Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sonntags-Blatt. Nr. 32. Berlin, 8. August 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

[Abbildung] Ein Affentribunal. Von Paul Meyerheim.
[Beginn Spaltensatz] müth dringt so tief in das Gemüth des Andern ein. Wie ist in dieser
kleinen Gruppe in feinster Schrift der nationale Unterschied und die
Anderartigkeit des Knaben und des Mädchens zu lesen! Das sind ein-
fache Stoffe, die keines Kommentars bedürfen, weil sie jedem Auge
in ihrer naiven Darstellung verständlich sind, aber es sind überreiche
Stoffe, weil sie das volle Gefühl des Beschauers beschäftigen, laut zu
seinem Herzen sprechen!

Felix Mendelssohn sagte einmal in vertrautem Kreise, die Genies
wären die, die am meisten büffeln. Paradox, wie der Scherz ist, hat
er doch die Wahrheit, daß begabte und dabei überaus fleißige Men-
schen es dahin bringen können, daß ihnen eine gewisse produktive
Fähigkeit gleichsam wie von selbst kommt.

Der Beschauer pflegt am Geschwindesten da zu bewundern, wo
kleine Gegenstände, schnell und sicher geschaffen, seine Phantasie im
Augenblick anregen und unwillkürlich seinen Gedankengang auf die
Entstehungsgeschichte lenken. Auch Paul Meyerheim, ein Maler von
nie rastendem Fleiß, hat es zu dem Glück gebracht, aus seinen großen
und anstrengenden Saaten im Kleinen hundertfältiges Korn zu ernten.
Jm engern Kreise kommt solche Gabe aber= und abermals denen zu
Gute, die das Glück der näheren Berührung mit dem Produzirenden
selbst haben. Der zerstreuten kleineren Gelegenheitsblätter zu erwähnen,
ist hier nicht der Ort -- wohl aber werden sich diejenigen unter
unsern Lesern, die in Berlin einmal ein Künstlerfest mitgefeiert haben,
mit Freude der reichen Gaben erinnern, die er dann verschwenderisch
auf Tischkarten, Wanddekorationen und Arrangements aller Art zu
streuen pflegt, und denen stets der ihm eigenthümliche freundliche
Charakter aufgeprägt ist.

Aber auch weiteren Kreisen kommt diese Gabe -- Dank der me-
chanischen Hülfsmittel unserer Zeit -- in vollem Maaße zu Gute.
Die Jllustration, seit Chodowiecki eine in Deutschland fleißig gepflegte
Kunstgattung, hat es in unseren Tagen zu einer Vollkommenheit ge-
bracht, deren sich Jeder erfreut, wenn er nur an Namen wie Menzel
und Ludwig Richter denkt. Hier muß der Maler mit dem Dichter
gehen, oder gar selbst zum Erzähler werden. Jn Beiden hat sich
[Spaltenumbruch] Paul Meyerheim mit Glück versucht. Die artistischen Beigaben seiner
Hand, z. B. in Auerbach's letztem Kalender, die in den Stuttgarter
Bilderbogen erschienenen Blätter sind davon redende Zeugnisse, und
wie sich im Kleinsten oft der Meister zeigt, möchte kaum eine seiner
Gaben mehr für seine besonderen Eigenthümlichkeiten Zeugniß ab-
legen, als die Lebensgeschichte eines Löwen und die Japanesen auf
jenen Bilderbogen.

Den Lehrjahren Panl Meyerheim's im Vaterhause folgten die
Wanderjahre. Seine erste Reise war eine Seereise. Von Danzig
aus besuchte er an der Seite eines befreundeten Kapitäns die Küsten
von Dänemark, Schweden, Norwegen, England und Frankreich. Den
Studien an den Dünen folgten die im Hochgebirge; einen vollen
Sommer verlebte er in Tyrol. Seine letzte Reise endlich führte ihn
über Holland und Belgien nach Paris, wo er Jahr und Tag zu-
brachte. Auf dieser Schlußwanderung knüpfte er zahlreiche Verbin-
dungen mit seinen auswärtigen Kunstgenossen an. Seine Studien-
mappen füllten sich damals mit dem reichen Schatz von Aquarellen,
deren Ausstellung im vergangenen Sommer in Berlin mit Recht all-
seitige Anerkennung fand. Jn den Straßen der holländischen Städte
und an den Küsten der Nordsee fand er des Eigenthümlichen, noch
selten genug Ausgebeuteten so viel, daß man nicht allein über die
Ausführung, sondern auch über die Mannichfaltigkeit des Gegebenen
staunen muß. Die Zeit seines Pariser Aufenthalts schloß die große
Welt=Jndustrie=Ausstellung von 1867 ab, deren vollen Eindruck er mit
lebhafter Freude in sich aufnahm. Nach einem flüchtigen Besuch der
Schweiz kehrte er in die Heimath zurück, begründete mit der erwählten
Braut das eigene Hauswesen, und er wenigstens kann sich nicht der
alten Klage anschließen, daß der Prophet im Vaterlande nichts gelte.
Den jugendlichen, noch nicht lange heimgekehrten Meister nahm die
so exklusive Berliner Akademie in ihre erlesenen Kreise auf. Möchte
der Eintritt einer so frischen, aufstrebenden Kraft dazu beitragen, dem
alternden, wenig ausgiebigen Jnstitut neue Lebenswärme einzuhauchen,
aus einem versteinerten Areopagus der Künste eine jugendliche Ring-
schule der Künstler zu machen.

[Ende Spaltensatz]

[Abbildung] Ein Affentribunal. Von Paul Meyerheim.
[Beginn Spaltensatz] müth dringt so tief in das Gemüth des Andern ein. Wie ist in dieser
kleinen Gruppe in feinster Schrift der nationale Unterschied und die
Anderartigkeit des Knaben und des Mädchens zu lesen! Das sind ein-
fache Stoffe, die keines Kommentars bedürfen, weil sie jedem Auge
in ihrer naiven Darstellung verständlich sind, aber es sind überreiche
Stoffe, weil sie das volle Gefühl des Beschauers beschäftigen, laut zu
seinem Herzen sprechen!

Felix Mendelssohn sagte einmal in vertrautem Kreise, die Genies
wären die, die am meisten büffeln. Paradox, wie der Scherz ist, hat
er doch die Wahrheit, daß begabte und dabei überaus fleißige Men-
schen es dahin bringen können, daß ihnen eine gewisse produktive
Fähigkeit gleichsam wie von selbst kommt.

Der Beschauer pflegt am Geschwindesten da zu bewundern, wo
kleine Gegenstände, schnell und sicher geschaffen, seine Phantasie im
Augenblick anregen und unwillkürlich seinen Gedankengang auf die
Entstehungsgeschichte lenken. Auch Paul Meyerheim, ein Maler von
nie rastendem Fleiß, hat es zu dem Glück gebracht, aus seinen großen
und anstrengenden Saaten im Kleinen hundertfältiges Korn zu ernten.
Jm engern Kreise kommt solche Gabe aber= und abermals denen zu
Gute, die das Glück der näheren Berührung mit dem Produzirenden
selbst haben. Der zerstreuten kleineren Gelegenheitsblätter zu erwähnen,
ist hier nicht der Ort — wohl aber werden sich diejenigen unter
unsern Lesern, die in Berlin einmal ein Künstlerfest mitgefeiert haben,
mit Freude der reichen Gaben erinnern, die er dann verschwenderisch
auf Tischkarten, Wanddekorationen und Arrangements aller Art zu
streuen pflegt, und denen stets der ihm eigenthümliche freundliche
Charakter aufgeprägt ist.

Aber auch weiteren Kreisen kommt diese Gabe — Dank der me-
chanischen Hülfsmittel unserer Zeit — in vollem Maaße zu Gute.
Die Jllustration, seit Chodowiecki eine in Deutschland fleißig gepflegte
Kunstgattung, hat es in unseren Tagen zu einer Vollkommenheit ge-
bracht, deren sich Jeder erfreut, wenn er nur an Namen wie Menzel
und Ludwig Richter denkt. Hier muß der Maler mit dem Dichter
gehen, oder gar selbst zum Erzähler werden. Jn Beiden hat sich
[Spaltenumbruch] Paul Meyerheim mit Glück versucht. Die artistischen Beigaben seiner
Hand, z. B. in Auerbach's letztem Kalender, die in den Stuttgarter
Bilderbogen erschienenen Blätter sind davon redende Zeugnisse, und
wie sich im Kleinsten oft der Meister zeigt, möchte kaum eine seiner
Gaben mehr für seine besonderen Eigenthümlichkeiten Zeugniß ab-
legen, als die Lebensgeschichte eines Löwen und die Japanesen auf
jenen Bilderbogen.

Den Lehrjahren Panl Meyerheim's im Vaterhause folgten die
Wanderjahre. Seine erste Reise war eine Seereise. Von Danzig
aus besuchte er an der Seite eines befreundeten Kapitäns die Küsten
von Dänemark, Schweden, Norwegen, England und Frankreich. Den
Studien an den Dünen folgten die im Hochgebirge; einen vollen
Sommer verlebte er in Tyrol. Seine letzte Reise endlich führte ihn
über Holland und Belgien nach Paris, wo er Jahr und Tag zu-
brachte. Auf dieser Schlußwanderung knüpfte er zahlreiche Verbin-
dungen mit seinen auswärtigen Kunstgenossen an. Seine Studien-
mappen füllten sich damals mit dem reichen Schatz von Aquarellen,
deren Ausstellung im vergangenen Sommer in Berlin mit Recht all-
seitige Anerkennung fand. Jn den Straßen der holländischen Städte
und an den Küsten der Nordsee fand er des Eigenthümlichen, noch
selten genug Ausgebeuteten so viel, daß man nicht allein über die
Ausführung, sondern auch über die Mannichfaltigkeit des Gegebenen
staunen muß. Die Zeit seines Pariser Aufenthalts schloß die große
Welt=Jndustrie=Ausstellung von 1867 ab, deren vollen Eindruck er mit
lebhafter Freude in sich aufnahm. Nach einem flüchtigen Besuch der
Schweiz kehrte er in die Heimath zurück, begründete mit der erwählten
Braut das eigene Hauswesen, und er wenigstens kann sich nicht der
alten Klage anschließen, daß der Prophet im Vaterlande nichts gelte.
Den jugendlichen, noch nicht lange heimgekehrten Meister nahm die
so exklusive Berliner Akademie in ihre erlesenen Kreise auf. Möchte
der Eintritt einer so frischen, aufstrebenden Kraft dazu beitragen, dem
alternden, wenig ausgiebigen Jnstitut neue Lebenswärme einzuhauchen,
aus einem versteinerten Areopagus der Künste eine jugendliche Ring-
schule der Künstler zu machen.

[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0005" n="253"/><fw type="pageNum" place="top">253</fw><figure><head>  Ein Affentribunal. Von Paul Meyerheim.  </head></figure><lb/><cb type="start"/>
müth dringt so tief in das Gemüth des Andern ein. Wie ist in dieser<lb/>
kleinen Gruppe in feinster Schrift der nationale Unterschied und die<lb/>
Anderartigkeit des Knaben und des Mädchens zu lesen! Das sind ein-<lb/>
fache Stoffe, die keines Kommentars bedürfen, weil sie jedem Auge<lb/>
in ihrer naiven Darstellung verständlich sind, aber es sind überreiche<lb/>
Stoffe, weil sie das volle Gefühl des Beschauers beschäftigen, laut zu<lb/>
seinem Herzen sprechen!</p><lb/>
        <p>Felix Mendelssohn sagte einmal in vertrautem Kreise, die Genies<lb/>
wären die, die am meisten büffeln. Paradox, wie der Scherz ist, hat<lb/>
er doch <hi rendition="#g">die</hi> Wahrheit, daß begabte und dabei überaus fleißige Men-<lb/>
schen es dahin bringen können, daß ihnen eine gewisse produktive<lb/>
Fähigkeit gleichsam wie von selbst kommt.</p><lb/>
        <p>Der Beschauer pflegt am Geschwindesten da zu bewundern, wo<lb/>
kleine Gegenstände, schnell und sicher geschaffen, seine Phantasie im<lb/>
Augenblick anregen und unwillkürlich seinen Gedankengang auf die<lb/>
Entstehungsgeschichte lenken. Auch Paul Meyerheim, ein Maler von<lb/>
nie rastendem Fleiß, hat es zu dem Glück gebracht, aus seinen großen<lb/>
und anstrengenden Saaten im Kleinen hundertfältiges Korn zu ernten.<lb/>
Jm engern Kreise kommt solche Gabe aber= und abermals denen zu<lb/>
Gute, die das Glück der näheren Berührung mit dem Produzirenden<lb/>
selbst haben. Der zerstreuten kleineren Gelegenheitsblätter zu erwähnen,<lb/>
ist hier nicht der Ort &#x2014; wohl aber werden sich diejenigen unter<lb/>
unsern Lesern, die in Berlin einmal ein Künstlerfest mitgefeiert haben,<lb/>
mit Freude der reichen Gaben erinnern, die er dann verschwenderisch<lb/>
auf Tischkarten, Wanddekorationen und Arrangements aller Art zu<lb/>
streuen pflegt, und denen stets der ihm eigenthümliche freundliche<lb/>
Charakter aufgeprägt ist.</p><lb/>
        <p>Aber auch weiteren Kreisen kommt diese Gabe &#x2014; Dank der me-<lb/>
chanischen Hülfsmittel unserer Zeit &#x2014; in vollem Maaße zu Gute.<lb/>
Die Jllustration, seit Chodowiecki eine in Deutschland fleißig gepflegte<lb/>
Kunstgattung, hat es in unseren Tagen zu einer Vollkommenheit ge-<lb/>
bracht, deren sich Jeder erfreut, wenn er nur an Namen wie Menzel<lb/>
und Ludwig Richter denkt. Hier muß der Maler mit dem Dichter<lb/>
gehen, oder gar selbst zum Erzähler werden. Jn Beiden hat sich<lb/><cb n="2"/>
Paul Meyerheim mit Glück versucht. Die artistischen Beigaben seiner<lb/>
Hand, z. B. in Auerbach's letztem Kalender, die in den Stuttgarter<lb/>
Bilderbogen erschienenen Blätter sind davon redende Zeugnisse, und<lb/>
wie sich im Kleinsten oft der Meister zeigt, möchte kaum eine seiner<lb/>
Gaben mehr für seine besonderen Eigenthümlichkeiten Zeugniß ab-<lb/>
legen, als die Lebensgeschichte eines Löwen und die Japanesen auf<lb/>
jenen Bilderbogen.</p><lb/>
        <p>Den Lehrjahren Panl Meyerheim's im Vaterhause folgten die<lb/>
Wanderjahre. Seine erste Reise war eine Seereise. Von Danzig<lb/>
aus besuchte er an der Seite eines befreundeten Kapitäns die Küsten<lb/>
von Dänemark, Schweden, Norwegen, England und Frankreich. Den<lb/>
Studien an den Dünen folgten die im Hochgebirge; einen vollen<lb/>
Sommer verlebte er in Tyrol. Seine letzte Reise endlich führte ihn<lb/>
über Holland und Belgien nach Paris, wo er Jahr und Tag zu-<lb/>
brachte. Auf dieser Schlußwanderung knüpfte er zahlreiche Verbin-<lb/>
dungen mit seinen auswärtigen Kunstgenossen an. Seine Studien-<lb/>
mappen füllten sich damals mit dem reichen Schatz von Aquarellen,<lb/>
deren Ausstellung im vergangenen Sommer in Berlin mit Recht all-<lb/>
seitige Anerkennung fand. Jn den Straßen der holländischen Städte<lb/>
und an den Küsten der Nordsee fand er des Eigenthümlichen, noch<lb/>
selten genug Ausgebeuteten so viel, daß man nicht allein über die<lb/>
Ausführung, sondern auch über die Mannichfaltigkeit des Gegebenen<lb/>
staunen muß. Die Zeit seines Pariser Aufenthalts schloß die große<lb/>
Welt=Jndustrie=Ausstellung von 1867 ab, deren vollen Eindruck er mit<lb/>
lebhafter Freude in sich aufnahm. Nach einem flüchtigen Besuch der<lb/>
Schweiz kehrte er in die Heimath zurück, begründete mit der erwählten<lb/>
Braut das eigene Hauswesen, und er wenigstens kann sich nicht der<lb/>
alten Klage anschließen, daß der Prophet im Vaterlande nichts gelte.<lb/>
Den jugendlichen, noch nicht lange heimgekehrten Meister nahm die<lb/>
so exklusive Berliner Akademie in ihre erlesenen Kreise auf. Möchte<lb/>
der Eintritt einer so frischen, aufstrebenden Kraft dazu beitragen, dem<lb/>
alternden, wenig ausgiebigen Jnstitut neue Lebenswärme einzuhauchen,<lb/>
aus einem versteinerten Areopagus der Künste eine jugendliche Ring-<lb/>
schule der Künstler zu machen.</p>
      </div><lb/>
      <cb type="end"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0005] 253 [Abbildung Ein Affentribunal. Von Paul Meyerheim. ] müth dringt so tief in das Gemüth des Andern ein. Wie ist in dieser kleinen Gruppe in feinster Schrift der nationale Unterschied und die Anderartigkeit des Knaben und des Mädchens zu lesen! Das sind ein- fache Stoffe, die keines Kommentars bedürfen, weil sie jedem Auge in ihrer naiven Darstellung verständlich sind, aber es sind überreiche Stoffe, weil sie das volle Gefühl des Beschauers beschäftigen, laut zu seinem Herzen sprechen! Felix Mendelssohn sagte einmal in vertrautem Kreise, die Genies wären die, die am meisten büffeln. Paradox, wie der Scherz ist, hat er doch die Wahrheit, daß begabte und dabei überaus fleißige Men- schen es dahin bringen können, daß ihnen eine gewisse produktive Fähigkeit gleichsam wie von selbst kommt. Der Beschauer pflegt am Geschwindesten da zu bewundern, wo kleine Gegenstände, schnell und sicher geschaffen, seine Phantasie im Augenblick anregen und unwillkürlich seinen Gedankengang auf die Entstehungsgeschichte lenken. Auch Paul Meyerheim, ein Maler von nie rastendem Fleiß, hat es zu dem Glück gebracht, aus seinen großen und anstrengenden Saaten im Kleinen hundertfältiges Korn zu ernten. Jm engern Kreise kommt solche Gabe aber= und abermals denen zu Gute, die das Glück der näheren Berührung mit dem Produzirenden selbst haben. Der zerstreuten kleineren Gelegenheitsblätter zu erwähnen, ist hier nicht der Ort — wohl aber werden sich diejenigen unter unsern Lesern, die in Berlin einmal ein Künstlerfest mitgefeiert haben, mit Freude der reichen Gaben erinnern, die er dann verschwenderisch auf Tischkarten, Wanddekorationen und Arrangements aller Art zu streuen pflegt, und denen stets der ihm eigenthümliche freundliche Charakter aufgeprägt ist. Aber auch weiteren Kreisen kommt diese Gabe — Dank der me- chanischen Hülfsmittel unserer Zeit — in vollem Maaße zu Gute. Die Jllustration, seit Chodowiecki eine in Deutschland fleißig gepflegte Kunstgattung, hat es in unseren Tagen zu einer Vollkommenheit ge- bracht, deren sich Jeder erfreut, wenn er nur an Namen wie Menzel und Ludwig Richter denkt. Hier muß der Maler mit dem Dichter gehen, oder gar selbst zum Erzähler werden. Jn Beiden hat sich Paul Meyerheim mit Glück versucht. Die artistischen Beigaben seiner Hand, z. B. in Auerbach's letztem Kalender, die in den Stuttgarter Bilderbogen erschienenen Blätter sind davon redende Zeugnisse, und wie sich im Kleinsten oft der Meister zeigt, möchte kaum eine seiner Gaben mehr für seine besonderen Eigenthümlichkeiten Zeugniß ab- legen, als die Lebensgeschichte eines Löwen und die Japanesen auf jenen Bilderbogen. Den Lehrjahren Panl Meyerheim's im Vaterhause folgten die Wanderjahre. Seine erste Reise war eine Seereise. Von Danzig aus besuchte er an der Seite eines befreundeten Kapitäns die Küsten von Dänemark, Schweden, Norwegen, England und Frankreich. Den Studien an den Dünen folgten die im Hochgebirge; einen vollen Sommer verlebte er in Tyrol. Seine letzte Reise endlich führte ihn über Holland und Belgien nach Paris, wo er Jahr und Tag zu- brachte. Auf dieser Schlußwanderung knüpfte er zahlreiche Verbin- dungen mit seinen auswärtigen Kunstgenossen an. Seine Studien- mappen füllten sich damals mit dem reichen Schatz von Aquarellen, deren Ausstellung im vergangenen Sommer in Berlin mit Recht all- seitige Anerkennung fand. Jn den Straßen der holländischen Städte und an den Küsten der Nordsee fand er des Eigenthümlichen, noch selten genug Ausgebeuteten so viel, daß man nicht allein über die Ausführung, sondern auch über die Mannichfaltigkeit des Gegebenen staunen muß. Die Zeit seines Pariser Aufenthalts schloß die große Welt=Jndustrie=Ausstellung von 1867 ab, deren vollen Eindruck er mit lebhafter Freude in sich aufnahm. Nach einem flüchtigen Besuch der Schweiz kehrte er in die Heimath zurück, begründete mit der erwählten Braut das eigene Hauswesen, und er wenigstens kann sich nicht der alten Klage anschließen, daß der Prophet im Vaterlande nichts gelte. Den jugendlichen, noch nicht lange heimgekehrten Meister nahm die so exklusive Berliner Akademie in ihre erlesenen Kreise auf. Möchte der Eintritt einer so frischen, aufstrebenden Kraft dazu beitragen, dem alternden, wenig ausgiebigen Jnstitut neue Lebenswärme einzuhauchen, aus einem versteinerten Areopagus der Künste eine jugendliche Ring- schule der Künstler zu machen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt32_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt32_1869/5
Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 32. Berlin, 8. August 1869, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt32_1869/5>, abgerufen am 01.06.2024.