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Sonntags-Blatt. Nr. 24. Berlin, 14. Juni 1868.

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[Beginn Spaltensatz]

Der dritte gegen die Sklaven gerichtete Vorwurf, daß sie während
des Krieges nicht die Jnitiative ergriffen, einen Aufstand zu ihrer
Befreiung gemacht haben, bedarf kaum einer Widerlegung. Wir haben
schon erwähnt, daß das Verfahren der Unions=Generale gegen die
Neger zu Anfang des Krieges nicht gerade verlockend für diese war,
und fügen nur hinzu, daß die Sklaven im Allgemeinen ihre Be-
freiung durch " Massa Lingum " mit Sicherheit erwarteten. Für sie
war ja der von ihren Herren gehaßte Schwarzrepublikaner Lincoln
ein Bruder, der Messias, den sie seit lange erwarteten. Wo seine
Krieger erschienen, da wurden sie von den Sklaven jauchzend begrüßt,
und als der Kongreß sich endlich an die bewährte Tapferkeit der
Neger im Unabhängigkeitskriege und vor New=Orleans im Jahre 1814
erinnerte und die Errichtung farbiger Regimenter anordnete, da stellten
150,000 Schwarze sich unter das Banner der Union. War es doch
Negerblut, das zuerst den Baum der amerikanischen Freiheit düngte,
das des Mulatten Crispus Attucks, der an dem denkwürdigen 5. März
1770 in Boston beim ersten Zusammenstoß der Patrioten mit dem
britischen Militär, ein neuer Winkelried, sich in die Bayonnete der
Soldaten stürzte, um dem Volk die Bahn zu brechen. Und wieder
floß Negerblut auf Bunkerhill, an der Red Bank, bei Brandywine
und in den Hauptschlachten des Unabhängigkeitskampfes. Kein Re-
giment schlug sich heldenmüthiger als das ganz aus Farbigen be-
stehende Rhode Jslander unter dem schwarzen Oberst Greene, und
als das farbige Bataillon von Connecticut. Die Namen von Lambo
Latham, Jordan Freeman, James Forton, Samuel Haynes würde
die amerikanische Geschichte mit Ehrerbietung nennen, hätten diese
Tapferen nur keine schwarze Haut gehabt. Dafür stellte ihnen der
süd=carolinische Staatsmann Charles Pinkney, einer der zähesten
Apostel des Jnstituts der Sklaverei, in einer 1820 im Kongreß ge-
haltenen Rede das Zeugniß aus, daß die Neger die Pioniere der Re-
volutions=Armee gewesen seien, und daß man ihnen hauptsächlich die
zur Vertheidigung des Landes geschaffenen Fortifikationen verdanke.
Und solcher Väter würdig haben sich die Schwarzen im letzten Kriege
unter Grant und Sherman allenthalben geschlagen.

Hätten die deutschen Verleumder der Neger nur einige Kenntniß
von den gelungenen oder mißglückten Versuchen derselben, sich aus der
Sklaverei zu befreien, sie würden nicht wagen, deren Muth und Jn-
telligenz in Zweifel zu ziehen. Denn trotz des Sklavenfang-
Gesetzes von 1850, dessen "herzensfreudige" Ausführung zu empfehlen
Präsident Franklin Pierce schamlos genug war, fanden jährlich Hun-
derte von Sklaven aus dem tiefsten Süden mit Hülfe abolitionistischer
Freunde ihren Weg in das freie Kanada.

Aber noch mehr. Ungeachtet aller sie umgebenden Schwierigkeiten
erlaubten sich die Sklaven mehrmals, die Jnitiative zu ihrer Be-
freiung zu ergreifen, und zwei Verschwörungen dieser Art sind es, die
ich dem Leser erzählen will.

Jm Jahr 1855 stand in E. Christy's " Plantation Melodies
No
. 2." ein Lied von ergreifender Schönheit, das in wortgetreuer
Uebersetzung so lautet:

Onkel Gabriel, der Neger=General.
Jhr Jungen, horchet einer Mähre, oh, oh!
Eine Mähre will ich erzählen, oh, oh!
Jch will erzählen vom Onkel Gabriel.
Hört, Jungen, jetzt geht's an.
Harte Zeiten in Old Virginy!
Kennt Jhr nicht den alten Onkel Gabriel? Oh, oh!
Er war ja der Neger=General, oh, oh!
Er war ja der Jnsurgenten=Chef
Weit unten in Southampton.
Harte Zeiten in Old Virginy!
Ein kleiner Bube verrieth ihn da, oh, oh!
Der Bube, der hieß Daniel, oh, oh!
Verrieth ihn in Norfolks Hafen.
Ach, fast bin ich zu End'.
Harte Zeiten in Old Virginy!
Sagt' zu ihm: "Guten Tag, Onkel Gabriel, oh, oh!"
"Jch bin nicht Dein Onkel Gabriel, oh, oh!
Jch heiße Jim Mac Cullen,
Genannt auch Archy Mullin."
Harte Zeiten in Old Virginy!
Die Weißen bekämpften und fingen ihn, oh, oh!
Zum Richmonder Rathhaus schleppten sie ihn, oh, oh!
Zwölf Mann, die machten die Jury.
Jhr Jungen, es geht zu End'.
Harte Zeiten in Old Virginy!
[Spaltenumbruch]
Sie führten ihn hin zum Galgen, oh, oh!
Jhn zogen vier graue Rosse, oh, oh!
Brice's Ben der fuhr den Wagen.
Jhr Jungen, es geht zu End'.
Harte Zeiten in Old Virginy!
Da hingen und schwangen sie ihn auf, oh, oh!
Sie schwangen und hingen ihn auf, oh, oh!
Das war das End' vom Neger=General.
Jhr Jungen, ich bin zu End'.
Harte Zeiten in Old Virginy!

Das hier behandelte Ereigniß ist die unter Gouverneur James
Monroe, dem späteren Präsidenten der Vereinigten Staaten, aus-
gebrochene Sklavenverschwörung, welche die "Ruhe und gesellschaftliche
Ordnung" Virginia's ernstlich bedrohte. Die kargen Mittheilungen,
die der Geistliche R. Howisson in seiner Geschichte dieses Staates
macht, laufen etwa auf Folgendes hinaus.

Jm Monat August des Jahres 1800 hielt eine etwa tausend
Mann starke Negerschaar auf dem Marsch nach Richmond Nachts in
einem Walde an, als ihre Bewegung durch einen furchtbaren Ge-
wittersturm gehemmt wurde. Die Finsterniß und die herrschende
Verwirrung machten es einem der Verschworenen, Pharao, einem
Sklaven des Herrn Mosby, möglich, zu entkommen, mit Lebensgefahr
den angeschwollenen Fluß zu durchschwimmen und Richmond zu
erreichen, wo er die Behörden von der drohenden Gefahr in Kenntniß
setzte. Augenblicklich wurde die Miliz aufgeboten und rückte den
Sklaven entgegen, die, nur mit Sensen und Piken versehen, einem
solchen Angriff nicht Stand hielten und sich zerstreuten. An der
Spitze der Verschwörung, die, mit großer Treue geheim gehalten, erst
in der Nacht des Losbruchs ihren Verräther fand, standen zwei Neger,
Gabriel und Jack, Kopf und Arm des Unternehmens. Gabriel, wie
Howisson sagt, war vierundzwanzig Jahre alt, groß, kräftig, düsteren,
tückischen Blickes und von harten Zügen, das Gesicht von mehreren
Narben zerrissen. Der glückliche Besitzer dieses Spartakus, dessen
Racheschwert er nur mit Mühe entrann, war ein gewisser Thomas
Prossers. Jack führte den Namen seines Herrn, Bowler, war acht-
undzwanzig Jahre alt und ein Riese von sechs Fuß fünf Zoll, wie
der Geschichtschreiber zitternd berichtet. Der angebliche Plan der
Verschworenen war, Richmond in Brand zu stecken, die weißen
Männer zu erschlagen und die Weiber unter sich zu vertheilen. Ga-
briel wurde am 6. Oktober gehängt und starb, nach der Versicherung
Howissons, sehr feig, was stark zu bezweifeln sein dürfte. Von
einem Manne, dem Schwarze wie Weiße als Zeichen ihrer Achtung
oder Furcht den Namen des "Neger=Generals" beilegten und dessen
Unternehmen so viel Entsetzen hervorrief, daß die virginische Legislatur
schon am 22. Januar 1801 eine besondere Sicherheits=Garde gegen
Sklavenaufstände errichtete, läßt sich nicht gut annehmen, daß er klein-
müthig starb.

Das angeführte Lied ergänzt in recht anschaulicher Weise die
Lücken der Geschichtsbücher. Es giebt uns die Gewißheit, daß Ga-
briel, wie ein großer Theil der virginischen Sklaven überhaupt, ein
hellfarbiger Mulatte war, der unter dem Namen eines Jrländers zu
entkommen hoffen durfte. Dieses Detail, sowie die Namen des ver-
rätherischen Knaben und des Lenkers des Henkerskarren können zu-
gleich als Beweise dienen, daß dieses Lied aus mündlicher Ueber-
lieferung virginischer Sklaven niedergeschrieben ist, in deren Gedächtniß
Onkel Gabriel und sein Unternehmen fortlebten.

Tritt schon in dem eben erzählten Falle das Streben der Sklaven-
halter zu Tage, einen Schleier auszubreiten über ein Ereigniß, das
nur schlecht mit der sonst von ihnen gerühmten Anhänglichkeit und
Treue der Schwarzen harmonirte, so wird diese Politik noch offen-
barer bei einer zweiundzwanzig Jahre später in Süd=Carolina entdeckten
Sklavenverschwörung, der gefährlichsten, die je das Lieblings=Jnstitut
des Südens bedrohte.

Am Sonntag Nachmittag des 25. Mai 1822 wurde der Sklave
Devany in Charleston während der Abwesenheit seines Herrn, des
Obersten Prioleau, von dessen Frau ausgesandt, auf dem Markt einige
Küchenbedürfnisse einzukaufen. Auf dem Rückwege, den er mit der
behaglichen Muße und angestammten Neugier eines Haussklaven durch
einen Spaziergang nach dem Hafen verlängert hatte, um sich die neu
eingelaufenen Schiffe anzusehen, begegnete er einem Bekannten, dem
William Paul, einem Sklaven des Handelsmanns John Paul.
"Weißt Du schon, daß etwas Ernstes im Gange ist?" raunte ihm
dieser nach der Begrüßung und einigem leichten Geschwätz zu. De-
vany verneinte. "Wir sind entschlossen, uns unser Recht zu ver-
schaffen ", fuhr William fort, "unser Joch zu zerbrechen, und stehen
dazu auf gutem Boden. Schon sind viele unserer Brüder dem Bunde
beigetreten, und wenn Du willst, so führe ich Dich zum Besitzer der
Namensliste, damit Du eingetragen wirst."

William hatte sich in seinem Eifer an den Unrechten gewendet.
Devany war wohl ein guter Koch, aber viel zu feig, um ein Ver-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz]

Der dritte gegen die Sklaven gerichtete Vorwurf, daß sie während
des Krieges nicht die Jnitiative ergriffen, einen Aufstand zu ihrer
Befreiung gemacht haben, bedarf kaum einer Widerlegung. Wir haben
schon erwähnt, daß das Verfahren der Unions=Generale gegen die
Neger zu Anfang des Krieges nicht gerade verlockend für diese war,
und fügen nur hinzu, daß die Sklaven im Allgemeinen ihre Be-
freiung durch „ Massa Lingum “ mit Sicherheit erwarteten. Für sie
war ja der von ihren Herren gehaßte Schwarzrepublikaner Lincoln
ein Bruder, der Messias, den sie seit lange erwarteten. Wo seine
Krieger erschienen, da wurden sie von den Sklaven jauchzend begrüßt,
und als der Kongreß sich endlich an die bewährte Tapferkeit der
Neger im Unabhängigkeitskriege und vor New=Orleans im Jahre 1814
erinnerte und die Errichtung farbiger Regimenter anordnete, da stellten
150,000 Schwarze sich unter das Banner der Union. War es doch
Negerblut, das zuerst den Baum der amerikanischen Freiheit düngte,
das des Mulatten Crispus Attucks, der an dem denkwürdigen 5. März
1770 in Boston beim ersten Zusammenstoß der Patrioten mit dem
britischen Militär, ein neuer Winkelried, sich in die Bayonnete der
Soldaten stürzte, um dem Volk die Bahn zu brechen. Und wieder
floß Negerblut auf Bunkerhill, an der Red Bank, bei Brandywine
und in den Hauptschlachten des Unabhängigkeitskampfes. Kein Re-
giment schlug sich heldenmüthiger als das ganz aus Farbigen be-
stehende Rhode Jslander unter dem schwarzen Oberst Greene, und
als das farbige Bataillon von Connecticut. Die Namen von Lambo
Latham, Jordan Freeman, James Forton, Samuel Haynes würde
die amerikanische Geschichte mit Ehrerbietung nennen, hätten diese
Tapferen nur keine schwarze Haut gehabt. Dafür stellte ihnen der
süd=carolinische Staatsmann Charles Pinkney, einer der zähesten
Apostel des Jnstituts der Sklaverei, in einer 1820 im Kongreß ge-
haltenen Rede das Zeugniß aus, daß die Neger die Pioniere der Re-
volutions=Armee gewesen seien, und daß man ihnen hauptsächlich die
zur Vertheidigung des Landes geschaffenen Fortifikationen verdanke.
Und solcher Väter würdig haben sich die Schwarzen im letzten Kriege
unter Grant und Sherman allenthalben geschlagen.

Hätten die deutschen Verleumder der Neger nur einige Kenntniß
von den gelungenen oder mißglückten Versuchen derselben, sich aus der
Sklaverei zu befreien, sie würden nicht wagen, deren Muth und Jn-
telligenz in Zweifel zu ziehen. Denn trotz des Sklavenfang-
Gesetzes von 1850, dessen „herzensfreudige“ Ausführung zu empfehlen
Präsident Franklin Pierce schamlos genug war, fanden jährlich Hun-
derte von Sklaven aus dem tiefsten Süden mit Hülfe abolitionistischer
Freunde ihren Weg in das freie Kanada.

Aber noch mehr. Ungeachtet aller sie umgebenden Schwierigkeiten
erlaubten sich die Sklaven mehrmals, die Jnitiative zu ihrer Be-
freiung zu ergreifen, und zwei Verschwörungen dieser Art sind es, die
ich dem Leser erzählen will.

Jm Jahr 1855 stand in E. Christy's „ Plantation Melodies
No
. 2.“ ein Lied von ergreifender Schönheit, das in wortgetreuer
Uebersetzung so lautet:

Onkel Gabriel, der Neger=General.
Jhr Jungen, horchet einer Mähre, oh, oh!
Eine Mähre will ich erzählen, oh, oh!
Jch will erzählen vom Onkel Gabriel.
Hört, Jungen, jetzt geht's an.
Harte Zeiten in Old Virginy!
Kennt Jhr nicht den alten Onkel Gabriel? Oh, oh!
Er war ja der Neger=General, oh, oh!
Er war ja der Jnsurgenten=Chef
Weit unten in Southampton.
Harte Zeiten in Old Virginy!
Ein kleiner Bube verrieth ihn da, oh, oh!
Der Bube, der hieß Daniel, oh, oh!
Verrieth ihn in Norfolks Hafen.
Ach, fast bin ich zu End'.
Harte Zeiten in Old Virginy!
Sagt' zu ihm: „Guten Tag, Onkel Gabriel, oh, oh!“
„Jch bin nicht Dein Onkel Gabriel, oh, oh!
Jch heiße Jim Mac Cullen,
Genannt auch Archy Mullin.“
Harte Zeiten in Old Virginy!
Die Weißen bekämpften und fingen ihn, oh, oh!
Zum Richmonder Rathhaus schleppten sie ihn, oh, oh!
Zwölf Mann, die machten die Jury.
Jhr Jungen, es geht zu End'.
Harte Zeiten in Old Virginy!
[Spaltenumbruch]
Sie führten ihn hin zum Galgen, oh, oh!
Jhn zogen vier graue Rosse, oh, oh!
Brice's Ben der fuhr den Wagen.
Jhr Jungen, es geht zu End'.
Harte Zeiten in Old Virginy!
Da hingen und schwangen sie ihn auf, oh, oh!
Sie schwangen und hingen ihn auf, oh, oh!
Das war das End' vom Neger=General.
Jhr Jungen, ich bin zu End'.
Harte Zeiten in Old Virginy!

Das hier behandelte Ereigniß ist die unter Gouverneur James
Monroe, dem späteren Präsidenten der Vereinigten Staaten, aus-
gebrochene Sklavenverschwörung, welche die „Ruhe und gesellschaftliche
Ordnung“ Virginia's ernstlich bedrohte. Die kargen Mittheilungen,
die der Geistliche R. Howisson in seiner Geschichte dieses Staates
macht, laufen etwa auf Folgendes hinaus.

Jm Monat August des Jahres 1800 hielt eine etwa tausend
Mann starke Negerschaar auf dem Marsch nach Richmond Nachts in
einem Walde an, als ihre Bewegung durch einen furchtbaren Ge-
wittersturm gehemmt wurde. Die Finsterniß und die herrschende
Verwirrung machten es einem der Verschworenen, Pharao, einem
Sklaven des Herrn Mosby, möglich, zu entkommen, mit Lebensgefahr
den angeschwollenen Fluß zu durchschwimmen und Richmond zu
erreichen, wo er die Behörden von der drohenden Gefahr in Kenntniß
setzte. Augenblicklich wurde die Miliz aufgeboten und rückte den
Sklaven entgegen, die, nur mit Sensen und Piken versehen, einem
solchen Angriff nicht Stand hielten und sich zerstreuten. An der
Spitze der Verschwörung, die, mit großer Treue geheim gehalten, erst
in der Nacht des Losbruchs ihren Verräther fand, standen zwei Neger,
Gabriel und Jack, Kopf und Arm des Unternehmens. Gabriel, wie
Howisson sagt, war vierundzwanzig Jahre alt, groß, kräftig, düsteren,
tückischen Blickes und von harten Zügen, das Gesicht von mehreren
Narben zerrissen. Der glückliche Besitzer dieses Spartakus, dessen
Racheschwert er nur mit Mühe entrann, war ein gewisser Thomas
Prossers. Jack führte den Namen seines Herrn, Bowler, war acht-
undzwanzig Jahre alt und ein Riese von sechs Fuß fünf Zoll, wie
der Geschichtschreiber zitternd berichtet. Der angebliche Plan der
Verschworenen war, Richmond in Brand zu stecken, die weißen
Männer zu erschlagen und die Weiber unter sich zu vertheilen. Ga-
briel wurde am 6. Oktober gehängt und starb, nach der Versicherung
Howissons, sehr feig, was stark zu bezweifeln sein dürfte. Von
einem Manne, dem Schwarze wie Weiße als Zeichen ihrer Achtung
oder Furcht den Namen des „Neger=Generals“ beilegten und dessen
Unternehmen so viel Entsetzen hervorrief, daß die virginische Legislatur
schon am 22. Januar 1801 eine besondere Sicherheits=Garde gegen
Sklavenaufstände errichtete, läßt sich nicht gut annehmen, daß er klein-
müthig starb.

Das angeführte Lied ergänzt in recht anschaulicher Weise die
Lücken der Geschichtsbücher. Es giebt uns die Gewißheit, daß Ga-
briel, wie ein großer Theil der virginischen Sklaven überhaupt, ein
hellfarbiger Mulatte war, der unter dem Namen eines Jrländers zu
entkommen hoffen durfte. Dieses Detail, sowie die Namen des ver-
rätherischen Knaben und des Lenkers des Henkerskarren können zu-
gleich als Beweise dienen, daß dieses Lied aus mündlicher Ueber-
lieferung virginischer Sklaven niedergeschrieben ist, in deren Gedächtniß
Onkel Gabriel und sein Unternehmen fortlebten.

Tritt schon in dem eben erzählten Falle das Streben der Sklaven-
halter zu Tage, einen Schleier auszubreiten über ein Ereigniß, das
nur schlecht mit der sonst von ihnen gerühmten Anhänglichkeit und
Treue der Schwarzen harmonirte, so wird diese Politik noch offen-
barer bei einer zweiundzwanzig Jahre später in Süd=Carolina entdeckten
Sklavenverschwörung, der gefährlichsten, die je das Lieblings=Jnstitut
des Südens bedrohte.

Am Sonntag Nachmittag des 25. Mai 1822 wurde der Sklave
Devany in Charleston während der Abwesenheit seines Herrn, des
Obersten Prioleau, von dessen Frau ausgesandt, auf dem Markt einige
Küchenbedürfnisse einzukaufen. Auf dem Rückwege, den er mit der
behaglichen Muße und angestammten Neugier eines Haussklaven durch
einen Spaziergang nach dem Hafen verlängert hatte, um sich die neu
eingelaufenen Schiffe anzusehen, begegnete er einem Bekannten, dem
William Paul, einem Sklaven des Handelsmanns John Paul.
„Weißt Du schon, daß etwas Ernstes im Gange ist?“ raunte ihm
dieser nach der Begrüßung und einigem leichten Geschwätz zu. De-
vany verneinte. „Wir sind entschlossen, uns unser Recht zu ver-
schaffen “, fuhr William fort, „unser Joch zu zerbrechen, und stehen
dazu auf gutem Boden. Schon sind viele unserer Brüder dem Bunde
beigetreten, und wenn Du willst, so führe ich Dich zum Besitzer der
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William hatte sich in seinem Eifer an den Unrechten gewendet.
Devany war wohl ein guter Koch, aber viel zu feig, um ein Ver-
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[190/0006] 190 Der dritte gegen die Sklaven gerichtete Vorwurf, daß sie während des Krieges nicht die Jnitiative ergriffen, einen Aufstand zu ihrer Befreiung gemacht haben, bedarf kaum einer Widerlegung. Wir haben schon erwähnt, daß das Verfahren der Unions=Generale gegen die Neger zu Anfang des Krieges nicht gerade verlockend für diese war, und fügen nur hinzu, daß die Sklaven im Allgemeinen ihre Be- freiung durch „ Massa Lingum “ mit Sicherheit erwarteten. Für sie war ja der von ihren Herren gehaßte Schwarzrepublikaner Lincoln ein Bruder, der Messias, den sie seit lange erwarteten. Wo seine Krieger erschienen, da wurden sie von den Sklaven jauchzend begrüßt, und als der Kongreß sich endlich an die bewährte Tapferkeit der Neger im Unabhängigkeitskriege und vor New=Orleans im Jahre 1814 erinnerte und die Errichtung farbiger Regimenter anordnete, da stellten 150,000 Schwarze sich unter das Banner der Union. War es doch Negerblut, das zuerst den Baum der amerikanischen Freiheit düngte, das des Mulatten Crispus Attucks, der an dem denkwürdigen 5. März 1770 in Boston beim ersten Zusammenstoß der Patrioten mit dem britischen Militär, ein neuer Winkelried, sich in die Bayonnete der Soldaten stürzte, um dem Volk die Bahn zu brechen. Und wieder floß Negerblut auf Bunkerhill, an der Red Bank, bei Brandywine und in den Hauptschlachten des Unabhängigkeitskampfes. Kein Re- giment schlug sich heldenmüthiger als das ganz aus Farbigen be- stehende Rhode Jslander unter dem schwarzen Oberst Greene, und als das farbige Bataillon von Connecticut. Die Namen von Lambo Latham, Jordan Freeman, James Forton, Samuel Haynes würde die amerikanische Geschichte mit Ehrerbietung nennen, hätten diese Tapferen nur keine schwarze Haut gehabt. Dafür stellte ihnen der süd=carolinische Staatsmann Charles Pinkney, einer der zähesten Apostel des Jnstituts der Sklaverei, in einer 1820 im Kongreß ge- haltenen Rede das Zeugniß aus, daß die Neger die Pioniere der Re- volutions=Armee gewesen seien, und daß man ihnen hauptsächlich die zur Vertheidigung des Landes geschaffenen Fortifikationen verdanke. Und solcher Väter würdig haben sich die Schwarzen im letzten Kriege unter Grant und Sherman allenthalben geschlagen. Hätten die deutschen Verleumder der Neger nur einige Kenntniß von den gelungenen oder mißglückten Versuchen derselben, sich aus der Sklaverei zu befreien, sie würden nicht wagen, deren Muth und Jn- telligenz in Zweifel zu ziehen. Denn trotz des Sklavenfang- Gesetzes von 1850, dessen „herzensfreudige“ Ausführung zu empfehlen Präsident Franklin Pierce schamlos genug war, fanden jährlich Hun- derte von Sklaven aus dem tiefsten Süden mit Hülfe abolitionistischer Freunde ihren Weg in das freie Kanada. Aber noch mehr. Ungeachtet aller sie umgebenden Schwierigkeiten erlaubten sich die Sklaven mehrmals, die Jnitiative zu ihrer Be- freiung zu ergreifen, und zwei Verschwörungen dieser Art sind es, die ich dem Leser erzählen will. Jm Jahr 1855 stand in E. Christy's „ Plantation Melodies No. 2.“ ein Lied von ergreifender Schönheit, das in wortgetreuer Uebersetzung so lautet: Onkel Gabriel, der Neger=General. Jhr Jungen, horchet einer Mähre, oh, oh! Eine Mähre will ich erzählen, oh, oh! Jch will erzählen vom Onkel Gabriel. Hört, Jungen, jetzt geht's an. Harte Zeiten in Old Virginy! Kennt Jhr nicht den alten Onkel Gabriel? Oh, oh! Er war ja der Neger=General, oh, oh! Er war ja der Jnsurgenten=Chef Weit unten in Southampton. Harte Zeiten in Old Virginy! Ein kleiner Bube verrieth ihn da, oh, oh! Der Bube, der hieß Daniel, oh, oh! Verrieth ihn in Norfolks Hafen. Ach, fast bin ich zu End'. Harte Zeiten in Old Virginy! Sagt' zu ihm: „Guten Tag, Onkel Gabriel, oh, oh!“ „Jch bin nicht Dein Onkel Gabriel, oh, oh! Jch heiße Jim Mac Cullen, Genannt auch Archy Mullin.“ Harte Zeiten in Old Virginy! Die Weißen bekämpften und fingen ihn, oh, oh! Zum Richmonder Rathhaus schleppten sie ihn, oh, oh! Zwölf Mann, die machten die Jury. Jhr Jungen, es geht zu End'. Harte Zeiten in Old Virginy! Sie führten ihn hin zum Galgen, oh, oh! Jhn zogen vier graue Rosse, oh, oh! Brice's Ben der fuhr den Wagen. Jhr Jungen, es geht zu End'. Harte Zeiten in Old Virginy! Da hingen und schwangen sie ihn auf, oh, oh! Sie schwangen und hingen ihn auf, oh, oh! Das war das End' vom Neger=General. Jhr Jungen, ich bin zu End'. Harte Zeiten in Old Virginy! Das hier behandelte Ereigniß ist die unter Gouverneur James Monroe, dem späteren Präsidenten der Vereinigten Staaten, aus- gebrochene Sklavenverschwörung, welche die „Ruhe und gesellschaftliche Ordnung“ Virginia's ernstlich bedrohte. Die kargen Mittheilungen, die der Geistliche R. Howisson in seiner Geschichte dieses Staates macht, laufen etwa auf Folgendes hinaus. Jm Monat August des Jahres 1800 hielt eine etwa tausend Mann starke Negerschaar auf dem Marsch nach Richmond Nachts in einem Walde an, als ihre Bewegung durch einen furchtbaren Ge- wittersturm gehemmt wurde. Die Finsterniß und die herrschende Verwirrung machten es einem der Verschworenen, Pharao, einem Sklaven des Herrn Mosby, möglich, zu entkommen, mit Lebensgefahr den angeschwollenen Fluß zu durchschwimmen und Richmond zu erreichen, wo er die Behörden von der drohenden Gefahr in Kenntniß setzte. Augenblicklich wurde die Miliz aufgeboten und rückte den Sklaven entgegen, die, nur mit Sensen und Piken versehen, einem solchen Angriff nicht Stand hielten und sich zerstreuten. An der Spitze der Verschwörung, die, mit großer Treue geheim gehalten, erst in der Nacht des Losbruchs ihren Verräther fand, standen zwei Neger, Gabriel und Jack, Kopf und Arm des Unternehmens. Gabriel, wie Howisson sagt, war vierundzwanzig Jahre alt, groß, kräftig, düsteren, tückischen Blickes und von harten Zügen, das Gesicht von mehreren Narben zerrissen. Der glückliche Besitzer dieses Spartakus, dessen Racheschwert er nur mit Mühe entrann, war ein gewisser Thomas Prossers. Jack führte den Namen seines Herrn, Bowler, war acht- undzwanzig Jahre alt und ein Riese von sechs Fuß fünf Zoll, wie der Geschichtschreiber zitternd berichtet. Der angebliche Plan der Verschworenen war, Richmond in Brand zu stecken, die weißen Männer zu erschlagen und die Weiber unter sich zu vertheilen. Ga- briel wurde am 6. Oktober gehängt und starb, nach der Versicherung Howissons, sehr feig, was stark zu bezweifeln sein dürfte. Von einem Manne, dem Schwarze wie Weiße als Zeichen ihrer Achtung oder Furcht den Namen des „Neger=Generals“ beilegten und dessen Unternehmen so viel Entsetzen hervorrief, daß die virginische Legislatur schon am 22. Januar 1801 eine besondere Sicherheits=Garde gegen Sklavenaufstände errichtete, läßt sich nicht gut annehmen, daß er klein- müthig starb. Das angeführte Lied ergänzt in recht anschaulicher Weise die Lücken der Geschichtsbücher. Es giebt uns die Gewißheit, daß Ga- briel, wie ein großer Theil der virginischen Sklaven überhaupt, ein hellfarbiger Mulatte war, der unter dem Namen eines Jrländers zu entkommen hoffen durfte. Dieses Detail, sowie die Namen des ver- rätherischen Knaben und des Lenkers des Henkerskarren können zu- gleich als Beweise dienen, daß dieses Lied aus mündlicher Ueber- lieferung virginischer Sklaven niedergeschrieben ist, in deren Gedächtniß Onkel Gabriel und sein Unternehmen fortlebten. Tritt schon in dem eben erzählten Falle das Streben der Sklaven- halter zu Tage, einen Schleier auszubreiten über ein Ereigniß, das nur schlecht mit der sonst von ihnen gerühmten Anhänglichkeit und Treue der Schwarzen harmonirte, so wird diese Politik noch offen- barer bei einer zweiundzwanzig Jahre später in Süd=Carolina entdeckten Sklavenverschwörung, der gefährlichsten, die je das Lieblings=Jnstitut des Südens bedrohte. Am Sonntag Nachmittag des 25. Mai 1822 wurde der Sklave Devany in Charleston während der Abwesenheit seines Herrn, des Obersten Prioleau, von dessen Frau ausgesandt, auf dem Markt einige Küchenbedürfnisse einzukaufen. Auf dem Rückwege, den er mit der behaglichen Muße und angestammten Neugier eines Haussklaven durch einen Spaziergang nach dem Hafen verlängert hatte, um sich die neu eingelaufenen Schiffe anzusehen, begegnete er einem Bekannten, dem William Paul, einem Sklaven des Handelsmanns John Paul. „Weißt Du schon, daß etwas Ernstes im Gange ist?“ raunte ihm dieser nach der Begrüßung und einigem leichten Geschwätz zu. De- vany verneinte. „Wir sind entschlossen, uns unser Recht zu ver- schaffen “, fuhr William fort, „unser Joch zu zerbrechen, und stehen dazu auf gutem Boden. Schon sind viele unserer Brüder dem Bunde beigetreten, und wenn Du willst, so führe ich Dich zum Besitzer der Namensliste, damit Du eingetragen wirst.“ William hatte sich in seinem Eifer an den Unrechten gewendet. Devany war wohl ein guter Koch, aber viel zu feig, um ein Ver-

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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 24. Berlin, 14. Juni 1868, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt24_1868/6>, abgerufen am 01.06.2024.