176. Leipzig (Sachsen), 13. August 1836, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig176_1836/6>, abgerufen am 14.06.2024.