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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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welche aus dem knappen Lederkäppchen vorwalle¬
ten, und bat ihn um ein Darlehn, gerade die Hälf¬
te der Schuld. Flitte gab ihm das Geld und
sagte: "ohnehin restire ich, entsinn' ich mich
recht, noch etwas, Herr Huter." "Es wird sich
finden," sagt' er.

Nach dem Vesperbrod lief ein Bücherverlei¬
her Sturm und Gefahr. Er forderte für ein
Buch a 12 gr. und 12 Bogen genau 2 Thlr. Le¬
segeld auf 2 Vierteljahre. Flitte hatte nämlich
nach seiner Weise, keine Sache abzuborgen, die
er nicht ihrer Bestimmung gemäß wieder verborg¬
te, das Werk so lange umlaufen lassen -- denn
jeder ahmte ihm nach -- daß es verloren war.
Umsonst erbot er sich zum Drittel, zum Kaufe;
der Verleiher bestand auf Lesegeld und fragte, ob
viel mehr als ein Pfennig auf die Seite komme?
Selber Walt suchte den Verleiher von seinem
"Eigennutzen" zu überzeugen. "Eigennützig?
das verhoff' ich eben; vom Eigennutzen lebt der
Mensch," sagte der Verleiher. Flitte ließ ihn
ganz kurz ab- und wild in die nächste Gerichts¬
stube hineinlaufen, nachdem er blos zehn Neu¬

welche aus dem knappen Lederkaͤppchen vorwalle¬
ten, und bat ihn um ein Darlehn, gerade die Haͤlf¬
te der Schuld. Flitte gab ihm das Geld und
ſagte: „ohnehin reſtire ich, entſinn' ich mich
recht, noch etwas, Herr Huter.“ „Es wird ſich
finden,“ ſagt' er.

Nach dem Veſperbrod lief ein Buͤcherverlei¬
her Sturm und Gefahr. Er forderte fuͤr ein
Buch à 12 gr. und 12 Bogen genau 2 Thlr. Le¬
ſegeld auf 2 Vierteljahre. Flitte hatte naͤmlich
nach ſeiner Weiſe, keine Sache abzuborgen, die
er nicht ihrer Beſtimmung gemaͤß wieder verborg¬
te, das Werk ſo lange umlaufen laſſen — denn
jeder ahmte ihm nach — daß es verloren war.
Umſonſt erbot er ſich zum Drittel, zum Kaufe;
der Verleiher beſtand auf Leſegeld und fragte, ob
viel mehr als ein Pfennig auf die Seite komme?
Selber Walt ſuchte den Verleiher von ſeinem
„Eigennutzen“ zu uͤberzeugen. „Eigennuͤtzig?
das verhoff' ich eben; vom Eigennutzen lebt der
Menſch,“ ſagte der Verleiher. Flitte ließ ihn
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[57/0063] welche aus dem knappen Lederkaͤppchen vorwalle¬ ten, und bat ihn um ein Darlehn, gerade die Haͤlf¬ te der Schuld. Flitte gab ihm das Geld und ſagte: „ohnehin reſtire ich, entſinn' ich mich recht, noch etwas, Herr Huter.“ „Es wird ſich finden,“ ſagt' er. Nach dem Veſperbrod lief ein Buͤcherverlei¬ her Sturm und Gefahr. Er forderte fuͤr ein Buch à 12 gr. und 12 Bogen genau 2 Thlr. Le¬ ſegeld auf 2 Vierteljahre. Flitte hatte naͤmlich nach ſeiner Weiſe, keine Sache abzuborgen, die er nicht ihrer Beſtimmung gemaͤß wieder verborg¬ te, das Werk ſo lange umlaufen laſſen — denn jeder ahmte ihm nach — daß es verloren war. Umſonſt erbot er ſich zum Drittel, zum Kaufe; der Verleiher beſtand auf Leſegeld und fragte, ob viel mehr als ein Pfennig auf die Seite komme? Selber Walt ſuchte den Verleiher von ſeinem „Eigennutzen“ zu uͤberzeugen. „Eigennuͤtzig? das verhoff' ich eben; vom Eigennutzen lebt der Menſch,“ ſagte der Verleiher. Flitte ließ ihn ganz kurz ab- und wild in die naͤchſte Gerichts¬ ſtube hineinlaufen, nachdem er blos zehn Neu¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/63>, abgerufen am 14.06.2024.