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Sonntags-Blatt. Nr. 32. Berlin, 8. August 1869.

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[Beginn Spaltensatz]
Friedrich der Große als Freimaurer.
Von
Ferdinand Meyer.

Schon als Kronprinz war Friedrich II. in die Geheimnisse des
Freimaurer=Ordens, wenngleich gegen Wissen und Willen seines könig-
lichen Vaters, eingeweiht. Eine seiner ersten Unternehmungen nach
seiner Thronbesteigung war die Legung des Grundsteins zur Loge
" Les trois globes ", der heutigen National=Mutterloge zu den drei
Weltkugeln, in welcher er als Meister vom Stuhl den Hammer führte.
Vierundzwanzig seiner vertrautesten Freunde bildeten die Mitglieder
der Loge.

Der große König betrachtete den Orden als eine liebevolle Pfle-
gerin der menschlichen Natur, des Edlen, Guten und Großen in der
Menschheit, als eine Schule der Eintracht und Wohlthätigkeit, der
Rechtschaffenheit und überhaupt aller geselligen Tugenden.

Er sollte sich bitter getäuscht sehen!

Die schlesischen Provinzen waren im Siegesfluge erobert. Friedrich
nahm sowohl auf die Erhaltung derselben, als auch auf die Deckung
seiner übrigen Provinzen Bedacht, zu welchem Zweck er die alten
Vesten verbessern und neue anlegen ließ. Sein Liebling, der General
Wallrave, einer der geschicktesten Jngenieure und zugleich Mitglied der
Loge, war mit der Ausführung dieses Plans betraut.

Wallrave, geblendet durch die glänzenden Versprechungen des Für-
sten Kaunitz in Wien, hatte sich mit diesem in Verbindung gesetzt; er
führte nichts Geringeres im Schilde, als den Plan der Festung Neisse,
welche den Grenzvertheidigungspunkt gegen Oesterreich bildete, mit
ihren neuen Forts und Minen, nebst der Verbindung derselben mit den
Werken an den Feind zu verkaufen. Allein die Korrespondenz des
Generals mit Kaunitz erregte den Verdacht des General=Postmeisters,
er erstattete dem König Rapport, und dieser befahl, die Sache genau
zu untersuchen.

So wurde der nächste Brief des Generals angehalten und dem
König übergeben. Friedrich erbrach und las das Schreiben. Klar
enthüllt stand der schändliche Verrath seines Lieblings, den er mit
Ehrenbezeugungen überhäuft und seines Vertrauens gewürdigt hatte
-- stand der Verrath des Freundes und Bruders vor seinen Augen
enthüllt. Was mußte nicht das vortreffliche Herz des großen Königs
in diesen Augenblicken empfinden, als er sich von einem Landes-
verräther verkauft sah?

Lange kämpfte Friedrich mit sich selbst, ehe er zu einem Entschluß
gelangte -- endlich war dieser gefaßt.

Unerwartet wurden die Logenbrüder zu einer Sitzung berufen.
Mit Ernst und Wärme sprach der König zu ihnen von den Pflichten
eines ächten Maurers gegenüber seinen Brüdern und dem Vaterlande.
Der feierliche Ton in den eindrucksvollen Worten ihres Logenmeisters
versetzte die Anwesenden in Erstaunen, das einer allgemeinen Be-
stürzung wich, als der König sich von seinem Sitze erhob und mit
den Worten schloß:

"Einer unter Euch hat sich an den Ordensgesetzen, an seiner Pflicht
gegen den Staat, seinem Eide, der Treue und Dankbarkeit gegen mich,
seinem vorsitzenden Meister und König, todesschwer vergangen...
Als König will ich es nicht wissen und als Meister vom
Stuhl ihm verzeihen; als Bruder biete ich ihm die Hand,
von seinem Fall ihn wieder aufzurichten, und als Mensch
will ich vergessen, was er gefehlt
... Jch verlange nur, daß
er sein Verbrechen hier eingestehen und sich bessern soll; dann wird
Alles beim Alten unter uns bleiben und nie wieder davon eine Er-
wähnung geschehen. Schweigt er aber und schlägt die ihm dar-
gebotene Verzeihung aus, so bin ich gezwungen, die Loge auf immer
zu verlassen und ihn, als Herr und König, als erster Beamter im
Staate, dem Ausspruch des Gerichts zu übergeben!"

Athemlos lauschten die Brüder den Worten ihres Meisters --
erschüttert sahen sie einander an.

Der König wiederholte nach einer Pause die Aufforderung -- Nie-
mand regte sich. Und wiederum herrschte Todesstille, als des Königs
Rede zum dritten Mal erklang. Thränen glänzten in seinen Augen,
und mit bewegter Stimme begann er:

"Jch habe meine Pflicht als Maurer erfüllt, leider aber gewahre
ich, daß unter dieser kleinen Zahl kein Maurergefühl herrscht, daß
Pflicht und Eid, Treue und Erkenntlichkeit weder die Menschen zu
fesseln, noch die Allgewalt der Leidenschaften zu zügeln vermögen.
Somit schließe ich denn heut diese Loge für immer und
werde nie wieder den Hammer führen!
"

Entblößten Hauptes legte der König den Hammer auf den Altar
nieder und begab sich hinaus. Wallrave ahnte nicht, daß er entlarvt
sei; erst im Vorzimmer, als der Monarch ihm den Degen abforderte,
ward ihm die schreckliche Gewißheit. Er warf sich dem König zu
[Spaltenumbruch] Füßen, doch zu spät kam das Geständniß seiner Schuld; er ward dem
Arrest und später dem Richterstuhl zugeführt.



Sieben Jahre waren seit jenem Tage vergangen. Seit sieben
Jahren saß wieder ein Gefangener im Fort Preußen zu Magdeburg.
Es war ein enger, schwarzer Raum, dessen Wände und Fußboden ge-
polstert und mit einem Tuchüberzug versehen waren; ein schwacher
Lichtschimmer erhellte nur matt das schauerliche Gemach, das für einen
Staatsverbrecher und so eingerichtet war, daß sein Bewohner weder
entweichen, noch sich das Leben nehmen konnte... Der Gefangene
war Wallrave, dem sich Niemand nahen durfte, der weder Löffel,
Messer noch Gabel erhielt, und dem selbst Bücher und Schreib-
materialien nicht verabfolgt wurden.

Nach sieben Jahren erbarmte Friedrich sich des Staatsverräthers;
er erhielt ein besseres Gefängniß, in dessen kleinem Garten er sich
ergehen und Luft und Sonnenschein genießen konnte.

Ermuthigt durch die Milde des Monarchen, wandte der Gefangene
sich an ihn mit den Worten des 88. Psalm:

"Laß mein Gebet vor Dich kommen; neige Deine Ohren zu
meinem Geschrei. Jch liege unter den Todten verlassen, wie die Er-
schlagenen, die im Grabe liegen, derer Du nicht mehr gedenkest, und
die von Deiner Hand abgesondert sind. Du hast mich in die Grube
hinunter geleget, in Finsterniß und in die Tiefe. Meine Gestalt ist
jämmerlich vor Elend; Herr, ich rufe Dich an täglich, ich breite meine
Hände aus zu Dir. Warum verstößest Du, Herr, meine Seele und
verbirgst Dein Antlitz vor mir?"

"Friedrich antwortete ihm mit dem 101. Psalm:

"Jch hasse den Uebertreter und lasse ihn nicht bei mir bleiben.
Meine Augen sehen nach den Treuen im Lande, daß sie bei mir woh-
nen, und haben gern fromme Diener. Falsche Leute halte ich nicht in
meinem Hause; die Lügner gedeihen nicht bei mir. Frühe vertilge ich
alle Gottlose im Lande: daß ich alle Uebelthäter ausrotte aus der
Stadt des Herrn."

Dreißig Jahre lang saß Wallrave, abgeschieden von der Welt und
ihrem Leben, in dieser schweren Haft, bis ihn im Jahre 1776 der
Tod aus derselben erlöste.



Der Verfassungseid eines Königs.
Ein Stück vergessener Geschichte
von
C. Nissel.

Mit dem heraufdämmernden Morgen des 2. Juli 1820 zog aus der
Stadt Nola eine kleine Menschentruppe, der kühnen Absicht voll, das
Königreich Beider Sicilien von dem schweren Joch der Tyrannei, das ihm
Ferdinand I. aufgelegt, zu befreien. Das Unternehmen war allerdings ein
wenig groß für die kleine Truppe, welche aus 127 Mann Unteroffizieren
und Gemeinen des in Nola garnisonirenden Reiterregiments König
Bourbon, unter der Führung zweier Unterlieutenants, Morelli und Sil-
vati, und etwa 20 Mann aus dem Civilstande, den Priester Menichini an
der Spitze, bestand. Aber die Truppe zog voll Muth und Zuversicht hin-
aus, denn man wußte, daß des Zündstoffes genug im Lande vorhanden
war, der nur des Funkens bedurfte, um in mächtigem Brande aufzulodern.

Die kleine Truppe richtete ihren Marsch von Nola nach Avellino, am
hellen Tage mitten durch stark bevölkerte Städte und Flecken, unaufgehalten,
mit dem steten Ruf: "Es lebe Gott, König und Verfassung!" Dieser
Ruf, der überall ein lautes Echo fand, wurde gewissermaßen das Losungs-
wort der Revolution. Jn Mercogliano wurde Halt gemacht. Morelli
erließ von hier aus an den Gouverneur von Avellino, den Oberstlieutenant
de Conciliis, ein Schreiben, welches die Aufforderung enthielt, sich der
Bewegung anzuschließen. Conciliis, ein geheimer Anhänger der Carbonari,
dabei ein sehr reicher und kühner Mann, schwankte zwar einen Moment,
aber als er hörte, daß die Bewegung wie ein Lauffeuer um sich greife,
trat er mit Morelli in Unterhandlung. Jn einer geheimen Unterredung
wurde beschlossen, daß Morelli am 3. Juli seinen festlichen Einzug in
Avellino halten sollte. Zwar versuchte die indeß von den geschehenen
Dingen benachrichtigte Regierung dagegen einzuschreiten, aber weil bereits
von allen Seiten Kunde von Aufständen einliefen, so fand sie weder den
nöthigen Gehorsam, noch die zur Bewältigung nöthigen Mittel. Jndeß
war jedoch auch die Truppe Morelli's zu einem stattlichen Heere angewachsen,
welches sich stündlich verstärkte und auf den Höhen von Monteforte ein
Lager bezog. Der Einzug in die Stadt Avellino geschah mit festlichem
Gepränge; die Stadtbehörden von Avellino, der Jntendant, der Bischof
empfingen die Einziehenden und leiteten sie in die Kirche, wo der Eid, für
Gott, König und Verfassung zu streiten, geleistet wurde. Morelli legte
dabei die feierliche Erklärung ab, daß die von ihm begonnene Erhebung
keine aufrührerische sei, daß der Staat, Gesetz und Ordnung unversehrt
bleiben sollten, daß selbst die regierende Familie von ihm nichts zu be-
fürchten hätte.

Darauf übernahm de Conciliis den Oberbefehl und erließ mit günstigem
Erfolge Aufforderungen an die benachbarten Provinzen, der ruhmvollen
Erhebung beizutreten. Die Reihen der gegen die Aufständischen aus-
geschickten Heeresabtheilung lichteten sich durch den massenhaften Uebertritt
der Soldaten zu den Aufständischen, ja ein ganzes Reiterregiment zog mit
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz]
Friedrich der Große als Freimaurer.
Von
Ferdinand Meyer.

Schon als Kronprinz war Friedrich II. in die Geheimnisse des
Freimaurer=Ordens, wenngleich gegen Wissen und Willen seines könig-
lichen Vaters, eingeweiht. Eine seiner ersten Unternehmungen nach
seiner Thronbesteigung war die Legung des Grundsteins zur Loge
Les trois globes “, der heutigen National=Mutterloge zu den drei
Weltkugeln, in welcher er als Meister vom Stuhl den Hammer führte.
Vierundzwanzig seiner vertrautesten Freunde bildeten die Mitglieder
der Loge.

Der große König betrachtete den Orden als eine liebevolle Pfle-
gerin der menschlichen Natur, des Edlen, Guten und Großen in der
Menschheit, als eine Schule der Eintracht und Wohlthätigkeit, der
Rechtschaffenheit und überhaupt aller geselligen Tugenden.

Er sollte sich bitter getäuscht sehen!

Die schlesischen Provinzen waren im Siegesfluge erobert. Friedrich
nahm sowohl auf die Erhaltung derselben, als auch auf die Deckung
seiner übrigen Provinzen Bedacht, zu welchem Zweck er die alten
Vesten verbessern und neue anlegen ließ. Sein Liebling, der General
Wallrave, einer der geschicktesten Jngenieure und zugleich Mitglied der
Loge, war mit der Ausführung dieses Plans betraut.

Wallrave, geblendet durch die glänzenden Versprechungen des Für-
sten Kaunitz in Wien, hatte sich mit diesem in Verbindung gesetzt; er
führte nichts Geringeres im Schilde, als den Plan der Festung Neisse,
welche den Grenzvertheidigungspunkt gegen Oesterreich bildete, mit
ihren neuen Forts und Minen, nebst der Verbindung derselben mit den
Werken an den Feind zu verkaufen. Allein die Korrespondenz des
Generals mit Kaunitz erregte den Verdacht des General=Postmeisters,
er erstattete dem König Rapport, und dieser befahl, die Sache genau
zu untersuchen.

So wurde der nächste Brief des Generals angehalten und dem
König übergeben. Friedrich erbrach und las das Schreiben. Klar
enthüllt stand der schändliche Verrath seines Lieblings, den er mit
Ehrenbezeugungen überhäuft und seines Vertrauens gewürdigt hatte
— stand der Verrath des Freundes und Bruders vor seinen Augen
enthüllt. Was mußte nicht das vortreffliche Herz des großen Königs
in diesen Augenblicken empfinden, als er sich von einem Landes-
verräther verkauft sah?

Lange kämpfte Friedrich mit sich selbst, ehe er zu einem Entschluß
gelangte — endlich war dieser gefaßt.

Unerwartet wurden die Logenbrüder zu einer Sitzung berufen.
Mit Ernst und Wärme sprach der König zu ihnen von den Pflichten
eines ächten Maurers gegenüber seinen Brüdern und dem Vaterlande.
Der feierliche Ton in den eindrucksvollen Worten ihres Logenmeisters
versetzte die Anwesenden in Erstaunen, das einer allgemeinen Be-
stürzung wich, als der König sich von seinem Sitze erhob und mit
den Worten schloß:

„Einer unter Euch hat sich an den Ordensgesetzen, an seiner Pflicht
gegen den Staat, seinem Eide, der Treue und Dankbarkeit gegen mich,
seinem vorsitzenden Meister und König, todesschwer vergangen...
Als König will ich es nicht wissen und als Meister vom
Stuhl ihm verzeihen; als Bruder biete ich ihm die Hand,
von seinem Fall ihn wieder aufzurichten, und als Mensch
will ich vergessen, was er gefehlt
... Jch verlange nur, daß
er sein Verbrechen hier eingestehen und sich bessern soll; dann wird
Alles beim Alten unter uns bleiben und nie wieder davon eine Er-
wähnung geschehen. Schweigt er aber und schlägt die ihm dar-
gebotene Verzeihung aus, so bin ich gezwungen, die Loge auf immer
zu verlassen und ihn, als Herr und König, als erster Beamter im
Staate, dem Ausspruch des Gerichts zu übergeben!“

Athemlos lauschten die Brüder den Worten ihres Meisters —
erschüttert sahen sie einander an.

Der König wiederholte nach einer Pause die Aufforderung — Nie-
mand regte sich. Und wiederum herrschte Todesstille, als des Königs
Rede zum dritten Mal erklang. Thränen glänzten in seinen Augen,
und mit bewegter Stimme begann er:

„Jch habe meine Pflicht als Maurer erfüllt, leider aber gewahre
ich, daß unter dieser kleinen Zahl kein Maurergefühl herrscht, daß
Pflicht und Eid, Treue und Erkenntlichkeit weder die Menschen zu
fesseln, noch die Allgewalt der Leidenschaften zu zügeln vermögen.
Somit schließe ich denn heut diese Loge für immer und
werde nie wieder den Hammer führen!

Entblößten Hauptes legte der König den Hammer auf den Altar
nieder und begab sich hinaus. Wallrave ahnte nicht, daß er entlarvt
sei; erst im Vorzimmer, als der Monarch ihm den Degen abforderte,
ward ihm die schreckliche Gewißheit. Er warf sich dem König zu
[Spaltenumbruch] Füßen, doch zu spät kam das Geständniß seiner Schuld; er ward dem
Arrest und später dem Richterstuhl zugeführt.



Sieben Jahre waren seit jenem Tage vergangen. Seit sieben
Jahren saß wieder ein Gefangener im Fort Preußen zu Magdeburg.
Es war ein enger, schwarzer Raum, dessen Wände und Fußboden ge-
polstert und mit einem Tuchüberzug versehen waren; ein schwacher
Lichtschimmer erhellte nur matt das schauerliche Gemach, das für einen
Staatsverbrecher und so eingerichtet war, daß sein Bewohner weder
entweichen, noch sich das Leben nehmen konnte... Der Gefangene
war Wallrave, dem sich Niemand nahen durfte, der weder Löffel,
Messer noch Gabel erhielt, und dem selbst Bücher und Schreib-
materialien nicht verabfolgt wurden.

Nach sieben Jahren erbarmte Friedrich sich des Staatsverräthers;
er erhielt ein besseres Gefängniß, in dessen kleinem Garten er sich
ergehen und Luft und Sonnenschein genießen konnte.

Ermuthigt durch die Milde des Monarchen, wandte der Gefangene
sich an ihn mit den Worten des 88. Psalm:

„Laß mein Gebet vor Dich kommen; neige Deine Ohren zu
meinem Geschrei. Jch liege unter den Todten verlassen, wie die Er-
schlagenen, die im Grabe liegen, derer Du nicht mehr gedenkest, und
die von Deiner Hand abgesondert sind. Du hast mich in die Grube
hinunter geleget, in Finsterniß und in die Tiefe. Meine Gestalt ist
jämmerlich vor Elend; Herr, ich rufe Dich an täglich, ich breite meine
Hände aus zu Dir. Warum verstößest Du, Herr, meine Seele und
verbirgst Dein Antlitz vor mir?“

„Friedrich antwortete ihm mit dem 101. Psalm:

„Jch hasse den Uebertreter und lasse ihn nicht bei mir bleiben.
Meine Augen sehen nach den Treuen im Lande, daß sie bei mir woh-
nen, und haben gern fromme Diener. Falsche Leute halte ich nicht in
meinem Hause; die Lügner gedeihen nicht bei mir. Frühe vertilge ich
alle Gottlose im Lande: daß ich alle Uebelthäter ausrotte aus der
Stadt des Herrn.“

Dreißig Jahre lang saß Wallrave, abgeschieden von der Welt und
ihrem Leben, in dieser schweren Haft, bis ihn im Jahre 1776 der
Tod aus derselben erlöste.



Der Verfassungseid eines Königs.
Ein Stück vergessener Geschichte
von
C. Nissel.

Mit dem heraufdämmernden Morgen des 2. Juli 1820 zog aus der
Stadt Nola eine kleine Menschentruppe, der kühnen Absicht voll, das
Königreich Beider Sicilien von dem schweren Joch der Tyrannei, das ihm
Ferdinand I. aufgelegt, zu befreien. Das Unternehmen war allerdings ein
wenig groß für die kleine Truppe, welche aus 127 Mann Unteroffizieren
und Gemeinen des in Nola garnisonirenden Reiterregiments König
Bourbon, unter der Führung zweier Unterlieutenants, Morelli und Sil-
vati, und etwa 20 Mann aus dem Civilstande, den Priester Menichini an
der Spitze, bestand. Aber die Truppe zog voll Muth und Zuversicht hin-
aus, denn man wußte, daß des Zündstoffes genug im Lande vorhanden
war, der nur des Funkens bedurfte, um in mächtigem Brande aufzulodern.

Die kleine Truppe richtete ihren Marsch von Nola nach Avellino, am
hellen Tage mitten durch stark bevölkerte Städte und Flecken, unaufgehalten,
mit dem steten Ruf: „Es lebe Gott, König und Verfassung!“ Dieser
Ruf, der überall ein lautes Echo fand, wurde gewissermaßen das Losungs-
wort der Revolution. Jn Mercogliano wurde Halt gemacht. Morelli
erließ von hier aus an den Gouverneur von Avellino, den Oberstlieutenant
de Conciliis, ein Schreiben, welches die Aufforderung enthielt, sich der
Bewegung anzuschließen. Conciliis, ein geheimer Anhänger der Carbonari,
dabei ein sehr reicher und kühner Mann, schwankte zwar einen Moment,
aber als er hörte, daß die Bewegung wie ein Lauffeuer um sich greife,
trat er mit Morelli in Unterhandlung. Jn einer geheimen Unterredung
wurde beschlossen, daß Morelli am 3. Juli seinen festlichen Einzug in
Avellino halten sollte. Zwar versuchte die indeß von den geschehenen
Dingen benachrichtigte Regierung dagegen einzuschreiten, aber weil bereits
von allen Seiten Kunde von Aufständen einliefen, so fand sie weder den
nöthigen Gehorsam, noch die zur Bewältigung nöthigen Mittel. Jndeß
war jedoch auch die Truppe Morelli's zu einem stattlichen Heere angewachsen,
welches sich stündlich verstärkte und auf den Höhen von Monteforte ein
Lager bezog. Der Einzug in die Stadt Avellino geschah mit festlichem
Gepränge; die Stadtbehörden von Avellino, der Jntendant, der Bischof
empfingen die Einziehenden und leiteten sie in die Kirche, wo der Eid, für
Gott, König und Verfassung zu streiten, geleistet wurde. Morelli legte
dabei die feierliche Erklärung ab, daß die von ihm begonnene Erhebung
keine aufrührerische sei, daß der Staat, Gesetz und Ordnung unversehrt
bleiben sollten, daß selbst die regierende Familie von ihm nichts zu be-
fürchten hätte.

Darauf übernahm de Conciliis den Oberbefehl und erließ mit günstigem
Erfolge Aufforderungen an die benachbarten Provinzen, der ruhmvollen
Erhebung beizutreten. Die Reihen der gegen die Aufständischen aus-
geschickten Heeresabtheilung lichteten sich durch den massenhaften Uebertritt
der Soldaten zu den Aufständischen, ja ein ganzes Reiterregiment zog mit
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[254/0006] 254 Friedrich der Große als Freimaurer. Von Ferdinand Meyer. Schon als Kronprinz war Friedrich II. in die Geheimnisse des Freimaurer=Ordens, wenngleich gegen Wissen und Willen seines könig- lichen Vaters, eingeweiht. Eine seiner ersten Unternehmungen nach seiner Thronbesteigung war die Legung des Grundsteins zur Loge „ Les trois globes “, der heutigen National=Mutterloge zu den drei Weltkugeln, in welcher er als Meister vom Stuhl den Hammer führte. Vierundzwanzig seiner vertrautesten Freunde bildeten die Mitglieder der Loge. Der große König betrachtete den Orden als eine liebevolle Pfle- gerin der menschlichen Natur, des Edlen, Guten und Großen in der Menschheit, als eine Schule der Eintracht und Wohlthätigkeit, der Rechtschaffenheit und überhaupt aller geselligen Tugenden. Er sollte sich bitter getäuscht sehen! Die schlesischen Provinzen waren im Siegesfluge erobert. Friedrich nahm sowohl auf die Erhaltung derselben, als auch auf die Deckung seiner übrigen Provinzen Bedacht, zu welchem Zweck er die alten Vesten verbessern und neue anlegen ließ. Sein Liebling, der General Wallrave, einer der geschicktesten Jngenieure und zugleich Mitglied der Loge, war mit der Ausführung dieses Plans betraut. Wallrave, geblendet durch die glänzenden Versprechungen des Für- sten Kaunitz in Wien, hatte sich mit diesem in Verbindung gesetzt; er führte nichts Geringeres im Schilde, als den Plan der Festung Neisse, welche den Grenzvertheidigungspunkt gegen Oesterreich bildete, mit ihren neuen Forts und Minen, nebst der Verbindung derselben mit den Werken an den Feind zu verkaufen. Allein die Korrespondenz des Generals mit Kaunitz erregte den Verdacht des General=Postmeisters, er erstattete dem König Rapport, und dieser befahl, die Sache genau zu untersuchen. So wurde der nächste Brief des Generals angehalten und dem König übergeben. Friedrich erbrach und las das Schreiben. Klar enthüllt stand der schändliche Verrath seines Lieblings, den er mit Ehrenbezeugungen überhäuft und seines Vertrauens gewürdigt hatte — stand der Verrath des Freundes und Bruders vor seinen Augen enthüllt. Was mußte nicht das vortreffliche Herz des großen Königs in diesen Augenblicken empfinden, als er sich von einem Landes- verräther verkauft sah? Lange kämpfte Friedrich mit sich selbst, ehe er zu einem Entschluß gelangte — endlich war dieser gefaßt. Unerwartet wurden die Logenbrüder zu einer Sitzung berufen. Mit Ernst und Wärme sprach der König zu ihnen von den Pflichten eines ächten Maurers gegenüber seinen Brüdern und dem Vaterlande. Der feierliche Ton in den eindrucksvollen Worten ihres Logenmeisters versetzte die Anwesenden in Erstaunen, das einer allgemeinen Be- stürzung wich, als der König sich von seinem Sitze erhob und mit den Worten schloß: „Einer unter Euch hat sich an den Ordensgesetzen, an seiner Pflicht gegen den Staat, seinem Eide, der Treue und Dankbarkeit gegen mich, seinem vorsitzenden Meister und König, todesschwer vergangen... Als König will ich es nicht wissen und als Meister vom Stuhl ihm verzeihen; als Bruder biete ich ihm die Hand, von seinem Fall ihn wieder aufzurichten, und als Mensch will ich vergessen, was er gefehlt... Jch verlange nur, daß er sein Verbrechen hier eingestehen und sich bessern soll; dann wird Alles beim Alten unter uns bleiben und nie wieder davon eine Er- wähnung geschehen. Schweigt er aber und schlägt die ihm dar- gebotene Verzeihung aus, so bin ich gezwungen, die Loge auf immer zu verlassen und ihn, als Herr und König, als erster Beamter im Staate, dem Ausspruch des Gerichts zu übergeben!“ Athemlos lauschten die Brüder den Worten ihres Meisters — erschüttert sahen sie einander an. Der König wiederholte nach einer Pause die Aufforderung — Nie- mand regte sich. Und wiederum herrschte Todesstille, als des Königs Rede zum dritten Mal erklang. Thränen glänzten in seinen Augen, und mit bewegter Stimme begann er: „Jch habe meine Pflicht als Maurer erfüllt, leider aber gewahre ich, daß unter dieser kleinen Zahl kein Maurergefühl herrscht, daß Pflicht und Eid, Treue und Erkenntlichkeit weder die Menschen zu fesseln, noch die Allgewalt der Leidenschaften zu zügeln vermögen. Somit schließe ich denn heut diese Loge für immer und werde nie wieder den Hammer führen! “ Entblößten Hauptes legte der König den Hammer auf den Altar nieder und begab sich hinaus. Wallrave ahnte nicht, daß er entlarvt sei; erst im Vorzimmer, als der Monarch ihm den Degen abforderte, ward ihm die schreckliche Gewißheit. Er warf sich dem König zu Füßen, doch zu spät kam das Geständniß seiner Schuld; er ward dem Arrest und später dem Richterstuhl zugeführt. Sieben Jahre waren seit jenem Tage vergangen. Seit sieben Jahren saß wieder ein Gefangener im Fort Preußen zu Magdeburg. Es war ein enger, schwarzer Raum, dessen Wände und Fußboden ge- polstert und mit einem Tuchüberzug versehen waren; ein schwacher Lichtschimmer erhellte nur matt das schauerliche Gemach, das für einen Staatsverbrecher und so eingerichtet war, daß sein Bewohner weder entweichen, noch sich das Leben nehmen konnte... Der Gefangene war Wallrave, dem sich Niemand nahen durfte, der weder Löffel, Messer noch Gabel erhielt, und dem selbst Bücher und Schreib- materialien nicht verabfolgt wurden. Nach sieben Jahren erbarmte Friedrich sich des Staatsverräthers; er erhielt ein besseres Gefängniß, in dessen kleinem Garten er sich ergehen und Luft und Sonnenschein genießen konnte. Ermuthigt durch die Milde des Monarchen, wandte der Gefangene sich an ihn mit den Worten des 88. Psalm: „Laß mein Gebet vor Dich kommen; neige Deine Ohren zu meinem Geschrei. Jch liege unter den Todten verlassen, wie die Er- schlagenen, die im Grabe liegen, derer Du nicht mehr gedenkest, und die von Deiner Hand abgesondert sind. Du hast mich in die Grube hinunter geleget, in Finsterniß und in die Tiefe. Meine Gestalt ist jämmerlich vor Elend; Herr, ich rufe Dich an täglich, ich breite meine Hände aus zu Dir. Warum verstößest Du, Herr, meine Seele und verbirgst Dein Antlitz vor mir?“ „Friedrich antwortete ihm mit dem 101. Psalm: „Jch hasse den Uebertreter und lasse ihn nicht bei mir bleiben. Meine Augen sehen nach den Treuen im Lande, daß sie bei mir woh- nen, und haben gern fromme Diener. Falsche Leute halte ich nicht in meinem Hause; die Lügner gedeihen nicht bei mir. Frühe vertilge ich alle Gottlose im Lande: daß ich alle Uebelthäter ausrotte aus der Stadt des Herrn.“ Dreißig Jahre lang saß Wallrave, abgeschieden von der Welt und ihrem Leben, in dieser schweren Haft, bis ihn im Jahre 1776 der Tod aus derselben erlöste. Der Verfassungseid eines Königs. Ein Stück vergessener Geschichte von C. Nissel. Mit dem heraufdämmernden Morgen des 2. Juli 1820 zog aus der Stadt Nola eine kleine Menschentruppe, der kühnen Absicht voll, das Königreich Beider Sicilien von dem schweren Joch der Tyrannei, das ihm Ferdinand I. aufgelegt, zu befreien. Das Unternehmen war allerdings ein wenig groß für die kleine Truppe, welche aus 127 Mann Unteroffizieren und Gemeinen des in Nola garnisonirenden Reiterregiments König Bourbon, unter der Führung zweier Unterlieutenants, Morelli und Sil- vati, und etwa 20 Mann aus dem Civilstande, den Priester Menichini an der Spitze, bestand. Aber die Truppe zog voll Muth und Zuversicht hin- aus, denn man wußte, daß des Zündstoffes genug im Lande vorhanden war, der nur des Funkens bedurfte, um in mächtigem Brande aufzulodern. Die kleine Truppe richtete ihren Marsch von Nola nach Avellino, am hellen Tage mitten durch stark bevölkerte Städte und Flecken, unaufgehalten, mit dem steten Ruf: „Es lebe Gott, König und Verfassung!“ Dieser Ruf, der überall ein lautes Echo fand, wurde gewissermaßen das Losungs- wort der Revolution. Jn Mercogliano wurde Halt gemacht. Morelli erließ von hier aus an den Gouverneur von Avellino, den Oberstlieutenant de Conciliis, ein Schreiben, welches die Aufforderung enthielt, sich der Bewegung anzuschließen. Conciliis, ein geheimer Anhänger der Carbonari, dabei ein sehr reicher und kühner Mann, schwankte zwar einen Moment, aber als er hörte, daß die Bewegung wie ein Lauffeuer um sich greife, trat er mit Morelli in Unterhandlung. Jn einer geheimen Unterredung wurde beschlossen, daß Morelli am 3. Juli seinen festlichen Einzug in Avellino halten sollte. Zwar versuchte die indeß von den geschehenen Dingen benachrichtigte Regierung dagegen einzuschreiten, aber weil bereits von allen Seiten Kunde von Aufständen einliefen, so fand sie weder den nöthigen Gehorsam, noch die zur Bewältigung nöthigen Mittel. Jndeß war jedoch auch die Truppe Morelli's zu einem stattlichen Heere angewachsen, welches sich stündlich verstärkte und auf den Höhen von Monteforte ein Lager bezog. Der Einzug in die Stadt Avellino geschah mit festlichem Gepränge; die Stadtbehörden von Avellino, der Jntendant, der Bischof empfingen die Einziehenden und leiteten sie in die Kirche, wo der Eid, für Gott, König und Verfassung zu streiten, geleistet wurde. Morelli legte dabei die feierliche Erklärung ab, daß die von ihm begonnene Erhebung keine aufrührerische sei, daß der Staat, Gesetz und Ordnung unversehrt bleiben sollten, daß selbst die regierende Familie von ihm nichts zu be- fürchten hätte. Darauf übernahm de Conciliis den Oberbefehl und erließ mit günstigem Erfolge Aufforderungen an die benachbarten Provinzen, der ruhmvollen Erhebung beizutreten. Die Reihen der gegen die Aufständischen aus- geschickten Heeresabtheilung lichteten sich durch den massenhaften Uebertritt der Soldaten zu den Aufständischen, ja ein ganzes Reiterregiment zog mit

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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 32. Berlin, 8. August 1869, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt32_1869/6>, abgerufen am 15.06.2024.