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Sonntags-Blatt. Nr. 20. Berlin, 17. Mai 1868.

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[Beginn Spaltensatz] wieder herzustellen. Maria beugte sich selbst und ihr Volk wieder
unter das Joch des Papstes und unterwarf sich demselben völlig.
Sie bat um Aufhebung des Kirchenbannes, mit welchem der Papst
ihre Familie und Nation belegt hatte, und der Papst schickte einen
Gesandten, Kardinal Pole, nach England, um die Versöhnung zu
vollziehen. Pole, ein Verwandter der Königin, war zwar ein hoch-
gelahrter und eifriger Katholik, aber in seiner wahrhaft christlichen
Gesinnung allen Gewaltmaßregeln und Grausamkeiten im Namen
der Religion abhold. Er stellte daher der Königin vor, daß sie durch
gewaltsame Bekehrung und Verfolgung ihrer protestantischen Unter-
thanen dieselben nur zu Heuchlern im Glauben machen, dagegen sie
weit sicherer zur katholischen Lehre zurückführen würde, wenn sie durch
strenge Gesetze die Sitten der katholischen Geistlichen verbessere, deren
lasterhaftes Leben dem Volk ein Anstoß sei und Viele zum Verlassen
der katholischen Kirche veranlaßt habe. Doch dieser milde und christ-
liche Rath fand bei Maria und den englischen Bischöfen keinen Bei-
fall. Maria's harter Sinn drängte sie zur Gewalt; die Grausamkeit
lag in ihrem Charakter und stimmte sie zu fanatischen Haß gegen
Alles, was ihrem Willen widerstrebte. Einige Bischöfe, besonders der
finstere Gardiner, bestärkten die Königin in ihrer harten Sinnesart;
denn auch sie hegten das Verlangen, sich nach wiedererlangtem Ansehn
durch das Blut ihrer Mitbürger für die frühere Nichtachtung zu
rächen. Der protestantische Bischof Cranmer und viele protestantische
Geistliche wurden abgesetzt und in Kerker geworfen, Gardiner dagegen
zum Kanzler ernannt. Das Parlament wurde mit einer lateinischen
Messe eröffnet. Jm Unterhause saßen noch viele Katholiken, und die
Lords nahmen stets den Glauben des jedesmal Regierenden an. Füg-
sam genehmigte so dieses Parlament die Gesetze, welche bei schweren
Strafen die protestantische Religionsübung gänzlich untersagten und
die Messe überall wieder einführten. Heinrichs und Eduards refor-
matorische Einrichtungen wurden abgeschafft und verdammt.

( Schluß folgt. )



Das Shakespeare=Jubiläum zu Stratford.
Episode
von
George Hiltl.

Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, daß kleine Ursachen oft
die größten Wirkungen erzeugen. Nicht so häufig kommt es vor, daß
Bosheiten sich in Wohlthaten verkehren -- was viel öfter umgekehrt der
Fall ist -- oder daß gemeine Streiche dazu beitragen, löbliche, alle Welt
erfreuende Einrichtungen und Anordnungen ins Leben zu rufen. Hin und
wieder aber passiren doch dergleichen Dinge, wobei denn nach Goethe's
Spruch

"ein Theil von jener Kraft,
Die stets das Böse will und doch das Gute schafft,"

in erster Reihe steht. Jm Jahre 1768 war die kleine Stadt Stratford am
Avon in England durch ein besonders wichtiges Ereigniß in die größte
Aufregung versetzt worden. Stratford, so unbedeutend dieser Ort an sich
auch ist -- und zu jener Zeit war er noch viel unbedeutender -- kann doch
einen Ruhm beanspruchen, den nämlich, daß innerhalb seiner Mauern
der größte dramatische Dichter geboren wurde. Stratford ist die Geburts-
stadt William Shakespeare's. Das Wohnhaus Williams, sein Geburts-
haus, sind Stätten, welche jeder Denkende mit Empfindungen betritt, wie
sie unwillkürlich sich des Menschen bemeistern, wenn er in den Räumen
weilt, in denen einst gewaltige Geister gewirkt haben.

Jm Jahre 1768 war man nun allerdings noch nicht so ganz vertraut
mit Shakespeare und seinem Genius geworden, wie das heutzutage der
Fall ist; dennoch erfüllte die Stratfordianer das Bewußtsein, der große
Dichter sei ein Kind dieser kleinen Stadt am Avon, mit gerechtem
Stolz. Shakespeare war ihnen Gegenstand innigster Verehrung, eine Art
Stadtheiliger, ein Schutzpatron geworden, seitdem nicht nur der englischen
Nation, sondern auch den Völkern des Festlandes die Augen geöffnet
waren und alle Welt begierig sich an den Geistesschätzen des Unsterblichen
labte. Jn Deutschland hatten Lessing und seine Nachfolger für die Wieder-
geburt Shakespeare's gewirkt; in England, wo der gewaltige Dichter durch
den Fanatismus der Puritaner, später durch die Frivolität der letzten
Stuarts für sein Volk fast verloren gegangen war, hatte namentlich
Garrick die größten Verdienste um Wiederbelebung des Sinnes für die
Dichtungen des erhabenen Mannes. Garricks künstlerische Leistungen führ-
ten seinen Landsleuten die Riesengestalten Shakespeare's entgegen, und mit
dem großen Darsteller hielten zugleich wieder Lear, Richard III. und Macbeth
ihren Siegeseinzug. Bald genug bemächtigte sich auch die Spekulation
des Dichters und der Erinnerung an ihn. Man verkaufte Autographen
und Reliquien -- echte und nachgemachte, selbstverständlich viel mehr von
letzterer Art, weil wirklich echte, von Shakespeare herrührende Hand-
schriften und Reliquien zu den allerseltensten Dingen gehörten und noch
gehören. Die Forscher beschäftigten sich mit Studien über seine Familie,
durchstöberten hier und dort Archive, ohne große Ausbeute zu gewinnen.
Das sollte späteren Zeiten vorbehalten bleiben, und bis heut noch ist ja so
Vieles im Leben des großen Dichters dunkel; es scheint fast, als habe die
[Spaltenumbruch] Muse der Dichtkunst alles gewöhnlich Menschliche und Materielle ihres Lieb-
lings mit dichtem Schleier bedeckt und nur seine Geisteswerke der Nach-
welt zur Bewunderung überlassen. Um so mehr mußten diejenigen Dinge
im Werth steigen, von denen mit Bestimmtheit angenommen werden konnte,
daß sie einst Shakespeare besessen hatte. Die Verehrung sucht gern das
Greifbare, Faßliche, um es zum Mittelpunkt einer Art von Kultus zu
machen. Und sollte Shakespeare nicht mindestens eben so hoch gefeiert wer-
den, als irgend ein Kalenderheiliger? Zu den Gegenständen welche mit
der für den Dichter wachsenden Begeisterung am meisten von Fremden und
Einheimischen geehrt wurden, gehörten in erster Linie die beiden Häuser
in Stratford, Shakespeare's Geburts= und sein Wohnhaus. Das Erst-
genannte war schon im Jahre 1767 im Besitz der Stadtgemeinde; aber
das Wohnhaus, die Stätte, wo der große Dichter gearbeitet, geruht, der
Garten, der Hof, die Zimmer, welche sein Fuß geheiligt hatte, befanden sich
im Privatbesitz eines Geistlichen. Man war noch nicht so weit gekommen,
Gesellschaften zu bilden, die durch gemeinschaftliches Wirken und reichliche
Geldmittel den Ankauf des merkwürdigen Platzes bewerkstelligen konnten,
um ihn vor der Zerstörung zu schützen; übrigens war bis zum Jahre
1768 keine wesentliche Veränderung dem Hause verderblich geworden, bis
es der Pfarrer Fitz=Patrick kaufte. Seine Ehrwürden waren ziemlich
mürrisch, und die häufigen Besuche der Verehrer Shakespeare's belästigten
den geistlichen Herrn, der gar keinen Begriff von dem Glück zu haben
schien, welches jeder andere gefühlvolle Mensch bei dem Gedanken empfun-
den haben würde, in den Besitz des Hauses Shakespeare's gelangt zu sein,
den Boden bepflanzen zu dürfen, den einst einer der erhabensten Menschen
gepflegt. Die Einwohner Stratfords waren deshalb in großer Sorge.
Vielleicht trug auch die Spekulation ein wenig dazu bei; denn allerdings
hatte die Stadt mancherlei Vortheil durch die zahlreichen Besucher, welche
das Haus in die Mauern des sonst unbedeutenden Orts lockte. Mr. Fitz-
Patrick schien jedoch von dem Mißbehagen der Bürgerschaft keine Notiz zu
nehmen. Er wies verschiedene Male Fremde ab, und saß zum Aerger der
Liebhaber der Romantik und Poesie in seinem dunklen Anzug mit seinem
rothen Gesicht vor dem Tisch, auf welchem Porter= oder Alekrüge mit
obligater Begleitung von Käse und kaltem Rinderbraten figurirten, in dem
Garten -- in demselben Garten, welchen dereinst Shakespeare durch-
wandelt hatte, unter denselben Bäumen, deren Laub dem Dichter seine
leisen Grüße gerauscht, wenn er in stiller Abendstunde sich an dem Stamm
niederließ, um über neue Schöpfungen zu sinnen.

Mr. Fitz=Patrick wurde allgemein für einen bösen Dämon gehalten.
Die Einwohner Stratfords geriethen jedoch in vollständigen Aufruhr, als
sich die Nachricht verbreitete, Mr. Fitz=Patrick beabsichtige ein Attentat
auszuführen, welches allerdings zu den abscheulichsten und verruchtesten
gehörte, die überhaupt jemals ausgeführt werden sollten. Eines Abends
meldete sich bei dem Pfarrer der Rathsvorstand von Stratford. Mr. Fitz-
Patrick empfing die drei Herren mit sehr finstrem Antlitz. "Was wün-
schen Sie?" fragte er. "Wir kommen in einer wichtigen Angelegenheit",
sagte Mr. Brummel; "die Einwohner Stratfords sind höchst unruhig,
weil das Gerücht ausgesprengt worden ist, Euer Ehrwürden wollen den
Maulbeerbaum Williams umhauen lassen". Mr. Brummel wies dabei
auf das Fenster, durch dessen Scheiben die grünen Zweige eines alten
Maulbeerbaums nickten. Mit diesem Maulbeerbaum hatte es nun eine
besondere Bewandtniß. Ob historische Beweise dafür vorhanden waren,
mag hier unerörtert bleiben, genug, man nahm in Stratford allgemein
an, daß der bedrohte Maulbeerbaum von Shakespeare's eigener Hand ge-
pflanzt worden sei. Wie nun auch darüber geurtheilt werden mochte, das
Eine stand fest, der prächtige Baum hatte in der That ein so hohes
Alter, daß er ohne Zweifel schon über Shakespeare's Haupt seine Zweige
gebreitet haben mußte, als dieser noch Besitzer des Hauses war. Der
Baum galt deßhalb mit Recht als eines der interessantesten und heiligsten
Dinge auf viele Meilen im Umkreise. Dazu kam der Umstand, daß die
Aeste gerade an die Scheiben des ehemaligen Arbeitszimmers Shakespeare's
stießen, daß also die sinnenden Blicke des Dichters auf dem Stamm und
seinem jungen Laube geruht haben mußten, wenn sie träumend zum Fenster
schweiften. Und dieser Baum sollte unter der Axt fallen! Jn Stratford
waren viele Sagen von Shakespeare verbreitet, unter anderen auch eine
sehr poetische, nach welcher der Dichter einst in stiller Mondnacht am
Stamm eines Baumes in seinem Garten entschlummert sein und träumend
eine wunderbare Stimme vernommen haben sollte, die aus den Zweigen
des Baumes zu kommen schien. Als er erwachte, waren die ersten Ge-
danken zu einem neuen Drama in ihm rege; im Traum hatten die Geister,
welche in den Baumzweigen weilten, ihrem Dichter, dem Verkörperer des
Puck, Oberon und der Titania, diese Jdeen ins Ohr geflüstert, und
Shakespeare fand sich mit Blüthen bedeckt, um sein Haupt wand sich ein
frischer Kranz, den eine Elfenhand auf diese edle Stirn gedrückt zu haben
schien. Vielleicht fand diese stille, zauberische Scene unter jenem Baum
statt, den nun der häßliche, dicke, rothe Fitz=Patrick niederhauen lassen
wollte! Mr. Brummel hatte seine Anrede kaum beendet, als der Pfarrer
ihn -- heftig anfuhr. "Bin ich Herr meines Eigenthums oder nicht?"
rief er. "Kann ich thun und lassen, was ich will, in einem Hofe, den ich
für mein Geld gekauft habe?" -- "Gewiß", entgegnete Brummel. "Aber es
giebt Dinge, die man nicht thun darf, selbst wenn man die Macht dazu
hat, wie es auch Dinge giebt, die zwar kein Richter verurtheilen kann, die
aber doch gerade so arg sind, wie Straßenraub und Betrug". -- "Sir",
schrie der Pfarrer wüthend, "Sie wagen es, mir das hier in meinem
Zimmer zu sagen? Bedenken Sie nicht, vor wem Sie stehen?" -- "Habe
ich Alles bedacht. Jch rede im Jnteresse der Stadt, im Jnteresse der
Civilisation". -- "Jch schere mich nicht so viel darum", grunzte der Pfarrer.
"Meine Sache ist es und ich handle wie ich will. Dieser alte Baum
steht mir im Wege -- ja, wenn Sie es denn wissen wollen, er drückt mit
seinen Zweigen so gegen das Fenster, daß mir alle Luft genommen wird.
Das Zimmer ist dumpfig geworden; ohnehin ist diese alte Barracke, dieses
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] wieder herzustellen. Maria beugte sich selbst und ihr Volk wieder
unter das Joch des Papstes und unterwarf sich demselben völlig.
Sie bat um Aufhebung des Kirchenbannes, mit welchem der Papst
ihre Familie und Nation belegt hatte, und der Papst schickte einen
Gesandten, Kardinal Pole, nach England, um die Versöhnung zu
vollziehen. Pole, ein Verwandter der Königin, war zwar ein hoch-
gelahrter und eifriger Katholik, aber in seiner wahrhaft christlichen
Gesinnung allen Gewaltmaßregeln und Grausamkeiten im Namen
der Religion abhold. Er stellte daher der Königin vor, daß sie durch
gewaltsame Bekehrung und Verfolgung ihrer protestantischen Unter-
thanen dieselben nur zu Heuchlern im Glauben machen, dagegen sie
weit sicherer zur katholischen Lehre zurückführen würde, wenn sie durch
strenge Gesetze die Sitten der katholischen Geistlichen verbessere, deren
lasterhaftes Leben dem Volk ein Anstoß sei und Viele zum Verlassen
der katholischen Kirche veranlaßt habe. Doch dieser milde und christ-
liche Rath fand bei Maria und den englischen Bischöfen keinen Bei-
fall. Maria's harter Sinn drängte sie zur Gewalt; die Grausamkeit
lag in ihrem Charakter und stimmte sie zu fanatischen Haß gegen
Alles, was ihrem Willen widerstrebte. Einige Bischöfe, besonders der
finstere Gardiner, bestärkten die Königin in ihrer harten Sinnesart;
denn auch sie hegten das Verlangen, sich nach wiedererlangtem Ansehn
durch das Blut ihrer Mitbürger für die frühere Nichtachtung zu
rächen. Der protestantische Bischof Cranmer und viele protestantische
Geistliche wurden abgesetzt und in Kerker geworfen, Gardiner dagegen
zum Kanzler ernannt. Das Parlament wurde mit einer lateinischen
Messe eröffnet. Jm Unterhause saßen noch viele Katholiken, und die
Lords nahmen stets den Glauben des jedesmal Regierenden an. Füg-
sam genehmigte so dieses Parlament die Gesetze, welche bei schweren
Strafen die protestantische Religionsübung gänzlich untersagten und
die Messe überall wieder einführten. Heinrichs und Eduards refor-
matorische Einrichtungen wurden abgeschafft und verdammt.

( Schluß folgt. )



Das Shakespeare=Jubiläum zu Stratford.
Episode
von
George Hiltl.

Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, daß kleine Ursachen oft
die größten Wirkungen erzeugen. Nicht so häufig kommt es vor, daß
Bosheiten sich in Wohlthaten verkehren — was viel öfter umgekehrt der
Fall ist — oder daß gemeine Streiche dazu beitragen, löbliche, alle Welt
erfreuende Einrichtungen und Anordnungen ins Leben zu rufen. Hin und
wieder aber passiren doch dergleichen Dinge, wobei denn nach Goethe's
Spruch

„ein Theil von jener Kraft,
Die stets das Böse will und doch das Gute schafft,“

in erster Reihe steht. Jm Jahre 1768 war die kleine Stadt Stratford am
Avon in England durch ein besonders wichtiges Ereigniß in die größte
Aufregung versetzt worden. Stratford, so unbedeutend dieser Ort an sich
auch ist — und zu jener Zeit war er noch viel unbedeutender — kann doch
einen Ruhm beanspruchen, den nämlich, daß innerhalb seiner Mauern
der größte dramatische Dichter geboren wurde. Stratford ist die Geburts-
stadt William Shakespeare's. Das Wohnhaus Williams, sein Geburts-
haus, sind Stätten, welche jeder Denkende mit Empfindungen betritt, wie
sie unwillkürlich sich des Menschen bemeistern, wenn er in den Räumen
weilt, in denen einst gewaltige Geister gewirkt haben.

Jm Jahre 1768 war man nun allerdings noch nicht so ganz vertraut
mit Shakespeare und seinem Genius geworden, wie das heutzutage der
Fall ist; dennoch erfüllte die Stratfordianer das Bewußtsein, der große
Dichter sei ein Kind dieser kleinen Stadt am Avon, mit gerechtem
Stolz. Shakespeare war ihnen Gegenstand innigster Verehrung, eine Art
Stadtheiliger, ein Schutzpatron geworden, seitdem nicht nur der englischen
Nation, sondern auch den Völkern des Festlandes die Augen geöffnet
waren und alle Welt begierig sich an den Geistesschätzen des Unsterblichen
labte. Jn Deutschland hatten Lessing und seine Nachfolger für die Wieder-
geburt Shakespeare's gewirkt; in England, wo der gewaltige Dichter durch
den Fanatismus der Puritaner, später durch die Frivolität der letzten
Stuarts für sein Volk fast verloren gegangen war, hatte namentlich
Garrick die größten Verdienste um Wiederbelebung des Sinnes für die
Dichtungen des erhabenen Mannes. Garricks künstlerische Leistungen führ-
ten seinen Landsleuten die Riesengestalten Shakespeare's entgegen, und mit
dem großen Darsteller hielten zugleich wieder Lear, Richard III. und Macbeth
ihren Siegeseinzug. Bald genug bemächtigte sich auch die Spekulation
des Dichters und der Erinnerung an ihn. Man verkaufte Autographen
und Reliquien — echte und nachgemachte, selbstverständlich viel mehr von
letzterer Art, weil wirklich echte, von Shakespeare herrührende Hand-
schriften und Reliquien zu den allerseltensten Dingen gehörten und noch
gehören. Die Forscher beschäftigten sich mit Studien über seine Familie,
durchstöberten hier und dort Archive, ohne große Ausbeute zu gewinnen.
Das sollte späteren Zeiten vorbehalten bleiben, und bis heut noch ist ja so
Vieles im Leben des großen Dichters dunkel; es scheint fast, als habe die
[Spaltenumbruch] Muse der Dichtkunst alles gewöhnlich Menschliche und Materielle ihres Lieb-
lings mit dichtem Schleier bedeckt und nur seine Geisteswerke der Nach-
welt zur Bewunderung überlassen. Um so mehr mußten diejenigen Dinge
im Werth steigen, von denen mit Bestimmtheit angenommen werden konnte,
daß sie einst Shakespeare besessen hatte. Die Verehrung sucht gern das
Greifbare, Faßliche, um es zum Mittelpunkt einer Art von Kultus zu
machen. Und sollte Shakespeare nicht mindestens eben so hoch gefeiert wer-
den, als irgend ein Kalenderheiliger? Zu den Gegenständen welche mit
der für den Dichter wachsenden Begeisterung am meisten von Fremden und
Einheimischen geehrt wurden, gehörten in erster Linie die beiden Häuser
in Stratford, Shakespeare's Geburts= und sein Wohnhaus. Das Erst-
genannte war schon im Jahre 1767 im Besitz der Stadtgemeinde; aber
das Wohnhaus, die Stätte, wo der große Dichter gearbeitet, geruht, der
Garten, der Hof, die Zimmer, welche sein Fuß geheiligt hatte, befanden sich
im Privatbesitz eines Geistlichen. Man war noch nicht so weit gekommen,
Gesellschaften zu bilden, die durch gemeinschaftliches Wirken und reichliche
Geldmittel den Ankauf des merkwürdigen Platzes bewerkstelligen konnten,
um ihn vor der Zerstörung zu schützen; übrigens war bis zum Jahre
1768 keine wesentliche Veränderung dem Hause verderblich geworden, bis
es der Pfarrer Fitz=Patrick kaufte. Seine Ehrwürden waren ziemlich
mürrisch, und die häufigen Besuche der Verehrer Shakespeare's belästigten
den geistlichen Herrn, der gar keinen Begriff von dem Glück zu haben
schien, welches jeder andere gefühlvolle Mensch bei dem Gedanken empfun-
den haben würde, in den Besitz des Hauses Shakespeare's gelangt zu sein,
den Boden bepflanzen zu dürfen, den einst einer der erhabensten Menschen
gepflegt. Die Einwohner Stratfords waren deshalb in großer Sorge.
Vielleicht trug auch die Spekulation ein wenig dazu bei; denn allerdings
hatte die Stadt mancherlei Vortheil durch die zahlreichen Besucher, welche
das Haus in die Mauern des sonst unbedeutenden Orts lockte. Mr. Fitz-
Patrick schien jedoch von dem Mißbehagen der Bürgerschaft keine Notiz zu
nehmen. Er wies verschiedene Male Fremde ab, und saß zum Aerger der
Liebhaber der Romantik und Poesie in seinem dunklen Anzug mit seinem
rothen Gesicht vor dem Tisch, auf welchem Porter= oder Alekrüge mit
obligater Begleitung von Käse und kaltem Rinderbraten figurirten, in dem
Garten — in demselben Garten, welchen dereinst Shakespeare durch-
wandelt hatte, unter denselben Bäumen, deren Laub dem Dichter seine
leisen Grüße gerauscht, wenn er in stiller Abendstunde sich an dem Stamm
niederließ, um über neue Schöpfungen zu sinnen.

Mr. Fitz=Patrick wurde allgemein für einen bösen Dämon gehalten.
Die Einwohner Stratfords geriethen jedoch in vollständigen Aufruhr, als
sich die Nachricht verbreitete, Mr. Fitz=Patrick beabsichtige ein Attentat
auszuführen, welches allerdings zu den abscheulichsten und verruchtesten
gehörte, die überhaupt jemals ausgeführt werden sollten. Eines Abends
meldete sich bei dem Pfarrer der Rathsvorstand von Stratford. Mr. Fitz-
Patrick empfing die drei Herren mit sehr finstrem Antlitz. „Was wün-
schen Sie?“ fragte er. „Wir kommen in einer wichtigen Angelegenheit“,
sagte Mr. Brummel; „die Einwohner Stratfords sind höchst unruhig,
weil das Gerücht ausgesprengt worden ist, Euer Ehrwürden wollen den
Maulbeerbaum Williams umhauen lassen“. Mr. Brummel wies dabei
auf das Fenster, durch dessen Scheiben die grünen Zweige eines alten
Maulbeerbaums nickten. Mit diesem Maulbeerbaum hatte es nun eine
besondere Bewandtniß. Ob historische Beweise dafür vorhanden waren,
mag hier unerörtert bleiben, genug, man nahm in Stratford allgemein
an, daß der bedrohte Maulbeerbaum von Shakespeare's eigener Hand ge-
pflanzt worden sei. Wie nun auch darüber geurtheilt werden mochte, das
Eine stand fest, der prächtige Baum hatte in der That ein so hohes
Alter, daß er ohne Zweifel schon über Shakespeare's Haupt seine Zweige
gebreitet haben mußte, als dieser noch Besitzer des Hauses war. Der
Baum galt deßhalb mit Recht als eines der interessantesten und heiligsten
Dinge auf viele Meilen im Umkreise. Dazu kam der Umstand, daß die
Aeste gerade an die Scheiben des ehemaligen Arbeitszimmers Shakespeare's
stießen, daß also die sinnenden Blicke des Dichters auf dem Stamm und
seinem jungen Laube geruht haben mußten, wenn sie träumend zum Fenster
schweiften. Und dieser Baum sollte unter der Axt fallen! Jn Stratford
waren viele Sagen von Shakespeare verbreitet, unter anderen auch eine
sehr poetische, nach welcher der Dichter einst in stiller Mondnacht am
Stamm eines Baumes in seinem Garten entschlummert sein und träumend
eine wunderbare Stimme vernommen haben sollte, die aus den Zweigen
des Baumes zu kommen schien. Als er erwachte, waren die ersten Ge-
danken zu einem neuen Drama in ihm rege; im Traum hatten die Geister,
welche in den Baumzweigen weilten, ihrem Dichter, dem Verkörperer des
Puck, Oberon und der Titania, diese Jdeen ins Ohr geflüstert, und
Shakespeare fand sich mit Blüthen bedeckt, um sein Haupt wand sich ein
frischer Kranz, den eine Elfenhand auf diese edle Stirn gedrückt zu haben
schien. Vielleicht fand diese stille, zauberische Scene unter jenem Baum
statt, den nun der häßliche, dicke, rothe Fitz=Patrick niederhauen lassen
wollte! Mr. Brummel hatte seine Anrede kaum beendet, als der Pfarrer
ihn — heftig anfuhr. „Bin ich Herr meines Eigenthums oder nicht?“
rief er. „Kann ich thun und lassen, was ich will, in einem Hofe, den ich
für mein Geld gekauft habe?“ — „Gewiß“, entgegnete Brummel. „Aber es
giebt Dinge, die man nicht thun darf, selbst wenn man die Macht dazu
hat, wie es auch Dinge giebt, die zwar kein Richter verurtheilen kann, die
aber doch gerade so arg sind, wie Straßenraub und Betrug“. — „Sir“,
schrie der Pfarrer wüthend, „Sie wagen es, mir das hier in meinem
Zimmer zu sagen? Bedenken Sie nicht, vor wem Sie stehen?“ — „Habe
ich Alles bedacht. Jch rede im Jnteresse der Stadt, im Jnteresse der
Civilisation“. — „Jch schere mich nicht so viel darum“, grunzte der Pfarrer.
„Meine Sache ist es und ich handle wie ich will. Dieser alte Baum
steht mir im Wege — ja, wenn Sie es denn wissen wollen, er drückt mit
seinen Zweigen so gegen das Fenster, daß mir alle Luft genommen wird.
Das Zimmer ist dumpfig geworden; ohnehin ist diese alte Barracke, dieses
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&#x201E;Meine Sache ist es und ich handle wie ich will. Dieser alte Baum<lb/>
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[157/0005] 157 wieder herzustellen. Maria beugte sich selbst und ihr Volk wieder unter das Joch des Papstes und unterwarf sich demselben völlig. Sie bat um Aufhebung des Kirchenbannes, mit welchem der Papst ihre Familie und Nation belegt hatte, und der Papst schickte einen Gesandten, Kardinal Pole, nach England, um die Versöhnung zu vollziehen. Pole, ein Verwandter der Königin, war zwar ein hoch- gelahrter und eifriger Katholik, aber in seiner wahrhaft christlichen Gesinnung allen Gewaltmaßregeln und Grausamkeiten im Namen der Religion abhold. Er stellte daher der Königin vor, daß sie durch gewaltsame Bekehrung und Verfolgung ihrer protestantischen Unter- thanen dieselben nur zu Heuchlern im Glauben machen, dagegen sie weit sicherer zur katholischen Lehre zurückführen würde, wenn sie durch strenge Gesetze die Sitten der katholischen Geistlichen verbessere, deren lasterhaftes Leben dem Volk ein Anstoß sei und Viele zum Verlassen der katholischen Kirche veranlaßt habe. Doch dieser milde und christ- liche Rath fand bei Maria und den englischen Bischöfen keinen Bei- fall. Maria's harter Sinn drängte sie zur Gewalt; die Grausamkeit lag in ihrem Charakter und stimmte sie zu fanatischen Haß gegen Alles, was ihrem Willen widerstrebte. Einige Bischöfe, besonders der finstere Gardiner, bestärkten die Königin in ihrer harten Sinnesart; denn auch sie hegten das Verlangen, sich nach wiedererlangtem Ansehn durch das Blut ihrer Mitbürger für die frühere Nichtachtung zu rächen. Der protestantische Bischof Cranmer und viele protestantische Geistliche wurden abgesetzt und in Kerker geworfen, Gardiner dagegen zum Kanzler ernannt. Das Parlament wurde mit einer lateinischen Messe eröffnet. Jm Unterhause saßen noch viele Katholiken, und die Lords nahmen stets den Glauben des jedesmal Regierenden an. Füg- sam genehmigte so dieses Parlament die Gesetze, welche bei schweren Strafen die protestantische Religionsübung gänzlich untersagten und die Messe überall wieder einführten. Heinrichs und Eduards refor- matorische Einrichtungen wurden abgeschafft und verdammt. ( Schluß folgt. ) Das Shakespeare=Jubiläum zu Stratford. Episode von George Hiltl. Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, daß kleine Ursachen oft die größten Wirkungen erzeugen. Nicht so häufig kommt es vor, daß Bosheiten sich in Wohlthaten verkehren — was viel öfter umgekehrt der Fall ist — oder daß gemeine Streiche dazu beitragen, löbliche, alle Welt erfreuende Einrichtungen und Anordnungen ins Leben zu rufen. Hin und wieder aber passiren doch dergleichen Dinge, wobei denn nach Goethe's Spruch „ein Theil von jener Kraft, Die stets das Böse will und doch das Gute schafft,“ in erster Reihe steht. Jm Jahre 1768 war die kleine Stadt Stratford am Avon in England durch ein besonders wichtiges Ereigniß in die größte Aufregung versetzt worden. Stratford, so unbedeutend dieser Ort an sich auch ist — und zu jener Zeit war er noch viel unbedeutender — kann doch einen Ruhm beanspruchen, den nämlich, daß innerhalb seiner Mauern der größte dramatische Dichter geboren wurde. Stratford ist die Geburts- stadt William Shakespeare's. Das Wohnhaus Williams, sein Geburts- haus, sind Stätten, welche jeder Denkende mit Empfindungen betritt, wie sie unwillkürlich sich des Menschen bemeistern, wenn er in den Räumen weilt, in denen einst gewaltige Geister gewirkt haben. Jm Jahre 1768 war man nun allerdings noch nicht so ganz vertraut mit Shakespeare und seinem Genius geworden, wie das heutzutage der Fall ist; dennoch erfüllte die Stratfordianer das Bewußtsein, der große Dichter sei ein Kind dieser kleinen Stadt am Avon, mit gerechtem Stolz. Shakespeare war ihnen Gegenstand innigster Verehrung, eine Art Stadtheiliger, ein Schutzpatron geworden, seitdem nicht nur der englischen Nation, sondern auch den Völkern des Festlandes die Augen geöffnet waren und alle Welt begierig sich an den Geistesschätzen des Unsterblichen labte. Jn Deutschland hatten Lessing und seine Nachfolger für die Wieder- geburt Shakespeare's gewirkt; in England, wo der gewaltige Dichter durch den Fanatismus der Puritaner, später durch die Frivolität der letzten Stuarts für sein Volk fast verloren gegangen war, hatte namentlich Garrick die größten Verdienste um Wiederbelebung des Sinnes für die Dichtungen des erhabenen Mannes. Garricks künstlerische Leistungen führ- ten seinen Landsleuten die Riesengestalten Shakespeare's entgegen, und mit dem großen Darsteller hielten zugleich wieder Lear, Richard III. und Macbeth ihren Siegeseinzug. Bald genug bemächtigte sich auch die Spekulation des Dichters und der Erinnerung an ihn. Man verkaufte Autographen und Reliquien — echte und nachgemachte, selbstverständlich viel mehr von letzterer Art, weil wirklich echte, von Shakespeare herrührende Hand- schriften und Reliquien zu den allerseltensten Dingen gehörten und noch gehören. Die Forscher beschäftigten sich mit Studien über seine Familie, durchstöberten hier und dort Archive, ohne große Ausbeute zu gewinnen. Das sollte späteren Zeiten vorbehalten bleiben, und bis heut noch ist ja so Vieles im Leben des großen Dichters dunkel; es scheint fast, als habe die Muse der Dichtkunst alles gewöhnlich Menschliche und Materielle ihres Lieb- lings mit dichtem Schleier bedeckt und nur seine Geisteswerke der Nach- welt zur Bewunderung überlassen. Um so mehr mußten diejenigen Dinge im Werth steigen, von denen mit Bestimmtheit angenommen werden konnte, daß sie einst Shakespeare besessen hatte. Die Verehrung sucht gern das Greifbare, Faßliche, um es zum Mittelpunkt einer Art von Kultus zu machen. Und sollte Shakespeare nicht mindestens eben so hoch gefeiert wer- den, als irgend ein Kalenderheiliger? Zu den Gegenständen welche mit der für den Dichter wachsenden Begeisterung am meisten von Fremden und Einheimischen geehrt wurden, gehörten in erster Linie die beiden Häuser in Stratford, Shakespeare's Geburts= und sein Wohnhaus. Das Erst- genannte war schon im Jahre 1767 im Besitz der Stadtgemeinde; aber das Wohnhaus, die Stätte, wo der große Dichter gearbeitet, geruht, der Garten, der Hof, die Zimmer, welche sein Fuß geheiligt hatte, befanden sich im Privatbesitz eines Geistlichen. Man war noch nicht so weit gekommen, Gesellschaften zu bilden, die durch gemeinschaftliches Wirken und reichliche Geldmittel den Ankauf des merkwürdigen Platzes bewerkstelligen konnten, um ihn vor der Zerstörung zu schützen; übrigens war bis zum Jahre 1768 keine wesentliche Veränderung dem Hause verderblich geworden, bis es der Pfarrer Fitz=Patrick kaufte. Seine Ehrwürden waren ziemlich mürrisch, und die häufigen Besuche der Verehrer Shakespeare's belästigten den geistlichen Herrn, der gar keinen Begriff von dem Glück zu haben schien, welches jeder andere gefühlvolle Mensch bei dem Gedanken empfun- den haben würde, in den Besitz des Hauses Shakespeare's gelangt zu sein, den Boden bepflanzen zu dürfen, den einst einer der erhabensten Menschen gepflegt. Die Einwohner Stratfords waren deshalb in großer Sorge. Vielleicht trug auch die Spekulation ein wenig dazu bei; denn allerdings hatte die Stadt mancherlei Vortheil durch die zahlreichen Besucher, welche das Haus in die Mauern des sonst unbedeutenden Orts lockte. Mr. Fitz- Patrick schien jedoch von dem Mißbehagen der Bürgerschaft keine Notiz zu nehmen. Er wies verschiedene Male Fremde ab, und saß zum Aerger der Liebhaber der Romantik und Poesie in seinem dunklen Anzug mit seinem rothen Gesicht vor dem Tisch, auf welchem Porter= oder Alekrüge mit obligater Begleitung von Käse und kaltem Rinderbraten figurirten, in dem Garten — in demselben Garten, welchen dereinst Shakespeare durch- wandelt hatte, unter denselben Bäumen, deren Laub dem Dichter seine leisen Grüße gerauscht, wenn er in stiller Abendstunde sich an dem Stamm niederließ, um über neue Schöpfungen zu sinnen. Mr. Fitz=Patrick wurde allgemein für einen bösen Dämon gehalten. Die Einwohner Stratfords geriethen jedoch in vollständigen Aufruhr, als sich die Nachricht verbreitete, Mr. Fitz=Patrick beabsichtige ein Attentat auszuführen, welches allerdings zu den abscheulichsten und verruchtesten gehörte, die überhaupt jemals ausgeführt werden sollten. Eines Abends meldete sich bei dem Pfarrer der Rathsvorstand von Stratford. Mr. Fitz- Patrick empfing die drei Herren mit sehr finstrem Antlitz. „Was wün- schen Sie?“ fragte er. „Wir kommen in einer wichtigen Angelegenheit“, sagte Mr. Brummel; „die Einwohner Stratfords sind höchst unruhig, weil das Gerücht ausgesprengt worden ist, Euer Ehrwürden wollen den Maulbeerbaum Williams umhauen lassen“. Mr. Brummel wies dabei auf das Fenster, durch dessen Scheiben die grünen Zweige eines alten Maulbeerbaums nickten. Mit diesem Maulbeerbaum hatte es nun eine besondere Bewandtniß. Ob historische Beweise dafür vorhanden waren, mag hier unerörtert bleiben, genug, man nahm in Stratford allgemein an, daß der bedrohte Maulbeerbaum von Shakespeare's eigener Hand ge- pflanzt worden sei. Wie nun auch darüber geurtheilt werden mochte, das Eine stand fest, der prächtige Baum hatte in der That ein so hohes Alter, daß er ohne Zweifel schon über Shakespeare's Haupt seine Zweige gebreitet haben mußte, als dieser noch Besitzer des Hauses war. Der Baum galt deßhalb mit Recht als eines der interessantesten und heiligsten Dinge auf viele Meilen im Umkreise. Dazu kam der Umstand, daß die Aeste gerade an die Scheiben des ehemaligen Arbeitszimmers Shakespeare's stießen, daß also die sinnenden Blicke des Dichters auf dem Stamm und seinem jungen Laube geruht haben mußten, wenn sie träumend zum Fenster schweiften. Und dieser Baum sollte unter der Axt fallen! Jn Stratford waren viele Sagen von Shakespeare verbreitet, unter anderen auch eine sehr poetische, nach welcher der Dichter einst in stiller Mondnacht am Stamm eines Baumes in seinem Garten entschlummert sein und träumend eine wunderbare Stimme vernommen haben sollte, die aus den Zweigen des Baumes zu kommen schien. Als er erwachte, waren die ersten Ge- danken zu einem neuen Drama in ihm rege; im Traum hatten die Geister, welche in den Baumzweigen weilten, ihrem Dichter, dem Verkörperer des Puck, Oberon und der Titania, diese Jdeen ins Ohr geflüstert, und Shakespeare fand sich mit Blüthen bedeckt, um sein Haupt wand sich ein frischer Kranz, den eine Elfenhand auf diese edle Stirn gedrückt zu haben schien. Vielleicht fand diese stille, zauberische Scene unter jenem Baum statt, den nun der häßliche, dicke, rothe Fitz=Patrick niederhauen lassen wollte! Mr. Brummel hatte seine Anrede kaum beendet, als der Pfarrer ihn — heftig anfuhr. „Bin ich Herr meines Eigenthums oder nicht?“ rief er. „Kann ich thun und lassen, was ich will, in einem Hofe, den ich für mein Geld gekauft habe?“ — „Gewiß“, entgegnete Brummel. „Aber es giebt Dinge, die man nicht thun darf, selbst wenn man die Macht dazu hat, wie es auch Dinge giebt, die zwar kein Richter verurtheilen kann, die aber doch gerade so arg sind, wie Straßenraub und Betrug“. — „Sir“, schrie der Pfarrer wüthend, „Sie wagen es, mir das hier in meinem Zimmer zu sagen? Bedenken Sie nicht, vor wem Sie stehen?“ — „Habe ich Alles bedacht. Jch rede im Jnteresse der Stadt, im Jnteresse der Civilisation“. — „Jch schere mich nicht so viel darum“, grunzte der Pfarrer. „Meine Sache ist es und ich handle wie ich will. Dieser alte Baum steht mir im Wege — ja, wenn Sie es denn wissen wollen, er drückt mit seinen Zweigen so gegen das Fenster, daß mir alle Luft genommen wird. Das Zimmer ist dumpfig geworden; ohnehin ist diese alte Barracke, dieses

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 20. Berlin, 17. Mai 1868, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt20_1868/5>, abgerufen am 01.06.2024.