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Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 8. Lieferung, Nr. 1. Berlin, 1. August 1874.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 186
[Beginn Spaltensatz] kunst erlernt. Jeder lernt singen und ein Jnstrument. Daher
hören sie auch überall Gesang; in unseren Familien, in unseren
Werkstätten, auf unseren Spaziergängen, bei unseren Arbeiten im
Freien, im Theater -- überall. Wir werden weiter unten gan-
zen Truppen von Musikern, und zwar beiderlei Geschlechts, be-
gegnen, ja selbst sinnreich verfertigten Maschinen, welche instru-
mentalisch gestimmt, Musik ertönen lassen. Beim Hörnerklang
fahren unsere tausend öffentlichen Wagen ab und kommen mit
Hörnerklang an, und -- horchen Sie mal -- da! ist das nicht
allerliebst? Oh, Sie sollen auch noch Concerte von fünfzig bis
hunderttausend Sängern bei den Nationalfesten zu hören das
Vergnügen haben.

Jnzwischen gelangten wir an den Theil der Promenade, wo
geritten wird. Hunderte von Männern und Frauen ( ich kann
nicht sagen: aller Klassen, denn in ganz Jkarien ist nur eine
einzige Klasse
) , von jungen Leuten und Kindern beider Ge-
schlechter, zogen an uns vorüber; alle geschmackvoll gekleidet, auf
zierlich und zweckdienlich geschirrten Pferden verschiedener Größe.
Reiter und Thier waren so vertraut, so gefügig, daß es eine
Freude war, zuzuschauen; auch die Frauen saßen so stolz und
kühn im Sattel, wußten so gut zu lenken, daß ich nicht wußte,
ob ich mehr sie, oder die schönen, behenden, geschulten Rosse be-
wundern sollte... Korilla belehrte mich, daß der ikarische Staat,
auf Pferdezucht und Pferdeschulung besonders bedacht, das herr-
lichste aller Hausthiere mit größter Pflege behandle, und sich die
theuersten Ankäufe im Ausland nicht verdrießen lasse. Wir
lernen alle in früher Jugend mit dem Pferde umgehen, sagte sie,
und nach den Kunstregeln es regieren; aber auch unser ikarisches
Pferd, wie man behauptet, ist durch verständige Sorgfalt besser
und geschickter geworden, als in allen übrigen Ländern. Er-
ziehung thut auch beim Pferde viel, setzte sie lachend hinzu; das
[Spaltenumbruch] müssen Sie als englischer Pferdekenner wissen. -- Jch stimmte
ihr bereitwillig bei. Jch war entzückt; meine Liebe für das
Pferd ist groß, und ich interessire mich mehr, als Andere, die
nicht meine Neigung theilen. Da sah ich denn also ein Volk,
in dem jeder Einzelne, Mann wie Weib, reiten gelernt! Jch
glaube gern, daß dieses zu großem Vortheil für Körper und
Geist der ikarischen Nation ausfällt. Nur wünschte ich zu wissen,
wie es möglich, daß alle Welt Gelegenheit bekomme, diese edle
Kunst zu treiben?

Korilla entgegnete: Nichts einfacher als das; jede Commu-
nalstadt hält eintausend Sattelpferde, die Hauptstadt hält aber
ihrer nicht weniger als sechzigtausend. Die Benutzung dieser
Pferde wird dermaßen geregelt, daß jede Familie in zehn Tagen
einmal ausreitet. Es versteht sich, daß die Republik die alleinige
Jnhaberin aller Pferde ist und für sie besondere Stallungen und
Wärter hat. --

So schwatzten wir über Allerlei und ergingen uns in dem
köstlichsten Parke, den ich je auf meinen Reisen in allen Welt-
theilen gesehen. Und dieser schönste aller Parke war obendrein
noch ein öffentlicher, ein Allgemeingut! ein Nationalpark, im
vollen Sinn! Korilla sprach und fragte viel; da war die Rede
von Theater, Festlichkeiten, Tanz, Gesellschaftlichkeit, Gebräuchen
Jkarien's und anderer Nationen. Jch mußte erzählen und Ver-
gleiche anstellen; zu wessen Gunsten die ausfielen? dürfte dem
Leser unschwer zu errathen sein. Das herrliche Mädchen sprach
auch über Verfassung, Versammlung des Volkes, Presse, und
sprach so vernünftig und so reizend zugleich, so beredtsam und so
naiv zugleich, daß ich mir abermals gestehen mußte, solch einem
Weibe noch nimmer auf der weiten Welt begegnet zu sein. Jch
lernte viel an jenem Abende.

[Ende Spaltensatz]

( Fortsetzung folgt ) .



[Beginn Spaltensatz]
Jm Bagno von Toulon.

Jm Jahre 1740 hob Friedrich der Große für Preußen die
Tortur auf. Frankreich aber hat hundert und drei und dreißig
Jahre mehr gebraucht, bis es den Fluch der Bagnos von sich
abschüttelte! Und dennoch hat dieser seelenverpestende, leiber-
mordende Fluch auch heute noch nicht ganz für Frankreich aufge-
hört. Jst auch mit dem 1. Januar d. J. das Bagno von Tou-
lon, das letzte Frankreichs, aufgehoben -- so wuchern doch die
Bagnos auf der armen, kahlen, sonnenglühenden Felseninsel
" Isle royale " neben den Fiebersümpfen Cayennes und auf der
kleinen " Isle non " bei Neu=Caledonien um so giftiger fort.

Eine grobe, plumpe Flanelljacke, eine citronengelbe Hofe,
eine grüne, rothe oder gelbe Filzkappe -- je nach dem Ver-
brechen und dem Urtheil: lebenslängliche oder 20--30--40 Jahre
Bagno bed utend, -- angeschmiedet in ewiger Gemeinschaft, Tag
und Nacht, mit einem oder mehreren Verbrechern an eine oft
100 Pfund schwere Kette, ein breiter Eisenring um den Hals,
ein Eisenring um den Fuß, mit dem linken beim Straßenkehren,
oder bei den Hafenarbeiten eine siebenpfündige Eisenkugel nach-
schleifend! -- Nachts mit der Fußkette an eine lange, starke
Eisenstange angeschlossen, die sich am Fußende der gemeinsamen
hölzernen Schlafpritsche durch den ganzen Schlafraum hinzog
und so die Hunderte von Schläfern machtlos aneinander kettete!
-- bewacht auf Schritt und Tritt von Aufsehern mit furchtbaren
Hetzpeitschen und Soldaten mit scharfgeladenen Gewehren und
kartätschendrohenden Kanonen! -- von 7 Uhr Abends bis 5 Uhr
Morgens, wo ein Kanonenschuß an die harte Tagesarbeit rief,
das tiefste Schweigen und für jedes Flüsterwort ein blutiger
Peitschenhieb! -- das war die alte unmenschliche Hausordnung
im Bagno zu Marseille, zu Brest, zu Rochefort, zu Toulon.

Und dennoch ist es mehr als einem kühnen, verzweifelten
Sträfling gelungen, aus diesen Bagnos zu entfliehen. Beim
[Spaltenumbruch] Schluß des Bagno von Toulon will ich hier nur an einen be-
sonders interessanten Fall erinnern, wie die französischen Cri-
minalacten ihn uns überliefert haben.

Es war an einem Octobertage 1806, als sich dem spanischen
Oberbefehlshaber zu Estremadura ein etwa 30jähriger stattlicher
Mann als der französische Emigrant und spanische Offizier
Graf Pontis de Sainte=H e l e ne vorstellte und um Aufnahme in
ein Regiment bat. Der Herr Graf erzählte die Geschichte seines
Unglücks und legte zu deren Beglaubigung die besten Dokamente
vor. Als ein letzter Sproß der uralten, ahnenreichen Grafen
Pontis de Sainte=H e l e ne, 1774 zu Soissons geboren und zu
St. Germain getauft, war er bereits als ein Kind von 4 Jahren
mit den Eltern nach Amerika gekommen. Nach Frankreich zurück-
gekehrt, emigrirte die königlich gesinnte Familie beim Sturz
des Königthums durch die Revolution. Die Eltern starben bald.
Der junge zwanzigjährige Sohn trat in spanische Kriegsdienste.
Er wurde einem Regiment in südamerikanischen Colonieen zugetheilt,
mußte aber wegen seiner geschwächten Gesundheit und da er das
Klima nicht vertrug, nach einigen Jahren um seine Versetzung
in ein spanisches Regiment im Mutterlande bitten. Er erhielt
in Buenos=Ayres den ehrenvollsten Abschied und von seinem Ge-
neral die wärmsten Empfehlungen. Der Herr Graf hatte sich
im Garnisondienste und im Felde gleich sehr ausgezeichnet. Er
war der tapferste Soldat und zugleich ein liebenswürdiger
Kamerad. Die Liebe und die besten Wünsche folgten ihm nach
Europa... Kurz der Oberbefehlshaber zu Estremadura schätzte sich
glücklich, einen so ausgezeichneten Offizier und Cavalier in sein
Regiment aufzunehmen und bedauerte lebhaft, daß Graf Pontis
einige Monate in einem Städtchen an der Küste Cataloniens
durch Krankheit aufgehalten sei. Er war entzückt von der Schön-
heit und der Liebenswürdigkeit der Frau Gräfin Pontis de
St. H e l e ne, die alle Welt bezauberte. Und nur die treue Pflege
der Donna Maria Rosa hatte den Gatten vom Tode gerettet.
[Ende Spaltensatz]

Zur Unterhaltung und Belehrung. 186
[Beginn Spaltensatz] kunst erlernt. Jeder lernt singen und ein Jnstrument. Daher
hören sie auch überall Gesang; in unseren Familien, in unseren
Werkstätten, auf unseren Spaziergängen, bei unseren Arbeiten im
Freien, im Theater — überall. Wir werden weiter unten gan-
zen Truppen von Musikern, und zwar beiderlei Geschlechts, be-
gegnen, ja selbst sinnreich verfertigten Maschinen, welche instru-
mentalisch gestimmt, Musik ertönen lassen. Beim Hörnerklang
fahren unsere tausend öffentlichen Wagen ab und kommen mit
Hörnerklang an, und — horchen Sie mal — da! ist das nicht
allerliebst? Oh, Sie sollen auch noch Concerte von fünfzig bis
hunderttausend Sängern bei den Nationalfesten zu hören das
Vergnügen haben.

Jnzwischen gelangten wir an den Theil der Promenade, wo
geritten wird. Hunderte von Männern und Frauen ( ich kann
nicht sagen: aller Klassen, denn in ganz Jkarien ist nur eine
einzige Klasse
) , von jungen Leuten und Kindern beider Ge-
schlechter, zogen an uns vorüber; alle geschmackvoll gekleidet, auf
zierlich und zweckdienlich geschirrten Pferden verschiedener Größe.
Reiter und Thier waren so vertraut, so gefügig, daß es eine
Freude war, zuzuschauen; auch die Frauen saßen so stolz und
kühn im Sattel, wußten so gut zu lenken, daß ich nicht wußte,
ob ich mehr sie, oder die schönen, behenden, geschulten Rosse be-
wundern sollte... Korilla belehrte mich, daß der ikarische Staat,
auf Pferdezucht und Pferdeschulung besonders bedacht, das herr-
lichste aller Hausthiere mit größter Pflege behandle, und sich die
theuersten Ankäufe im Ausland nicht verdrießen lasse. Wir
lernen alle in früher Jugend mit dem Pferde umgehen, sagte sie,
und nach den Kunstregeln es regieren; aber auch unser ikarisches
Pferd, wie man behauptet, ist durch verständige Sorgfalt besser
und geschickter geworden, als in allen übrigen Ländern. Er-
ziehung thut auch beim Pferde viel, setzte sie lachend hinzu; das
[Spaltenumbruch] müssen Sie als englischer Pferdekenner wissen. — Jch stimmte
ihr bereitwillig bei. Jch war entzückt; meine Liebe für das
Pferd ist groß, und ich interessire mich mehr, als Andere, die
nicht meine Neigung theilen. Da sah ich denn also ein Volk,
in dem jeder Einzelne, Mann wie Weib, reiten gelernt! Jch
glaube gern, daß dieses zu großem Vortheil für Körper und
Geist der ikarischen Nation ausfällt. Nur wünschte ich zu wissen,
wie es möglich, daß alle Welt Gelegenheit bekomme, diese edle
Kunst zu treiben?

Korilla entgegnete: Nichts einfacher als das; jede Commu-
nalstadt hält eintausend Sattelpferde, die Hauptstadt hält aber
ihrer nicht weniger als sechzigtausend. Die Benutzung dieser
Pferde wird dermaßen geregelt, daß jede Familie in zehn Tagen
einmal ausreitet. Es versteht sich, daß die Republik die alleinige
Jnhaberin aller Pferde ist und für sie besondere Stallungen und
Wärter hat. —

So schwatzten wir über Allerlei und ergingen uns in dem
köstlichsten Parke, den ich je auf meinen Reisen in allen Welt-
theilen gesehen. Und dieser schönste aller Parke war obendrein
noch ein öffentlicher, ein Allgemeingut! ein Nationalpark, im
vollen Sinn! Korilla sprach und fragte viel; da war die Rede
von Theater, Festlichkeiten, Tanz, Gesellschaftlichkeit, Gebräuchen
Jkarien's und anderer Nationen. Jch mußte erzählen und Ver-
gleiche anstellen; zu wessen Gunsten die ausfielen? dürfte dem
Leser unschwer zu errathen sein. Das herrliche Mädchen sprach
auch über Verfassung, Versammlung des Volkes, Presse, und
sprach so vernünftig und so reizend zugleich, so beredtsam und so
naiv zugleich, daß ich mir abermals gestehen mußte, solch einem
Weibe noch nimmer auf der weiten Welt begegnet zu sein. Jch
lernte viel an jenem Abende.

[Ende Spaltensatz]

( Fortsetzung folgt ) .



[Beginn Spaltensatz]
Jm Bagno von Toulon.

Jm Jahre 1740 hob Friedrich der Große für Preußen die
Tortur auf. Frankreich aber hat hundert und drei und dreißig
Jahre mehr gebraucht, bis es den Fluch der Bagnos von sich
abschüttelte! Und dennoch hat dieser seelenverpestende, leiber-
mordende Fluch auch heute noch nicht ganz für Frankreich aufge-
hört. Jst auch mit dem 1. Januar d. J. das Bagno von Tou-
lon, das letzte Frankreichs, aufgehoben — so wuchern doch die
Bagnos auf der armen, kahlen, sonnenglühenden Felseninsel
Isle royale “ neben den Fiebersümpfen Cayennes und auf der
kleinen „ Isle non “ bei Neu=Caledonien um so giftiger fort.

Eine grobe, plumpe Flanelljacke, eine citronengelbe Hofe,
eine grüne, rothe oder gelbe Filzkappe — je nach dem Ver-
brechen und dem Urtheil: lebenslängliche oder 20—30—40 Jahre
Bagno bed utend, — angeschmiedet in ewiger Gemeinschaft, Tag
und Nacht, mit einem oder mehreren Verbrechern an eine oft
100 Pfund schwere Kette, ein breiter Eisenring um den Hals,
ein Eisenring um den Fuß, mit dem linken beim Straßenkehren,
oder bei den Hafenarbeiten eine siebenpfündige Eisenkugel nach-
schleifend! — Nachts mit der Fußkette an eine lange, starke
Eisenstange angeschlossen, die sich am Fußende der gemeinsamen
hölzernen Schlafpritsche durch den ganzen Schlafraum hinzog
und so die Hunderte von Schläfern machtlos aneinander kettete!
— bewacht auf Schritt und Tritt von Aufsehern mit furchtbaren
Hetzpeitschen und Soldaten mit scharfgeladenen Gewehren und
kartätschendrohenden Kanonen! — von 7 Uhr Abends bis 5 Uhr
Morgens, wo ein Kanonenschuß an die harte Tagesarbeit rief,
das tiefste Schweigen und für jedes Flüsterwort ein blutiger
Peitschenhieb! — das war die alte unmenschliche Hausordnung
im Bagno zu Marseille, zu Brest, zu Rochefort, zu Toulon.

Und dennoch ist es mehr als einem kühnen, verzweifelten
Sträfling gelungen, aus diesen Bagnos zu entfliehen. Beim
[Spaltenumbruch] Schluß des Bagno von Toulon will ich hier nur an einen be-
sonders interessanten Fall erinnern, wie die französischen Cri-
minalacten ihn uns überliefert haben.

Es war an einem Octobertage 1806, als sich dem spanischen
Oberbefehlshaber zu Estremadura ein etwa 30jähriger stattlicher
Mann als der französische Emigrant und spanische Offizier
Graf Pontis de Sainte=H é l è ne vorstellte und um Aufnahme in
ein Regiment bat. Der Herr Graf erzählte die Geschichte seines
Unglücks und legte zu deren Beglaubigung die besten Dokamente
vor. Als ein letzter Sproß der uralten, ahnenreichen Grafen
Pontis de Sainte=H é l è ne, 1774 zu Soissons geboren und zu
St. Germain getauft, war er bereits als ein Kind von 4 Jahren
mit den Eltern nach Amerika gekommen. Nach Frankreich zurück-
gekehrt, emigrirte die königlich gesinnte Familie beim Sturz
des Königthums durch die Revolution. Die Eltern starben bald.
Der junge zwanzigjährige Sohn trat in spanische Kriegsdienste.
Er wurde einem Regiment in südamerikanischen Colonieen zugetheilt,
mußte aber wegen seiner geschwächten Gesundheit und da er das
Klima nicht vertrug, nach einigen Jahren um seine Versetzung
in ein spanisches Regiment im Mutterlande bitten. Er erhielt
in Buenos=Ayres den ehrenvollsten Abschied und von seinem Ge-
neral die wärmsten Empfehlungen. Der Herr Graf hatte sich
im Garnisondienste und im Felde gleich sehr ausgezeichnet. Er
war der tapferste Soldat und zugleich ein liebenswürdiger
Kamerad. Die Liebe und die besten Wünsche folgten ihm nach
Europa... Kurz der Oberbefehlshaber zu Estremadura schätzte sich
glücklich, einen so ausgezeichneten Offizier und Cavalier in sein
Regiment aufzunehmen und bedauerte lebhaft, daß Graf Pontis
einige Monate in einem Städtchen an der Küste Cataloniens
durch Krankheit aufgehalten sei. Er war entzückt von der Schön-
heit und der Liebenswürdigkeit der Frau Gräfin Pontis de
St. H é l è ne, die alle Welt bezauberte. Und nur die treue Pflege
der Donna Maria Rosa hatte den Gatten vom Tode gerettet.
[Ende Spaltensatz]

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Hunderte von Männern und Frauen ( ich kann nicht sagen: aller Klassen, denn in ganz Jkarien ist nur eine einzige Klasse ) , von jungen Leuten und Kindern beider Ge- schlechter, zogen an uns vorüber; alle geschmackvoll gekleidet, auf zierlich und zweckdienlich geschirrten Pferden verschiedener Größe. Reiter und Thier waren so vertraut, so gefügig, daß es eine Freude war, zuzuschauen; auch die Frauen saßen so stolz und kühn im Sattel, wußten so gut zu lenken, daß ich nicht wußte, ob ich mehr sie, oder die schönen, behenden, geschulten Rosse be- wundern sollte... Korilla belehrte mich, daß der ikarische Staat, auf Pferdezucht und Pferdeschulung besonders bedacht, das herr- lichste aller Hausthiere mit größter Pflege behandle, und sich die theuersten Ankäufe im Ausland nicht verdrießen lasse. Wir lernen alle in früher Jugend mit dem Pferde umgehen, sagte sie, und nach den Kunstregeln es regieren; aber auch unser ikarisches Pferd, wie man behauptet, ist durch verständige Sorgfalt besser und geschickter geworden, als in allen übrigen Ländern. Er- ziehung thut auch beim Pferde viel, setzte sie lachend hinzu; das müssen Sie als englischer Pferdekenner wissen. — Jch stimmte ihr bereitwillig bei. Jch war entzückt; meine Liebe für das Pferd ist groß, und ich interessire mich mehr, als Andere, die nicht meine Neigung theilen. Da sah ich denn also ein Volk, in dem jeder Einzelne, Mann wie Weib, reiten gelernt! Jch glaube gern, daß dieses zu großem Vortheil für Körper und Geist der ikarischen Nation ausfällt. Nur wünschte ich zu wissen, wie es möglich, daß alle Welt Gelegenheit bekomme, diese edle Kunst zu treiben? Korilla entgegnete: Nichts einfacher als das; jede Commu- nalstadt hält eintausend Sattelpferde, die Hauptstadt hält aber ihrer nicht weniger als sechzigtausend. Die Benutzung dieser Pferde wird dermaßen geregelt, daß jede Familie in zehn Tagen einmal ausreitet. Es versteht sich, daß die Republik die alleinige Jnhaberin aller Pferde ist und für sie besondere Stallungen und Wärter hat. — So schwatzten wir über Allerlei und ergingen uns in dem köstlichsten Parke, den ich je auf meinen Reisen in allen Welt- theilen gesehen. Und dieser schönste aller Parke war obendrein noch ein öffentlicher, ein Allgemeingut! ein Nationalpark, im vollen Sinn! Korilla sprach und fragte viel; da war die Rede von Theater, Festlichkeiten, Tanz, Gesellschaftlichkeit, Gebräuchen Jkarien's und anderer Nationen. Jch mußte erzählen und Ver- gleiche anstellen; zu wessen Gunsten die ausfielen? dürfte dem Leser unschwer zu errathen sein. Das herrliche Mädchen sprach auch über Verfassung, Versammlung des Volkes, Presse, und sprach so vernünftig und so reizend zugleich, so beredtsam und so naiv zugleich, daß ich mir abermals gestehen mußte, solch einem Weibe noch nimmer auf der weiten Welt begegnet zu sein. Jch lernte viel an jenem Abende. ( Fortsetzung folgt ) . Jm Bagno von Toulon. Jm Jahre 1740 hob Friedrich der Große für Preußen die Tortur auf. Frankreich aber hat hundert und drei und dreißig Jahre mehr gebraucht, bis es den Fluch der Bagnos von sich abschüttelte! Und dennoch hat dieser seelenverpestende, leiber- mordende Fluch auch heute noch nicht ganz für Frankreich aufge- hört. Jst auch mit dem 1. Januar d. J. das Bagno von Tou- lon, das letzte Frankreichs, aufgehoben — so wuchern doch die Bagnos auf der armen, kahlen, sonnenglühenden Felseninsel „ Isle royale “ neben den Fiebersümpfen Cayennes und auf der kleinen „ Isle non “ bei Neu=Caledonien um so giftiger fort. Eine grobe, plumpe Flanelljacke, eine citronengelbe Hofe, eine grüne, rothe oder gelbe Filzkappe — je nach dem Ver- brechen und dem Urtheil: lebenslängliche oder 20—30—40 Jahre Bagno bed utend, — angeschmiedet in ewiger Gemeinschaft, Tag und Nacht, mit einem oder mehreren Verbrechern an eine oft 100 Pfund schwere Kette, ein breiter Eisenring um den Hals, ein Eisenring um den Fuß, mit dem linken beim Straßenkehren, oder bei den Hafenarbeiten eine siebenpfündige Eisenkugel nach- schleifend! — Nachts mit der Fußkette an eine lange, starke Eisenstange angeschlossen, die sich am Fußende der gemeinsamen hölzernen Schlafpritsche durch den ganzen Schlafraum hinzog und so die Hunderte von Schläfern machtlos aneinander kettete! — bewacht auf Schritt und Tritt von Aufsehern mit furchtbaren Hetzpeitschen und Soldaten mit scharfgeladenen Gewehren und kartätschendrohenden Kanonen! — von 7 Uhr Abends bis 5 Uhr Morgens, wo ein Kanonenschuß an die harte Tagesarbeit rief, das tiefste Schweigen und für jedes Flüsterwort ein blutiger Peitschenhieb! — das war die alte unmenschliche Hausordnung im Bagno zu Marseille, zu Brest, zu Rochefort, zu Toulon. Und dennoch ist es mehr als einem kühnen, verzweifelten Sträfling gelungen, aus diesen Bagnos zu entfliehen. Beim Schluß des Bagno von Toulon will ich hier nur an einen be- sonders interessanten Fall erinnern, wie die französischen Cri- minalacten ihn uns überliefert haben. Es war an einem Octobertage 1806, als sich dem spanischen Oberbefehlshaber zu Estremadura ein etwa 30jähriger stattlicher Mann als der französische Emigrant und spanische Offizier Graf Pontis de Sainte=H é l è ne vorstellte und um Aufnahme in ein Regiment bat. Der Herr Graf erzählte die Geschichte seines Unglücks und legte zu deren Beglaubigung die besten Dokamente vor. Als ein letzter Sproß der uralten, ahnenreichen Grafen Pontis de Sainte=H é l è ne, 1774 zu Soissons geboren und zu St. Germain getauft, war er bereits als ein Kind von 4 Jahren mit den Eltern nach Amerika gekommen. Nach Frankreich zurück- gekehrt, emigrirte die königlich gesinnte Familie beim Sturz des Königthums durch die Revolution. Die Eltern starben bald. Der junge zwanzigjährige Sohn trat in spanische Kriegsdienste. Er wurde einem Regiment in südamerikanischen Colonieen zugetheilt, mußte aber wegen seiner geschwächten Gesundheit und da er das Klima nicht vertrug, nach einigen Jahren um seine Versetzung in ein spanisches Regiment im Mutterlande bitten. Er erhielt in Buenos=Ayres den ehrenvollsten Abschied und von seinem Ge- neral die wärmsten Empfehlungen. Der Herr Graf hatte sich im Garnisondienste und im Felde gleich sehr ausgezeichnet. Er war der tapferste Soldat und zugleich ein liebenswürdiger Kamerad. Die Liebe und die besten Wünsche folgten ihm nach Europa... Kurz der Oberbefehlshaber zu Estremadura schätzte sich glücklich, einen so ausgezeichneten Offizier und Cavalier in sein Regiment aufzunehmen und bedauerte lebhaft, daß Graf Pontis einige Monate in einem Städtchen an der Küste Cataloniens durch Krankheit aufgehalten sei. Er war entzückt von der Schön- heit und der Liebenswürdigkeit der Frau Gräfin Pontis de St. H é l è ne, die alle Welt bezauberte. Und nur die treue Pflege der Donna Maria Rosa hatte den Gatten vom Tode gerettet.

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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 8. Lieferung, Nr. 1. Berlin, 1. August 1874, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social0801_1874/6>, abgerufen am 15.06.2024.